Kitabı oku: «Seewölfe Paket 16», sayfa 18

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9.

Hasard begegnete Old O’Flynn bei der Morgenwache auf dem Achterdeck der „Isabella“.

„Was ist denn los, Donegal?“ fragte er ihn. „Du hast doch gar keinen Dienst.“ Es war noch nicht hell geworden, doch der Alte schlich wie ein Spukwesen herum.

„Ich mach mir so meine Gedanken“, brummte Old O’Flynn. „Wegen Stenmark. Du weißt ja, manchmal habe ich Gesichte und Visionen und all dieses Zeug, von dem Big Old Shane und die meisten anderen nichts hören wollen.“

„Ja. Ich habe es auch nicht so gern, wenn du mit deiner Schwarzmalerei anfängst, Donegal.“

„Schon gut. Aber mit Stenmark stimmt was nicht. Der hat sich in Gefahr begeben, ich schwör’s dir. Ich will den Teufel dieses Mal nicht ans Schott malen, doch ihm ist was zugestoßen, das spüre ich in meinem Beinstumpf, verflucht noch mal.“

„Donegal“, sagte der Seewolf. „Stenmark hat Landurlaub, bis morgen früh noch. Er ist hier zu Hause und aufgebrochen, um seine Familie zu besuchen. Ich glaube, daß er damit ganz bestimmt allein fertig wird. Wieso sorgst du dich eigentlich so um ihn?“

„Hör mal“, entgegnete der Alte zornig. „Ich bin auch kein Unmensch und halte eine ganze Menge von Kameradschaft – wenn auch so mancher hier an Bord meint, ich sei ein mürrischer alter Meckerer. Wenn du’s genau wissen willst: mir sind die Männer ans Herz gewachsen, jeder von ihnen. Mir täte es ganz gewaltig leid, wenn Stenmark unsere Hilfe in diesem Moment brauchen könnte, während wir hier wie die Blödmänner rumstehen, verstehst du?“

Hasard lächelte. „Ja. Du hast dich ja deutlich genug ausgedrückt. Überhaupt ist es gut, solche netten Worte mal aus deinem Mund zu hören, Donegal.“

Kurze Zeit darauf lächelte er allerdings nicht mehr, denn im ersten schwachen Dämmerlicht des neuen Tages erschien ein Mann auf der Holzpier und wurde von Batuti aufgehalten, der an der Gangway Wache hielt.

„Ich möchte bitte mit Ihrem Kapitän sprechen“, sagte der Mann, doch die Angst, die er vor dem schwarzen Herkules verspürte, war seinen Zügen deutlich abzulesen.

„Ich verstehe kein Wort“, sagte der Gambia-Mann, dann drehte er sich zur Kuhl hin um und rief: „Deck! Hier will jemand was von uns, glaube ich, er scheint so ein alter Schwede zu sein.“

Blacky, der auf der Kuhl Wache hatte, trat näher, dann erschienen auch Hasard, Old O’Flynn und Nils Larsen. Nils begann zu übersetzen, was der fremde Mann vortrug.

„Ich bin der Besitzer des Mietstalls hier ganz in der Nähe“, erklärte er. „Örjan ist mein Name. Gestern nachmittag hat ein Mann bei mir ein Pferd ausgeliehen – einen Schimmel. Ich wollte fragen, ob dieser Mann von Bord Ihres Schiffes stammt.“ Er wies die Silbermünze vor, die Stenmark ihm gegeben hatte. „Ich dachte mir, dieses ausländische Geldstück könnte vielleicht von dem einzigen ausländischen Schiff stammen, das zur Zeit bei uns im Hafen liegt.“

„Wir sind Engländer beziehungsweise ein paar Holländer und Dänen, und das ist eine spanische Münze“, sagte Nils Larsen nicht sonderlich freundlich, denn er vermutete, daß Örjan sie aufgesucht hatte, um irgendwelche unsinnigen Forderungen zu stellen.

„Einen Augenblick“, sagte der Seewolf jedoch, nachdem Nils für ihn und die anderen gedolmetscht hatte. Er beschrieb Stenmark so genau wie möglich, dann fragte er: „War das der Mann, von dem Sie sprechen, Örjan?“

Örjan bestätigte dies und fügte hinzu: „Der Schimmel ist vor einer halben Stunde in meinen Stall zurückgekehrt – allein. Ich bin ja von diesem Stenmark im voraus bezahlt worden, trotzdem finde ich das Ganze reichlich seltsam. Ist Stenmark an Bord Ihres Schiffes zurückgekehrt?“

„Nein, das ist er nicht“, erwiderte Hasard. „Er kann das Pferd also nicht zu Ihnen geschickt haben, falls es das ist, was Sie meinen, Örjan.“

„Eben. Deshalb hielt ich es für meine Pflicht, Sie zu benachrichtigen. Der Schimmel erscheint mir sehr nervös. Er ist schweißbedeckt, was darauf schließen läßt, daß er im Galopp mindestens zehn Meilen weit gelaufen ist.“

„Kann ich ihn mir einmal ansehen?“ fragte Hasard.

