Kitabı oku: «Seewölfe Paket 15», sayfa 3
„Und vom Geld keine Spur mehr“, sagte Dan.
„Keinen einzigen Copper“, versicherte Mac. „Später erfuhr ich, daß die Kerle Helfer von dem Wucherer waren. Aber ich kann es nicht beweisen. Sie nahmen mir das Geld wieder ab, und dann erschien der Kerl und verlangte es zurück, so, wie es vereinbart war.“
„Den Rest kann ich mir vorstellen“, sagte Hasard. „Du konntest natürlich nicht zahlen, er hat dich angezeigt, und der Büttel sperrte dich kurzerhand ein.“
„So war es“, sagte Mac traurig. „Inzwischen sind aus den vier Goldstükken schon sieben geworden, und mit jedem Tag wächst der Berg weiter an. Mein Traum von einer eigenen Kneipe war zu Ende, und aufs Schiff konnte ich natürlich auch nicht mehr.“
„Und wie lange bist du schon hier, Mac?“
„Das müssen jetzt ungefähr vier Monate sein, vielleicht auch etwas länger, man zählt die Tage ja nicht mehr.“
Nein, man zählte die Tage hier nicht mehr, dachte Hasard wie betäubt. Jene, die hier hockten, zählten gar nichts mehr, denn seit sie mit Mac sprachen, hockten die anderen noch genauso apathisch herum wie vor einer Weile. Nichts interessierte sie mehr, sie waren ohne Hoffnung und dachten nicht mehr an morgen.
„Dann sitzt du hier ja noch bis zur nächsten Steinzeit“, sagte Dan.
„Und noch länger wahrscheinlich, weil das ein verdammter Teufelskreis ist. Die Kerle geben einem ja keine Chance zum Arbeiten. Meinetwegen würde ich Müll durch die Gegend kutschieren, aber sie haben Angst, daß man heimlich verschwindet.“
Das sind nun wahrhaftig mehr als trübe Aussichten, überlegte Hasard. Aus dieser Mühle kam Mac Pellew nie wieder heraus. Wer hier einmal gemahlen wurde, von dem blieb nur noch grobes Schrot übrig.
Hasard wechselte mit Dan O’Flynn einen schnellen Blick. Klar, da gab es gar keine Frage. Einen alten Kameraden ließ man nicht im Schuldturm hängen, schon gar nicht unter diesen üblen Umständen. Sie waren sich schon durch diesen Blick einig. Aber davon hatte Mac nichts mitgekriegt.
„Wir haben unser Schiff verloren“, sagte Hasard. „In einem Kanal liegt es unter Sandmassen begraben. Jetzt haben wir uns nach England durchgeschlagen und legen bei Ramsgate ein neues auf. Das soll natürlich größer und besser werden als die alte ‚Isabella‘, aber es dauert noch eine Weile, bis es fertig ist. Wir haben da ein paar Schwierigkeiten.“
Mac Pellew sah den beiden starr in die Augen.
„Wenn ich euch irgendwie helfen kann“, sagte er zaghaft, „dann würde ich es gern tun. Aber wenn ihr schon Schwierigkeiten habt, wo ihr doch eine Crew aus Eisen seid, da kann ich erst recht nichts ausrichten. Was sind denn das für Schwierigkeiten?“
„Ich glaube du hast mehr am Hals als wir, also später davon. Aber eine Frage wollte ich dir stellen, Mac: Wir könnten einen tüchtigen Mann brauchen, einen, der dem Kutscher in der Kombüse zur Hand geht, denn allein schafft der das bald nicht mehr. Wenn du Lust hast, bei uns zu fahren, dann holen wir dich hier raus.“
„He, Mac, gib Antwort“, sagte Dan. „Oder hast du plötzlich die Sprache verloren?“
Mac gab aber immer noch keine Antwort. Er konnte keine geben, weil in seinem Hals ein gewaltig aufgeblähter Frosch hockte, und der strampelte anscheinend auch noch mit den Beinen, denn Macs Adamsapfel war in wilder Bewegung. Es dauerte sehr lange, bis er wieder einigermaßen ruhig sprechen konnte. Dabei stand ihm aber das Wasser immer noch in den Augen.
