Kitabı oku: «Reise durch den Stillen Ozean», sayfa 5
IV
IM INDISCHEN OZEAN
Um das Kap herum. Segeln vor dem Sturm. Die Krozet Islands. Unsere Typhusepidemie steigt. Gedrückte Stimmung. Zur Naturgeschichte der Seeleute. Albatrosse und sonstige Vögel. Ventilationseigenthümlichkeiten.
Am 31. Januar passirten wir bei gutem Winde das Kap der guten Hoffnung in 44 Grad südlicher Breite, nachdem wir kurz vorher an Tristan da Kunha vorübergesegelt waren, ohne den Inselvulkan in Sicht zu bekommen.
Wir gingen bis hart an die Grenze des antarktischen Treibeises, beinahe bis zum 50. Grad hinab, um erst in der Höhe von Neuamsterdam uns wieder etwas nördlich zu wenden. Es wurde nun ziemlich kalt, was wir um so bitterer empfanden, verweichlicht durch das äquatoriale Dampfbad der letzten Wochen. Das Thermometer sank Nachts bis auf zehn Zentigrade trotz des Hochsommers der südlichen Hemisphäre.
Mächtige Tangmassen trieben in gleicher Richtung mit uns ostwärts, von Ferne schwimmenden Inseln oder Schiffstrümmern ähnlich. Selten gelang es mir, mit dem nachschleppenden Haifischhaken einzelne Aeste derselben, oft gegen zehn Meter lang, aus dem Meere zu angeln. Eine Menge von Lepadinen und Balaniden, von höheren Krustern und von Mollusken, von Bryozoen und von Polypen, die Passagiere dieser natürlichen Fahrzeuge, wurden dann meine Beute.
In Bezug auf die Windverhältnisse war die Fahrt durch den tiefen Süden des Indischen Ozeans der günstigste Theil unserer ganzen Reise. Häufig hatten wir Sturm von hinten, und dann flogen wir förmlich in grandiosen und langsamen Galoppsprüngen vor den in Kolonnen nachrückenden Wogen her. Die Masten krachten und bogen sich unter dem Druck der gerefften Marssegel. Die vollgespannte Fock schien das Schiff aus dem Wasser lüften zu wollen. Hoch empor spritzte unter dem Steven der Gischt, zu zischenden Schaumhügeln nach beiden Seiten auseinandergepflügt, und über Berg und Thal schlängelte sich hinter uns die schäumende Spur des Weges, den wir im Fluge gemacht. Unwillig rauschte das Meer. Ganze Gebirgsketten wälzten sich mit uns vorwärts. Aber wir liefen allen voran, eine nach der anderen wurde geschlagen, und sie hatten das Nachsehen.
Nur die Krozet Islands verdarben uns auf kurze Zeit die Freude. Wir wollten dicht an ihnen vorüber fahren, aber sie wollten nichts von uns wissen und umhüllten sich mit einer Nebelkappe. Man konnte keine Schiffsbreite sehen, und wir mussten umkehren, beim schönsten Wind umkehren und beidrehen. Wir hatten entschieden Pech. Kaum dass einmal der Wind uns günstig war, stellte sich so ein unnützes Pack kahler Inseln entgegen. Zum Glück klarte nach zwei Tagen die Luft wieder auf und erlaubte Kurs zu steuern. Abgerechnet einige windstille Tage gab es jetzt keine Unterbrechung mehr.
Das Rollen des Schiffes wurde zuweilen wieder so stark, dass ich mich in meiner Koje feststauen musste, um schlafen zu können. An der einen Seite den Sack mit Kamillenthee, an der andern den Sack mit Scharpie, gegen die barbarische Kälte mit allen disponiblen Decken und Mänteln belastet, so bot ich den Schrecken der nächtlichen Stürme Trotz, fest entschlossen nothwendigen Falles lieber im Bett als draussen in der ungemüthlichen freien Natur zu ersaufen, unbekümmert um die Bücher, den Stuhl und etliche Kistchen, welche von einer Wand der Kammer zur anderen purzelten. Nur wenn die Gläser oben in ihren Stellen stärker zu rütteln begannen, machte ich mich los aus meiner Verpackung und klemmte die Papierkeile fester, welche sie hielten.