„Selbstverständlich“, antwortete der hilfsbereite Schwede. „Sie brauchen mir nur zu folgen.“

Dan O’Flynn war inzwischen ebenfalls auf dem Hauptdeck erschienen, er blickte vom einen zum anderen und fragte: „Was ist denn los? Ist was nicht in Ordnung?“

„Sieht so aus“, entgegenete Hasard, dann warf er Dans Vater einen langen Blick zu. „Manchmal glaube ich doch, du kannst hinter die Kimm schauen, Donegal.“

„Das habe ich nie behauptet“, brummte der Alte. „Wie ist es, kann ich dich begleiten?“

„Nein. Du übernimmst für die Zeit meiner Abwesenheit mit Ben zusammen das Kommando über die ‚Isabella‘. Dan und Nils, ihr geht mit, wir statten Örjans Stall einen Besuch ab, und dann entscheiden wir, was zu tun ist.“

„Augenblick, Sir“, sagte Blacky. „Könnte das nicht ein Trick sein, um uns in eine Falle zu locken? Ich meine, wir haben doch schon die tollsten Sachen erlebt, und es wäre nicht ausgeschlossen, daß irgendeine Bande von Hafenratten uns ausplündern will.“

Örjan verstand natürlich kein Wort von dem, was sie sprachen, denn sie unterhielten sich auf englisch. Hasard, Nils und selbst Old O’Flynn, der sonst immer die größte Skepsis an den Tag legte, waren der Ansicht, daß Örjan es ehrlich meinte. Hasard, Dan und Nils wollten ihn begleiten und sich selbst ein Bild von der Angelegenheit verschaffen.

„Wenn wir in einer Stunde nicht zurück sind“, sagte Hasard zu Old O’Flynn, „kannst du von mir aus den Hafenmeister, den Stadtkommandanten und die gesamte Garde von Göteborg alarmieren, vorher aber nicht. Sollte ich Örjan als Boten schicken, hat das seine Richtigkeit, denn es könnte sein, daß wir sofort aufbrechen müssen, um Stenmark aus der Klemme zu helfen.“

„Und wie soll ich Örjan verstehen?“ fragte der Alte. „Ich kann keinen einzigen Brocken Schwedisch, bei allen Seejungfrauen! Da du Nils mitnimmst, haben wir hier auch keinen Dolmetscher mehr.“

„Ich könnte dir einen Zettel schreiben, den Örjan dir dann überbringt“, sagte der Seewolf ungeduldig. „Das Lesen hast du doch noch nicht verlernt, oder?“

„Nein“, erwiderte Old O’Flynn. „Und wenn ich deine Kritzelei nicht entziffern kann, habe ich ja immer noch die Zwillinge, nicht wahr? Die sind ja gewissermaßen in die Schule gegangen und haben einiges mehr auf dem Kasten.“

Hasard hörte schon gar nicht mehr darauf, er hatte sich Örjan angeschlossen und bedeutete Nils und Dan durch einen Wink, sich ebenfalls in Bewegung zu setzen.

Blacky und Batuti hätten auch gern zu diesem kleinen Landtrupp gehört, aber sie wagten lieber gar nicht erst, dem Seewolf einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten. Wenn Hasard eine so besorgte Miene zog wie jetzt, gab es mit ihm nicht viel zu debattieren. Er hatte Dan und Nils ausgesucht, und damit basta!

Bis zum Mietstall war es wirklich nicht weit, und so konnten Hasard und seine beiden Begleiter den Schimmel schon kurze Zeit später aus nächster Nähe untersuchen.

Spuren, die auf einen Kampf schließen ließen, fanden sie nicht, aber Hasard sagte: „Stenmark hätte das Pferd niemals ohne stichhaltigen Grund aufgegeben oder fortgeschickt, schon gar nicht in dem Schneegestöber von heute nacht. Es muß etwas passiert sein.“

Ohne länger zu zögern, gab er Örjan drei Silbermünzen und ließ sich drei Pferde aushändigen. Beim Aufzäumen und Satteln halfen die Männer der „Isabella“ mit, und Hasard ließ sich genau den Weg nach Kungelf beschreiben. Diesen Namen hatte Stenmark ihm genannt, bevor er aufgebrochen war, dort sollten die Stenmarks zu Hause sein.

