Kitabı oku: «Seewölfe Paket 15», sayfa 26
Le Testu schrie die Piraten an, sie sollten gefälligst das Boot in Bewegung bringen und hinter dem flüchtigen Gefangenen herpullen.
Sein Ton paßte den Piraten offensichtlich nicht. Sie bewegten sich ziemlich träge, und als einer von ihnen sah, daß die anderen Boote, vom Schuß alarmiert, gewendet hatten und auf sie zufuhren, stellten sie ihre Bemühungen, hinter dem Gefangenen herzupullen, ganz ein. Das Geschrei des Straßenräubers beeindruckte sie nicht im mindesten. Sie gehorchten nur einem, und das war ihr Kapitän Pierre Servan.
Mit vor ohnmächtiger Wut zusammengepreßten Lippen wartete Le Testu, bis die anderen Boote heran waren. Montbars hatte die Muskete neu geladen und zielte wieder aufs Wasser. Er wußte, mehr als zwei Minuten konnte es kein Mensch unter Wasser aushalten. Gleich mußte der Engländer wieder nach Luft schnappen, und dann würde er ihm ein Ding verpassen, daß er ohne Kopf an Land schwimmen mußte.
Sein Pech war nur, daß er sich zum zweiten Male verschätzte. Wieder sah er den Rotschopf des Engländers für Sekunden zu spät. Er mußte den Lauf der Muskete ein ganzes Stück schwenken, und in dieser Zeit hatte der Kerl nach Luft geschnappt.
Wieder peitschte die Kugel etwa eine Unterarmlänge vom Kopf des Engländers entfernt ins Wasser und stieß eine kleine Fontäne hoch. Die Entfernung war schon ziemlich groß, und bei dem kleinen Ziel war es eigentlich ein sehr guter Schuß gewesen.
Doch Montbars wurde von seiner Wut fast aufgefressen. Er warf mit einer heftigen Bewegung die Muskete einfach über Bord und starrte den anderen Booten entgegen. Aus seinen Haaren lief ihm immer noch das Wasser ins Gesicht.
„Der Gefangene ist geflohen!“ brüllte Le Testu den anderen Booten entgegen. In dem ersten entdeckte er Servan. „Ihre verdammten Leute haben es nicht für nötig befunden, ihn zu verfolgen!“
Pierre Servan, der seinen ganzen Plan zusammenfallen sah wie ein Kartenhaus, begann zu toben. Er donnerte seine Leute, die sich an Bord von Le Testus Boot befanden, zusammen, daß ihnen Hören und Sehen verging, aber das änderte nichts mehr an der Tatsache, daß der Gefangene endgültig entwischt war.
Als Servans Boot neben dem Le Testus lag, hatte sich der Kapitän der untergegangenen „Antoine“ einigermaßen wieder beruhigt.
„Wir werden unseren Plan nicht aufgeben“, sagte er gepreßt. „Wir brauchen den Gefangenen nicht. Wer weiß, ob sie nicht trotzdem auf uns geschossen hätten. Wir werden die Dunkelheit abwarten und dann versuchen, eine der beiden Galeonen zu kapern. Wir werden so lautlos vorgehen, daß die Deckswachen erst merken, was los ist, wenn sie schon unsere Messer an ihren Kehlen spüren.“
Das war eine Rede nach Le Testus Sinn. Allerdings fragte er sich, wie Servan die beiden Galeonen in der Bucht von Sillon de Talbert bis zum Einbruch der Dunkelheit erreichen wollte. Er fragte ihn danach.
Servan winkte wütend ab.
„Wenn wir nicht in der Abenddämmerung da sind, werden wir eben mitten in der Nacht oder im Morgengrauen angreifen“, sagte er. Mit einer abrupten Handbewegung befahl er seinen Bootsgasten, die Riemen aufzunehmen und loszupullen. Er warf noch einen kurzen Blick zur Küste hinüber. Sie war ziemlich weit entfernt, und er glaubte nicht, daß es der Engländer schaffen würde, sie zu erreichen. Durch das lange Tauchen mußte er sich völlig verausgabt haben.