„Das wollt ihr wirklich tun?“ fragte er ungläubig. „Ich will das Geld ja auch gern abarbeiten, Tag und Nacht, aber dazu brauche ich ein paar Jahre. Aber fahren würde ich gern mit euch.“
„Du kannst ja ein paar Jahre an Bord bleiben“, sagte Hasard. „Und du zahlst es einfach dann zurück, wenn wir den nächsten Don ausgenommen haben. Früher oder später wird das sicher der Fall sein.“
„Mein Gott“, sagte Mac immer wieder, „mein Gott, womit habe ich das nur verdient?“
„Weil du ein ehrlicher Kerl bist“, sagte Hasard. „Du bist unverschuldet in diese Lage geraten. Jedem kann so was passieren, das ist noch lange keine Schande.“
„Wo muß man dich denn auslösen?“ fragte Dan.
„Bei der Kämmerei“, heulte Mac los und schniefte wieder. „Aber es ist doch so verdammt viel Geld.“
„Klar ist es das“, meinte Dan trokken, „sonst würdest du ja auch nicht hier sitzen. Wir sind gleich wieder zurück, Mac.“
Mac Pellew konnte sein Glück nicht fassen. War das nun Schicksal, ein Wunder oder ein Zufall? überlegte er immer wieder. Er blieb stehen, lehnte sich an das Gitter und schämte sich nicht, daß ihm ein paar Tränen über die Bartstoppeln liefen.
In der Kämmerei bezahlte Hasard bei einem mürrischen Burschen sieben Golddublonen und ließ sich eine Quittung geben.
„Ich weiß nicht, ob Sie da ein gutes Geschäft abgeschlossen haben“, sagte der Mann. „Der Kerl sieht doch aus, als sei er keine halbe Dublone wert.“
„Ich habe Sie nicht um Ihre Meinung gefragt“, erwiderte Hasard eisig. „Hier ist das Geld, und dafür kriege ich den Mann. Alles andere geht Sie einen Dreck an. Bringen Sie den Mann jetzt raus.“
Das war kurz und bündig. Der Büttel schluckte, wollte etwas erwidern, sah aber die eisigen Augen und schwieg lieber. Mit dem schwarzhaarigen Riesen war nicht gut Kirschen essen, das sah man auf den ersten Blick. Und der andere neben ihm sah auch so aus, als könne er kein Wort zuviel vertragen.
Also ging er los, um Mac Pellew zu holen. Der stand verlegen vor ihnen und bedankte sich immer wieder, bis Hasard abwinkte.
„Schon gut, Mac, beruhige dich jetzt wieder und hör auf zu flennen. Und vergiß die vier Monate, wenn du kannst.“
„Danke, Sir“, stammelte Mac tief bewegt.
Während sie hinausgingen, sah der Seewolf den ehemaligen Koch der „Marygold“ noch einmal genau an.
„So kannst du nicht herumlaufen, Mac, du siehst furchtbar aus. Hier hast du etwas Geld. Damit gehst du zu dem Bader da drüben, läßt dir die Haare schneiden und dich rasieren. Wenn du das erledigt hast, gehst du zu dem Leineweber, kaufst dir Hose und Hemd und suchst dir danach bei dem Schuster ein Paar Schuhe aus. Anschließend gehst du in die Kneipe am Marktplatz, in den ‚Red Lion‘. Dort warten wir auf dich und bestellen dir inzwischen ein kräftiges Mittagessen. Dann gehen wir an Bord, und du wirst die anderen wiedersehen.“
„Sir, das kann ich nicht …“
Mac Pellew wand sich vor Verlegenheit, bis Hasard ihn durchdringend ansah.
„Willst du gleich am ersten Tag meutern, Mac?“
„Nein, Sir, aye, aye!“ brüllte Mac, und weg war er.
„Der fühlt sich bestimmt wie neugeboren“, sagte Dan. „Muß schon ein verdammt lausiges Gefühl für den guten Mac gewesen sein. Und den Bauch kann er sich bestimmt auch seit sehr langer Zeit wieder mal richtig vollschlagen.“
„Bin gespannt, was die anderen sagen“, meinte Hasard.
„Die nehmen ihn sicher mit offenen Armen auf“, erklärte Dan. „Sogar mein Alter wird erfreut sein, wenn er die Geschichte hört. Aber ich glaube, er kennt Mac gar nicht. Aber für den Kutscher ist er ganz sicher eine große Hilfe.“
Vor dem „Red Lion“ standen zwei Pferdefuhrwerke. Die Gäule ließen die Köpfe hängen und standen da wie angenagelt. Den beiden Kutschern in der Kneipe ging es nicht viel anders. Sie hatten Humpen mit Dünnbier vor sich stehen und starrten auf die Platte. Nach ihrem stumpfen Blick zu urteilen, waren es schon etliche Humpen.
Hasard bestellte beim eilfertig heranwieselnden Wirt drei kräftige Mahlzeiten, dazu ebenfalls kühles Dünnbier, das der Wirt aus dem Keller holte. Die drei Mahlzeiten für zwei Personen gaben dem Wirt zwar anfangs ein Rätsel auf, doch später begriff er.