Nils Larsen übersetzte wieder fleißig, was gesprochen wurde, und am Ende wußte Hasard Bescheid. Am Göta-Fluß entlang mußte er reiten, das war der schnellste Weg nach Kungelf. Rasch schrieb er noch eine Nachricht für Old O’Flynn und Ben Brighton auf, dann schwang er sich auch schon in den Sattel der braunen Stute, die er ausgewählt hatte.

Örjan winkte ihnen nach, nachdem auch Nils Larsen und Dan O’Flynn in die Sättel ihrer Tiere gestiegen waren. Die drei Männer brachen auf und verließen die Stadt, Örjan begab sich zurück zur „Isabella IX.“ und brachte die Botschaft, die Hasard ihm mit Kohle auf ein Stück Pergament geschrieben hatte.

Es schneite immer noch. Stenmark kauerte in der Höhle und lud zum letztenmal die Pistolen nach. Noch zwei Wölfe hatte er durch gezielte Schüsse erlegen können, die anderen hatte er mit brennenden Holzscheiten und mit seinem Cutlass verjagt. So war es ihm immer wieder gelungen, den Angriff des Rudels abzuwehren.

Auf Björnsons Unterstützung durfte er nicht mehr hoffen, der Mann lag zusammengekrümmt neben dem Feuer und kam nicht wieder zu sich. Stenmark war von den größten Sorgen um seinen gesundheitlichen Zustand bewegt, doch er hatte nach wie vor nicht die geringste Chance, den Landeshauptmann fortzuschaffen und nach Göteborg zu transportieren.

Die zweibeinigen Wölfe belagerten jetzt die Höhle. Sie hatten sich in der Dunkelheit angeschlichen und bereits mehrere Schüsse auf ihn abgegeben, wenn er sich gegen die Wölfe verteidigt hatte. Stenmark wußte, daß er die Nase nicht zu weit vorstrecken durfte – und daß sie ihn früher oder später holen und töten würden, wenn keine Hilfe eintraf.

Sie waren wieder zu viert, wie er sich hatte ausrechnen können. Sie waren die Männer aus dem Hohlweg, hatten sich von ihrer Niederlage erholt und in der Nacht wohl die Pistolenschüsse vernommen, die Björnson und Stenmark auf die Wölfe abgegeben hatten. Wie Stenmark vermutet hatte, war es für sie nicht weiter schwierig gewesen, ihre Opfer zu finden.

Diesmal würden sie als die Sieger aus dem Kampf hervorgehen. Stenmark gab sich keinen falschen Hoffnungen hin. Er war erschöpft und verbiestert, die Nacht war hart gewesen. Er hatte nur noch zwei Schüsse, der Feind aber verfügte sicherlich über ausreichend Munition für seine Musketen.

Stenmark blickte auf die Gestalt des Landeshauptmanns hinunter und dachte: Wir sind verraten und verkauft. Freund Stig, es muß schon ein Wunder geschehen, wenn wir das hier noch lebend überstehen sollen.

Das Feuer war ganz heruntergebrannt, der Rauch stieg aus der Glut auf, kräuselte sich der Höhlendecke entgegen und kroch schwerfällig ins Freie. Bald würde auch die Glut erlöschen, denn weitere Scheite konnte Stenmark nicht mehr hereinholen. Er brauchte nur einen Schritt ins Freie zu tun, dann stand er wie eine lebendige Zielscheibe auf dem Präsentierteller. Es war Selbstmord.

Draußen bewegte sich eine Gestalt, er konnte sie im zunehmenden Licht der Dämmerung genau sehen. Ein Schuß krachte, die Kugel pfiff auf den Eingang zu und krepierte als Querschläger an der linken Seite.

Stenmark riß eine seiner Pistolen hoch und drückte ab. Brüllend löste sich der Schuß. Aber auch er traf nicht, der Kerl im Freien lachte nur hämisch und war im nächsten Augenblick verschwunden.

Jetzt hatte Stenmark nur noch einen Schuß.

Er verfluchte sich selbst und bereute, daß er ohne Begleitung von der „Isabella“ aus aufgebrochen war. Ein verdammter Narr war er gewesen. Er hätte Olaf Sundbärg töten sollen. Auch der Kerl, den er ihm Hohlweg überwältigt hatte, hätte nicht mit dem Leben davonkommen dürfen. Was hatte er jetzt davon? Er zog den kürzeren, und die Kerle dachten nicht daran, ihn zu verschonen, weil er einen von ihnen fair behandelt hatte.

