Kitabı oku: «Seewölfe Paket 17», sayfa 2

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2.

Die Seewölfe hatten längst begriffen, was sich auf der „Wappen von Kolberg“ abspielte. Obwohl sie das Schiff nicht sehen konnten, sagte ihnen das laute Gebrüll genug. Auch waren sie sich darüber im klaren, daß es sich bei der Galeerenbesatzung um Polen handeln mußte. Nils Larsen und Stenmark hatten das schon mitgekriegt, als die Galeere an der Bordwand der „Isabella“ entlanggeschrammt war.

Die dichten Nebelschwaden begannen sich stellenweise aufzulösen, wodurch die Sicht langsam etwas besser wurde. Dennoch konnten weder der Seewolf noch Ben Brighton etwas durch ihre Spektive erkennen. Selbst Dan O’Flynn, der die schärfsten Augen an Bord hatte, mußte kapitulieren.

„Hast wohl heute nicht deinen Adlerblick drauf, was, wie?“ fragte der Profos grinsend. „Aber tröste dich, wir haben ja immer noch Paddy mit seiner prächtigen Knollennase. Wenn er mit diesem Zinken hoch genug an den Wind geht, wird er die Rübenschweine sofort riechen!“

Bevor Dan O’Flynn eine geharnischte Antwort vom Stapel lassen konnte, mischte sich der Seewolf ein.

„Zum Glück sind wir jetzt weder auf Adleraugen noch auf Knollennasen angewiesen“, sagte er. „Allein der Lärm wird alle Schiffe im Umkreis auf den richtigen Kurs lotsen. Außerdem können wir nicht weit vom Schauplatz entfernt sein.“

Das Gebrüll, das von der „Wappen von Kolberg“ herüberdröhnte, war in der Tat nicht zu überhören.

Edwin Carberry rieb sich in Erwartung der bevorstehenden Ereignisse tatendurstig die Pranken.

„Man hört’s ganz deutlich“, sagte er, obwohl durch den Lärm kein einziges Wort zu verstehen war, „das sind die Lümmel des Königs Siegermund …“

„Sigismund!“ unterbrach ihn Dan.

„Ach was“, fuhr Ed fort, „ist mir egal, wie sich diese beutelüsterne Majestät nennt! Hört ihr nicht, daß das Geschrei dieser plattfüßigen Strolche so richtig gierig klingt, he? Ich sage euch, die wollen die hübschen Klunkerchen unter sich aufteilen, die Arne an Bord hat, jawohl!“

„Du hast es erfaßt“, pflichtete ihm Old Donegal Daniel O’Flynn bei, der trotz seines Holzbeins und der Krükke gewandt zum Achterdeck aufgeentert war. „Die wissen bestimmt, daß sich noch die vierzehn Kisten mit Bernsteinen und Halbedelsteinen an Bord befinden, die Witold Woyda in Hopsal geklaut hat. Da wird Arne aber gut auf das Zeug aufpassen müssen!“

Edwin Carberry nickte mit grimmigem Gesicht.

„Wir hätten die Kisten zu uns an Bord nehmen sollen“, meinte er.

„Hä? Warum das denn?“ fragte Old Donegal.

„Ich hätte sie zusammen mit dem Mister Generalkapitän in der Vorpiek eingeschlossen“, fuhr Ed fort. „Dann hätte ich dem habgierigen Rübenschwein einen alten Lumpen in die Hände gedrückt und ihn beauftragt, jedes einzelne Steinchen schön zu polieren. Was glaubt ihr, was dieser Räucherhering für einen Spaß an dieser Arbeit gehabt hätte! So aber sitzt der Kerl da unten in unserer Piek und ruht sich aus. Vielleicht freut er sich sogar über den Lärm und wartet schon darauf, daß ihm seine Befreier das Schott öffnen. Ich wette, daß dieser Affenarsch …“

„Ha!“ entfuhr es dem alten O’Flynn. „Hör bloß auf zu wetten! Aus dem letzten Reinfall müßtest du eigentlich was gelernt haben. Wenn ich mir so deinen vierkantigen Glatzkopf ansehe, dann muß ich an eine verbeulte Kokosnuß denken.“

„Mach bloß die Luke dicht, du Holzgerippe!“ stieß der Profos hervor. „Und kümmere dich gefälligst nicht um meinen Charakterkopf! Vielleicht sprießen dort schon in wenigen Tagen hübsche Löckchen, wer weiß.“

Die Männer wollten in lautes Gelächter ausbrechen, aber da schaltete sich der Seewolf ein, der gerade einige Worte mit Ben Brighton gewechselt hatte.