Le Testu dachte das gleiche. Er sah, wie Montbars immer noch die Wasseroberfläche zur Küste hin beobachtete, aber auf diese Entfernung konnte es schon sein, daß die leichte Dünung des Wassers ein erneutes Auftauchen des Gefangenen ihren Blicken entzogen hatte.
Le Testu war überzeugt davon, daß der Engländer besser daran getan hätte, bei ihnen an Bord zu bleiben. So würde er wahrscheinlich jämmerlich ersaufen. Aber er hatte sich das schließlich selbst ausgesucht.
Ferris Tucker dachte nicht daran, Le Testu den Gefallen zu tun und abzubuddeln.
Nachdem er das drittemal aufgetaucht war und diesmal keine Kugel an sich vorbeizischen sah, wußte er, daß die Piraten ihn nicht mehr schnappen würden. Er hatte sich auf den Rücken gelegt, so daß nur noch sein Gesicht aus dem Wasser ragte, und schaute zu den Booten zurück, die jetzt alle dicht beisammen lagen.
Dann wollte Ferris jubeln, als die Boote abdrehten und in der bisherigen Richtung weiterfuhren, aber er verschluckte sich und mußte ziemlich stark husten, daß er schon dachte, die Piraten würden wieder auf ihn aufmerksam werden.
Er wartete noch eine Weile und ruhte sich aus, dann schwamm er mit kräftigen Arm- und Beinbewegungen auf die felsige Küste zu. Im Hochgefühl seiner gelungenen Flucht fühlte er sich prächtig. Das einzige, was ihm Sorgen bereitete, war die Absicht der Piraten, die „Hornet“ und die „Fidelity“ zu kapern. Doch dann schüttelte er diesen Gedanken erst einmal ab. Er mußte an das Näherliegende denken, und das war seine Flucht.
Er war froh, daß er die Axt behalten hatte. Wenn sie ihn auch immer noch beim Schwimmen behinderte, vermittelte sie ihm doch ein Gefühl der Sicherheit. Wenn er weiteren Piraten von den versenkten Schiffen an Land begegnete, konnte er sich wenigstens zur Wehr setzen.
Er landete in einer kleinen felsigen Bucht, und als er einen Blick hoch warf, stellte er fest, daß er sich einen ziemlich ungünstigen Ort ausgesucht hatte.
Die Felsen stiegen steil auf. Nirgendwo entdeckte er einen Pfad oder wenigstens ein schmales Felsband, über das er die Felswand erklettern konnte.
Er fluchte unterdrückt, daß er nicht schon vom Wasser aus darauf geachtet hatte, an einer günstigeren Stelle an Land zu schwimmen.
Er kletterte über die scharfgratigen Felsen, die ins Meer ragten, um vielleicht in der daneben liegenden Bucht eine bessere Möglichkeit zu finden, die Steilwand der Küste zu erklimmen. Er riß sich die Hände an den Felsen auf, aber einen Erfolg konnte er nicht verbuchen. Auch in der nächsten kleinen Bucht war die Felswand steil und glatt.
Es nutzt alles nichts, dachte Ferris. Irgendwo in der Wand werde ich schon Halt finden.
Er ging auf die Steilwand zu und sah, daß er mit seiner Vermutung recht hatte. Er dachte an einen der Franzosen von der „Mercure“, der aus Grenoble stammte und schon oft in den Bergen der Alpen herumgeklettert war. Der Mann hatte ihm erzählt, daß Felswände nur von weitem glatt aussehen. Es gäbe überall Risse und Spalten, an die man sich klammern könne.
Seine Hände schmerzten zwar, aber er biß die Zähne zusammen. Mitten in der Wand verschnaufte er und blickte zurück aufs Meer. Weit im Osten konnte er die kleinen Punkte der Piratenboote erkennen.
Die hole ich nie wieder ein, dachte er wütend und setzte seine Kletterei fort.
