Kitabı oku: «Seewölfe Paket 20»

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Impressum

© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-779-2

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Nr. 381

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 382

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 383

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 384

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 385

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 386

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 387

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 388

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 389

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 390

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 391

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 392

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 393

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Nr. 394

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 395

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 396

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 397

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 398

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 399

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 400

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8


Roy Palmer

Die Flucht des Caligula

1.

Kein Mensch wußte, wo die „Caribian Queen“ ankerte, niemand hatte sie bisher in ihrem Versteck in der geschützten Bucht einer der Islas de Mangles entdeckt. Aber diese Tatsache war nicht geeignet, die Stimmung der Crew von Galgenstricken und Schlagetots zu heben. Unmut hatte sich ausgebreitet, es gärte an Bord. Die Langeweile begann gefährlich zu werden. Auch der Rum, den Cariba aus der Kneipe „Yerba Buena“ geholt hatte, war längst aufgebraucht.

Abhilfe tat also not, es mußte etwas geschehen. Caligula hatte seine Augen überall, aber es kostete ihn viel Einsatz, die Kerle im Zaum zu halten. Es hatte Streit und Schlägereien gegeben, es wurde gemurrt und geflucht. Caligula ahnte, daß sich die Stimmung zu einer Meuterei entwickeln konnte, es roch geradezu danach.

Man schrieb den 15. April 1594. Jetzt war nahezu ein Monat vergangen, seit Caligula den Kreolen Cariba im Auftrag der Black Queen an der Südküste von Kuba an Land gesetzt hatte. Cariba sollte einen gewissen Don Juan in Havanna aufsuchen. Dieser Mann – so war in der Kaschemme „Yerba Buena“ erzählt worden – befand sich auf der Jagd nach Philip Hasard Killigrew, dem Erzfeind der Black Queen und ihrer Piraten.

Cariba hatte Don Juan den Standort der Schlangen-Insel verraten sollen. Durch diese Hinterlist hoffte die Queen auf Umwegen dem Bund der Korsaren jenen tödlichen Stoß zuzufügen, der ihr versagt gewesen war. Sie hatte ihre Niederlage immer noch nicht verwunden. In ihrem grenzenlosen Haß tat sie alles, was in ihren Kräften stand, um den Gegner doch noch zu vernichten. Die Chance war günstig, aber von Cariba war kein Lebenszeichen mehr eingetroffen.

Was war geschehen? Längst hatten die Black Queen und Caligula den Kreolen zurückerwartet. Aber er tauchte nicht mehr auf. Er schien spurlos verschwunden zu sein.

„Ich verstehe das nicht“, sagte Caligula, als er auch an diesem Vormittag wieder am Krankenlager der Queen in der Kapitänskammer des Zweideckers hockte, wie er das regelmäßig zu tun pflegte. „Da ist was faul. Cariba, dieser Hurensohn, hätte längst zurück sein müssen.“

Die Queen richtete sich halb in ihrer Koje auf. „Für sein Ausbleiben gibt es eine sehr einfache Erklärung“, sagte sie gepreßt.

„Das Geld?“

„Ja. Die sechs Golddublonen, die ich ihm im voraus zugesteckt habe, könnten für ihn ein Anreiz gewesen sein, zu desertieren.“

„Aber er weiß, daß du ihn verfolgen wirst“, sagte Caligula. „Daß er auch mich und die gesamte Crew am Hals hat und wir nicht ruhen werden, bis wir ihn gestellt und getötet haben.“

„Vielleicht war seine Angst, in Havanna festgenommen und in den Kerker geworfen zu werden, größer.“ Ihre dunklen Augen nahmen einen harten Glanz an. „Und vergiß nicht, daß Casco und er oft die Köpfe zusammengesteckt haben. Ist dir das etwa entgangen?“

„Nein. Du meinst, sie wollten gemeinsam meutern oder einfach abhauen, weil sie die Nase voll hatten?“