Aber er wollte sein Leben so teuer wie möglich verkaufen. Wenn sie die Höhle stürmten, nahm er mindestens noch zwei mit ihnen auf den Weg in die Hölle, das schwor er sich. Den einen würde er niederschießen, den anderen mit dem Schiffshauer töten.

Nur um Björnson tat es ihm leid. Er fühlte sich verantwortlich für dessen Schicksal. Björnson würde sterben, und so hatte Olaf Sundbärg auch das zweite Opfer, das er in seinem Haß und Wahn forderte.

10.

Hasard entdeckte zwischen den Bäumen des Waldes am Göta-Elv plötzlich ein Pferd. Es war gesattelt, aber herrenlos, ein hochbeiniger Falbe. Hätte er geahnt, daß es dem Landeshauptmann Stig Björnson gehörte, der mit Stenmark zusammen in einer mörderischen Falle saß, dann hätte er seine Stute sofort zum Galopp angetrieben.

„Was hat das zu bedeuten?“ fragte er statt dessen. ‚Noch ein reiterloses Pferd. Könnt ihr euch einen Reim darauf bilden?“

„Noch nicht“, erwiderte Nils Larsen. „Aber da scheint etwas oberfaul zu sein.“

„Seht mal!“ stieß Dan plötzlich aus, der sich in den Steigbügeln aufgerichtet hatte. „Da drüben steigt Rauch auf!“ Er deutete nach Osten und tatsächlich: Ein Stück abseits des Weges nach Kungelf waren trotz des nach wie vor fallenden Schnees dünne Schwaden zu erkennen, die in den Himmel stiegen.

Dann fielen zwei Schüsse – und jetzt trieb der Seewolf seine Stute zur Eile an. Er verließ den Weg, ritt einen Hang hinauf, blieb fast im Schnee stecken, schaffte es aber, sich zu befreien und jagte weiter, dem Rauch entgegen. Dan und Nils folgten ihm, so schnell sie konnten, doch es fiel ihnen nicht leicht, denn Hasard war ein ausgezeichneter Reiter.

Hasard wurde von der Stute über eine Anhöhe hinweggetragen, dann durch ein Gehölz, das sich so plötzlich wieder öffnete, wie es begonnen hatte – und dann sah er alles vor sich: den Eingang der Höhle, drei Wolfskadaver, das Feuer im Inneren und die Gestalten von insgesamt vier vermummten Männern, die sich im Freien hinter den Baumstämmen bewegten und mit Musketen auf die Höhle anlegten.

Plötzlich erkannte Hasard auch Stenmarks hellblonden Haarschopf im Eingang der Höhle.

„Stenmark!“ schrie er.

Ein Schuß krachte, einer der Maskierten hatte auf Stenmark gefeuert. Der Schwede zog sich blitzschnell wieder zurück, er schien nicht verletzt zu sein. Hasard ließ sich aus dem Sattel gleiten, zückte seine Pistole, duckte sich in den Schnee und legte auf den Schützen an.

Er drückte ab und traf den Kerl, der an der Schulter verwundet, zur Seite wegsackte. Jetzt waren auch Dan und Nils zur Stelle. Sie hatten ihre Pferde ein Stück zurückgelassen, näherten sich den Maskierten fast lautlos und streckten zwei von ihnen durch Hiebe mit ihren Pistolenkolben nieder. Daß es „ihrem“ Stenmark hier an den Kragen gehen sollte, versetzte sie in Wut. Sie wollten sich auch den vierten Kerl vornehmen, doch der ergriff die Flucht, bevor sie ihn erreichten.

Hasard richtete sich auf. Der Kampf war nur kurz gewesen, weitere Gegner schienen sich nicht in der Nähe zu befinden. Er trat auf die Höhle zu und sagte: „Sten, du kannst herauskommen. Es scheint alles vorbei zu sein.“

Stenmark zeigte sich im Eingang und grinste. „Ich habe noch einen Schuß, Sir. Den habe ich jetzt nicht mehr anbringen können.“

Erst jetzt sah Hasard die zweite Gestalt, die in der Höhle neben dem ersterbenden Feuer lag.

„Wer ist das denn?“ fragte er. „Wie wäre es überhaupt, wenn du uns alles erklären würdest, was hier passiert ist?“

„Sofort“, entgegnete Stenmark, aber er blickte erst einmal zu Nils und zu Dan, die ihm zuwinkten.

„Was sollen wir mit den Kerlen hier tun?“ wollte Dan wissen.