Es war, als hätte Mac es gerochen. Kaum stand das Essen auf dem Tisch, erschien er, und diesmal grinste der alte Sauertopf bis über beide Ohren.
Hasard und Dan blickten ihn lange an.
Mac war frisch rasiert, gebadet, hatte die Haare geschnitten, trug ein sauberes Leinenhemd und eine Leinenhose. Dazu hatte er sich ein Paar derbe Lederschuhe gekauft. Sie kannten ihn kaum wieder, so sauber und glatt sah er aus.
„Mann, bist du ein feiner Kerl geworden“, lästerte Dan, um nicht wieder in Macs Danksagungen ersticken zu müssen. „Frisch geplättet, frisch rasiert und keine einzige Laus im Gesicht.“
Mac grinste noch immer, das war bei ihm zwar reichlich ungewöhnlich, aber die Umstände waren nun einmal so.
„Recht so, Mac“, sagte Hasard. „Du siehst wirklich prächtig aus. Hier, nimm dir einen Humpen Bier und lang zu. Wenn das Essen nicht reicht, dann bestelle ich noch mal eine Portion.“
„Sir, ich weiß nicht …“, setzte Mac wieder an.
„Greif zu!“ forderte Hasard ihn auf. „Vom vielen Dankeschönsagen ist noch keiner satt geworden.“
Dann haute Mac rein. Man sah, daß er ausgehungert war weil es im Schuldgefängnis nichts weiter als ein Stück Brot und eine undefinierbare Brühe gegeben hatte.
„Ein Traum ist das“, sagte Mac Pellew anschließend, nachdem er sich satt gegessen hatte. „Ich kann es immer noch nicht so richtig glauben, es ist so unwirklich.“
Etwas später brachen sie auf und kehrten zum Hafen zurück, wo die „Pride of Galway“ und Ben Brightons Sambuke lagen.
4.
Der Profos Edwin Carberry stierte sich fast die Augen aus. Anfangs hatte es so ausgesehen, als hätten Hasard und Dan den alten Hesekiel Ramsgate gefunden und brächten ihn nun zurück. Aber Ramsgate unterschied sich von diesem Mann doch beträchtlich, und so stierte der Profos weiter. Dann zuckte er zusammen.
„O Großlord“, sagte er andächtig und grinsend, „wenn das nicht der alte Affenarsch und Sauertopf Mac Pellew ist, dann soll mich doch gleich ein Eisbär am Hintern kratzen.“
„Mac Pellew?“ fragte Smoky. „Der hat sich doch längst in Essig verwandelt, du mußt dich täuschen, Ed.“
„Und ich sage euch, er ist es, ihr trübäugigen Kanalratten.“
Gespannte Gesichter sahen den drei Männern entgegen. Es gab jetzt keinen Zweifel mehr: Das frisch gewaschene Individuum war tatsächlich der gute alte Mac. Wo mochte Hasard den wohl aufgegabelt haben? Das war die Frage, die sich jeder neugierig stellte.
Sie alle hatten ihn viele Jahre lang nicht mehr gesehen, und keiner wußte, was aus ihm geworden war. Und jetzt war er da, frisch wie aus dem Ei gepellt, schicklich in helles Tuch gekleidet und mit gestutzten Haaren.
Er winkte schon von weitem, riß dann beide Arme hoch und brüllte schließlich vor Freude. Dabei schniefte er ständig und konnte nicht vermeiden, daß abermals Wasser in seine Augen trat.
„Ah, der Profos“, flennte er und umarmte Carberry. Die meisten von ihnen kannten sich noch von der „Marygold“ her, und Mac flitzte hin und her, flennte, umarmte, hockte sich dann an Deck und begrüßte die Männer, die er noch nicht kannte.
Dann erzählte er seine Geschichte, und als er damit fertig war, sagte der Profos: „Mac könnte doch an Bord bleiben, Sir. Wenn wir den Neubau fertig haben, brauchen wir noch einen guten Zweitkoch. Und kochen kann der alte Bursche, wirklich.“
„Deshalb haben wir ihn auch mitgenommen“, sagte Hasard. „Dasselbe schwebte nämlich Dan und mir ebenfalls vor.“
Damit war Mac Pellew in den Kreis alter und neuer Freunde aufgenommen. Anschließend lernte er die Zwillinge kennen und erfuhr auch die Geschichte dazu.