„Vielleicht. Zuzutrauen ist den Hunden alles.“

„Ja, das stimmt.“ Caligulas Gesicht war ernst und nachdenklich. „Trotzdem, ich kenne Cariba genau. Bei ihm ist die Gier größer als die Angst vor irgend jemandem oder irgend etwas. Ich habe es mir schließlich überlegt, ob wir ihn allein losschicken dürfen oder nicht. Er ist auf die restlichen Golddublonen versessen, die du ihm versprochen hast.“

„Würdest du die Hand für ihn ins Feuer legen?“ fragte sie.

„Nein.“

„Also. Welche Garantie haben wir, daß er wirklich den Auftrag ausgeführt hat?“

Keine Garantie – Caligula mußte es eingestehen. Die Queen hatte recht. Man konnte den Kerlen nicht mehr trauen. Kerle wie Casco – ein bulliger Typ mit Stiernacken, verknorpelten Ohren und zerschlagener Nase, ein Kreole wie Cariba – warteten nur auf eine günstige Gelegenheit, die „Caribian Queen“ im Stich zu lassen oder eine Bordrebellion anzuzetteln.

Ob sie aber wirklich wagten, sich offen gegen die Queen aufzulehnen? Caligula hatte sich diese Frage oft gestellt. Er bezweifelte es, aber er mußte andererseits auch der Realität ins Auge blicken. Die Black Queen war immer noch stark geschwächt. Es fehlte ihre regierende Hand an Bord, das harte, unduldsame Regime, mit dem sie die Meute unterwarf.

Caligulas Kommando war da etwas anderes. Er war hart und brutal – aber nur das. Zu ihm blickten die Kerle nicht fasziniert und mit leicht verklärtem Blick auf, er hatte nicht das Charisma der Queen. Außerdem wußte sie die Kerle mit ihren weiblichen Reizen in ihren Bann zu ziehen, obgleich sie sich nie mit jemand anderem als mit Caligula eingelassen hatte. Er war der einzige, der mit ihr die Koje hatte teilen dürfen.

„Denken wir einmal logisch“, sagte sie. „Cariba sollte diesem Sonderbeauftragten der spanischen Krone die Lage der Schlangen-Insel auf einer Seekarte zeigen. Das war alles. Danach sollte er wieder verschwinden.“

„Das hätte mit dem Marsch nach Havanna, einem zweitägigen Aufenthalt und dem Rückmarsch zur Südküste allenfalls vier, fünf Tage gedauert“, sagte Caligula. „Aber jetzt sind an die vier Wochen verstrichen – und nichts.“

Sie rutschte an den Rand ihrer Koje und ließ die Beine baumeln. Die Hände stützte sie auf, den Kopf ließ sie – auch noch ein Zeichen der Schwäche – leicht hängen. Caligula registrierte mit einem raschen Seitenblick wieder einmal, wie erschreckend abgemagert und knochig sie war. Sie wirkte skeletthaft und kaum noch fraulich. Ihre Brüste hingen schlaff herab, das Gesicht war eingefallen, die Haare waren ungewaschen und zerzaust. War sie überhaupt noch die Black Queen von früher?

„Ich weiß, was du denkst!“ zischte sie plötzlich. „Daß mir ein Fehler unterlaufen ist. Oder? Immerhin war es meine Entscheidung, und du hast zugestimmt, weil dir nichts anderes übrigblieb.“

„Das stimmt nicht ganz.“

Sie lachte verächtlich auf. „Bleiben wir ehrlich, Caligula. Ich werde wegen der verdammten Warterei langsam verrückt, verflucht noch mal. Es muß was geschehen. Wenn Cariba in den nächsten zwei Tagen nicht zurückkehrt, fangen wir an, ihn zu suchen.“

