Kitabı oku: «Bruno, der Schatzsucher», sayfa 3
„Wo kommt ihr denn her, seid ihr wahnsinnig, zu Fuß nach Swakopmund?“, war seine erste Frage.
„Ja, Herr Kruger, es muss halt sein, sonst bekommen wir unsere Kühe nicht zu unserer Siedlung“, antwortete ich.
Wir wurden mit gutem Essen versorgt und im Haus untergebracht. Am nächsten Morgen gab Herr Kruger uns noch mehr Vorräte mit. Außerdem zeichnete er uns eine Skizze von seiner Landkarte ab. Jetzt planten wir neu, der Weg, den Lukas auf der Werft besprochen hatte, wurde korrigiert. Herr Kruger sprach gut Herero, was auch Lukas beherrschte und so konnte er ihm alles noch mal deutlich erklären. Er verfasste auch einen Brief in Herero, da weiter draußen auf dem einen Viehposten Herero-Arbeiter stationiert waren. Sie sollten uns von dort aus weiter die Richtung weisen.
Dank dieser Hilfe gelangten wir schließlich am nächsten Abend bei Ukuib endlich an den Swakop. Hier war die Landschaft viel zerklüfteter. Der Fluss hatte sich über Jahrtausende tief in die Schichten der Wüste gefressen und dabei die verschiedenen Gesteinslagen freigelegt. In der Abendsonne leuchteten die Felswände in allen Braun-, Grau- und auch Rosatönen. Als wir schließlich unten im Flussbett angekommen waren, bereiteten wir uns auf dem Feuer schnell unsere Mahlzeit zu, rollten unsere dünnen Matten im weichen Sand aus und legten uns dann erschöpft unter dem südlichen Sternenhimmel schlafen. Das Feuer brannte die ganze Nacht und die Kühe, die wir angebunden hatten, blieben ganz in der Nähe, damit herumstreunendes Raubwild sie nicht attackieren konnte.
Am Morgen waren wir ganz zeitig wieder auf den Beinen und treckten am und im Swakop, je nachdem, wie das Gelände es zuließ, vorbei an der Farm Dieptal und dann erreichten wir Salem, wo ein Herr Bertram siedelte. Er kannte mich noch von Oranjemund her. Herr Bertram besaß ein BMW-Motorrad und wollte damit am nächsten Tag nach Swakopmund fahren. Er versprach, bei meinen Eltern vorbeizufahren und ihnen zu berichten, dass alles gut ging und wir wohlauf waren. Am nächsten Tag erreichten wir Gaub, wo einige Mischlinge wohnten. Sie nahmen uns sehr gastfreundlich auf und auch sie reichten uns allerhand zu essen.
Der fünfte Treck-Tag brach an und mittags waren wir bei Riet, wo die Familie Brockerhof siedelte. Herr Brockerhof, der selbst nicht da war – seine Familie bewirtete uns jedoch köstlich – war ein alter Schutztruppler, den ich auch kannte. Er lief nämlich einmal im Monat zu Fuß nach Swakopmund, um Post zu holen und Besorgungen zu machen. Dabei kam er regelmäßig an unserer Siedlung vorbei und trank bei den Eltern immer einen Kaffee. Nun wusste ich, dass es nicht mehr allzu weit war und dass die Damara mit ihrem Monat deutlich übertrieben hatten.
Nach dem Mittagessen bei Brockerhofs zogen wir weiter. An dem Abend, wir lagerten gerade zwischen Arcadia-Siedlung und Husab, bekam die dritte Kuh plötzlich Wehen. Mitten in der Nacht kam dann ein gesundes Kälbchen zur Welt. Husab war ein Trockenposten von „Oubaas“ Schieri-Lartz, Pepis Vater. Dort mussten wir dann zwei Tage Rast einlegen, bis das neugeborene Kälbchen kräftig genug war, um den Treck zu begleiten. Trotzdem mussten wir es abwechselnd immer wieder ein Stück weit tragen. Inzwischen waren wir bereits sieben Tage unterwegs und als wir bei der Siedlung von Familie Poser vorbeitreckten, bat ich Frau Poser, im Hansa-Hotel anzurufen und meinem Vater, wenn er dort das Gemüse ablieferte, ausrichten zu lassen, dass wir bald kommen würden. Am Abend des achten Tages erreichen wir dann endlich die elterliche Siedlung – wohlauf mit drei Kühen und drei Kälbern.