„Wir dürfen keine Zeit verlieren“, sagte Hasard. „Was immer die Polen auch für Motive haben, über Arne und seine Männer herzufallen, sie spielen im Moment eine untergeordnete Rolle. Arne braucht unsere Hilfe, und zwar dringend. Mit seinen wenigen Leuten kann er das Schiff nicht auf Dauer gegen die Übermacht der Polen halten. Also mischen wir ein bißchen mit, und zwar so rasch es geht. Andererseits müssen wir natürlich damit rechnen, daß die Galeere zu einem polnischen Verband gehört, vielleicht sogar zu jenen Gruppen, die nach illegalen Bernsteinladungen fahnden. Somit besteht die Möglichkeit, daß jederzeit weitere Schiffe hier auftauchen.“

Die Seewölfe setzten sich in Bewegung.

Noch während die „Isabella“ vor den Wind ging, wurde die Gefechtsbereitschaft überprüft. Hasard ließ halsen, und schon wenig später lief die Galeone über Steuerbordbug auf die „Wappen von Kolberg“ zu. Das ständig lauter werdende Gebrüll sowie die Konturen des Schiffes, die sich jetzt deutlich im Nebel abzeichneten, zeigten an, daß man die richtige Richtung eingeschlagen hatten.

Alles Weitere lief rasch.

Hasard ließ die Segel ins Gei hängen, dann manövrierte Pete Ballie die „Isabella“ so an das Schiff der Deutschen heran, daß sich die Backbordseiten der beiden Schiffe berührten.

Und dann hielt die Seewölfe nichts mehr zurück.

„Auf ins Getümmel, ihr frommen Pilgerscharen!“ brüllte Edwin Carberry. „Jetzt wollen wir diesen triefäugigen Nebelböcken mal das Tanzen beibringen, was, wie?“

Mit einem donnernden „Ar-we-nack!“, dem Kampfruf der Seewölfe, stürmten die Männer auf die „Wappen von Kolberg“ hinüber, auf der noch immer ein heftiger Kampf tobte. Sie hatten rasch bemerkt, daß sich Arne mit seinen Leuten zum Achterkastell zurückgezogen hatte. Demnach war es höchste Zeit, daß die Deutschen etwas Unterstützung kriegten.

Philip Hasard Killigrew war schlau genug, nicht alle seine Männer auf Arnes Galeone überentern zu lassen. Wie richtig diese Entscheidung war, sollte sich schon wenig später herausstellen.

Der Seewolf blieb zusammen mit seinen zwölfjährigen Zwillingssöhnchen, Philip und Hasard, sowie mit Old O’Flynn, Al Conroy, Will Thorne und Gary Andrews an Bord der „Isabella“. Die beiden „Rübenschweinchen“, wie der Profos die Zwillinge meist nannte, hatten die Aufgabe, scharf Ausguck zu halten, zumal niemand wußte, welche Überraschungen der Nebel an diesem Morgen noch bereithielt.

Die restliche Crew begann auf der „Wappen von Kolberg“ mit dem großen Aufräumen.

Die Polen, die sich seit dem Rückzug der Deutschen aufs Achterkastell ihrem Sieg schon ziemlich nahe glaubten, hatten mit Entsetzen festgestellt, daß die große englische Galeone längsseits gegangen war. Daß dies keine Stärkung ihrer eigenen Reihen bedeutete, war ihnen klar.

So blieb ihnen nichts weiter übrig, als eine neue Front zur Backbordseite des Schiffes hin zu bilden. Doch bevor das gelang, befanden sich die meisten Seewölfe schon an Bord.

„Jetzt wird Reinschiff gemacht, Leute!“ rief der sonst so ruhige und besonnene Ben Brighton. „Und daß ihr mir ja das Deck schön sauber aufwischt!“ Er donnerte dem ersten Soldaten, der ihm in die Quere geriet, mit solcher Wucht die Faust unter das Kinn, daß dieser fast aus den Stiefeln gehoben wurde.

Auch die anderen Seewölfe hatten keine „Kontaktschwierigkeiten“, und im Handumdrehen war auf der „Wappen von Kolberg“ erst richtig der Teufel los. Der Kampf wurde teils mit Blankwaffen, teils mit nackten Fäusten oder Schlaginstrumenten geführt.