„Mit dem Schiff? Wahnsinn.“

„Dann müssen wir uns eben etwas anderes einfallen lassen. Ich werde auch nach wie vor den Verdacht nicht los, daß Cariba, dieser Bastard, einfach mit den Dublonen in der Tasche abgemustert hat.“

Caligula ballte die Hände zu Fäusten. „Wenn das wirklich stimmt, kann er auf was gefaßt sein. Er wird es bereuen, der Hund, das schwöre ich dir. Wir finden ihn, und wenn wir ihn bis ans Ende der Welt suchen müssen.“

„Den Auftrag hat er ja ohnehin nur maulend übernommen.“

„Ja. Dreck, die Dublonen sind also verloren.“

„Es besteht aber auch noch die andere Möglichkeit“, murmelte sie. „Daß nämlich die Spanier Cariba gefangengesetzt und gefoltert haben. Das wäre weitaus übler für uns. Auf Dauer hält er dem peinlichen Verhör nicht stand.“

„Da bin ich auch sicher“, sagte Caligula. „Aber was heißt das schon? Sie haben ihn gepiesackt, na schön. Er hat nichts anderes getan, als jammernd und stöhnend zu verraten, warum er nach Havanna gegangen ist. Eben, um den Schlupfwinkel der Seewölfe preiszugeben. Wenn dem so ist, sind die Dons jetzt bereits mit einem Geschwader von Kriegsschiffen zur Schlangen-Insel unterwegs und schießen dort alles kurz und klein, was sich bewegt. Sie machen alles dem Erdboden gleich. Wie in El Triunfo, weißt du noch?“

Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Ja, schon gut. Aber was du nicht bedacht hast, ist, daß Cariba bei dieser Gelegenheit unser Versteck auch gleich mit verraten könnte. Das liegt bei diesem Hurensohn doch nahe, oder?“

„Das glaube ich nicht“, sagte Caligula, aber seine Miene war doch verdutzt. Damit hatte er wirklich nicht gerechnet.

„Glauben ist nicht wissen“, sagte die Queen kalt. „Sollte Cariba den Spaniern in die Hände gefallen sein, müssen wir mit allem rechnen. Der Kerl würde seine eigene Mutter verraten, wenn er eine Chance dabei sähe, seine eigene Haut zu retten.“

„Dann wünsche ich ihm, daß er in Havanna gevierteilt wird.“ Caligula wurde genauso nervös wie seine Geliebte. Das lag nicht nur an der Sache mit Cariba. Auch ihm setzte es zu, in dem Schlupfwinkel praktisch wie ein Gefangener zu leben. Die Warterei, die sich ewig in die Länge zu ziehen schien, war auch eine Zeit der Entsagung und Abstinenz.

Nie hatten die Kerle so wenig herumgehurt und gesoffen wie in diesen Wochen. Und Caligula? Nun, die Queen war zwar seine Geliebte, aber dieser Begriff bedeutete inzwischen so gut wie gar nichts mehr, denn in dieser Beziehung spielte sich zwischen ihnen schon gar nichts mehr ab. Logisch, denn die Queen war durch ihre Verwundung gewissermaßen „vom Fleisch gefallen“, wie Caligula ihren Zustand zu bezeichnen pflegte.

Ganz abgesehen von den körperlichen Folgeerscheinungen wie Wundfieber, Gewichtsverlust und Schwäche, mit denen sie auch in den letzten Tagen noch zu kämpfen gehabt hatte, war sie zudem noch gereizt und unausstehlich.

Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten, jeder Schritt wurde ihr zur Qual. Sie nahm kaum Nahrung zu sich und verspürte einfach keinen Hunger. Das war ihr Problem. Es gelang ihr nicht, sich in der Zeit der Rekonvaleszenz entsprechend zu erholen.

Caligula wußte nichts von den medizinischen Begriffen, er hatte nicht die geringste Ahnung vom Metier eines Wundarztes. Aber er spürte instinktiv, daß etwas nicht in Ordnung war und alles viel länger dauerte, als ursprünglich erwartet.