Seekrankheit gab es aber jetzt nicht mehr an Bord. Auch der Verzagteste war seefest geworden. Man freute sich der wilden Fahrt. Ein Liederkranz hatte sich gebildet und suchte mit dem Toben des Sturmes zu wetteifern, und mitten durch das Rauschen der See, das Brausen des Windes und das Stöhnen des Schiffes schallte trotzig und herausfordernd das alte schöne Kriegslied »Ich bin ein Preusse, kennt ihr meine Farben« in die aufgeregte Natur hinaus, gesungen von dem ganzen Mischmasch unserer Nationalitäten.
Wenn nur nicht aus den Hospitälern das Wimmern des Fieberwahnsinns als schriller Misston dazwischen gedrungen wäre. Unsere Typhusepidemie griff immer mehr um sich. Mein Journal zeigte am Ende der Reise 94 Nummern, alle, auch die leichtesten und deshalb zweifelhaften Fälle mitgezählt. Kaum war die erste Doppelbestattung vorüber, so folgten andere nach, und wir mussten noch fünf Leichen mehr über Bord werfen. Diese gräuliche Epidemie, für den Kapitän die Gewissheit, dass wir auch unter den fortan günstigsten Umständen eine aussergewöhnlich schlechte Reise machten, für mich die unerfreuliche Aussicht, mit der ganzen Zwischendecksgesellschaft, die ich schon so satt hatte, in Quarantäne zu kommen, die immer schlechter werdende Beschaffenheit des Proviants und des Wassers – all dies war geeignet, gar oft die schwärzeste Stimmung heraufzubeschwören. Solange der Wind uns günstig war, und wir rasch vorwärts segelten, ging es noch leidlich. Als jedoch einmal wieder Windstille eintrat und zwei, drei Tage nicht weichen wollte, wirkte die Verzögerung deprimirend wie noch nie. Die Nähe des Frauenhospitals, in welches ich, weil es am besten eingerichtet war, die schwersten Kranken ohne Unterschied des Geschlechts zusammenlegte, wurde dann bei der herrschenden Ruhe doppelt unangenehm, und oft konnte ich nicht schlafen in der Nacht von dem ewigen Geschrei und Gewimmer, das in meine Kammer herüberdrang. Es machte mich nervös immer und immer wieder dieselben quälenden Laute zu hören.
In keiner Lage habe ich die Misere der ärztlichen Unzulänglichkeit schmerzlicher empfunden als damals. Nicht darin liegt ja die Härte des ärztlichen Standes, worin der Laie sie meist zu vermuthen pflegt, in der Aufopferung an Zeit und Mühe, an Schlaf und Erholung, in all den abscheulichen und ekelhaften Dingen, mit denen man in Berührung kommt, sondern in der Unvollkommenheit und Ohnmacht der sogenannten Heilkunde. »Ihr durchstudirt die gross und kleine Welt, um es am Ende gehn zu lassen wies Gott gefällt.« Das Durchstudiren ist sehr schön, dass Gehen lassen müssen aber ist unerträglich.
Am unglücklichsten fühlte sich der Kapitän über unser Missgeschick. Es war nun Alles ganz anders gekommen als er gewünscht hatte. Von Ersparnissen, mit welchen er bei seinem Rheder sich einzuschmeicheln gehofft, keine Rede. Wir mussten froh sein, wenn wir mit unserem Wasser knapp bis Neuseeland reichten, da der Kondenser bei stürmischer Witterung nicht arbeiten konnte. Ich war fast täglich gezwungen, eine Menge Brot, welches sich als verdorben erwies, über Bord werfen zu lassen, und hatte bereits seit längerer Zeit alle Spirituosen und feineren Esswaaren der Euphrosyne für meine Kranken in Beschlag genommen. In der Kajüte herrschte jetzt absolutes Teatotalerthum. Dass mir Solches ohne sonderliche Kämpfe gelang, war dem zerknirschten Zustand des Kapitäns, welcher seine tobsüchtigen Neigungen gänzlich lähmte, zu verdanken.