„Reißt ihnen die Masken herunter“, sagte der Seewolf. „Ich nehme an, Stenmark will sie sich aus der Nähe ansehen – oder irre ich mich?“

„Das tust du nicht. Sir, wie soll ich dir bloß danken? Wie hast du herausgekriegt, daß ich hier festsaß?“

„Später erzähle ich dir auch das“, erwiderte der Seewolf. Sie traten zu den Bewußtlosen und zu dem verletzten Kerl, der stöhnend im Schnee kauerte. Stenmark demaskierte ihn als ersten – und stellte fest, daß er Sune vor sich hatte.

„Wo ist Olaf Sundbärg?“ fragte er ihn.

„Weiß ich nicht.“

„Du lügst! Soll ich es aus dir herausprügeln?“

„Du kannst mich töten, aber mich bringst du nicht zum Sprechen“, erwiderte Sune mit verzerrtem Gesicht.

Stenmark ging zu den beiden ohnmächtigen Männern und zerrte auch ihnen die Vermummung von den Köpfen. Wieder erkannte er zwei Männer der Sundbärg-Clique, deren Namen er jedoch nicht wußte. Der vierte, der geflohen war, mußte derjenige sein, der im Hohlweg auf Björnson geschossen hatte.

„Was soll mit ihnen geschehen?“ fragte nun auch Nils Larsen.

„Stenmark muß das entscheiden“, sagte der Seewolf.

Stenmark zuckte mit den Schultern. „Wir lassen sie laufen, was denn sonst? Ich bin kein Mörder und kein Menschenquäler, auch wenn man dies von mir behauptet.“ Er bückte sich, rieb den beiden besinnungslosen Kerlen Schnee in die Gesichter und wartete, bis sie das Bewußtsein wiedererlangt hatten. Dann sagte er: „Bestellt Olaf einen schönen Gruß von mir. Er wird es noch schwer bereuen, was er getan hat. So, und jetzt haut ab.“

Sie konnten es kaum glauben, erhoben sich aber doch mit verwunderten Mienen und stolperten zu ihrem verletzten Kumpan. Sie halfen auch ihm auf die Beine, dann wankten sie zu dritt davon und verschwanden im Wald. Irgendwo hatten sie ihre Pferde versteckt, die sie jetzt losbanden, um auf dem schnellsten Weg nach Kungelf zurückzukehren.

„Mein Leben hat am seidenen Faden gehangen“, erklärte Stenmark seinem Kapitän und seinen Kameraden. „Aber das bleibt auch weiterhin so. Ich will euch nicht länger verheimlichen, was mich nach Kungelf geführt hat.“ In knappen Worten setzte er ihnen auseinander, um was es ging.

Hasard sagte: „Wir wissen auch, daß du kein Mörder und Frauenschänder bist, Sten. Nun hör schon auf, dich zu verteidigen. Wenn es sein muß, erzähle ich dem Richter von Göteborg, was für ein umsichtiger und mutiger Mann du bist – und daß du niemals einem wehrlosen Menschen etwas zuleide tun würdest, nicht einmal einer Fliege.“

„Danke, Sir.“

„Also los“, sagte Hasard. „Wir müssen uns um den Hauptmann Björnson kümmern.“ Er ging zur Höhle, betrat sie, beugte sich über den nach wie vor reglos daliegenden Mann und erkannte, daß dieser bereits Fieber hatte.

Ohne lange zu fackeln, luden die vier Männer ihn auf eins ihrer Pferde, dann saßen sie auf und ritten nach Göteborg. Stenmark saß mit bei Hasard auf der Stute, Dan war zu Nils in den Sattel gestiegen, und das dritte Pferd mit dem Landeshauptmann führten sie am Zügel hinter sich her.

In Göteborg suchten sie nicht erst lange nach einem Arzt, sondern brachten Björnson sofort an Bord der „Isabella“. Hier wurden sie von der komplett versammelten Crew erwartet, und auch Örjan, der Mietstallbesitzer, war noch zugegen. Der Kutscher und Mac Pellew schafften den Landeshauptmann ohne große Umstände in den Krankenbereich des Vordecks und kümmerten sich um ihn.

Der Kutscher holte dem Mann die Kugel aus der Schulter, Mac Pellew hantierte mit sauberen Leinentüchern, heißem Wasser und heilenden Salben und Mixturen.