Das verursachte auch bei ihm beinahe eine Art des körperlichen Unwohlseins. Schließlich war er ein Vollblutmann und empfand wie alle anderen hin und wieder das Verlangen, sich so richtig auszutoben. Das konnte er jedoch nicht. Er mußte an Bord des Zweideckers die Queen ersetzen und durfte nie das Schiff verlassen. Eine geringe Unaufmerksamkeit konnte zum Verhängnis werden, gerade jetzt. Die Luft schien wie vor einem Gewitter geladen zu sein. Man konnte es fast knistern hören.

Die Kerle konnten wenigstens ab und zu zur Südküste von Kuba übersetzen und in der Kaschemme „Yerba Buena“ die Mäuse auf dem Tisch tanzen lassen. Ihm, Caligula, war diese Art von Vergnügen versagt. Er lebte wie ein Mönch.

Aber auch der Horde reichten die gelegentlichen Abstecher zur Bucht von Matamano nicht aus. Zur Untätigkeit waren sie verurteilt, daran war nicht zu rütteln. Kein Raid mehr, keine Beutezüge und demzufolge auch keine Münzen, mit denen man sich Wein, Bier, Rum und Weiber kaufen konnte.

Nur Warten. Die Hitze war an manchen Tagen unerträglich. Und der Müßiggang nährte die Gedanken, die sich mit Meuterei und der Veränderung der Lage beschäftigten. Der Geist des Aufruhrs wuchs.

Leise erhoben sich in der Nacht drei Gestalten von ihrem Lager auf der Back der „Caribian Queen“. Sie hießen Ross, Arco und Bragozo und hatten die Nase gestrichen voll von der Situation an Bord. Die Unbestimmtheit, das Herumlungern und das Ausbleiben der Black Queen, die sich nie an Deck zeigte, hatten sie in ihrem Beschluß bekräftigt. Sie wollten sich verdrücken.

Ihr Vorhaben hatten sie seit Tagen abgesprochen. Jetzt war es soweit. Sie hatten darauf gewartet, daß die richtigen Kerle die Wache übernahmen – Codaro und Mescalin, zwei üble Galgenstricke, mit denen sie sich bei einem heimlichen „Kriegsrat“ einig geworden waren. Codaro und Mescalin hatten für ihre Komplicenschaft vier Silberlinge eingeheimst. Dafür waren sie bereit, sich zu „opfern“.

Caligula ahnte nichts von dem Komplott. Es wurde viel gemurrt und getuschelt in diesen Tagen, er konnte nicht überall mithören. So lag er in seiner Koje und schlief, und auch die Black Queen bemerkte nichts von dem, was zur Zeit der Hundewache an Deck vor sich ging.

Ross, Arco und Bragozo verließen die Back und huschten zu Codaro und Mescalin, die seit zwei Glasen die vorherige Wache abgelöst hatten. Als sie sich gegenüberstanden, grinste Codaro.

„Geht es los?“ fragte er. „Habt ihr es euch auch wirklich gut überlegt?“

„Natürlich“, raunte Ross, der sich selbst zum Wortführer des Trios ernannt hatte. „Und ihr beiden könnt es euch immer noch überlegen.“

„Nein“, flüsterte Mescalin. „Das ist mir zu heiß. Ich bleibe an Bord.“

„Ich auch“, sagte Codaro gedämpft. „Und wir können der Queen und Caligula einen schönen Gruß von euch bestellen, wenn ihr wollt.“

„Erzähl keinen Mist“, zischte Ross. „Es bleibt dabei. Wir verfahren so, wie wir das besprochen haben.“

Codaro grinste immer noch. „Schlagt aber nicht zu fest zu.“

Ross ballte die rechte Hand und riß sie zur Antwort hoch. Er rammte sie Codaro unters Kinn, und dieser brach neben der Nagelbank des Großmastes zusammen. Mescalin schien einen Einwand erheben zu wollen, aber Bragozo hieb ebenfalls zu und fällte ihn. Bewußtlos blieben die beiden vor der Nagelbank liegen.