Der Kapitän war im Grunde ein guter Kerl, aber eben ein Kauffahrteischiffer und von dem ganzen Elend dieses bemitleidenswerthen Standes verbittert und verbost. Er hatte erst kurz vorher geheirathet, und die Sehnsucht nach seiner jungen Frau zu Hause zehrte fortwährend an ihm. Wie oft verfluchte er seinen jugendlichen Leichtsinn, der ihn vor zwanzig Jahren auf das Meer getrieben. Wie oft schwor er, den ersten besten Erwerb auf dem Lande zu ergreifen, wenn er nur kein Wasser mehr zu sehen brauchte. Er besass nichts von jener Schwärmerei für die Poesie des Meeres, die den Seeleuten von Laien manchmal angedichtet wird. Ich habe überhaupt noch keinen älteren, reiferen Seemann kennen gelernt, der an einer derartigen Schwärmerei gelitten hätte, und nichts kann lächerlicher klingen, als was gelegentlich der traurigen Schillerkatastrophe an den Scilly-Inseln dem unglücklichen, mit den 337 Opfern seines Leichtsinns rühmlich untergegangenen Kapitän Thomas in irgend einer Zeitung von irgend einem überspannten Frauenzimmer in den Mund geblaustrumpft worden ist – »Ich kenne nur eine einzige Liebe, und das ist mein Schiff, mein Schiff ist mir meine Braut« oder wie das dumme Zeug gelautet haben mag.2
Man muss einen Seemann, insbesondere der Kauffahrtei, viel milder beurtheilen als andere Menschen. Der bösen Einflüsse, die ungünstig auf seinen Charakter wirken, sind zu viele. Jenes erfahrungsgemäss auf jeder längeren Seereise eintretende Stadium der üblen Laune, in dem sich Alles gegenseitig anärgert, bleibt sogar auf Kriegsschiffen mit ihrer strammen Disziplin nicht aus, und die Marineärzte haben dafür einen eigenen Namen »Mania navalis« erfunden.
Während der Atlantik wie ausgestorben gewesen war, belebte sich östlich vom Kap die See wieder mit Möven und Seeschwalben, mit Kaptauben, Sturmvögeln und Albatrossen.
Den Albatrossen wird bekanntlich von den Schiffern aufs Emsigste nachgestellt. Leider ist ihre Zahl dadurch schon merklich verringert, und in hundert Jahren werden sie zu den ausgestorbenen Geschöpfen gehören. Trotz dieser zur Schonung auffordernden Erwägung konnte auch ich mich nicht enthalten, ihren Fang zu versuchen.
Schon bei Tristan da Kunha hatten einzelne sich sehen lassen. Der Ruf »O was für ein grosser Vogel« zog mich hinaus auf Deck, und mein erster Albatross schwebte majestätisch über die Wogen.
Rastlos über Wellenberg und Wellenthal, kaum merklich hie und da die in gerader Linie steif ausgespannten Flügel bewegend, senkrecht bald nach links bald nach rechts geneigt mit den Flügelspitzen die Wellenkämme ritzend, verfolgte in weit gebogenen und gewundenen Linien das gewaltige Thier mühelos unsere Fahrt. Andere gesellten sich ihm bei, schon von ferne erkennbar als geradlinige in der Mitte zu einem Knoten anschwellende kreuz und quer in der Luft hin und her balanzirende Stäbe. Es lag etwas Räthselhaftes in ihrer Stetigkeit und Ruhe, mit der sie gegen den scharfen Wind – nicht kämpften, sondern gelassen und ohne Anstrengung dahinglitten.