Dann hatte er den Rand des Steilhanges erreicht. Als er den Kopf über den Rand schob, kriegte er einen gewaltigen Schrecken.
Zwei große braune Augen starrten ihn aus einem länglichen grauen Gesicht an. Dann blähten sich die Nüstern, und ein lautes „Määäh“ dröhnte ihm in den Ohren.
Hastig zog er sich hoch und sprang auf die Beine. Das Schaf glotzte ihn an. Er hörte das scharfe Gebell und zog seine Axt aus dem Gürtel. Ein Collie hetzte auf ihn zu und kläffte ihn wütend an. Der Hund jagte das Schaf zurück zur Herde, dann kehrte er um und blieb knurrend und lauernd vor Ferris stehen.
Ein schriller Pfiff rief ihn zurück.
Ferris sah hinter der Herde einen Mann. Er hob die Hände zum Gruß. Der Mann erwiderte die Geste, und Ferris ging zu ihm hinüber. Er wurde von dem Schäfer mißtrauisch betrachtet. Immer wieder glitt der Blick des Bretonen zu Ferris’ Axt, die er zurück in den Gürtel gesteckt hatte.
Mit Händen und Füßen versuchte Ferris, dem Mann zu erklären, was ihm geschehen war, aber der verstand nur Brathering. Auf einmal ging jedoch ein Leuchten über sein Gesicht, und zwar, als Ferris auf Englisch zu fluchen begann.
Er wies mit ausgestrecktem Arm nach Osten.
„Anglais! Anglais!“ rief er immer wieder.
Engländer? dachte Ferris. Hatte der Kerl die beiden Galeonen in der Bucht von Sillon de Talbert gesehen und sie als englische Schiffe erkannt?
„Bateau?“ fragte Ferris.
Der Bretone schüttelte den Kopf.
„Hommes anglais“, sagte er. Seine Aussprache war fürchterlich. Wahrscheinlich sprach er noch weniger Französisch als Ferris, wie die meisten Bretonen.
Englische Männer, dachte Ferris. Mein Gott, meinte er vielleicht Hasard und seine anderen Kameraden? Waren sie der Fährte der Piraten gefolgt, um ihn zu befreien?
„Wo?“ stieß er auf Französisch hervor. „Wie viele Stunden?“ Er hielt dem Schäfer seine rechte Hand entgegen, damit dieser ihm an seinen Fingern die Anzahl der Stunden zeigen konnte, vor denen er die Engländer gesehen hatte.
Der Bretone bog den Zeigefinger von Ferris, und der verstand. Er hätte am liebsten vor Begeisterung laut gebrüllt. Eine halbe Stunde vor ihm!
„Merci!“ rief er und begann schon zu laufen. Die Aussicht, seine Kameraden so bald schon wiederzusehen, verlieh ihm neue Kräfte. Mit weitausholenden Schritten brachte er die beiden ersten Meilen hinter sich, aber als er dann immer noch nichts von Hasard und den anderen sah, begann er unterdrückt zu fluchen.
Dann dachte er daran, daß Hasard vielleicht in dem Fischerdorf erfahren hatte, daß die Piraten mit den Booten ostwärts aus der Bucht gesegelt waren, und er hatte sich denken müssen, was sie im Schilde führten. Also hatte Hasard ein höllisches Tempo vorgelegt, um noch rechtzeitig in der Bucht von Sillon de Talbert aufzutauchen, bevor die Piraten Ben Brighton oder George Baxter überraschen konnten.
Ferris begann zu laufen. Das Seitenstechen brachte ihn fast um, aber dann war es von einem Moment zum anderen verschwunden. Er spürte seine Füße schon nicht mehr, als er endlich weit vor sich ein paar Punkte sah.
Keuchend blieb er stehen und starrte hinüber. Kein Zweifel, das mußte eine Gruppe von Männern sein. Ferris schätzte sie auf ungefähr zwanzig.
Das können sie sein, wenn Terry und seine Leute bei Hasard sind, dachte er.