Arne von Manteuffel und seinen dreizehn Männern gelang es vom Achterdeck aus, die Polen zurückzudrängen, so daß sich das Getümmel mehr und mehr zur Kuhl hin verlagerte, wo die Seewölfe für Ordnung sorgten.

Sie alle kämpften wie die Löwen – Bill, Jeff Bowie, Matt Davies, Big Old Shane, Bob Grey, Batuti und all die anderen. Und die Polen begriffen sehr rasch, daß sie es mit eisenharten Männern zu tun hatten, die sich nicht einschüchtern ließen, am allerwenigsten durch lautes Gebrüll oder wüste Drohungen.

Big Old Shane, der schon als Schmied von Arwenack Castle in Falmouth gelernt hatte, kräftig zuzupacken, hielt eine Radschloßpistole am Lauf, und wer mit dem harten Kolben der Waffe Bekanntschaft schloß, brauchte sich hernach über mangelnde Beulen nicht zu beklagen.

Batuti, der schwarze Riese aus Gambia, ließ seinen gefürchteten Morgenstern kreisen, und Dan O’Flynn war in ein hartes Degenduell mit einem Soldaten verwickelt. Bill hieb mit einem Belegnagel drein und Ferris Tucker, dessen Kreuz so breit wie ein Rahsegel war, ließ das stumpfe Ende seiner gefürchteten Zimmermannsaxt durch die Luft zischen.

Edwin Carberry schien seinen entdeckungsreichen Tag zu haben. Irgendwo in der Nähe der Nagelbank des Großmastes stieß er auf die herumliegenden Utensilien, mit denen für gewöhnlich Reinschiff gemacht wurde. Dazu gehörte eine Pütz, die halb mit Sand gefüllt war, außerdem ein sogenannter „Holystone“ – ein weißer Sandstein, mit dem sich auch grobe Verunreinigungen der Planken wegscheuern ließen –, und einen Dweil, bei dem es sich um ein schrubberartiges Gebilde mit langem Stiel handelte.

„Ho!“ rief Ed, sichtlich erfreut über seinen Fund. „Kommt nur herbei, ihr Läuseknacker! Ich werde euch hübsch aufpolieren, damit eure Affenärsche glänzen wie Speckschwarten!“

Da er gerade mit einigen Ruderknechten beschäftigt gewesen war, schüttelte er mit Schwung den Sand in die Menge, was ein lautes Aufheulen derer zur Folge hatte, die die Sandkörner in die Augen kriegten.

Dem Kerl, der ihm am nächsten war, stülpte er die leere Pütz über den Schädel und setzte dann eine Faust obendrauf. Das hohle Geräusch, das er damit erzeugte, erinnerte an eine Trommel, mit der man auf Galeeren den Takt für die Ruderknechte vorgab.

Einem vierschrötigen Burschen, der mit einer Spake auf ihn losgehen wollte, schleuderte der Profos den „Holystone“ entgegen. Der kantige Sandstein traf den Polen voll am linken Fuß und verfehlte trotz der festen Lederstiefel seine Wirkung nicht.

Der Kerl stimmte ein markerschütterndes Geschrei an und hüpfte auf dem heilgebliebenen rechten Fuß im Kreis herum, wie einer jener tanzenden Derwische des Ibrahim Salih, die die Seewölfe einst an der türkischen Südküste kennengelernt hatten.

Um dem Geheule ein Ende zu bereiten, hieb Ed noch mit dem Dweil zu. Da dieses Putzwerkzeug, an dem noch einige Scheuertücher befestigt waren, naß war, gab es ein klatschendes Geräusch, dann krachte der Ruderknecht mit verdrehten Augen gegen die Nagelbank.

„Merk dir das, du Rübenschwein“, stieß Ed hervor, „am frühen Morgen wird noch nicht gesungen und getanzt, so was gehört sich nicht!“

„Recht so!“ rief der bullige Paddy Rogers. „Außerdem gehören Kanalratten ins Wasser!“ Er sammelte die Kerle auf, die ihm vor die Füße gepurzelt waren und beförderte sie – schön einen nach dem anderen – über Bord.

Edwin Carberry trennte sich vorerst nicht von dem Dweil, mit dem man so richtig schön zulangen konnte. Und so mußte sich noch so mancher Pole die nassen Lumpen mit lauten Klatschen um die Ohren hauen lassen.