Vater war erleichtert und freute sich. Dass er stolz auf mich war, zeigte er, indem er mich immer wieder damit aufzog, dass ich drei Tage länger gebraucht hatte, als er berechnet hatte. Zwei Jahre später kaufte er vier neue Kühe bei Herrn Kruger auf Ubib und schickte mich und Lukas wieder los. Diesmal brauchten wir nur ganze drei Tage, um die Strecke zu schaffen.
Nach dem ersten Treck hatten wir dank der neuen Kühe natürlich viel Milch, die wir an die Milchwirtschaft Nonidas zu „Oubaas“ Schieri-Lartz lieferten. Ich stand also morgens eine Stunde früher auf, melkte drei Kühe und gab die Milchkannen, die ich mir an die Lenkstange hängte, dort ab. Mittags, auf dem Rückweg, nahm ich dann die leeren Kannen wieder mit. So gab es also noch mehr für mich zu tun als ohnehin schon. Aber die Eltern brauchten jeden Penny. Der Gemüseanbau wurde mehr und mehr, die Nachfrage war groß. Mutter konnte das alleine nicht mehr schaffen und so kündigte Vater schließlich bei dem Elektrizitäts-Werk, um sich ganz auf der Siedlung einzubringen. Er fuhr jeden Dienstag und auch freitags mit dem umgebauten Nash-Bakkie nach Swakopmund und lieferte die Bestellungen ab.
Jeder Tag war ausgefüllt. Neben den Arbeiten auf der Siedlung mussten täglich die Schulaufgaben erledigt werden. Dann kam noch der Konfirmandenunterricht bei Pastor Schmidt dazu. Zusätzlich einmal in der Woche nachmittags zwei Stunden und dann musste ich auch noch am Sonntag zur Kirche gehen, an dem ich bisher meinen Ruhe- und Fischfangtag gehabt hatte. Meist hatte ich das Glück, dass eine benachbarte Siedlerfrau am Sonntag Milch ablieferte und so konnte ich oft mit ihr mit dem Auto mitfahren. Sie hatte so auch einen Grund, private Besuche zu machen, bis ich aus der Kirche kam. Wenn das Wetter gut war, wartete Billy schon auf mich, damit wir wenigstens am Nachmittag noch zum Angeln fahren konnten.
An einem dieser Angeltage erzählte mir Billy von einem seiner Eisenbahnkollegen, der kürzlich verstorben war. Kurz vor dessen Pensionierung fuhr er mit seinem Motorrad am Strand entlang, um zu angeln. Er war etwas kränklich, hatte Asthma, fuhr aber trotzdem regelmäßig an diesen Strandabschnitt. Eines Tages, auf der Rückfahrt, sah er ein Stück von einem hölzernen Schiffsrumpf aus den strandnahen Wogen ragen, darauf einen Schiffsnamen eingebrannt. Er schrieb diesen Namen auf seine Zigarettenschachtel und fuhr heimwärts. Zu Hause berichtete er seiner Frau davon und gab ihr die Schachtel zur Aufbewahrung. Kurz darauf verstarb er und seine Frau hatte Billy nach der Beerdigung die Schachtel gegeben. Die Ehefrau war gleich wieder zurück nach Südafrika gegangen, wo die Familie ursprünglich hergekommen war. Billy gab mir dann die leere Schachtel mit der Aufschrift und ich verstaute sie zu Hause in meinem Kleiderschrank.
Meistens kam ich spät nach Hause, wenn ich mit Billy angeln war. Aber es gab dann immer frischen Fisch und auch das Kleingeld stimmte.
Anmerkung: Viele Jahre später fand ich bei irgendeiner Sucherei den abgerissenen Deckel der alten Zigarettenschachtel wieder und erzählte einem befreundeten Anwalt von dieser Geschichte. Wir gingen nicht weiter auf die Sache ein, aber es ließ ihm doch wohl keine Ruhe und am nächsten Morgen rief er mich an und sagte: „Bruno, bring mir den Deckel doch mal ins Büro, wir sollten vielleicht einige Nachforschungen anstellen.“ Ich brachte den Deckel also zu ihm. Da der Name, der auf dem alten Stück Schiffsrumpf gestanden hatte, portugiesisch klang, beauftragte er seine Sekretärin zunächst einmal, einen Brief an das portugiesische National-Archiv in Lissabon zu schreiben. Sie sollten uns informieren, ob sie Kenntnis von einem Schiff mit diesem Namen hatten. Wir hatten den Vorfall längst vergessen, als viele Monate später die Antwort aus Portugal eintraf. Mein Freund rief mich eiligst in sein Büro. Das Segelschiff war tatsächlich unter der Flagge Portugals, sie teilten uns das genaue Jahr Ende des achtzehnten Jahrhunderts mit, auf Handelsreise nach Indien gefahren. Auf der Rückreise muss es zwischen Angra Pequena und Cape Frio untergegangen sein. Die letzte Rollenmeldung war nachweislich in Angra Pequena abgegeben worden, das Schiff war aber nie am nächsten Stützpunkt, Cape Frio, angekommen. Das Archiv Lissabon hatte eine Liste der Ladung beigelegt. Diese bestand aus sechshundert Kilogramm Elfenbein, vierhundert Kilogramm Goldbarren und noch sehr vielen anderen Edelsachen. Immer wieder habe ich daraufhin an der von Billys Kollegen beschriebenen Stelle nach weiteren Hinweisen am Strand gesucht, leider ohne Erfolg. Meine Suche war allerdings aus Zeit- und Geldmangel auch nie besonders intensiv gewesen.