„Die sind dir wie aus dem Gesicht geschnitten, Sir“, sagte er, „das ist einfach unglaublich.“
Hasard beobachtete seine Söhne, ob sich auf deren Gesichtern Ablehnung abzeichnete, doch davon war nichts zu erkennen. Anders als bei dem alten Schlitzohr Ali Abdel Rasul, dem sie sofort mit allergrößtem Mißtrauen begegnet waren, benahmen sie sich. Sie waren freundlich, musterten Mac und fanden ihn in Ordnung. Auch Old Donegal hatte diesmal nichts auszusetzen, aber er glaubte, Mac Pellew schon einmal gesehen zu haben. Sicher war er sich seiner Sache allerdings nicht. Und wenn, dann war das schon verdammt lange her.
Nach und nach erfuhr Mac Pellew so alles, was in der Zwischenzeit passiert war, und er erfuhr auch, daß sie ein kleines Problem am Hals hatten, das ihnen Schwierigkeiten bereitete.
„Jetzt ist dieser Mann spurlos verschwunden“, beendete Ferris Tucker die lange Erklärung.
„Ramsgate kenne ich gut“, sagte Mac, „schon eine Ewigkeit, und Plymouth kenne ich bis in den letzten Winkel. Vielleicht hat man ihn aus irgendwelchen Gründen doch umgebracht und seine Leiche verschwinden lassen.“
Der Kutscher, Matt Davies, Smoky, Ben Brighton, Blacky, Bob Grey, Roskill, Bill, Roger Brighton, Finnegan, der alte Segelmacher Will Thorne, fast alle hockten sie herum und erzählten. Auf der „Pride of Galway“ herrschte eine beängstigende Enge, als alles an Deck versammelt war.
Dann erwies sich etwas später, welchen Goldfisch sie mit Mac Pellew an Bord gezogen hatten.
Nachdem die Begrüßungsfreude und das Erzählen wieder normales Maß angenommen hatten, wurde Pellews Gesicht zusehends faltiger und erinnerte sie wieder an den alten, ewig grämlichen Mac Pellew, auf dessen Schultern alle Last dieser Welt ruhte.
Er kratzte sich das sauber rasierte Kinn und sah mit Leichenbittermiene auf die Planken des Schiffes.
„Wenn sie den alten Hesekiel nicht umgebracht, sondern nur versteckt haben“, sagte er, „dann kenne ich eine Ecke, wo man jemanden unauffällig verbergen kann. Ich weiß ja nicht, wer dahintersteckt, ob es ein oder mehrere Kerle sind, aber das ist schließlich egal.“
„Dann sag schon, was du vermutest, Mac“, sagte Blacky, der früher ebenfalls auf der „Marygold“ gefahren war.
„Hm, ist nur ’ne Vermutung“, murmelte Mac und kratzte sich wieder das Kinn, weil er sich an die frische Rasur noch nicht gewöhnt hatte.
„Dann sag doch endlich deine Vermutung“, sagte Smoky.
Der ehemalige Koch sah die Männer der Reihe nach an. „Wie gesagt, es ist nur ’ne Vermutung.“
„Himmel“, sagte Carberry lachend, „jetzt brummelt er wieder genauso rum wie damals bei Drake. Verdammt, deine Vermutung ist vielleicht eine Menge Geld wert, Mac.“
„Also, da draußen, am Stadtrand, da gibt’s so ’ne uralte Windmühle. Die ist schon seit vielen Jahren außer Betrieb, und ich weiß auch nicht, wem sie gehört. Aber in dieser Mühle treibt sich manchmal Gesindel rum, Landstreicher übernachten da auch schon mal. Also, wenn ihr mich fragt und ich müßte jemanden verstecken, dann würde ich ihn zu der alten Mühle bringen.“
Hasard hatte sehr aufmerksam zugehört und Mac dabei ständig forschend angesehen.
„Eine alte Mühle“, sagte er nachdenklich, „eine alte Mühle ist immer gut, um sich dort zu verstecken. Wo liegt sie genau, Mac?“
„Eine halbe Stunde zu laufen, Sir. Aber, wie gesagt, das ist nur eine Vermutung, und ich sagte ja auch nur, wenn ich jemanden ver …“
„Schon gut, Mac. Kennst du den Weg?“
„Aye, aye, Sir, ich kenne ihn genau. Aber, wie gesagt …“
„… es ist nur eine Vermutung“, beruhigte ihn der Profos. „Das wissen wir jetzt.“
„Nichts wie hin!“ schrie Smoky. „Wir nehmen den ganzen alten Kasten auseinander, vielleicht finden wir Ramsgate dort wirklich.“
„Versucht haben wir jedenfalls eine ganze Menge“, meinte Hasard. „Doch wir werden nichts überstürzen, und deswegen geht auch nicht gleich eine ganze Horde dorthin, sondern höchstens zwei Mann. Zwei von uns sind immer doppelt so gut wie zwei andere.“
Schon flogen die Fäuste hoch, und jeder meldete sich freiwillig. Aber Hasard winkte noch einmal ab.