Auch die beiden „Hakenmänner“ unter den Seewölfen waren voll in ihrem Element. Matt Davies räumte vor der Back auf, und Jeff Bowie, der stämmige Liverpooler, fegte gerade wie ein Wirbelwind über die Kuhlgräting hinweg. Sein linker Arm, dessen Hand durch eine Hakenprothese ersetzt worden war, weil er einst unliebsame Bekanntschaft mit Piranhas geschlossen hatte, zuckte vor – direkt auf einen polnischen Offizier zu. Sekunden später hing die Uniform des Mannes in Fetzen. Nachdem Jeff ein weiteres Mal zugelangt hatte, stand der Kerl fast nackt auf den Planken. Er vergaß vor Entsetzen, seinen Degen zu gebrauchen, deshalb prellte ihm Jeff Bowie mit einem dritten Hieb die Waffe aus der Hand.

Der Profos, der das gesehen hatte, grinste von einem Ohr zum anderen.

„Mach langsam, Jeff!“ brüllte er. „Sonst kämpfen wir am Ende nur noch mit einer Horde nackter Affen!“

Der Kutscher, der gerade einem Messerstich ausgewichen war, bedankte sich bei seinem Gegner, indem er ihm einen Belegnagel über den Scheitel zog. Dann deutete er plötzlich nach Steuerbord.

Die Blicke der anderen Männer folgten seinem Zeigefinger. Und selbst die Polen hielten einen Moment inne und starrten wie gebannt auf das Bild, das sich ihnen bot.

Die Galeere, die ein Stück von der „Wappen von Kolberg“ weggetrieben war, ging über das Heck auf Tiefe. Mit einem lauten Gurgeln, Schmatzen und Zischen versank das wracke Schiff der Polen in den Fluten. Kurze Zeit später erinnerten nur noch treibende Planken, Holzstücke und Wasserfässer an die Galeere.

Der Untergang ihres Schiffes ließ blanken Haß in den Polen auflodern. Mit lautem Wutgeheul und verzerrten Gesichtern stürzten sie sich erneut auf die kleine Mannschaft Arnes und die Seewölfe.

Wie es aussah, strebte das Kampfgetümmel seinem Höhepunkt zu.

„Das Rübenschwein veranstaltet Krawall“, meldete Philip junior, der gerade das Achterdeck der „Isabella“ betrat.

Der Seewolf blickte seinen Sprößling verständnislos an.

„Wen meinst du damit?“

„Na, den plattfüßigen Räucherhering!“

Hasard schüttelte den Kopf.

„Zum Donnerwetter, kannst du dich nicht etwas deutlicher ausdrükken? Außerdem habe ich dir und deinem Bruder schon hundertmal gesagt, daß ihr solche Ausdrücke nicht benutzen sollt!“

„Na ja, Sir“, erklärte Philip ungerührt. „Ich hab dieser Miesmuschel von einem Generalkapitän gleich gesagt, daß Mister Carberry ihm die Haut in klitzekleinen Streifchen von seinem verlausten …“

„Jetzt reicht’s aber!“ sagte der Seewolf mit schneidender Stimme. „Wenn du dich nicht sofort in einer gesitteten Sprache ausdrückst, ziehe ich dir den Hosenboden stramm, aber so, daß du die nächsten drei Tage auf dem Bauch schläfst, mein Sohn!“

„Dann müßte der Profos schon seit Jahren auf dem Bauch schlafen, Sir“, sagte Philip mit unschuldigem Gesicht.

„Willst du dich etwa mit dem Profos vergleichen?“ fuhr ihn Hasard an. „Mister Carberry und sein Wortschatz – nun ja, die gehören ganz einfach zusammen, die bilden, wie man so sagt, eine geschlossene Einheit. Deshalb braucht ihr euch diesen Wortschatz noch lange nicht anzueignen, verstanden?“

„Ja, Sir!“ Philip junior schlug züchtig die Augen nieder, aber wer genau hinsah, bemerkte deutlich, daß der Bengel innerlich lachte und kicherte. Dennoch hätte er es nicht gewagt, in seinem anfänglichen Tonfall fortzufahren.

„Was war also?“ fragte Hasard.

„Mister Witold Woyda tobt unten in der Vorpiek herum“, berichtete Philip. „Er hat wie ein Verrückter mit den Fäusten gegen das Schott getrommelt und immerzu was Unanständiges gebrüllt!“

„Woher willst du das wissen? Du verstehst doch nicht polnisch?“

„Das war deutlich herauszuhören!“

Hasard gab es auf. Er konnte sich durchaus vorstellen, daß der gefangene Generalkapitän in der Vorpiek herumtobte. Der Lärm, der von der „Wappen von Kolberg“ herüberdröhnte, konnte ihm unmöglich verborgen geblieben sein. Außerdem schwebte Witold Woyda im Ungewissen. Er hatte keine Ahnung, was hier vor sich ging.