Er begann wieder zu laufen, bis ihm die Zunge heraushing. Sein breiter Brustkasten hob und senkte sich unter heftigen Atemzügen. Er wollte brüllen, aber er hatte sich so sehr verausgabt, daß er nur noch ein heiseres Krächzen hervorbrachte.
Dann erkannte er, daß die Männer stehengeblieben waren. Einer von ihnen fuchtelte mit den Armen, und dann lief ihm jemand entgegen.
Hölle und Haferbrei! dachte Ferris Tucker erleichtert. Endlich haben die verdammten Kerle mich bemerkt!
Er setzte sich wieder in Bewegung. Die ersten Schritte ging er wie auf Eiern, dann taumelte er Dan O’Flynn entgegen, der ihn mit seinen Adleraugen als erster erkannt hatte.
„Ferris, verdammt!“ brüllte Dan ihm entgegen. „Wie bist du den Teufeln entwischt?“
Ferris Tucker wartete, bis Dan bei ihm war und ihm den Arm unter die Achsel schob, um ihn zu stützen.
„Keine langen Reden jetzt“, sagte er keuchend. „Bring mich zu Hasard. Ich hab ihm eine Menge zu erzählen.“
Er sah die Freude in den Augen seiner Kameraden, als sie ihn lebend wiedersahen, und es tat seinem Herzen wohl. Doch dann berichtete er Hasard, was die Piraten planten, und ihre Gesichter wurden wieder ernst.
„Wir müssen die ganze Nacht durchmarschieren“, sagte Hasard schließlich gepreßt. „Dennoch werden wir die Bucht nicht vor dem Morgengrauen erreichen.“
„Können wir Ben und Baxter nicht mit einem Musketenschuß warnen?“ fragte Carberry grollend.
Hasard schüttelte den Kopf.
„Jeder in die Luft abgefeuerte Schuß würde sie nur irritieren“, erwiderte er. „Woher sollen sie wissen, daß wir sie warnen wollen? Vielleicht nehmen sie dann an, daß wir an Land in einen Kampf verwickelt sind, und richten ihre Aufmerksamkeit auf die Küste, statt auf ihr Schiff. Nein, wir können sie nicht warnen. Wir müssen so schnell wie möglich zu unseren Booten zurück, damit wir eventuell noch in den Kampf eingreifen können.“
„Endlich mal ein paar vernünftigen Vorschläge“, ließ sich Easton Terry vernehmen. „Auf diesen Gedanken hätten Sie allerdings schon am Morgen verfallen können, Mister Killigrew. Mir scheint, Sie sollten mehr auf die Cleverness Ihrer Leute vertrauen, statt wie ein Kindermädchen hinter ihnen herzulaufen.“
„Mann!“ stieß Carberry zornig hervor, und diesmal war Hasard zu langsam, um ihn zurückzuhalten. Ehe jemand sich bewegen konnte, hatte Carberry Terry vorn am Hemd gepackt und hob ihn vom Boden hoch.
„Carberry!“
Hasards scharfe Stimme ließ den Profos zusammenzucken. Er starrte in das blasierte Gesicht Terrys und erkannte in den grauen, kalten Augen des Mannes, daß Hasard ihm mit seiner scharfen Zurechtweisung wahrscheinlich das Leben gerettet hatte. Als er Terry losließ und einen Schritt zurücktrat, sah er seine Vermutung bestätigt. Terry hatte seine Pistole gepackt und die Waffe schon halb aus dem Gürtel gezogen.
„Sie werden sich umgehend für Ihr Verhalten entschuldigen, Profos!“ sagte Hasard scharf.
Im ersten Augenblick fühlte sich Carberry gedemütigt, aber als er Hasard anblickte, erkannte er, daß es für ihn keine andere Wahl gab.