„Falls wir Ramsgate wirklich finden, dann interessieren mich natürlich auch die ganzen Hintergründe, deshalb werden wir so unauffällig wie nur möglich vorgehen.“
Auch Batuti wollte seinen Teil dazu beitragen, um Ramsgate zu finden, aber Hasard konnte den Mandingo aus Gambia schlecht losschikken, der fiel hier zu sehr auf.
„Dan und Mac werden gehen“, entschied er. „Mac kennt den Weg zur Mühle, und Dan kennt sich hier ebenfalls gut aus. Übrigens, Mac“, sagte er, „wer Ramsgate findet oder einen Tip hat, wie er zu finden ist, der verdient sich eine goldene Nase. In diesem Fall sind das fünfzig Golddublonen. Drück dir also selbst die Daumen.“
„Dafür nehme ich kein Geld, Sir“, sagte Mac, „das gilt nur für Außenstehende, wenn ich recht verstanden habe.“
„Es gilt für alle und natürlich auch für dich. Jeder, der Ramsgate wieder herbeischafft, erhält diese fünfzig Dublonen, ganz egal, wer es auch immer ist. Und im übrigen“, meinte Hasard lächelnd, „kannst du davon ja gleich deine Schulden zurückzahlen.“
Mac Pellew war es peinlich, dieses Geld überhaupt anzunehmen, denn Hasard hatte sehr, sehr viel für ihn getan, und das wollte er nicht strapazieren. Seinen Einwand ließ der Seewolf aber nicht gelten.
„Wann sollen wir gehen?“ fragte Dan O’Flynn sachlich.
„Wir wollen keine Zeit verlieren. Am besten, ihr geht jetzt gleich, auf der Stelle. Beobachtet die Mühle vorher aber gut, ich möchte nicht, daß ihr eine böse Überraschung erlebt.“
„Aber das mit dem Geld kann ich wirklich nicht annehmen“, sagte Mac nun schon zum dritten Male.
„Noch hast du es ja gar nicht“, meinte Ed. „Das kriegst du ja erst dann, wenn du Ramsgate hier anschleppst. Du kannst sein Fell also nicht eher verkaufen, als bis du es hast.“
„Da ist was Wahres dran“, meinte Mac mit sauertöpfischem Gesicht. „Dann gehen wir jetzt.“
Ein paar Augenblicke später gingen die beiden von Bord.
Während sie den halbstündigen Marsch unternahmen, der sie aus der Stadt hinausbrachte, erzählte Mac Pellew von früheren Zeiten, und er fand auch einen geduldigen Zuhörer in Dan, der sich ebenfalls nur allzu gern der zurückliegenden Zeit entsann.
Immer wieder drehte es sich um die „Marygold“, um Drake und all die anderen Männer, bis sie endlich auf einem staubigen Feldweg waren. Kein Mensch war weit und breit zu sehen. Sie wühlten sich durch dichtes Ginstergebüsch, hohes Gras und verwilderte Gegenden, bis die Mühle in ihrem Blickfeld erschien.
„Das ist sie“, sagte Mac überflüssigerweise.
Vor der Mühle wuchs yardhoch das Unkraut. Junge Weiden wuchsen dazwischen, alles sah alt und verkommen aus, als hätte hier jahrelang niemand mehr gelebt.
Ein ideales Versteck ist das schon, überlegte Dan, denn hier kamen bestenfalls die Besenbinder hin, um hin und wieder Ginsterbüsche abzuschneiden und zu verarbeiten. Die Stille lag wie eine Glocke über dem Land, lediglich ein paar Vögel zwitscherten, und kleine Eidechsen huschten durch Trümmerstücke und halbverwitterte, aufgetürmte Steine.
„Du hast doch immer so verdammt gute Augen gehabt“, sagte Mac. „Siehst du jemanden?“
„Ach, das weißt du auch noch?“
Dan hatte sich längst vorsichtig nach allen Seiten umgesehen, doch es gab keine verdächtigen Anzeichen für irgendwelche Besucher.