Eines Tages in den Ferien kam Pastor Schmidt auf seinem Motorrad zu Besuch. Er blieb zu Mittag und wie gewöhnlich fing dann gegen eins der Südwest-Wind zu wehen an. Gegen drei Uhr blies er dann aber so heftig, dass der Pastor unmöglich mit dem Motorrad fahren konnte. Vater sagte: „Bruno, lade das Motorrad auf den Nash und bringe den Pastor heim.“ Ich gab zu bedenken, dass ich ja noch keinen Führerschein besaß. Vater sagte: „Wenn der Pastor nicht heimkommt, hat er ganz andere Sorgen, also lasst euch nicht erwischen und bringe bitte noch die Post mit.“ So fuhr ich mit Pastors Segen das erste Mal selbständig in die Stadt hinein. Zuerst lud ich den Pastor bei der Kirche ab, danach fuhr ich zur Post, die in derselben Straße lag wie das Magistratsgebäude und die Polizeistation. Angeberisch, wie ich mich fühlte, fuhr ich dann auch noch zu Kurt und besuchte ihn im Schülerheim. Alles ging gut und ich kam ohne Probleme wieder zu Hause an. Von da ab fuhr ich auch oft allein mit dem Motorrad in die Stadt. Führerscheinlos, wie ich war, verließ ich mich dabei immer „auf Pastors Segen“. Bald war es die normalste Sache der Welt und es war allseits bekannt, dass Bruno in Swakopmund herumfuhr. Ich wurde niemals erwischt.
Das Problem kam dann erst, als ich sechzehn Jahre alt wurde und nun tatsächlich den Führerschein machen musste. Zuerst musste man einen Lehrschein beantragen, den man ohne Fahrprüfung bekam. Mit Lehrschein durfte man dann in Begleitung eines erwachsenen Führerscheininhabers das Fahren üben. Wenn man das gut genug konnte, prüfte die Polizei die Fahrtüchtigkeit. Erst dann erhielt man den eigentlichen Führerschein.
Ich fuhr also mit dem Auto in die Stadt, parkte vor der Post und ging zu Fuß rüber zur Polizei, um zunächst einmal meinen Lehrschein zu organisieren. Sergeant Venter war der oberste Polizeiwachtmeister. Er kannte meine Eltern gut und mich natürlich auch.
„Guten Morgen Sergeant“, sagte ich freundlich.
„Kann ich dir helfen, Bruno?“, fragte er.
„Sergeant, die Zeit ist gekommen, ich bin jetzt sechzehn und brauche nun einen Führerschein.“
Sergeant Venter fiel der Stift aus der Hand: „Du hast gar keinen Führerschein? Und fährst schon seit zwei Jahren hier mit dem Auto herum? Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dich eingesperrt!“
„Sergeant, Sie haben ja nie gefragt und ich hatte einfach Glück.“
„Geh sofort rüber zum Magistrat Maritz und hole dir dort den Lehrschein!“
„Sergeant, der Herr Maritz ist nicht besonders freundlich, der macht bestimmt Probleme.“
Sergeant Venter verdrehte die Augen und stöhnte: „Ich komme mit!“
So marschierten wir zum Magistrat. Er entnervt vorneweg und ich hinterher. Und schon tratschten die Leute auf der Straße, dass der Bruno Hoppe wohl eingelocht werden solle.
Beim Magistrat Maritz angekommen, sagte der Sergeant barsch: „Gib Bruno einen Lehrschein!“
„Was, der hat gar keinen Führerschein?“
Der Sergeant antwortete, dass dies nicht sein Problem sein sollte und so stellte mir Magistrat Maritz widerwillig einen Lehrschein aus. Zum Glück war ich dort nicht alleine anmarschiert, das wäre mit Sicherheit nicht gut gegangen.