Hasard und seine Männer hatten die ganze Zeit über das Geschehen auf Arnes Galeone mitverfolgt. Und den wenigen Seewölfen, die mit ihrem Kapitän auf der „Isabella“ verblieben waren, war deutlich anzusehen, daß es ihnen in den Fäusten juckte.

Old Donegal fuhr sich immer wieder mit einer nervösen Handbewegung durch die Bartstoppeln.

„Es ist einem aber auch nichts vergönnt“, sagte er brummelnd, „dabei soll Körperbewegung so gesund sein. Bei allen Wassermännern, ich gäbe was drum, wenn ich da drüben dabeisein könnte. Ich würde sogar mein Holzbein abschnallen und es diesen Kerlen um die Ohren schlagen!“

„Laß es lieber dran, Donegal“, sagte der Seewolf. „Du wirst es noch anderweitig gebrauchen.“

Das hatte fast wie eine Prophezeiung geklungen.

In der Tat vergingen nur noch wenige Augenblicke, bis die helle Stimme Hasard juniors erklang.

„Steuerbord voraus ein dunkler Schatten!“

Die Blicke der Männer wandten sich sofort in die angegebene Richtung. Der Nebel löste sich mehr und mehr auf, deshalb konnten sie recht bald erkennen, was sich hinter den Dunstschwaden verbarg.

„Noch eine Galeere!“ stellte der Seewolf nach wenigen Augenblicken fest. „Offenbar liege ich doch nicht falsch mit meinen Vermutungen, unsere Freunde da drüben scheinen Verstärkung zu kriegen. Ich fresse einen Besen, wenn das nicht auch ein polnisches Schiff ist.“

Die Galeere lief schräg von Nordosten her auf die „Isabella“ zu.

„Gute Freunde sollte man entsprechend empfangen, Sir“, bemerkte Al Conroy. Der stämmige, schwarzhaarige Stückmeister deutete mit einer Kopfbewegung auf die ausgerannten Geschütze der „Isabella“, die er unter ständiger Kontrolle hielt.

„Wenn es sich tatsächlich um Polen handelt, wird uns gar nichts anderes übrigbleiben“, erwiderte Hasard. „Dafür werden die Burschen schon selber sorgen.“ Mit einem Augenzwinkern wandte er sich Old O’Flynn zu. „Nun sei froh, Donegal, daß du dein Holzbein noch nicht abgeschnallt hast. Gleich wird hier jede Hand gebraucht, und wenn das nicht ausreicht, müssen wir die Beine und Füße dazunehmen.“

„In Ordnung, Sir“, sagte der Alte mit dem wettergegerbten Gesicht. „Wenn’s dann immer noch nicht langt, habe ich auch noch einen verdammt harten Schädel.“

Obwohl es sich bei Old Donegal Daniel O’Flynn – von der Mutterseite her – um den Großvater der Zwillinge handelte, war er doch noch lange nicht alt genug, um sich als solcher zu fühlen. Ganz im Gegenteil – trotz seiner Beinprothese war er nach wie vor ein rechter Haudegen, der vor keiner Aufgabe zurückschreckte und an jeder Stelle voll seinen Mann stand.

Die Galeere, die bereits deutlich zu erkennen war, änderte ihren Kurs nicht, sie hielt nach wie vor auf die „Isabella“ zu. Hasard konnte durch den Kieker sehen, wie zahlreiche Männer über die Decks hasteten.

„Die haben was vor“, sagte er und setzte das Spektiv ab. „Alle Mann auf Stationen! Al und Gary, ihr übernehmt die vorderen Drehbassen, Donegal und Will, ihr kümmert euch um die achteren!“

„Aye, aye, Sir!“

Al Conroy und Gary Andrews eilten zur Back, während sich Old O’Flynn und der grauhaarige Segelmacher Will Thorne zum Heck verzogen, wo ebenfalls zwei der schwenkbaren Geschütze montiert waren.

„Und wir, Sir?“ fragten die Zwillinge wie aus einem Munde. „Wir könnten zum Beispiel …“

Der Seewolf vollführte eine Geste, die keinen Widerspruch zuließ.

„Ihr verschwindet schleunigst unter Deck und schaut nach den Tieren. Darum muß sich schließlich auch jemand kümmern.“

Die beiden „Rübenschweinchen“ verzogen sich ob dieser „Beschäftigungstherapie“ mit enttäuschten Gesichtern, während ihr Vater nach einem Tromblon griff.