„Nichts zu sehen“, sagte er. „Schauen wir uns das Ding einmal von innen an, ich bin wirklich gespannt.“
Dicht vor der Mühle, wo vormals die Wagen und Fuhrwerke mit den schweren Säcken gehalten hatten, war das Gras niedergetreten, und wenn man genau hinsah, erkannte man, daß hier Leute gegangen waren. Es konnte noch gar nicht so lange her sein, denn die Spuren waren für einen Kundigen noch ganz gut zu erkennen.
Dan O’Flynn legte den Finger auf die Lippen und deutete mit der Hand auf das niedergetrampelte Gras.
Mac Pellew nickte nur, er hatte verstanden.
Waffen hatten die beiden keine außer dem Messer, das Dan im Gürtel trug. Aber er hatte seine Fäuste, und im Falle eines Falles verließ er sich auf die Mac Pellew war auch keiner von der Sorte, die unbedingt eine Waffe brauchte. Seit er aus dem Schuldturm heraus war, fühlte er sich stark genug, um Bäume auszureißen.
Als Dan lautlos vor die große Tür gehuscht war, legte er sein Ohr daran und lauschte. Mac Pellew trat näher und sah sich ebenfalls immer wieder nach allen Seiten um.
Nach einer Weile schüttelte Dan den Kopf. Sein Gesicht drückte Enttäuschung aus. Es war nichts zu hören gewesen. Aber das mußte nicht unbedingt bedeuten, daß sich niemand in der Mühle befand.
Die Tür gab schwerfällig und knarzig unter seinem Druck nach und schwang langsam auf. Es hörte sich an, als würde ein alter Sargdekkel geöffnet.
Mac Pellew zuckte leicht zusammen, und auf seinen Armen erschien sekundenlang eine Gänsehaut. Er hatte beileibe keine Angst, es war nur so, daß Mac sehr abergläubisch war, und das hatte ihm bis heute noch keiner ausgetrieben. In gewisser Weise stand er damit dem alten O’Flynn in nichts nach.
Dieses Knarren hatte ihn an alte Grüfte erinnert, an Totentruhen, die sich öffneten, und man wußte ja schließlich, was in alten Grüften so geschah.
Jetzt aber hatte er den kleinen Schreck überwunden und betrat hinter Dan den Absackboden, der aus gestampftem Lehm bestand und über dem nur noch lose ein paar morsche Bretter lagen.
Durch das Binsendach fiel ganz schwach und schräg das Tageslicht ein.
Dann zuckte Mac zum zweitenmal zusammen, als er ein leises Klirren vernahm. Ganz hinten, man sah nur eine schemenhafte Gestalt, hockte ein Mann am Boden, dicht vor einem Eichenbalken.
Dan stürmte mit riesigen Schritten vor.
„Hesekiel Ramsgate“, sagte er fassungslos.
Der alte Schiffbaumeister starrte die beiden Männer an, als wäre ihm soeben ein Wunder beschert worden. Seine Stimme klang brüchig, ein tagealter Bart bedeckte sein Gesicht, und in seinen Augen schimmerte es.
Dan war unendlich erleichtert. Mac Pellew schluckte nur.
„Mister O’Flynn“, sagte Ramsgate heiser. „Welch ein Glück, daß ihr mich gefunden habt.“
„Sie müssen ja halb verhungert und verdurstet sein“, sagte Dan. „Bleiben Sie ganz ruhig, Mister Ramsgate, ich werde erst die Kette losschlagen.“
Sie haben den alten Burschen wahrhaftig in Eisen gelegt, dachte er voller Wut, und ihn hier hilflos sich selbst überlassen.
Er stieß sein Entermesser in das Eichenholz, bis sich der gekrümmte Nagel löste, den irgendein Halunke voller Wucht in das Eichenholz geschlagen hatte.
Ramsgates Fesseln fielen klirrend zu Boden. Der alte Baumeister war frei.
Dan half ihm auf die Beine, aber Ramsgate war so schwach, daß er kaum stehen konnte. Auch das Sprechen fiel ihm schwer.
„Nichts sagen, Mister Ramsgate“, bat Dan. „Jetzt ist alles in Ordnung. Erzählen können Sie dann später. Ich trage Sie jetzt erst einmal zu dem kleinen Mühlbach, damit Sie ein paar Schluck Wasser trinken können.“
Ramsgate sank wieder in sich zusammen.
Dan nahm ihn auf die Arme und trug ihn hinaus. Weiter hinten, wo der kleine Bach war, legte er Ramsgate ins Gras, schöpfte dann mit den Händen Wasser und flößte es ihm ein.
Das kühle Wasser belebte den zähen Burschen fast augenblicklich. Sein Blick wurde klarer, und er stieß einen leisen Fluch aus. Dann rutschte er auf den Knien zum Bach und trank selbst.