Der Sergeant fragte mich: „Wie bist du hergekommen?“
„Natürlich mit dem Auto, das steht bei der Post.“
„Nun ja, dann kannst du mich jetzt prüfungshalber auch gleich zum Eggers-Hotel fahren!“
Ich tat wie geheißen und Sergeant Venter setzte sich an die Bar im Hotel und unterschrieb auf dem Lehrschein, dass ich die Fahrprüfung bestanden hatte. Er sagte: „So, nun kannst du deinen Führerschein holen und danach holst du mich hier wieder ab.“
Eine halbe Stunde später war ich wieder beim Magistrat und gab den offiziell von der Polizei unterschriebenen Lehrschein wieder ab, um nun den Führerschein zu erhalten. Der Blick von Magistrat Maritz sprach Bände, als er mir ein Pfund Gebühr abrechnete, den Führerschein ausstellte und dann „raus!“ brüllte.
Inzwischen war Billy im Hotel zum Sergeanten an die Bar gestoßen und die beiden tranken gemütlich ein Bier zusammen. Ich sagte: „Ich habe den Führerschein, Sergeant, und kann Sie nun zurück zur Polizeistation fahren.“
„Du bezahlst die Rechnung hier zur Strafe“, sagte er und stand auf. Als ich vor der Polizeistation hielt und der Sergeant ausgestiegen war, rief ich noch: „Danke und bis Morgen dann!“
„Du Lump, ich will dich hier nicht wiedersehen“, war die Antwort.
Diesen Gefallen konnte ich dem Sergeanten jedoch leider nicht tun. Am nächsten Morgen lieh ich vorsorglich das Motorrad von Billy und erschien wieder auf dem Polizeirevier.
„Guten Morgen!“, rief ich fröhlich. Grimmig fragte er: „Was willst du schon wieder hier?“
Als ich sagte „Sergeant, ich brauche doch nun auch noch einen Motorradführerschein“, dachte ich, dass er gleich platzen würde.
Die ganze Prozedur vom Vortag wiederholte sich also. Zum Glück fanden wir anstelle des Herrn Magistrat Maritz nur eine freundliche Dame vor, die keinerlei Probleme bereitete. Sergeant Venter war inzwischen darauf gekommen, dass mein Motorrad ja nicht angemeldet, also nicht lizensiert sein konnte, da ich bisher noch keinen Führerschein besessen hatte. Schlau und voller Vorfreude fragte er mich, wo ich denn heute parke und ich solle doch einmal vorfahren. Als ich dann mit Billys angemeldeten Motorrad vorfuhr, ärgerte er sich gewaltig: „Seit wann stecken die Engländer mit den Deutschen unter einer Decke?“
Den Kommentar überhörte ich und sagte: „Bedauerlicherweise kann ich heute nicht beim Eggers-Hotel vorfahren, da Billy sein Motorrad dringend zurück braucht, außerdem habe ich nach den ganzen Ausgaben jetzt kein Taschengeld mehr übrig, um Drinks zu bezahlen.“
Nachdem ich dann endlich den Motorradführerschein in der Tasche hatte, fuhr ich schnell zurück zur Nonidas-Station und brachte Billy seine Maschine zurück.
Am nächsten Tag fuhr Vater Gemüse in die Stadt und wurde von allen möglichen Leuten angesprochen, was sein Sohn denn ausgefressen hätte, da er ja mehrmals in den vergangenen Tagen im Schlepptau von einem wütenden Polizisten ins Magistratsgebäude musste.
Sergeant Venter und ich waren noch lange Stadtgespräch und -gelächter.
3. Kapitel
Farmleben auf Krumhuk
Nach der Schulzeit blieb ich vorerst auf der Kleinsiedlung und half Vater. Er hatte als gelernter Schlosser viele Aufträge in der Nachbarschaft. Ich erhielt dadurch viel Kenntnis über Motoren.
Pastor Schmidt kam ein bis zwei Mal wöchentlich zu uns. Er hatte Magenprobleme und sein Arzt hatte ihm verschrieben, viel Buttermilch zu trinken. Da wir selbst absahnten und butterten, hatten wir immer Buttermilch übrig. Manchmal lieferten wir sie auch direkt in der Kanzlei ab.