„Entschuldigen Sie, Sir!“ sagte Carberry steif. „Die Pferde sind mit mir durchgegangen.“
Bevor Easton Terry etwas erwidern konnte, sagte Hasard: „Ich werde den Mann für sein Vorgehen züchtigen, Mister Terry. Es wird ein Exempel dafür werden, daß man Ihnen mit dem gebührenden Respekt zu begegnen hat.“
Terry setzte sein abfälliges Lächeln auf. Seine grauen Augen behielten ihre Kälte bei. Terry begriff, daß Hasard ihm mit diesen Worten den Wind aus den Segeln genommen hatte, denn wenn er vorher von ihm gefordert hätte, Carberry wegen seiner Handgreiflichkeit gegen einen Offizier an die Rah zu hängen, hätte Hasard mit mächtigen Schwierigkeiten rechnen müssen, hätte er dieser Bitte nicht entsprochen.
„Ich möchte Sie aber bitten, Mister Terry“, fuhr Hasard kalt fort, „Ihre Provokationen mir und meinen Männern gegenüber zu unterlassen. Denken Sie daran, daß wir gemeinsam eine Aufgabe zu bewältigen haben. Sie sollten Ihre persönliche Animosität mir gegenüber zurückstellen, bis wir unseren Auftrag erledigt haben. Dann stehe ich Ihnen sehr gern zur Verfügung.“
Das war eine offene Herausforderung, und Terrys Lächeln verschwand. Er preßte die Lippen aufeinander und schwieg.
Hasard gab den Befehl zum Aufbruch. Sie durften keine Zeit verschwenden, wenn sie Ben Brighton und George Baxter noch rechtzeitig warnen wollten.
9.
Die Nacht war schon fast vorüber. Im Osten zog ein schmaler grauer Streifen über dem Land hoch.
Die Riemen der Fischerboote tauchten fast lautlos ins Wasser der leicht gekräuselten See.
Pierre Servan starrte durch die Dunkelheit auf die beiden nur schemenhaft zu erkennenden Schatten der englischen Galeonen. Er wußte, daß es gefährlich war, was er gewagt hatte, denn die Zeit war denkbar knapp geworden.
Wenn seine Berechnung aufging, würden die Engländer einen Angriff von. Westen erwarten. Deshalb war er in der Dunkelheit dicht unter Land an den Galeonen vorbeigefahren, um seinen Angriff von Osten zu starten.
Jetzt sah es so aus, als würde seine Rechnung aufgehen. Noch war das graue Licht der Dämmerung im Osten nur ein schmaler Streifen, der nicht ausreichte, um die Konturen der Boote aus dem Dunkel zu reißen.
Servan fragte sich, was aus den Engländern geworden war, die sie bis zur Fischerhütte verfolgt hatten. Bis dorthin jedenfalls hätten sie ihren Spuren folgen können, und er war überzeugt, daß sie es getan hatten. Von da ab waren ihre Fährten allerdings nicht mehr zu erkennen gewesen, und ihnen war eigentlich nichts anderes übriggeblieben, als zurückzukehren.
Einen Augenblick hatte Servan daran gedacht, nach den Booten der Engländer, die an Land gegangen waren, zu suchen, doch dann hätte er den Angriff auf die Galeonen verzögert.
Er hatte sich für den Angriff entschieden. Denn wenn die Engländer noch an Land waren, würden die anderen auf den Galeonen niemals mit einem Angriff von Osten rechnen.
Immer dichter schoben sich die Boote an die Schatten der beiden Galeonen heran. Servan hatte befohlen, nur eine der beiden Galeonen anzugreifen, um ihre Kräfte nicht zu zersplittern. Wenn sie das eine Schiff gekapert hatten, konnten sie damit das andere angreifen.
Pierre Servan mochte nicht daran denken, welches Ansehen ihm ein Erfolg einbringen würde. Die englische Galeone wäre genau das richtige Schiff für ihn, um sich von Yves Grammont loszusagen und auf eigene Faust auf Kaperfahrt zu gehen.