Ross winkte seinen Kumpanen zu. Sie durften keine Zeit verlieren. Ross hastete zum nächsten Niedergang und suchte das Logis auf. Hier stöberte er eine Weile herum und nahm mit, was er zu fassen kriegte – ein paar Silberlinge, zwei Dublonen, Pistolen, Messer und Munition. Das war mit Codaro und Mescalin nicht vereinbart worden, aber die beiden konnten dagegen keinen Protest mehr erheben.

Im Logis schlief alles. Ross hatte keinerlei Schwierigkeiten, im Schnarchen seiner Spießgesellen alle vereinnahmten Habseligkeiten einzustecken und wieder zu verschwinden.

Bragozo und Arco hatten unterdessen die zweite, kleinere Jolle der „Caribian Queen“ von ihren Zurrings befreit, vorsichtig hochgehievt und ausgeschwenkt. Sie bemühten sich, keinen Laut zu verursachen. Das gelang auch fast, nur ein leises Knarren der Taljen, durch die die Taue liefen, war zu vernehmen.

Als Ross wieder bei ihnen erschien und ihnen durch eine Gebärde zu verstehen gab, daß auch dieser Teil des Unternehmens geklappt hätte, fierten die beiden die Jolle bereits außenbords ab. Der Rest war ein Kinderspiel. Die Jakobsleiter wurde ausgebracht, dann enterten sie in die Jolle ab, verstauten ihr „Gepäck“ unter den Duchten, griffen zu den Riemen und legten ab.

Leise tauchten die Riemenblätter ein, und ebenso geräuschlos hoben sie sich wieder aus dem Wasser. Behutsam entfernten sich die drei. Sie behielten das Schiff, das in der Nacht noch unheimlicher als sonst wirkte, im Auge. Die ganze Zeit über rechneten sie damit, daß jemand unverhofft auftauchte und ihr Verschwinden meldete – vielleicht sogar Caligula höchstpersönlich.

Aber wider Erwarten trat dies nicht ein. Ross, Arco und Bragozo tauchten in der von leichten Nebelschleiern durchwirkten Nacht unter. Später setzten sie das Segel und gingen auf Kurs Nordwesten – in Richtung auf die Küste von Kuba, wo sie zunächst einmal zu landen gedachten. Ihr Plan war, die Jolle mit einem anderen Boot zu vertauschen, wieder bei Nacht. Die Jolle sollte versenkt werden. Sie würden keine Spuren hinterlassen, und der Queen und Caligula sollte es nicht gelingen, ihre Fährte irgendwo wiederaufzunehmen. So blieb die Rache aus, die Deserteuren und Meuterern drohte. Schon jetzt hatten Ross, Arco und Bragozo allen Grund zum Lachen.

Sie stießen sich gegenseitig an und grinsten, dann förderte Ross eine Flasche Rum zutage, die er aus dem Logis hatte mitgehen lassen.

„Auf ein gutes Gelingen!“ rief er, während er sie entkorkte und den ersten Schluck trank. „Und zur Hölle mit der Queen!“

„Und mit Caligula!“ stieß Bragozo hervor. Am liebsten hätte er Caligula noch ein Messer in die Brust gestoßen, bevor sie geflohen waren. Er konnte ihn schon seit langem nicht mehr leiden. Schlimmer noch – er haßte ihn.

Auch Arco trank und wünschte die „Caribian Queen“ samt ihrer Mannschaft zum Teufel. Was sie riefen, war in der versteckten Bucht nicht mehr zu hören. Inzwischen hatte die Jolle mehr als anderthalb Meilen Distanz zwischen sich und das Schiff gelegt.

