Kitabı oku: «Seewölfe Paket 24», sayfa 3

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4.

Old O’Flynn hatte allen Grimm der Welt in sich. Grollend und vor sich hin brabbelnd, wackelte er aus der Jolle und gab ihr noch einen wütenden Fußtritt.

Dann befühlte er voller Zorn seinen Schädel und erschrak. Himmel, er rannte ja wie ein Einhorn durch die Gegend. Die Beule mußte mindestens zehnmal größer als sein Schädel sein. Er schielte ein bißchen nach oben in der Erwartung, ein recht großes Gebilde zu sehen, aber da war nichts, was ihn mächtig erstaunte.

„Scheißtag“, knurrte er, „die Welt kann mich mal. Die werden mich noch kennenlernen, und zwar gründlich.“

Old O’Flynn stapfte weiter, einfach aufs Geratewohl zog er los und nahm Kurs Nordost quer über die Halbinsel.

So bemerkte ihn auch der Ausguck in der Kiefer nicht, denn Old O’Flynn entzog sich allen Blicken auf seinem eigenwilligen Kurs.

Ein warmer Wind wehte ihm um die Ohren. Über ihm spannte sich ein seidiger Himmel, und aus Osten war leise das Rauschen des Meeres zu hören. Auch das leise Tosen der Wogen, die sich über dem Korallenriff brachen, drang an seine Ohren.

Er hörte es nicht in seinem Zorn. Er sah auch nicht die liebliche Landschaft mit den Palmen, die Dünen, die sanften Täler und das dichte Strandgestrüpp. Er wollte auch gar nichts sehen, er wollte einfach nur mal ein Stück laufen, um diese verdammte Bratpfanne und alles, was dazugehörte, zu vergessen.

Je weiter er rannte, desto mehr kroch der Zorn in ihm hoch. Er kniff die Lippen zusammen und schimpfte leise vor sich hin. Manchmal lachte er auch gallebitter und höhnisch auf.

„Ha, Vater, was?“ schrie er in den blauen Himmel. „Wenn das jedesmal mit der Bratpfanne eingeläutet wird, kann ich darauf verzichten. Außerdem hab’ ich genug Krakeeler in die Welt gesetzt. Bin ich vielleicht der Kalif von Bagdad?“

Fuchtig, gallig und giftig ging er weiter, humpelte durch ein Dünental und griff wieder nach seinem Schädel. Der brummte immer noch wie ein aufgescheuchter Bienenstock. Und von der Beule hatte er das Gefühl, sie würde bis an die Kimm reichen, wenn er sich nur bückte.

Nach einer Weile riß er beide Arme hoch. Da ihn ohnehin keiner hörte, führte er lauthals Selbstgespräche und beklagte sich maulend.

Die Vorstellung, Vater zu werden, lud seinen Zorn immer mehr auf, bis er zum Bersten angefüllt war.

„So ein Quatsch!“ rief er laut. „Da sind ja meine Enkel Hasard und Philip wesentlich älter als mein Sohn, wenn der in sieben Monaten das Licht der Welt erblickt!“

Daß es ein Sohn werden würde, stand für Old O’Flynn natürlich völlig außer Zweifel. Es gab gar keine andere Möglichkeit. Sieben Söhne hatte er schließlich in die Welt gesetzt. Die eine Tochter Gwendolyn war da nur eine Ausnahme gewesen, sozusagen ein Ausrutscher, ein Irrtum.

Er kicherte boshaft und stieß mit seinem Holzbein so heftig in den Sand, daß eine große Wolke vor ihm aufstob.

„Ha, die sind dann schon fast fünfzehn Jahre alt, meine Enkelchen! Und ich bin dann mein eigener Urgroßvater. Das ist verwandtschaftlich gar nicht zu lösen.“

Dann fiel ihm siedendheiß etwas anderes ein, und das entflammte seinen Zorn noch mehr und stachelte ihn wieder mächtig an.