Er schüttelte die Gedanken ab. Er mußte sich auf den Angriff konzentrieren. Er blickte zur Seite, wo Le Testu und der Korse hockten. Ihre Augen waren starr auf die Galeone gerichtet. Er hatte die beiden in sein Boot genommen, weil sie sich beim Entern eines Schiffes nicht auskannten. Außerdem hatten Bauduc und seine Leute sich geweigert, ihnen zu gehorchen.
Servan wußte, daß Le Testu und der Korse ausgezeichnete Kämpfer waren. Er grinste, als er daran dachte, welche Augen sie machen würden, wenn sie erkannten, daß Yves Grammont ihr Anführer war und sie auf der falschen Seite mitgekämpft hatten.
Der Pirat hinter Servan tippte ihn an.
„Da!“ zischte er. „Wir haben die ‚Hornet‘ erreicht!“
Servan blickte sich schnell noch mal um. Dicht hinter seinem Boot war Bauduc, die anderen konnte er fast schon nicht mehr sehen.
Dann sah er, wie der Rumpf der „Hornet“ dicht vor ihm als riesenhafter Schatten aufwuchs. Mit einem kaum wahrnehmbaren Pochen stieß das Boot gegen die Galeone. Die Rudergasten hatten ihre Riemen eingezogen und legten sie vorsichtig nieder. Sie zogen ihre Waffen, warteten, bis die nächsten beiden Boote ebenfalls heran waren, dann gab Pierre Servan seinen Männern das verabredete Zeichen.
Seine Hand faßte nach einem der Berghölzer unterhalb der getarnten Stückpforten, als ein greller Blitz die Nacht für einen Sekundenbruchteil erhellte.
Es krachte ohrenbetäubend in der Stille der sterbenden Nacht, und Servan hörte im Nachhall das Stöhnen des Mannes neben sich, der zu taumeln begann und dann kopfüber ins Wasser stürzte. Das Aufklatschen des Körpers wirkte wie ein Signal.
An Bord der „Hornet“ rief eine helle, schrille Stimme: „Alarm! Die Piraten greifen in Booten an!“
Gleichzeitig brüllte Pierre Servan: „Greift an, Männer! Entert das Schiff. Zeigt, was ein französischer Korsar ist. Tötet alles, was sich euch in den Weg stellt!“
Eine Wolke aus Feuer und Qualm stieg über ihnen auf. In ihrem Licht sah Servan, wie eine Ladung von Eisen das dritte Boot traf. Todesschreie gellten in seinen Ohren und mischten sich mit dem Splittern von Holz und dem Gurgeln des Wassers, als das Boot innerhalb von Sekunden absoff.
Le Testu zerrte an Pierre Servans Arm, als dieser über die Berghölzer die Galeone entern wollte.
„Weg hier!“ brüllte der Mann mit dem dunkelroten Hut. „Sie schießen uns alle zu Klump! Sie haben auf uns gewartet!“
Servan wollte die Hand des Wegelagerers abschütteln, aber die hatte sich so fest in seinem Ärmel verkrallt, daß er den Halt verlor und ins Boot zurückstürzte.
Seine Männer dachten, er wäre dem Rat des anderen gefolgt, und als Le Testu jetzt brüllte: „Pullt, Leute, was das Zeug hält! Noch können wir in der Dunkelheit entkommen!“ griffen sie hastig nach den Riemen und stießen sich vom Rumpf der „Hornet“ ab.
Pierre Servan rappelte sich hoch. Er blickte wild um sich und wollte einem der Rudergasten den Riemen entreißen, als er wie zufällig zur Küste hinüberblickte, über dem der graue Streifen der Dämmerung breiter geworden war.
Er verschluckte sich fast.
Die Engländer, die an Land gewesen waren! dachte er voller Entsetzen.
„Pullt, Männer!“ brüllte jetzt auch er. „Wir sitzen in der Falle! Seht zur Küste hinüber! Die Engländer haben uns entdeckt!“
Er wußte selbst nicht mehr, was er schrie.