Bei einer dieser Ablieferungen sagte Pastor Schmidt, dass er ernsthaft mit mir sprechen wolle. Ich setzte mich also gespannt ihm gegenüber. „Bruno, du kannst melken, mit Vieh umgehen, du kannst Motoren reparieren und vieles mehr. Ich habe einen Vorschlag. Zufällig habe ich gehört, dass Herr Dieter Voigts von der Farm Krumhuk bei Windhoek einen Mitarbeiter sucht. Sie haben dort eine Rinderzucht mit Milchwirtschaft, auch eine kleine Schafherde und zur Farm gehört sogar das Hotel Aris und ein Store, wo die Leute aus der Umgebung einkaufen. Das wäre was für dich.“
Meine Eltern fanden den Vorschlag auch gut und der Pastor kontaktierte Herrn Voigts, der dann wollte, dass ich mich so schnell wie möglich auf den Weg nach Krumhuk machte. An dem darauffolgenden Sonntag ging ich das letzte Mal mit Billy angeln und traurig nahmen wir Abschied voneinander. Mutter organisierte mir die Wäsche, sie packte selbstgestrickte Strümpfe ein, dazu neue Arbeitskleidung, ein paar neue Hemden, Hosen und eine gute Jacke.
Nachdem ich mich am Vorabend von allen Nachbarn und von den Eltern verabschiedet hatte, brauste ich in aller Früh mit meinem Motorrad in eine mir bis dahin völlig fremde Gegend und in ein neues Leben. Die gesamte Strecke bestand aus Schotterpisten, trotzdem erreichte ich um zwei am Nachmittag die Hauptstadt Windhoek. Mit staubtrockener Kehle hielt ich beim Hansa-Hotel an und bei einem Bierchen an der Theke erkundigte ich mich nach dem Weg zum Hotel Aris.
Das Hotel lag einige Kilometer südlich von Windhoek und, dort angekommen, teilte mir der Geschäftsführer mit, dass ich an der Farm Krumhuk bereits vorbeigefahren sei und dass das Ehepaar Voigts gar nicht da sei, da sie auf ihrer Süden-Farm weilten, wo sie Schafe hielten. Der Verwalter sollte aber auf Krumhuk sein und mich empfangen. Ich machte mich sogleich auf den Weg, da es inzwischen schon später Nachmittag war und erreichte dann das schöne Steinhaus der Farm Krumhuk. Der Verwalter stand auf der Veranda und begrüßte mich. Er zeigte mir mein Zimmer, mit eigenem Bad und Toilette in einem der schönen, großen Nebengebäude. Er bat mich, zum Abendbrot ins Haupthaus zu kommen. Ich parkte mein Motorrad vor meinem Zimmer und packte meine Sachen ab. Dann ging ich rüber zum Haupthaus.
Katrina, die Köchin, servierte das Abendessen. Alles ging recht vornehm zu, was ich nicht gewohnt war. Der Verwalter erzählte, dass er aus persönlichen Gründen Krumhuk in einigen Tagen verlassen und nach Windhoek ziehen würde. Zum Abschluss des Mahls servierte Katrina jedem noch einen Teller Dickmilch, dazu eine große heiße Schokolade. Damit wir besser schlafen konnten, wie sie sagte. Als ich schließlich erschöpft ins Bett fiel, war ich voller Neugier auf den kommenden Tag.
Morgens, es war noch halb dunkel, war ich bereits aus den Federn. Alles war still. Ich lief über den Hof zu den Ställen. Außer vier Pferden, die dort standen, waren diese jedoch leer. Die Pferde beäugten mich neugierig und wunderten sich wohl, was der hier so früh machte. Ich lief zu den Garagen und sah mich auch hier um, plötzlich kam jemand um die Ecke: „Guten Morgen, Mister“, sagte Katrina, die Köchin, Kaffee ist gleich fertig.“ Sie sauste in die Küche und klapperte mit Geschirr.
Der Verwalter kam und schnauzte mit Katrina: „Was polterst du immer so laut rum? Guten Morgen, Bruno, Frühstück gibt es um halb acht.“ Zwei Arbeiter kamen, grüßten und gingen zu den Pferdeställen. Wir folgten ihnen und der Verwalter stellte mich als den neuen Mister vor, der seinen Platz bald einnehmen würde. Sie beäugten mich mit unergründlichem Blick und fuhren fort, zwei Pferde zu satteln, stiegen auf und preschten davon. Der Verwalter erklärte mir, dass sie die Milchkühe zum Melken vom Feld hertreiben würden. Es dauerte nicht lange und der ganze Farmhof war voller Leben. Die Kälber waren über Nacht im Gehege oder „Kraal“, wie wir sagten, gewesen. Auch sie fingen nun an zu blöken, um ihre Mütter zu rufen. Ich kannte das von zu Hause nicht, da wir die Kälber nicht bei den Kühen saugen ließen, sondern ihnen aus Eimern Milch gaben. Mir war klar, dass ich noch viel lernen und auch umlernen musste. Nach einem Rundgang gingen wir ins Haus und frühstückten erst einmal reichlich.