Caligula erwachte im Morgengrauen, alarmiert durch die Rufe von Codaro und Mescalin. Die Kerle waren wieder bei Bewußtsein und spielten ihre Rolle weiter – als die Überrumpelten, die von ihren eigenen Kumpanen tätlich angegriffen und niedergeknüppelt worden waren.

Mit langen Sätzen eilte Caligula auf das Hauptdeck. Sein Gesicht war genauso, wie sich das Ross, Bragozo und Arco in ihren Phantasien ausgemalt hatten – von grenzenlosem Erstaunen gezeichnet. Erst nach und nach wich seine Betroffenheit einem unbändigen Gefühl der Wut.

Codaro rieb sich das Kinn, Mescalin zeigte eine Beule vor, die er durch den Hieb davongetragen hatte.

„Sie sind über uns hergefallen“, sagte Codaro. „Drei Mann. Wir hatten keine Chance. Sie haben sich von hinten angeschlichen. Zur Hölle, warum haben sie das getan?“

Caligula war zunächst sprachlos. Es fiel ihm auch nicht auf, daß Codaros Bericht einige Ungereimtheiten enthielt. Zum Beispiel erklärte Codaro übereinstimmend mit Mescalin, daß man sie von hinten angegriffen hätte, während doch die Spuren in ihren Gesichtern darauf hinwiesen, daß man sich ihnen von vorn genähert hatte. Solche feinen Einzelheiten entgingen Caligula.

„Wer?“ brüllte er nur – und dann platzte ihm der Kragen. Er packte die Neunschwänzige und drosch auf Codaro und Mescalin ein. „Ihr hättet besser aufpassen sollen, ihr Dreckskerle! Wir sprechen uns noch!“ Er stürmte übers Deck, enterte die Back, raste ins Logis hinunter und wußte wenig später Bescheid. Ross, Bragozo und Arco waren die Ausreißer, und sie hatten auch noch einiges mitgehen lassen, wie die fluchenden Kerle feststellten, als sie aus ihren Kojen kletterten.

Caligula tobte fluchend durchs ganze Schiff.

„Satanspack!“ brüllte er. „Bastarde! Ich hab’s geahnt! Aber jetzt ist Schluß! Wer rummotzt, kriegt was aufs Maul!“

Die Kerle hüteten sich, aufzubegehren. Sie waren jetzt ganz klein und besorgten schweigend die übliche Bordroutine: aufklaren und Reinschiff. Sie wußten, daß Caligula jetzt nicht zusätzlich gereizt werden durfte.

Caligula reagierte seine überschüssigen Kräfte ab. Er fluchte und polterte herum, und immer wieder fuhr er mitten zwischen die Kerle.

„Einfach abgehauen sind die Hunde!“ schrie er. „Soweit mußte es in diesem Sauhaufen ja kommen! Aber wenn noch einer quertreibt, hänge ich ihn eigenhändig an der Rahnock auf!“

Wenig später hatte er eine handfeste Auseinandersetzung mit der Black Queen, die zu wissen verlangte, was geschehen sei. Er schilderte nur kurz, was sich zugetragen hatte.

Dann schrie er: „Das ist nur passiert, weil die Kerle die Warterei satt haben! Und ich habe auch die Schnauze voll! Ich will wissen, was mit Cariba los ist, damit wir endlich wieder auslaufen können und nicht hier, in der elenden Scheiß-Bucht, vergammeln müssen!“

„Wohin willst du denn auslaufen?“ fuhr sie ihn an. Ihr Kopf ruckte dabei vor wie der einer Schlange, die auf ein Beutetier zuschnellt.