„So eine Mistbande, so eine verfluchte!“ knurrte er. „Lassen Sie nur Mister O’Flynn, nach dem kühlen Trunk fühle ich mich schon viel besser. Das war es, was mir gefehlt hat. Der Hunger ist ja noch zu ertragen, aber dieser wahnsinnige Durst.“
Er wehrte ab, als Dan ihm anbot, daß er ihn tragen wolle.
„Ich sehe zwar dürr und schwächlich aus“, sagte er entschieden, „aber das täuscht. Wie geht’s, Mister Pellew?“
„So durchwachsen“, sagte Mac mit grämlich verzogenem Gesicht. „Mal oben, mal unten, jetzt wieder ganz oben.“
„Freut mich, das zu hören. Und vielen Dank auch. Und jetzt stiefeln wir los, haben schon viel zuviel Zeit versäumt, sonst wird das neue Schiff überhaupt nicht mehr fertig.“
Das ist anscheinend im Augenblick sein einziger Gedanke, dachte Dan, und es bewies, daß der alte Hesekiel Ramsgate noch lange nicht unterzukriegen war. Aber mächtig angeschlagen sah er doch aus. Die Kerle, die ihn in die Mühle verschleppt hatten, mußten ihm ganz schön zugesetzt haben.
Trotzdem ging er zügig los.
An Bord wurden sie begrüßt, als wären sie jahrelang fort gewesen. Bevor Ramsgate jedoch seine Geschichte erzählen konnte, ließ der Seewolf ihm durch den Kutscher erst etwas zu essen bringen.
Für sein Alter hatte Ramsgate wahrhaftig eine erstaunliche Kondition. Er aß wie ein Ausgehungerter, trank dazu eine Muck voll Rum und hustete, aß weiter, trank erneut. Danach fühlte er sich so, als sei überhaupt nichts vorgefallen.
„Die Kerle haben mir einen Bewacher geschickt“, sagte er, „meist haben die Burschen sich abgewechselt, aber sie werden bald merken, daß ich nicht mehr da bin.“
„Was wollten sie denn überhaupt?“ fragte Hasard.
Ramsgate, der nie ruhig oder lange auf dem Hintern sitzen konnte, ging zwischen den Männern auf und ab. Seine Stimme klang zornerfüllt, seine grauen Haare hatten sich durch den leichten Wind aufgerichtet, er fuchtelte mit den Fäusten durch die Luft.
„Sie faselten ständig von den Plänen des neuen Schiffes. Sie wollten alles darüber wissen. Aber das war nicht der einzige Grund. Der eine Kerl brüllte mich ständig an und fragte, wo der Hundesohn von einem Killigrew das Gold versteckt habe.“
Hasards Lippen wurden schmal.
„Das Gold?“ fragte er. „Von welchem Gold sprach der Kerl denn?“
„Allgemein nur von Gold. Vielleicht vermutet er reiche Schätze bei Ihnen, Sir, weiß der Teufel. Von Gold und den Plänen war jedoch ständig die Rede. Sie haben mich geprügelt und mir erzählt, was sie mir alles antun würden, wenn ich nicht rede.“
Hasard fiel bei dieser Eröffnung aus allen Wolken.
„Wir scheinen hier ja schon wieder eine Menge Feinde zu haben. Man entführt Mister Ramsgate, will die Pläne und die angeblichen Schätze. Wer, zum Teufel, mag nur dahinterstecken?“
„Ich kenne die Kerle leider nicht, habe sie nie vorher gesehen“, sagte Ramsgate bedauernd.
„Und was haben Sie ihnen gesagt, Mister Ramsgate?“
Ramsgate lächelte flüchtig. Er unterbrach seine Wanderung und blieb vor den verblüfften Seewölfen stehen.
„Ich habe überhaupt nichts verraten. Wer bin ich denn? Als sie mir eins über den Schädel schlugen, tat ich so, als sei ich geistig nicht mehr ganz da, und habe dummes Zeug vom Teufel erzählt. Sie hielten mich auch wirklich für verrückt, aber sie gaben mir nichts zu trinken und zu essen und wollten den Aufpasser wieder zur Mühle schicken. Der hat mir dann immer in den fürchterlichsten Farben ausgemalt, was mir alles passieren würde, wenn ich nicht rede.“
Hasard gab dem alten Burschen impulsiv die Hand.
„Das haben Sie prächtig gemacht, Mister Ramsgate. Ich danke Ihnen im Namen aller Männer. Und ohne Mac Pellew hätten wir Sie wahrscheinlich nie gefunden.“
Ramsgate sah sich um.