Seine Augen weiteten sich, als er das Inferno sah, das an Backbord der „Hornet“ ausgebrochen war, und er dachte nicht mehr daran, auf eigene Rechnung auf Kaperfahrt zu gehen. Er war froh, wenn er noch einmal sein Leben retten konnte.
Auf dem Achterdeck der „Hornet“ blühte ein Feuerkranz auf, und voller Panik erkannte Pierre Servan, daß die Mündungsflamme der Drehbasse auf sein Boot gerichtet war.
Er schaffte es nicht mehr, einen Warnschrei auszustoßen. Wie wilde Hummeln jaulten die Bleistücke heran, prasselten in den Bootskörper und ins Wasser.
Servan spürte ein heißes Brennen an seinem linken Unterarm und spürte, wie die Haut um die Schramme herum feucht von seinem Blut wurde.
Er drehte den Kopf, als er den lauten Schrei hörte, den der grauhaarige Korse ausgestoßen hatte. Der hochgewachsene Mann kauerte zwischen zwei Duchten und hielt sich die linke Schulter. Im Licht des Kanonenfeuers, das von der Wasseroberfläche reflektiert wurde, sah Servan, daß ein Stück Eisen der Drehbasse eine breite Wunde auf Montbars’ Schulter hinterlassen hatte.
Le Testu war sofort neben ihm, aber der Korse winkte ab.
Mehrere Männer in dem Boot hatten von der Ladung etwas abgekriegt, aber nachdem sich alle vom Schrecken etwas erholt hatten, begannen die Rudergasten wieder zu pullen, als sei der Teufel hinter ihnen her.
Wieder hörte Servan das Jaulen einer Kugel. Er duckte sich instinktiv. Das Geschoß verfehlte das Boot nur knapp. Eine Wasserfontäne spritzte dicht neben dem Boot hoch und überschüttete ihn mit einem Schwall.
Er krallte sich am Dollbord fest. Unverwandt waren seine Augen jetzt auf die „Hornet“ gerichtet, die aus allen Rohren zu feuern schien.
Ein Höllenlärm erfüllte die Luft, und als eine weitere Kugel sie verfehlte, hätte er fast das Kreuz geschlagen. Im letzten Augenblick dachte er daran, daß er sich damit bei den Hugenotten verraten hätte.
Er warf den beiden Straßenräubern, die sie mit Waffen versorgt hatten, einen kurzen Blick zu und sah das Entsetzen in ihren Augen. Montbars hielt immer noch seine linke Schulter, und seine Hand war blutüberströmt. Auch Le Testu schien etwas abgekriegt zu haben. Er hielt sich den Kopf. Sie waren ziemlich durcheinander. Auch für sie war das Kämpfen und Sterben nichts Ungewohntes, aber das Donnern der Kanonen und das Brüllen der Drehbassen schien sie um den Verstand zu bringen.
Pierre Servan fühlte sich plötzlich wieder wohler, als er sah, wie sich die Entfernung zur „Hornet“ rasch vergrößerte. Er warf einen Blick zur Küste hinüber, wo die Boote der Engländer heranschossen, aber sie würden zu spät eintreffen. Jedenfalls für sein Boot und auch für das Bauducs, das ebenfalls die Flucht aus dem höllischen Feuerhagel geschafft hatte.
Sie hatten noch einmal ihre Haut gerettet. Er dachte daran, daß er es eigentlich Le Testu zu verdanken hatte, der ihn von den Berghölzern gezerrt hatte, aber das berührte ihn nicht, genausowenig wie der Tod der Männer, die den Geschützen der „Hornet“ hilflos ausgeliefert waren.
„Pullt, Männer!“ brüllte er wieder und steuerte das Boot weit an der zweiten Galeone vorbei aufs Meer hinaus. Er hoffte, daß die Dunkelheit ihre Flucht decken würde, bis sie weiter westlich an die Küste gelangt waren.
Noch einmal blickte er zurück, und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er erkannte, daß außer Bauducs Boot alle anderen dem mörderischen Feuer der „Hornet“ zum Opfer fielen …