Es blieb Hasard und seinen vier Männern gar nichts anderes übrig, als sich zunächst den leichteren Waffen zuzuwenden. Die schweren Geschütze waren durch die Schräglinie, in der die Galeere herangerudert wurde, noch nicht einsetzbar.

Hasard warf einen raschen Blick zur „Wappen von Kolberg“, aber dort schien noch niemand das Schiff bemerkt zu haben. Der Kampf war nach wie vor in vollem Gange.

Kaum waren die vier Männer des Seewolfs auf Stationen, da gaben die Polen auch schon ihre Absichten zu erkennen. Daß es sich um Polen handelte, daran zweifelte inzwischen niemand mehr.

Im Vorschiff der Galeere blitzte es zweimal hintereinander auf, und die beiden Buggeschütze stießen ihre Kugeln auf die „Isabella“ zu. Für einen Augenblick überlagerte das Donnern der Kanonen das Gebrüll auf der „Wappen von Kolberg“, dichter Pulverdampf verhüllte den Steven des polnischen Schiffes, das mit diesem Angriff die Feindseligkeiten eröffnete.

Beide Kugeln schlugen ungefähr eine halbe Kabellänge von der „Isabella“ entfernt ins Wasser und rissen gischtende Säulen hoch.

„Die Dummköpfe haben sich in der Entfernung verschätzt!“ brüllte Old Donegal. „Außerdem haben sie gleich beide Buggeschütze abgefeuert. Mit Löffeln haben die die Weisheit auch nicht gerade gefressen!“

„Es können ja nicht alle Menschen so schlau sein wie du!“ rief Will Thorne grinsend. „Ein bißchen Dummheit ist mitunter ganz nützlich, besonders wenn es die anderen sind, die darunter leiden.“

Die Galeere setzte ihren Kurs trotz der beiden Fehlschüsse fort, und wie Hasard durch das Spektiv feststellte, waren die Polen eifrig damit beschäftigt, die Geschütze nachzuladen.

Um die Lippen des Seewolfs spielte ein grimmiges Lächeln. Dann gab er Al Conroy, der an der Steuerbord-Drehbasse der Back stand, einen kurzen Wink, zumal dieses Geschütz strategisch am günstigsten postiert war.

„Feuer, Al! Vertreib die Kerle von den Buggeschützen!“

„Aye, Sir!“

Der Stückmeister senkte die brennende Lunte auf das Zündkraut der Drehbasse, Sekunden später wummerte das Geschütz los.

Die Schußweite stimmte, und daß er ein Meister im Zielnehmen war, das hatte Al Conroy schon oft genug unter Beweis gestellt.

Ein dumpfes Krachen verriet, daß auf der Galeere die Fetzen flogen. Al hatte das Vorkastell voll erwischt. Gerade wollte er sich mit grinsendem Gesicht dem Seewolf zuwenden, da verwandelte sich die Galeere innerhalb von Sekunden in einen Hexenkessel.

Eine höllische Explosion erschütterte das Schiff bis in seine letzten Verbände, dann schien plötzlich eine unsichtbare, gigantische Faust den Leib der Galeere zerschmettern zu wollen. Das Vorschiff, das Al Conroy getroffen hatte, brach mit infernalischem Getöse auseinander.

Kaum war wieder Stille eingekehrt, begannen die Polen mit einem ohrenbetäubenden Geschrei. Doch das war kein Angriffsgebrüll, kein sogenanntes Imponiergehabe, mit dem man den Gegner einschüchtern wollte, o nein! Was da an die Ohren der Seewölfe drang, das waren Schreie der Angst, des Grauens und der ohnmächtigen Wut.

Durch ihre Kumpane auf der „Wappen von Kolberg“ kriegten die Polen augenblicklich Unterstützung – jedoch nur mittels der Stimmbänder.

Hasard und seine vier Männer reagierten verblüfft. Eine solche Wirkung des Drehbassenschusses hatte niemand erwartet – auch Al Conroy nicht.

„Verdammt, ich muß ein Pulverfaß getroffen haben!“ stieß er hervor. „Oder aber etliche Kartuschen!“

Dann wurde der Stückmeister der „Isabella“ jäh aus seinen Überlegungen gerissen, denn die Galeere, deren Besatzung fluchtartig über Bord gesprungen war, ging in kürzester Zeit steil auf Tiefe.