„Verdammt!“ murmelte er betroffen. „Was werden nur die anderen denken? Das spricht sich doch schnell herum, die erstaunliche Tatsache, daß ich wieder Vater werde. Der Profos“, rief er wild, „der wird sich doch halb totlachen, was, wie? Und die anderen erst!“

Er glaubte schon jetzt, das homerische Gelächter Edwin Carberrys in seinen Ohren gellen zu hören. Diese Vorstellung trieb ihn fast zur Weißglut.

„Lach du nur!“ schrie er. „Dir werd’ ich’s schon geigen, und zwar mit dem Holzbein, du Hurensohn! Du bist der erste, der durch die Rutsche geht, wenn sie fertig ist.“

So schrie, rief oder fluchte er vor sich hin. Dann mußte er sich erst einmal in den Sand setzen, um zu verschnaufen. Das alles regte ihn doch mächtig auf – hauptsächlich das selten dämliche Lachen des Profos’.

Er fand, daß seine Beule noch mehr angeschwollen war. Wie der Himmelsdom wölbte sie sich auf seinem Schädel.

Vater – hm – hm. Er dachte an den Wikinger Thorfin Njal. Der war ja auch nicht mehr der Jüngste, der graurotbärtige Riese. Dieser behelmte Nordpolaffe hatte aber immerhin gleich ein Pärchen auf Stapel gelegt. Alle Achtung – Donnerwetter!

Vielleicht wurde es bei Mary auch ein Pärchen – oder vielleicht sogar Drillinge!

Bei dieser Vorstellung brach Old Donegal der Schweiß aus. Um Himmels willen, möglich war schließlich alles.

Zwillinge oder Drillinge, dachte er wie betäubt. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und überlegte krampfhaft, was sein Sohn Dan wohl dazu sagen würde. Nicht zu den Zwillingen oder Drillingen – überhaupt und so! Das war auch noch ein Kapitel für sich. Der „Bengel“ würde ganz sicher auch noch ein paar dämliche Sprüche ablassen, und dann würden sie gemeinsam wie kranke Hengste wiehern, diese Rabauken.

Sehr verdrießlich starrte er grübelnd vor sich hin. Aber das half auch nichts, und so setzte er seinen Marsch ins Blaue wutgeladen fort.

Jetzt war er richtig in Braß, denn hinter jeder Düne, hinter jedem Strauch und Gestrüpp sah er im Geiste Carberry hocken, der sich über ihn halb totlachte.

„Na, du alter Zausel“, würde er höhnen, „hast noch mal was auf Kiel gelegt, was, wie? Wer hätte das von dir gedacht, wo du doch schon älter als Methusalem bist.“

„Verflucht noch mal!“ knurrte der Alte erbittert. „Du gehst sowieso durch die Rutsche, aber vorher wickel’ ich dir noch mein Holzbein achtmal um den Hals.“

Es ging jetzt etwas bergan, eine bewachsene Düne hoch. Eine dichte Gruppe aus Gestrüpp versperrte ihm den Weg.

Aber das focht Old Donegal nicht an. Er war ohnehin in Braßfahrt und rammte blindwütig alles, was ihm im Weg war.

Auch hier durchstieß er voller Zorn wie ein wutschnaubender Bulle das Gestrüpp, doch diesmal erlebte er eine höllische Überraschung.

Übergangslos und ganz überraschend gab der Boden unter ihm nach. Old O’Flynn schnappte hörbar nach Luft. Dann griff er mit einem wilden Schrei um sich.

Aber da war nichts mehr. Höchstens ein großes Loch, in das er hineinfiel und das mitten bis ins Erdinnere zu führen schien.

Er strampelte und schrie, aber der Boden unter seinen Beinen gab ständig nach.