Eine halbe Stunde später konnte der Kutscher aufs Hauptdeck hinaustreten und den Männern mitteilen: „Der Hauptmann wird es überstehen. So weit, daß er dem Starrkrampf erliegt, war die Infektion noch nicht fortgeschritten.“

Stenmark atmete auf, dann aber drängte er darauf, daß man seinen Vetter Olav Sundbärg hinter Schloß und Riegel bringen müsse. Er wandte sich an Örjan und sagte: „Übernehmen Sie das, Örjan. Gehen Sie zum Richter und informieren Sie ihn über alles, was Sie hier soeben vernommen haben.“

„Natürlich tue ich das gern“, sagte der Mietstallbesitzer. „Aber ich weiß nicht so recht, ob er mir Glauben schenkt.“

Nils Larsen übersetzte dies. Der Seewolf trat zwischen Stenmark, Örjan, Dan O’Flynn und Ben Brighton, die dicht beieinander standen, und hob die Hand, um die einsetzende Diskussion zu unterbrechen.

„Wir suchen den Richter selbst auf“, sagte er. „Mit einer Abordnung. Sie besteht aus Stenmark, Nils, Dan und mir. Nein, bitte keine anderen Wortmeldungen und Vorschläge jetzt, wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.“

So standen sie knapp eine halbe Stunde später vor dem Stellvertreter des Häradshöfding – Örjan hatte sie begleitet. Der Stellvertreter hörte sich ruhig an, was sie vorzubringen hatten, dann aber erklärte er: „Der Häradshöfding ist zu einem Thing nach Marstrand gesegelt und wird erst in zwei Tagen zurückerwartet. Aber ich bin bereit, mit Ihnen nach Kungelf zu reiten, meine Herren, um dort Olaf Sundbärg festzunehmen. Die Tatsache, daß es seine Freunde waren, die auf den Landeshauptmann geschossen haben, scheint mir ausreichend zu sein, um eine Verhaftung zu begründen. Mit den vier Kerlen selbst werden wir vom Gericht uns auch noch befassen, darauf können Sie sich verlassen. Sundbärg steht unter dem dringenden Verdacht, der Anstifter zu dem Attentat gewesen zu sein, und ich kann nicht dulden, daß er sich weiterhin auf freiem Fuß befindet.“

Hasard und seine Kameraden zeigten anerkennende Mienen, als Stenmark ihnen diese Worte übersetzte.

„Ich habe mich in den Schweden also doch nicht getäuscht“, sagte Hasard. „Leider stellen dein Vetter und seine Verbündeten eine Ausnahme dar, aber schwarze Schafe gibt es ja überall, in jedem Volk, nicht wahr?“

„Leider“, entgegnete Stenmark. „Aber jetzt muß Olaf ein Geständnis ablegen, es bleibt ihm nichts anderes mehr übrig.“

Als sie am frühen Morgen in Kungelf eintrafen, war der Vogel jedoch ausgeflogen, und Hamren, der Wirt, zuckte nur mit den Schultern, als der stellvertretende Richter ihn nach Sundbärgs Verbleib befragte.

„Sehen Sie doch auf dem Gehöft nach“, sagte er. „Nach der Schlägerei von gestern abend hat er noch ein Bier getrunken und ist dann nach Hause gegangen. Ich kann das bezeugen.“

„So?“ sagte der Richter. „Nun gut, ich überprüfe Ihre Aussage, Hamren. Aber Sie kommen mit. Und wo sind die anderen – Sune und alle, die Sundbärg gegen Stenmark unterstützt haben?“

„Keine Ahnung.“

Hamren blieb weiterhin hartnäkkig. Hasard, Stenmark, Nils und Dan griffen in die Vernehmung nicht ein, sie sprachen kein Wort. Die Gruppe begab sich zum Gehöft der Sundbärgs, doch hier traf sie nur den alten Sixten an, der gerade auf dem Hof Schnee fegte.

„Du hier?“ sagte er, als er Stenmark endlich erkannte. Er kniff die Augen zusammen, sein Gesicht verzerrte sich. „Du hättest nicht zurückkehren sollen, Stenmark, es ist dein Untergang. Es gab Zeiten, da habe ich dich wie meinen eigenen Sohn geliebt, aber ich kann dir das, was du getan hast, nicht verzeihen.“

„Du irrst dich“, sagte Stenmark. „Ich bin unschuldig. Aber das wirst du mir wohl niemals glauben. Wo ist Olaf?“

„Zur Jagd in den Wäldern.“

„Das nehme ich Ihnen nicht ab, Sixten Sundbärg“, sagte der stellvertretende Richter. „Doch Sie sind Olafs Vater, ich kann es Ihnen nicht verübeln, daß Sie Ihren Sohn decken. Keiner würde es Ihnen anlasten.“

„Schert euch alle zum Teufel!“ stieß der Alte wütend aus, dann fuhr er in seiner Tätigkeit fort, ohne den Männern noch weiter Beachtung zu schenken. Doch er ahnte bereits, daß an den Anschuldigungen, die Stenmark gegen seinen Vetter ausstieß, etwas Wahres sein mußte.