Von nun an schleppte stets eine Albatrossangel hinten nach, aber fünf Wochen ohne etwas zu fangen. Die Seeleute hatten zwar jedesmal Gründe zur Hand, warum sie nicht bissen. Einmal weil die Fahrt zu rasch, das andere mal weil zu langsam, heute war das Wasser zu durchsichtig, morgen wieder zu trübe. Ich wusste bereits, was von dieser Weisheit zu halten sei, und es war mir kein geringer Triumph, mit der Flinte einen Albatross zu erbeuten, lange ehe jene mit der Angel einen erwischten.
Als wir eines Tages hart beim Winde segelten, flogen sie zuweilen hoch oben quer über das Schiff, etliche Sekunden schweben bleibend um das Deck zu rekognosziren. Trotz der spöttischen Zweifel des Kapitäns und trotz der äusserst störenden Schaukelbewegung des Bodens lud ich eine gewöhnliche sehr starke Schrotflinte mit doppeltem Pulvermass und der gröbsten Schrotsorte, und schoss, und ein riesiger Albatross plumpste mit gebrochenem Flügel neben mich herab. Dies war übrigens nur ein reiner Zufall. Denn so oft ich auch später das Kunststück zu wiederholen versuchte, und wenn ich auch öfter noch traf, was an dem wegfliegenden Flaum zu erkennen war, die Schrote drangen nie wieder durch, sondern prallten an dem dichten Gefieder ab, und das Ziel meiner erfolglosen Bestrebung entfernte sich schwänzelnd, als ob es ein Kitzeln und Prickeln fühlte.
Mehr als zwanzig Albatrosse zu gleicher Zeit waren wohl nie in Sicht, und an manchen Tagen waren sie ganz verschwunden. Zuweilen flogen sie so nahe hinter dem Achterdeck vorbei, dass man glaubte sie greifen zu können, für einen Moment in der Verkürzungslinie der Flügel ein höchst komisches plumpes Profil zeigend und immer gierig spähenden Blicks. Zuweilen blieben sie weit zurück und verfolgten uns Tage lang nur von Ferne. Warf man ihnen ein Stück Fleisch oder Speck über Bord, so setzte sich gleich der Nächste aufs Wasser nieder und paddelte eifrig darauf zu.
Wenn sie sich setzen wollten, stemmten sie, um die Schnelligkeit ihres Fluges zu hemmen, ihre beiden Schwimmfüsse ausgebreitet dem Wasser entgegen, und oft liessen sie schon lange vorher die sonst knapp an den Schwanz gelegten Füsse herabbaumeln und verriethen so ihre Absicht. Sassen sie endlich, so wurden die langen Flügel langsam und bedächtig zusammengefaltet, wobei sie dieselben seltsam ungeschlacht krümmten. Nicht so ganz leicht schien es ihnen, wieder aufzufliegen. Sie paddelten erst mit Flügeln und Beinen spritzend eine halbe Schiffslänge über die Wasserfläche, ehe sie sich in die Luft erhoben. Und auch sonst paddelten sie zuweilen darüber hin ohne sich zu setzen, wenn sie vielleicht etwas sahen, von dem sie noch nicht recht wussten ob es sich der Mühe verlohnte.
Setzte sich einer, so kamen auch die anderen und setzten sich neugierig zu ihm nieder und leisteten ihm Gesellschaft, wahrscheinlich weniger aus gegenseitiger Zuneigung als vielmehr aus dem höchst egoistischen Instinkt, dass es beim Kameraden etwas zu fressen gebe. Dann stritten sie sich erst eine Zeit lang herum, klapperten ärgerlich und neidisch mit den langen Schnäbeln wie Störche und packten sich auch wohl damit an den Hals, um nach zehn Minuten die von den Wellen geschaukelte Versammlung aufzuheben und auseinander zu fliegen.