Die Seewölfe, die drüben auf der „Wappen von Kolberg“ kämpften, quittierten das mit einem lauten „Ar-we-nack!“ Doch Hasard hatte den Faden gedanklich längst weitergesponnen. Wenn bis jetzt schon zwei Galeeren aus dem Nebel aufgetaucht waren, dann konnten auch noch weitere folgen, denn die Polen waren oft in Verbänden unterwegs. Also mußte der Kampf auf Arnes Galeone jetzt so rasch wie möglich entschieden werden, denn mit insgesamt fünf Männern und zwei Jungen war die „Isabella“ kaum manövrierfähig und erst recht nicht voll gefechtsfähig.

Der Seewolf wandte sich an seine Männer, die das große Aufräumen längst fortsetzten.

„Was ist los mit euch?“ brüllte er. „Beeilt euch gefälligst! Früher habt ihr zu so was nicht mal die Hälfte der Zeit gebraucht!“

Wumm – das saß, und zwar direkt in der moralischen „Wasserlinie“!

„Schinkenspeck und Rübensuppe!“ fluchte Edwin Carberry und schnaubte dabei wie ein wildgewordener Büffel. „Jetzt fängt unser Kapitän auch noch an zu motzen! Der versenkt da drüben Schiffe, indem er Al mal kurz husten läßt, und wir wischen immer noch mit diesen Rübenschweinen hier die Decks auf!“

„Recht hat er!“ brüllte Ferris Tukker zurück. „Wir müssen jetzt auch mal ein bißchen Dampf dahinter machen. Es können ja noch mehr von diesen Torfkähnen auftauchen!“ Erneut mähte er mit dem Stumpfteil seiner langen Axt um sich.

Auch Carberry und die anderen Männer explodierten in jähen Ausfällen. Gerade jetzt wollten sie ihrem Kapitän zeigen, was in ihnen steckte.

„Lahmärsche sind wir noch lange nicht!“ rief Matt Davies und ließ seinen spitzgeschliffenen Eisenhaken, der ihm die fehlende rechte Hand ersetzte, durch die Luft zischen.

Wie entfesselte Teufel räumten sie die Decks der „Wappen von Kolberg“ leer – mit voller Unterstützung Arnes und seiner Männer. Kein Wunder, wenn der Kampf bis jetzt angedauert hatte, denn die Polen hatten Arne und den Seewölfen nahezu die doppelte Anzahl an Soldaten und Ruderknechten entgegenzusetzen gehabt. Bis zu diesem Zeitpunkt aber hatte sich die Zahl der Kampftüchtigen gewaltig vermindert.

Ed Carberry hatte eine Spake aufgelesen und raste damit von Backbord nach Steuerbord und von vorn nach achtern. Wer ihm in die Quere geriet, bezog Dresche.

Stenmark, Luke Morgan und Jan Ranse waren in üble Messerkämpfe verwickelt. Auch Blacky hatte gerade einen solchen Kampf siegreich beendet, aber er blutete aus einer Fleischwunde am rechten Unterarm.

„Bist du verletzt?“ rief der Kutscher, der immer noch mit einem Belegnagel wütete.

„Nur ein Mückenschiß!“ rief Blakky zurück. „Das kannst du später noch in Ordnung bringen.“

„In Ordnung“, sagte der Kutscher, der jetzt ohnehin keine Gelegenheit gehabt hätte, seines Amtes als Feldscher zu walten, denn er hatte sich mit einem breitschultrigen Ruderknecht angelegt. Niemand hätte dem blonden und etwas schmalbrüstigen Mann die Schlagkraft und Gewandtheit zugetraut, die er dabei an den Tag legte. Überall dort, wo er seinen Belegnagel hinsetzte, war gewiß, daß es Arbeit für den Feldscher der Gegenseite geben würde.

Bob Grey, ein flinker und drahtiger Bursche, hatte bis jetzt mit den Fäusten gekämpft und gerade einen polnischen Soldaten ins Reich der Träume befördert. Da registrierte er zu seiner Rechten einen Ruderknecht, der gerade zum Messerwurf auf ihn ausholte.

Doch da hätte sich der Pole besser nicht mit Bob Grey angelegt, der selber als Experte auf diesem Gebiet galt.

Bob warf sich blitzschnell zur Seite, so daß das Messer drei Handbreiten entfernt an ihm vorbeizischte und irgendwo hinter ihm auf die Planken polterte.