„Jetzt aber nichts wie zur Werft“, sagte er, „ich muß mich um das neue Schiff kümmern. Die Pläne habe ich übrigens so gut versteckt, daß sie kein Mensch findet. Ist auf der Werft alles in Ordnung?“ wollte er dann wissen.
Der rothaarige Schiffszimmermann Ferris Tucker nickte beruhigend. „Ich bin meist dort, es ist alles in Ordnung. Bisher hat man keinen weiteren Versuch unternommen, die Werft in Trümmer zu legen.“
„Dann können wir jetzt gehen?“ fragte Ramsgate eifrig. Er hatte nur noch das neue Schiff im Kopf, dafür lebte er, alles andere interessierte ihn nicht sonderlich.
Dafür interessierte es die Seewölfe um so mehr.
„Langsam, Mister Ramsgate“, sagte Hasard. „Das neue Schiff läuft uns nicht weg, und wenn es eine Stunde später fertig wird, so ist das auch kein Beinbruch.“
„Aber es verzögert sich um etliche Tage, Sir, vielleicht sogar auch um einige Wochen.“
„Kein Problem, Mister Ramsgate. Lassen Sie sich ruhig noch etwas Zeit. Wir bringen Sie später zur Werft hinüber. Erst einmal müssen Sie neue Kräfte sammeln. Nein, keine Widerrede“, sagte er entschlossen, als der alte Schiffbauer wieder seine Wanderung aufnahm.
Dann wandte er sich an Ben Brighton, der der Erzählung mit offenem Mund gelauscht hatte.
„Was will ein Fremder mit den Plänen, Ben, kannst du dir das vorstellen? Was hat er davon?“
Ben fand das auch seltsam.
„Ich kenne die Hintergründe nicht, aber ich nehme an, diese Kerle, die da dahinterstecken, möchten das Schiff auskundschaften, möchten etwas über Verstecke, Geheimkammern und was der Dinge mehr sind, in Erfahrung bringen.“
„Du meinst, um bei einem späteren Hickhack keine unangenehmen Überraschungen zu erleben. Man kennt die Schwächen seines Gegners und kann ihn dadurch leichter bezwingen.“
„Ja, das meinte ich ungefähr.“
„Das ist auch meine Ansicht“, sagte Ramsgate. „Denn dieses Schiff wird ein gutes Schiff, das verspreche ich euch, es wird besser und noch wendiger als die alte ‚Isabella‘ werden, und jedem möglichen Gegner wäre mit genauen Einzelheiten gedient.“
„Und woher nehmen die Kerle an, wir hätten jede Menge Gold mitgebracht?“ fragte der Profos.
Das konnte Ramsgate zwar nicht beantworten, doch die Antwort lag auf der Hand. Hasard sagte sie ihm.
„Bisher sind wir immer mit reicher Beute nach England zurückgekehrt, und jetzt nimmt man an, daß es diesmal nicht anders sei. Ohne Gold oder Geld können wir ja schließlich keinen Neubau finanzieren.“
Ramsgate hatte jetzt doch mal ein paar Minuten Ruhe gefunden und nahm auf der kleinen Gräting Platz. Er blickte von einem zum anderen, und man sah ihm an, daß es ihm unter den Fingernägeln brannte. Am liebsten wäre er schnurstracks zu seiner Werft geeilt.
Aber Hasard hatte da noch ein paar Fragen, wenn er sich davon auch nicht allzuviel versprach.
Wer waren die Gegner? Wer, zum Teufel?
„Wie sahen die Kerle aus, die alles so genau wissen wollten, Mister Ramsgate?“
„Wie gesagt, ich glaube nicht, daß ich sie schon mal gesehen habe“, antwortete der Schiffbaumeister, „aber beschreiben kann ich sie. Der eine kam mir zwar irgendwie bekannt vor, möglich, daß ich ihn viel früher schon mal gesehen habe. Er ist ein fetter Kerl, nicht mehr der Jüngste und sieht aus, als hätte er eine lange Krankheit hinter sich. Er hat einen grauen Bart und leicht stechende Augen.“
Hasard entsann sich nicht. Nein, diese Beschreibung sagte ihm gar nichts.
„Und der andere?“ fragte er.
„Der war etwa im selben Alter, nur dürrer, mit schmalem Gesicht und unruhig flackernden Augen. Ich weiß nur, daß er Angst vor Verrückten hat, denn als ich so tat, als ob, begann er zu quieken. Der Mann war überhaupt recht zappelig, und ich glaube, er hat da oben nicht alle“, sagte Ramsgate mit einer bezeichnenden Geste an die Stirn.