Mit riesigem Gemuhe waren inzwischen auch die Milchkühe aufgetaucht, dazu alle anderen Arbeiter. Ich war überrascht, wie hier gemolken wurde. Vier Kühe kamen in den „Melkkraal“ zu den Kälbern. Diese rannten gleich auf ihre Mütter zu und begannen, an den Eutern zu saugen. Zur gleichen Zeit wurden bei den Kühen die Hinterbeine mit einem Riemen zusammengebunden. Dann gab der Melker dem Kalb mit einem Stock einen Klaps auf die Nase, so dass es vom Euter abließ. Nun konnte er mit dem Melken beginnen. Nachdem in etwa das halbe Euter ausgemolken war, wurde dies wieder dem Kalb überlassen, damit es sich satt trinken konnte. Ich konnte beobachten, dass die Kälber von Kühen, die sich nur schwer hantieren ließen, fetter und runder waren, da sie am Ende immer mehr Milch abbekamen als diejenigen von Kühen, die sich problemlos melken ließen.
Dann fuhren wir zum Viehposten und sahen nach der Wasseranlage. Hier standen ein Windmotor und ein Dieselmotor. Wenn kein oder zu wenig Wind wehte, musste mit Dieselmotor und Pumpenbock gepumpt werden, was wohl ziemlich oft vorkam. Nachdem wir noch weitere Teile der Farm abgefahren waren, kamen wir gegen Mittag wieder zum Farmhaus zurück. Krumhuk war wunderschön gelegen, die Landschaft war teils leicht hügelig, teils auch richtig gebirgig mit schönen Ausblicken in die weiten Täler der Dornbuschsavanne. Es standen viele alte, knorrige Kameldorn-Bäume an den kleinen Trockenfluss-Läufen, die sich überall ihren Weg in die Ebene suchten.
Inzwischen war es halb zwölf und die Melker waren nun fertig mit dem Melken der vielen Kühe. Wenn die Milch abgekühlt war und in Kannen abgeseiht, wurde sie in den großen Kühlraum gestellt. Gegen zwei Uhr wurde die Milch dann von einem Kühlwagen abgeholt und zur Molkerei nach Windhoek gebracht.
Am Nachmittag fuhren wir wieder hinaus zu einem anderen Posten, wo Arbeiter damit beschäftigt waren, Draht für einen neuen Zaun zu spannen. Diese Arbeiten mussten kontrolliert werden und schon war der erste aufregende Tag vorbei und es wurde Abend. Ich war sehr angetan von meinem neuen Arbeitsplatz – Krumhuk war gut organisiert und eine richtige Vorzeigefarm.
Der zweite Morgen war dann meine Generalprobe als neuer Verwalter. Dieser war nämlich bereits im Dunkeln nach Windhoek gefahren, weil er dort wichtige Besorgungen zu erledigen hatte. Als ich zu Arbeitsbeginn in den Kraal kam, waren nur zwei Melker anwesend. Der Vorarbeiter aus Rehoboth erzählte mir, mit einem Grinsen im Gesicht: „Mister, heute Probleme, zwei Melker sind nicht da. Der eine krank und anderer weiß ich nicht.“
Ich überlegte kurz und sagte dann: „Hör zu, Petrus, du spannst die Kühe und bringst die Kälber raus und ich melke.“
„Ei, Mister, denkst du, das geht?“
„Los, fang an!“, befahl ich und Petrus brachte die erste Kuh.