Unsere ewig nachschleppende Angel mit einem wallnussgrossen Stück Speck und entsprechendem Haken erregte häufig entschieden ihr lebhaftes Interesse. Aber nur bei einer Fahrt nicht schneller als vier Seemeilen die Stunde war für sie die Möglichkeit anzubeissen gegeben. Wir liessen dann die über zwei Schiffslängen messende Leine in dem Grade ablaufen als das Schiff sich von dem Köder entfernte.
Wie oft jagten uns ein paar Albatrosse in die grösste Aufregung indem sie herangeschwommen kamen und nach ihm schnappten. Aber entweder schnappten sie zu vorsichtig, oder sie pickten uns den Speck von der Angel, so dass wir den leeren Haken einzogen, oder sie waren gefasst, rissen sich aber gleich wieder los. Oder es kam vielleicht gerade im kritischen Augenblick der höchsten Erwartung ein stärkerer Windstoss, wir rauschten schneller durchs Wasser, und der Albatross konnte mit der besten Absicht der Angel nicht mehr nachrudern. Einmal postirte sich einer dummdreist schon ziemlich weit vor ihr hin und wartete auf sie, bis sie herangeschleppt kam, mehrmals wüthend nach der gespannten Leine beissend, aber er war nicht flink genug und die Angel entging ihm.
Endlich, endlich bissen sie aber doch, und zwar auf einmal wie verrückt. Wir hatten das schönste Haifischwetter, das man sich denken kann, kaum so viel Wind, um noch zu steuern, einen blauen wolkenlosen Himmel, glatte langsam dünende See und einen aussergewöhnlich hohen Barometerstand, der den Kapitän in Verzweiflung brachte.
Die Albatrosse strichen träge über die Dünung und setzten sich heute häufiger aufs Wasser. Eine ganze Flottille von Albatrossen schwamm schliesslich hinter uns her. Die Angel wurde wieder ausgeworfen und war sofort der allgemeine Zankapfel. Einer der grössten schnappte zu, und die Angel sass. Frohlockend, aber behutsam zogen wir ihn ein, während seine Gefährten verwundert ihm nachguckten. Vergebens stemmte sich der unglückliche Vogel mit Flügeln und Beinen gegen das Wasser. Es half ihm nichts, er musste heran, und wir hoben ihn an der Leine zu uns herauf.
Kaum hatten wir den Haken abermals ausgeworfen als auch der zweite eingezogen wurde. Die dummen Thiere geberdeten sich heute ganz wahnsinnig, sie stritten sich förmlich um den Vorrang des Geangeltwerdens, klapperten mit den Schnäbeln und kreischten ärgerlich, so oft wieder einer von ihnen entführt wurde. In der kürzesten Zeit hockte ein Dutzend friedlich nebeneinander auf dem Kajütsdach. Zweien gelang es, sich von dem Haken los zu machen, da wir nicht stetig genug einholten. Der Widerstand, den sie trotz allen Schlegelns und Stemmens mit Flügeln und Füssen leisteten, war erstaunlich gering. Das Merkwürdigste aber war mir, dass kein einziger, auch später nicht, gefangen wurde, indem er die Angel verschluckte, wie die Fische, und wie ich nach den gehörten Erzählungen erwartet hatte. Sie hingen alle einfach nur mit der hakenförmig gekrümmten Schnabelspitze an dem Angelhaken.
Anfänglich sassen sie verdutzt in einer Reihe auf dem Dach der Kajüte, machten nicht den geringsten Versuch zu entfliehen und staunten die Volksmenge an, die sich um die Wunderthiere versammelt hatte. Hie und da kam dann einem plötzlich ein dunkler Bewegungsimpuls, er erhob sich auf die Beine, ein paar andere folgten seinem Beispiel, aber gleich darauf klappten sie wieder zusammen, als ob sie zum Stehen zu schwach wären. Die meisten, nicht alle, spieen sich und entleerten ihren flüssigen Mageninhalt auf den Boden.