Der Stellvertreter des Richters durchsuchte die Gebäude des Anwesens, vermochte Olaf aber nirgends zu entdecken. Das Aufgebot kehrte mit Hamren nach Göteborg zurück, und hier begann der Richter nun, Hamren scharf ins Verhör zu nehmen.

Sixten Sundbärg wartete den ganzen Tag über auf seinen Sohn, doch der ließ sich nicht blicken. Sixten wollte eine Erklärung, keine Ausflüchte mehr, mit denen Olaf ihn jahrelang hingehalten hatte, doch es sollte das Gericht sein, das die Entscheidung herbeiführte. Zum Hof kehrte Olaf nicht mehr zurück.

Hasard schickte Nils Larsen als Boten zur „Isabella“, damit die Männer über alles unterrichtet wurden, er selbst blieb mit Stenmark und Dan bis zum Abend im Gerichtsgebäude und wohnte dem Verhör bei.

Der stellvertretende Richter ging nicht sehr rücksichtsvoll mit Hamren um. Das Ergebnis war, daß der Wirt beim Dunkelwerden fast zusammenbrach und endlich gestand, was er wußte.

„Ja“, stöhnte er. „Es ist wahr. Stenmark kann nicht der Mörder von Kerstin Nilsson sein.“

„Warum nicht?“ fuhr der Stellvertreter ihn an. „Warum haben Sie das achtzehn Jahre lang verheimlicht?“

„Olaf Sundbärg hat mich dafür bezahlt“, gab Hamren zu. „An dem Abend, an dem das Mädchen getötet wurde, war es Stenmark, der zu der Tatzeit bei mir im Wirtshaus saß. Später erschien Sundbärg, und sein Gesicht war ziemlich zerkratzt und blutig. Er kam zu mir ins Hinterzimmer, ohne daß Stenmark ihn sah. Er bot mir eine Menge Geld für mein Stillschweigen, und ich willigte ein. Ich versprach ihm auch, Stenmark betrunken zu machen, wie er es von mir verlangte. Das tat ich dann. Als Stenmark so voll war, daß er kaum noch auf seinen Beinen stehen konnte, setzte ich ihn vor die Tür. Draußen, im Dunkeln, war es dann Olaf Sundbärg, der ihn in Empfang nahm, um ihn nach Hause zu bringen. Mehr weiß ich nicht.“

„Ich habe in der Akte des Falles nachgelesen, Was weiter geschah“, erklärte der stellvertretende Richter. „Am nächsten Morgen wurde Stenmark aus dem Bett heraus verhaftet. Er hatte einen Kater und wußte von nichts, wie er selbst angab. Aber in seinem Gesicht hatte er Kratzspuren, und seine Kleider waren voller Blut. Sein Messer wurde bei der Ermordeten gefunden, alles sprach gegen ihn. Olaf Sundbärg, so wurde von mehreren Zeugen übereinstimmend zu Protokoll gegeben, befand sich zur Jagd in den Wäldern.“

„Bis seine eigenen Kratzspuren verheilt waren“, sagte der Seewolf, nachdem Stenmark ihm alles übersetzt hatte. „Jetzt ist mir alles klar.“

Der Stellvertreter des Häradshöfding erhob sich.

„Hamren“, sagte er. „Sie sind verhaftet und werden wegen Mitwisserschaft hier in Göteborg unter Arrest gestellt.“ Er winkte zwei Wachtposten zu, die den Mann an den Armen packten und abführten.

Der Häradshöfding kehrte am nächsten Mittag nach Göteborg zurück, und sofort wurde ein neuer Thing einberufen. Die Verhandlung fand in der Öffentlichkeit statt. Unter anderem waren Helge Arvidson, Börje Magnusson, Aina und Örjan als Zuhörer erschienen, aber auch der Landeshauptmann Stig Björnson fehlte nicht. Er trug einen dicken Verband und war noch sehr blaß im Gesicht, aber er konnte Stenmark schon wieder zulächeln und ihm alles Gute wünschen.

Hamrens Geständnis wurde verlesen, dann erhoben sich der Richter und die zwölf Beigeordneten des Things, und der neue Urteilsspruch wurde verkündet.

Stenmark war von jeder Schuld freigesprochen und rehabilitiert. Der alte Makel war getilgt, die Ehrenrettung spät, aber doch noch rechtzeitig genug herbeigeführt.