Die beiden glotzten erstaunt, dass ein Weißer so gut und schnell melken konnte und das sprach sich wie ein Lauffeuer herum. Katrina kam aus der Küche und brachte mir in einer Thermoskanne den Kaffee und ein paar Schnitten Brot. „Atata, Mister, du melkst besser als die ganze faule Bande zusammen!“, sagte sie und ging strahlend zurück zur Küche. Sogar der „Weiß nicht“-Melker eilte plötzlich doch noch zur Arbeit, um sich das Schauspiel anzuschauen. Ich schickte ihn zurück nach Hause und sagte: „Du ruhst dich besser noch aus heute und kommst erst morgen wieder. Dieser Tag wird dir aber vom Lohn abgezogen!“
An dem Tag waren wir eine ganze Stunde früher fertig als am Vortag und mehr Milch hatten wir auch noch in den Kannen. Als der Verwalter mittags aus Windhoek zurückkam, nahm er mich schmunzelnd zur Seite und sagte: „Nun hast du einen Vorsprung, Katrina hat mir vom Melken erzählt und hat gesagt, alles ging so gut, dass man mich hier gar nicht mehr brauchen würde.“
In den nächsten Tagen war es meine Aufgabe, den Melkbetrieb zu beaufsichtigen. Meist packte ich mit an, da es mir bis zum heutigen Tag schwerfällt anderen beim Arbeiten nur zuzusehen. Gerade melkte ich eine der schönsten Friesenkühe, die besonders viel Milch gab, als ich hörte, wie der Vorarbeiter am Tor mit jemandem sprach: „Ja, Mister, wir haben neuen Melkjungen eingestellt und der kann das viel besser als wir.“
Ich melkte die Kuh fertig, goss die Milch in die Kanne und stellte mich dann meinem neuen Arbeitgeber, Herrn Dieter Voigts, vor.
Wir gingen zum Haus, wo ich mich auch Frau Ursula vorstellte, die bereits von Katrina alles von dem neuen, komischen Mister berichtet bekommen hatte. Natürlich hatte sie dabei maßlos übertrieben.
Herr Dieter brachte mir als Erstes bei, wie man die Jungbullen kastrieren und die Schaffelle richtig aufspannen musste. An dem einen Viehposten weideten zu der Zeit fünfhundert schwarze Karakulschafe. Die Lammfelle waren für die Pelzindustrie bestimmt und mussten sorgfältig behandelt werden, damit sie vor der Verarbeitung keinen Schaden nahmen. Diese Felle waren das Gold des Südens. Viele Groß-Schaffarmer wurden richtig reich mit der Produktion dieser wertvollen Lammfelle.
Nur das Schlachten habe ich nie richtig gelernt. Es widerstrebte mir ein Leben lang, auch das Verarbeiten der geschlachteten Tiere fiel mir immer schwer und ich drückte mich davor, wenn ich nur irgendwie konnte.
Manchmal fragte ich mich, warum Herr Dieter eigentlich nicht Tierarzt geworden war, so wie er die Tiere auf Krumhuk medizinisch versorgte. Er konnte operieren, holte zum Beispiel auch mal Drahtstücke aus zwei Rindermägen, die die Tiere beim schnellen Fressen aus Versehen verschluckt hatten. Er impfte und spritzte wie ein Spezialist. Ich guckte mir viel ab bei ihm und er brachte mir eine Menge über Tiermedizin bei.
Ich hatte dann auch alle Pumpmotoren auf der gesamten Farm gewartet, mit neuem Öl versorgt und teilweise repariert, so wie den alten Lister-Motor beim äußeren Aris-Posten. Petrus staunte, dass der neue Mister, neben dem Melken, dies auch noch alles konnte. So ging er davon aus, dass ich auch mit Sicherheit gut reiten könne: „Mister Bruno, nächste Woche müssen wir das Vieh zusammentreiben. Du musst mit uns reiten.“ Nun steckte ich in der Klemme, wollte mir keine Blöße geben und sagte zaghaft: „Ja, ja, natürlich …“ Auf dem Esel war ich bereits bei Onkel Gustav geritten, fiel dabei viele Male runter, lernte dann aber mich ganz gut zu halten. Einmal war ich mit einer Siedlertochter nach Brockenfels geritten, aber das war sehr lange her. Was sollte ich nur tun? Auch meinem Chef, Herrn Dieter, mochte ich nichts sagen. In meiner Not wandte ich mich an Frau Ursula. „Das bekommen wir schon hin, Bruno, machen Sie sich keine Sorgen.“
Am Abend vor dem Viehtrieb brachte man alle Pferde, die zu reiten waren, in den Stall. Frau Ursula rief Petrus zu sich und sagte: „Petrus, meinen Fuchs darf ja niemand außer mir reiten, aber du weißt doch, dass ich zurzeit nicht reiten darf. Bringe ihn bitte in einen separaten Stall, Mister Bruno wird ihn morgen reiten beim Viehtrieb. Der Fuchs muss auch mal bewegt werden.“
Als der Fuchs dann im Stall stand, rief Frau Ursula mich. Es war ein prächtiges Pferd. Er kam sofort schnaubend zu Frau Ursula angetrabt, sie stellte mich „Fuchs“, der tatsächlich auch so hieß, vor und ich gab ihm eine Extraportion Hafer. Dann zeigte sie mir, wie ich ihn zu putzen hatte und gab mir noch weitere Ratschläge. Am nächsten Morgen trafen wir uns zeitig vor allen anderen in der Küche und gingen gleich darauf in den Stall. Fuchs wieherte freudig, als wenn er sich auf den Tag mit dem Viehtrieb freute. Frau Ursula legte das Geschirr an und gab mir den Sattel von Herrn Dieter. Ihr Sattel war speziell für sie angefertigt und den durfte kein anderer benutzen. Fuchs wurde gesattelt und ich musste aufsitzen. Angesichts meiner Unbeholfenheit konnte Frau Ursula dann doch ein Schmunzeln nicht verkneifen. Aber ich war oben und Fuchs spitzte die Ohren. So ritt ich in früher Dämmerung über den Hof, Trab, Galopp und wieder Schritt, dann alles nochmal und nochmal. Dann wieder zurück in den Stall. Keiner hatte etwas bemerkt, auch Herr Dieter nicht.