„So was Mieses!“ maulte er. „Der hat sich eingebildet, ich würde seinen Angriff nicht bemerken.“

Mit einer fließenden Bewegung zauberte Bob sein eigenes Messer aus dem Gürtel, und einen Lidschlag später raste es durch die Luft und fuhr dem heimtückischen Angreifer in die Brust.

Der Mann stieß einen gurgelnden Laut aus, preßte beide Hände gegen den Leib und sank langsam in sich zusammen.

Die Decks der deutschen Galeone leerten sich zusehends, zumal Hein Ropers, Arnes Bootsmann, und Paddy Rogers wieder einmal damit beschäftigt waren, eine ganze Reihe von Polen über das Schanzkleid zu hieven.

„Man stolpert ja sonst darüber“, sagte Paddy beinahe entschuldigend.

Die Polen hatten längst keine Chance mehr. Seit sie miterlebt hatten, wie die Engländer mit einem einzigen Drehbassenschuß eine ihrer Galeeren versenkt hatten, lag keine Kraft und keine Motivation mehr in ihrer Gegenwehr. Normalerweise hätten sie längst die Flucht ergriffen, aber wohin sollten sie jetzt noch ausweichen? Ihre eigene Galeere war bereits auf Tiefe gegangen und einfach im eiskalten Wasser davonschwimmen – darauf waren sie auch nicht gerade scharf.

Der eine oder andere von ihnen hatte längst eingesehen, daß es verkehrt gewesen war, dieses Schiff entern zu wollen. Sie hätten von Anfang an mit dem Eingreifen der englischen Galeone rechnen müssen. Aber jetzt war es zu spät, es blieb ihnen nur noch die Möglichkeit, mit dem Mut der Verzweiflung zu kämpfen – bis zur bitteren Neige.

Philip Hasard Killigrew, der sehr wohl bemerkt hatte, welche Reaktion seine „motzige“ Bemerkung ausgelöst hatte, konnte ein Grinsen nicht mehr unterdrücken. Schließlich kannte er seine Pappenheimer und wußte nur zu gut, wie er sie richtig in Fahrt bringen konnte. Doch er hatte es aus einer zwingenden Notwendigkeit heraus getan.

Jetzt winkte er kurz zu seinem Vetter hinüber, und der winkte mit einem breiten Grinsen zurück.

Nach weiteren zehn Minuten war der Kampf endgültig entschieden. Die „Wappen von Kolberg“ war freigeräumt, rings um beide Schiffe strampelten die Polen im Wasser.

„Wenn es den Kerlen nur um ein erfrischendes Bad ging“, sagte Jack Finnegan, „dann hätten sie das auch gleich haben können.“

Von dem Dank Arnes und seiner Mannen wollten die Seewölfe nichts wissen.

„Das war selbstverständlich“, sagte Ben Brighton. „Ihr könnt dafür an der nächsten Tanzveranstaltung bei uns teilnehmen.“

Auch Edwin Carberry steuerte schon wieder völlig andere Gedankenkurse. Er stemmte die mächtigen Fäuste in die Hüften und sah den Kutscher und Mac Pellew strafend an.

„Ihr beide“, knurrte er, „habt wohl auch nichts anderes zu tun, als euch herumzuprügeln, was, wie? Daß es längst Zeit ist zum Backen und Banken – das interessiert euch wohl nicht, he? Uns hängt der Magen schon bis auf die Stiefelspitze!“

„Dann paß bloß auf, daß du nicht drüberstolperst und auf die Futterluke fällst“, sagte Mac bissig. „Sonst könnte es nämlich sein, daß du die Räucherheringe, die es heute wieder einmal gibt, nicht samt Köpfen herunterschlingen kannst!“

Die Arwenacks wechselten wieder auf die „Isabella“ über. Während sich der Kutscher und Mac Pellew, die für den Inhalt der Kochtöpfe zuständig waren, in die Kombüse verzogen, gingen beide Schiffe wieder auf ihren alten Kurs.

Der Nebel riß auf, und die ersten spärlichen Sonnenstrahlen versuchten, die Reste der wabernden, dunstigen Masse zu durchdringen.

Zum morgendlichen Backen und Banken sollte es jedoch vorerst nicht kommen. Dafür sorgten fünf weitere Galeeren, die aus Nordosten herangerudert wurden. Ihre Riemen erinnerten an riesige Spinnenbeine, aber die Männer auf der „Isabella“ und der „Wappen von Kolberg“ wußten nur zu genau, daß diese Schiffe weit gefährlicher waren als bissige oder giftige Insekten.