Carberry, Big Old Shane, Ben und Roger Brighton und Old O’Flynn waren ein wenig zu spät erschienen und drückten sich neben Hasard, Dan und Nils auf eine der langen Bänke. Der Profos saß ganz rechts außen und reckte den Hals, um Stenmark vorn am Tisch des Richters erkennen zu können.

Ein Mann schob sich neben Carberry auf die Bank. Carberry versuchte, nach links zu rücken, stieß dabei aber Shane an, der ihm zuzischte: „Kannst du nicht still sitzen? Mann, die Schweden schmeißen uns hier gleich ’raus, wenn du dich nicht benehmen kannst.“

Carberry brummelte etwas Unverständliches, dann warf er dem Ankömmling zu seiner Rechten einen tadelnden Blick zu. Dieser trug – das stellte der Profos erst in diesem Augenblick fest – seine Mütze tief ins Gesicht gezogen und hatte außerdem einen dicken Schal um seinen Hals gewickelt, der die Mundpartie und das Kinn völlig verdeckte.

Dies fand Carberry seltsam, aber er schaute nach vorn und tat so, als schenke er dem Mann keine Aufmerksamkeit. Aus den Augenwinkeln heraus verfolgte er jetzt jedoch, wie der Kerl unter die Jacke griff und eine Steinschloßpistole hervorholte.

Er richtete sich halb auf, spannte den Hahn der Waffe und wollte auf Stenmark anlegen, aber plötzlich wurde Carberry aktiv. Er riß die Faust hoch. Die Pistole richtete sich zum Himmel, ihr Besitzer stöhnte entsetzt auf, denn Carberrys Knöchel hatten seinen Unterarm so heftig getroffen, daß er wie gelähmt war.

„Ed, zum Teufel, was ist denn jetzt wieder los?“ fragte Shane aufgebracht. Er sah nach rechts – und sah den Profos aufspringen.

Alle Anwesenden wurden auf Carberry aufmerksam, der dem Vermummten die Pistole entwand und ihn dann durch einen weiteren Fausthieb zu Boden schickte. Uniformierte Wächter eilten herbei, der Richter und die Beigeordneten blickten sich untereinander verblüfft an.

Hasard drängte zu Carberry vor, und sie beugten sich gemeinsam über den bewußtlos Zusammengebrochenen. Eben näherte sich auch Aina und traf noch vor den Wachtposten bei ihnen ein.

Hasard riß dem fremden Mann die Mütze vom Kopf, Carberry nahm ihm den Schal ab.

Aina schrie auf. „Das ist Olaf Sundbärg!“

Jetzt waren auch die Wächter heran, hielten die Zuhörer von Sundbärg fern und halfen ihm, als er wieder zu sich kam, auf die Beine. Sundbärg wehrte sich, doch es nutzte ihm nichts. Er wurde dem Gericht vorgeführt, und Carberry trug die Pistole, deren Hahn er vorsichtig in die Ruheposition zurückführte, zum Tisch und legte sie dem Häradshöfding genau vor die Hände.

Sundbärg hatte Stenmark töten wollen, doch Carberry hatte es zu vereiteln gewußt. Somit hatte Sundbärg die letzten Zweifel, die noch an seiner Schuld bestehen mochten, selbst beseitigt.

Nur kurze Zeit dauerte die abschließende Verhandlung gegen Olaf Sundbärg an, dann verkündete der Richter auch dieses Urteil: „Olaf Sundbärg, du wirst im Morgengrauen des neuen Tages am Halse aufgehängt, bis kein Leben mehr in dir ist!“

Die Seewölfe nahmen diese letzten Worte, die Stenmark selbst ihnen übersetzte, mit an Bord der „Isabella“. Keiner konnte Sundbärg bedauern, alle waren froh, daß Stenmark endlich freigesprochen war.

An diesem Abend fand ein Bordfest statt, zu dem Aina, Magnusson, Arvidson, Örjan und der Landeshauptmann eingeladen waren. Stenmark hatte in seiner Heimat neue Freunde gewonnen – auch dies hätte er sich nicht träumen lassen. Sie sprachen noch lange über vergangene Zeiten und über die Gegenwart, und Hasard erfuhr bei dieser Gelegenheit so manches, das ihm bei der weiterführenden Reise durch die Ostsee nützlich sein würde.

Verspätet – die Ruderkette war inzwischen repariert – lief die „Isabella IX.“ am nächsten Morgen aus dem Hafen von Göteborg aus. Keiner der Männer nahm an der Hinrichtung teil, doch sie alle glaubten zu sehen, wie Olaf Sundbärg jetzt seinem Henker vorgeführt wurde.

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