Die geschwätzige Katrina kam erst, als ich bereits wieder abgesattelt hatte. Alle trafen sich zu einem frühen Frühstück. Die Pferde wurden gesattelt und als keiner auf mich achtete, saß ich schnell auf und dann ging es los zu den Posten. Die Rinder wurden von den verschiedenen Weiden in die Kraale an den Posten getrieben. Zum Glück kannte Fuchs die Arbeit, ich brauchte nicht viel zu tun, außer darauf zu achten, dass ich den Anschluss nicht verpasste und nicht runterfiel. Gegen zwölf am Mittag machten wir bei einem Posten Rast. Es wurde abgesattelt und Herr Dieter brachte uns mit dem Auto Essen und Tee. Nach einer Stunde Rast ging es weiter, bis wir erschöpft am Abend zu Hause ankamen. Fuchs bekam von mir Extrahafer und trockene Luzerne. Das hatte er sich wahrlich verdient, nachdem er es mit mir den ganzen Tag über ausgehalten hatte.
Insgesamt dauerte der Viehtrieb vier Tage, da wir in Aris und auch auf der benachbarten Farm Mittelhof, die ebenfalls zum Familienbesitz gehörte, die Rinder zählen und sortieren mussten. Herr Dieter hatte einen sehr durchdachten und gut organisierten Betrieb.
In der nächsten Woche kam ein Herr Schwermer mit seiner Frau aus Deutschland zu Besuch. Er hatte mal vor dem Krieg, Ende der dreißiger Jahre, auf Krumhuk gearbeitet. Zur Kaiserzeit war er kaiserlicher Rittmeister gewesen und inzwischen ein älterer, aber immer noch sehr stattlicher Herr. Petrus hatte mir bereits von diesem großen Herrn erzählt, der auf wundersame Weise mit Pferden umgehen konnte und, wie er sagte, den Tieren sogar das Tanzen beibringen konnte.
Inzwischen ritt ich auch mit den anderen Pferden von Krumhuk, suchte mir aber immer die fügsamsten aus und verwöhnte diese dann heimlich mit Sonderrationen Futter und Streicheleinheiten. Selten noch fuhr ich mit dem Laster zu den Posten, außer wenn Reparaturen gemacht oder Futter und Salz gefahren werden mussten. Es gab auch eine schöne Pferdekutsche mit zwei ausgebildeten Kutschpferden. Mit der Kutsche fuhren wir dann regelmäßig nach Aris zum Hotel und zum Laden dort, um einzukaufen und die Post zu holen.
Als ich eines Tages zum Posten wollte und an der Veranda des Haupthauses vorbeikam, stand Herr Rittmeister Schwermer dort. Ich ritt ganz stolz vorbei und grüßte höflich. Als ich zwei Stunden später zurückkehrte, ließ er mich wissen, dass er mich sprechen wollte.
Er fragte: „Sag mal, Junge, willst du richtig reiten lernen und lernen, etwas von Pferden zu verstehen?“
Ganz kleinlaut stammelte ich: „A … aber ich kann doch reiten, zumindest bilde ich mir das ein.“
„Ja, ja, die Antwort habe ich erwartet, aber so wie ihr hier alle reitet und mit Pferden umgeht, das ist katastrophal.“
„Also, wenn das so ist und ich genügend Zeit dafür von der Arbeit freimachen kann, will ich das gerne lernen“, sagte ich. Ich wusste ja nicht, was auf mich zukommen würde.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.