Ich wählte den grössten und schönsten zum Abbalgen aus und vergiftete ihn mit Zyankalium. Er liess sich ruhig den Schnabel öffnen und die tödtliche Gabe mit einer Pinzette in den Rachen schieben. Nach einer Minute neigte er sanft sein Haupt und starb. Zwei andere, die jüngsten, erschlugen wir, um von ihrem Fleisch uns herrliche Beefsteaks zu bereiten. Nicht die Spur eines thranigen Beigeschmacks. Nach den drei Monaten Salzfleisch und Büchsenfleisch gehörten jene Albatrossbeefsteaks zu den höchsten kulinarischen Genüssen meines Lebens. Sämmtliche drei Albatrossmagen, die ich untersuchte, enthielten die nämliche Nahrung, Pyrosomen und Sepien. Diese Sepien scheinen also auf der Meeresoberfläche ziemlich häufig zu sein. Auch in den zwei Haifischmagen die ich erhielt, fand ich nur Reste von solchen.
Die übrigen Albatrosse liessen wir laufen, das heisst, wir warfen sie über Bord, worauf sie fröhlich von dannen flogen. Seeleute behaupten, Albatrosse könnten von festem Boden nicht auffliegen. Dies ist nur in so fern wahr, als das Deck eines Schiffs niemals Raum genug bietet um den nöthigen Anlauf zu gestatten. Ich fing später einen Albatross, der ganz abweichend von den Gewohnheiten seiner Art nicht blöde sitzen blieb, sondern mehrmals aufzufliegen versuchte. Er stiess sich aber immer wieder am Geländer oder am Kompasshäuschen oder an einem Bündel Tau oder an einem Poller. Ohne solche Hindernisse auf einem freien Platz würde er leicht in die Höhe gekommen sein. Alle die Albatrosse, die wir fingen, waren voll von Läusen. Also auch auf den azurenen Wogen des Ozeans diese Plage, nicht blos im Zwischendeck bei den Polaken.
Es giebt eine Menge von Albatross-Arten und Varietäten, die vielleicht noch gar nicht vollständig gesichtet sind. Die grosse und auffälligste Art, die wir angelten, zeigte allein schon zahllose Abstufungen in der Farbe des Gefieders vom jungen fast vollständig dunkelbraunen bis zum alten fast vollständig weissen Individuum. Die Bleichung schien bei allen am Rücken zwischen den Flügeln in Form eines nach hinten verlängerten Trapezoids zu beginnen und von dort sich zuerst nach dem Bauch und dem Kopf zu verbreiten.
Ausser dieser grossen verfolgten uns oft noch zwei andere kleinere Arten, eine weisse mit schwarzen Flügeln und schön orangefarbenem Schnabel und eine ganz schwarze mit weissgerändertem Schnabel. Von den letzteren schoss ich einmal zwei Exemplare aufs Deck herab. An Kaptauben sahen wir niemals eine beträchtlichere Anzahl. Häufiger waren die niedlichen Sturmvögel, die uns namentlich bei unruhiger See schaarenweise begleiteten.
Um dieselbe Zeit ungefähr fing ich zum ersten mal Pyrosomen oder Feuerwalzen mit dem Schleppnetz. Es sind dies sackförmige Thierkolonien aus der Klasse der Tunikaten, von etwa 20 Zentimeter Länge und 5 Zentimeter Durchmesser. Bei Tage sieht man sie kaum, bei Nacht aber leuchten sie, so dass man das Netz auf sie dirigiren kann. Brachte ich die wurstartigen Gebilde in einen Eimer und liess sie ruhig stehen, so erloschen sie bald und waren unsichtbar, stiess man aber an den Eimer, so erglühten sie und leuchteten mit grünlichem Schein, hell genug, um bei dem Licht von drei oder vier Stück ohne sonderliche Anstrengung lesen zu können. Deshalb sind sie auch fast nur im strudelnden und schäumenden Kielwasser zu bemerken.