„Das weiß ich selbst nicht!“ brüllte er. „Irgendwohin! Nach Kuba, nach Hispaniola, tief in die Karibik! Auf zu neuen Beutezügen! Plündern und brandschatzen wollen wir, wozu sind wir sonst da?“

„Das frage ich mich auch!“ schrie sie. „Ein Narr wie du hat in meinen Augen kaum noch eine Existenzberechtigung, wenn er derart blödes Zeug daherredet! Die Hitze hat wohl dein Hirn ausgedörrt, was?“

„Das kann sein“, sagte er und knallte die neunschwänzige Katze auf das Pult der Kapitänskammer. „Aber mein Entschluß steht fest. Ich suche Cariba. Ich will jetzt klar sehen.“

„Nein, ich kümmere mich persönlich um die Angelegenheit“, erklärte er rigoros. „Wir müssen mit allem rechnen, auch damit, daß er uns verraten hat. Deshalb gehe ich nach Havanna und forsche nach, was passiert ist.“

„Das verbiete ich dir!“ schrie sie.

„Ich breche trotzdem auf.“

„Das ist Meuterei!“ Ihre Stimme war schrill, sie kreischte vor Wut.

„Du willst doch selbst, daß festgestellt wird, wo der Hurensohn abgeblieben ist“, sagte er. Je mehr sie sich aufregte, desto ruhiger wurde er. „Ich handle also in deinem Interesse, und von Meuterei kann keine Rede sein. Im Gegenteil. Sobald der Fall Cariba geklärt ist, atmet die Bande auf.“

„Ich beauftrage einen von ihnen mit der Sache!“

„Nein.“ Caligula schüttelte den Kopf. „So wie die Stimmung im Moment ist, können wir keinem mehr trauen, wenn wir ihn an Land setzen und sich selbst überlassen. Ich muß das erledigen, es geht kein Weg darum herum.“ Er ließ sich auf keinen Kompromiß ein. Er wollte die Angelegenheit selbst klären, auch wenn er jetzt an Bord der „Caribian Queen“ fehlte. Dieses Mal setzte er sich durch.

Die Queen tobte und beschimpfte ihn auf die unflätigste Weise, aber auch das nutzte nichts. Sie mußte nachgeben. Vielleicht ist es eine günstige Gelegenheit, dachte er, als er sich in seiner Kammer mit dem Nötigsten für den Ausflug versorgte. Vielleicht rafft sie sich endlich auf und verläßt ihre Kammer. Wenn die Kerle sehen, daß sie das Kommando wieder voll übernimmt, vergessen sie alles andere und blicken wieder zu ihr auf.

Er ahnte nicht, wie sehr er sich gerade in diesem Punkt täuschte. Er steckte sich kleine Säckchen mit Perlen in die Taschen und band sich eine Geldkatze um die Hüften. In Havanna konnte sich herausstellen, daß er Cariba freikaufen mußte, falls dieser sich in Gefangenschaft befand. Aber auch sonst würde er eine Verwendung für das Geld und die Perlen finden, dessen war er sicher.

Grinsend begab sich Caligula auf das Oberdeck. Die Black Queen schrie und tobte immer noch in ihrer Kammer, aber er kümmerte sich nicht darum. Er ließ das Boot abfieren und gab den Kerlen Befehle, wie sie sich während der Zeit seiner Abwesenheit verhalten sollten.

Das letzte, was er zu ihnen sagte, bevor er von Bord ging, war: „Und wenn auch nur einer von euch sich einbildet, er könne sich ein Ding wie Ross, Bragozo und Arco leisten, kann er schon jetzt sein letztes Gebet sprechen. Ich bringe jeden eigenhändig um, der hier große Töne spuckt.“ Er sah sie einen nach dem anderen drohend an, besonders Casco, den Kreolen. Dann enterte er ab.

Von der Black Queen verabschiedete er sich nicht. Das war ihm zu gefährlich. Vielleicht knallt sie mich ab, wenn ich nur die Tür öffne, dachte er. Wieder grinste er. Die Vorstellung von dem, was ihn in den Hafenkneipen von Havanna erwartete, besserte seine Stimmung.

Er nahm sich vor, die Chance wahrzunehmen und das „süße Leben“ in vollen Zügen zu genießen.