Jetzt da unsere Reise sich ihrem Ende näherte, beschäftigte mich noch ein anderer Gegenstand, der sich auf die Ventilation von Schiffen bezog. Schon oft hatte ich von Seeleuten gehört, dass im Innern eines segelnden Schiffes stets ein Luftstrom in der dem Winde entgegengesetzten Richtung wehe. Um diese sehr paradox klingende Behauptung, welche sich auf Erfahrungen über den Weg, den Gerüche aus dem Laderaum nehmen, stützte, zu untersuchen, benutzte ich, da ich leider kein Anemometer besass, und ein solches bei den vielen sich kreuzenden lokaleren Luftströmchen auch vielleicht kein deutliches Bild der Bewegung im Allgemeinen gegeben hätte, die Temperatur der Luft an verschiedenen Stellen des Zwischendecks, von der wohl nicht zu bestreitenden Annahme ausgehend, dass sie da wo sie kälter sei, ein-, und da wo sie wärmer sei, ausströmen müsse.
Einen der Missionäre hatte ich schon bei Madera beauftragt, täglich dreimal die Stände der vier Thermometer, von welchen einer oben in der Kajüte und drei im Zwischendeck vertheilt waren, sowie die jeweilige Richtung des Windes zum Schiff zu notiren. Wenn ich auch hiebei die Entdeckung machen musste, dass dieser protestantisch orthodoxe Apostel des Glaubens gleich seinen drei Kollegen weniger ein Mann von Intelligenz und Bildung als ein zum Predigen und Vorbeten und zum Fanatismus abgerichteter Bauernkerl war, so gelang es mir doch nach einigen mühseligen Anleitungen, ihm das Geheimniss des Thermometerablesens beizubringen.
Ich stellte nun die Aufzeichnungen zusammen und fand zu meiner Genugthuung jene interessante Eigenthümlichkeit theilweise bestätigt. So oft wir mit vierkant gestellten Raaen vor vollem Winde segelten, war hinten im Schiff die Luft wärmer als vorne, das heisst, hier kam sie an, nachdem sie bereits das ganze Zwischendeck durchzogen hatte. Namentlich in den Weststürmen des südlichen Indischen Ozeans zeigten sich die konstantesten Unterschiede bis zu zwei Zentigraden. Erklären liess sich dies vielleicht dadurch, dass beim Segeln vor dem Winde von den Untersegeln meist nur das vorderste, die Fock, ausgespannt ist, während die beiden anderen aufgegeit oder festgemacht sind, und dass in Folge dessen der Luftstrom, der über das Schiff fegt, von der schräge nach vorne geneigten Ebene der Fock nach unten und in die vorderste Zwischendeckslucke zurückgeworfen wird. Nicht ganz so deutlich waren die Resultate, wenn wir beim Winde segelten, und ich werde mir diesen Theil der Angelegenheit künftighin nochmal vornehmen müssen.
Am 5. März erreichten wir die Länge von Tasmanien unter 49 Grad südlicher Breite. Gegen Abend bekamen wir wieder flauen Wind, und ich warf mein Netz über Bord, zum ersten mal ohne etwas Makroskopisches zu fangen. Als ich Wasser in einem Eimer heraufholte und mit der Hand bewegte, glitzerte es darin von hundert leuchtenden Punkten wie gewöhnlich.
Es galt die Frage zu entscheiden, sollen wir den näheren aber weniger sicheren Weg durch die Cooksstrasse nach Wellington einschlagen, oder auf dem weiteren aber glatteren um die Südspitze der Südinsel Neuseelands herumgehen. Der Kapitän wählte das Letztere, und wir behielten unseren Kurs Ost zu Nord bei.