Dieses lausige Gefühl des Fallens kannte er allerdings nur zu gut. Er hatte wieder mal seine „Rutsche“ beschworen, und jetzt war er selbst das Opfer geworden. So war das auch damals auf der Schlangen-Insel gewesen, als er sich im Geist mit dem Bau einer Kneipe beschäftigt hatte und auf die Suche nach einem idealen Plätzchen gegangen war. Damals hatte auch der Boden auf so ähnliche Art nachgegeben, und er hatte eine Höllenreise begonnen, von der er heute noch träumte.

Sein gellender Schreckensschrei riß ab, denn jetzt begann für den geplagten Old O’Flynn ein neuerliches Martyrium, das er sich nicht hätte träumen lassen.

Um ihn herum wurde es dunkel, gleich darauf stockfinster. Seine Gedanken überschlugen sich, denn es ging in höllischer Fahrt abwärts, und das war eine Art Schlittenfahrt, die er auf dem Hintern absolvierte.

Er hatte ja schon einmal davon gehört, daß es geheimnisvolle Löcher in der Erde gab. Fiel man in die hinein, dann blieb man mitten in der Erde stecken. Es hatte aber auch schon Fälle gegeben, bei denen man auf der anderen Seite der Erde wieder herausfiel.

Das nahm Old O’Flynn jetzt allen Ernstes an. Und ausgerechnet ihm mußte das passieren. Er hatte Angst davor, mitten in der Erde steckenzubleiben, aber noch mehr Angst hatte er davor, auf der anderen Seite wieder hinauszufliegen. Denn dann hatte er mit Sicherheit so ein Tempo drauf, daß er ohne weiteres bis zum Mond fliegen würde. Und dann konnte er da mutterseelenallein hocken, und kein Mensch wüßte, was mit ihm passiert war. Und überhaupt – wie sollten sie ihn auf dem Mond jemals finden? Nicht mal der Profos würde ihn da vermuten.

„Ich will nicht zum Mond!“ brüllte er heiser vor Angst.

Aber ob er wollte oder nicht – die Reise ging weiter, vielleicht doch dem geheimnisvollen Mittelpunkt der Erde entgegen, von dem er schon ein paarmal gehört hatte.

Sicher würde er dort ersticken, oder die Erdmännchen würden ihn dabehalten und den Rest seines Lebens nach Herzenslust piesacken.

Er bedauerte sich selbst, wieder völlig unschuldig in eine so mißliche Lage geraten zu sein. Hätte Mary ihm die Bratpfanne nicht auf den Schädel gedroschen, wäre er auch nicht von Bord gegangen.

Jetzt war sie schon fast Witwe, und das bedauernswerte Söhnchen hatte keinen Vater, der es liebevoll aufzog. Logischerweise würde es dann genauso ein Rabauke werden wie der Profos, der ja nichts anderes zu tun haben würde, als ihm faule Sprüche beizubringen.

In seinen Ohren sauste und brauste es. Er zog das Genick ein, streckte abwehrend die Hände vor – und schrie wieder.

Die Fahrt in die Erde wurde noch schneller, noch verrückter. Kühle Luft pfiff jaulend an seinem Schädel vorbei. Er zog das Genick tiefer ein.

Aber da war auch noch etwas anderes, was ihn mächtig plagte – nämlich ein wilder, heißer Schmerz. Der rührte daher, daß er auf dem, Hosenboden rutschte. Weil er höllisch schnell rutschte, erzeugte das auch eine höllische Reibung, und die setzte sich in Wärme um. Das wiederum merkte er an seinem Achtersteven, der offenbar in hellen Flammen zu stehen schien.

Ah verflixt, war das eine Höllenfahrt!

Er sauste wie eine Kanonenkugel durch rabenschwarze Finsternis. Kalte Luft flatterte ihm oben um die Ohren, und weiter südlich war es so heiß, daß er wieder laut losbrüllte. Das war ein Gefühl, als hocke er auf einem Faß glühenden Schießpulvers.

Diese bestialische Sturzfahrt in eine unbekannte Tiefe nahm kein Ende. Old O’Flynn kam es so vor, als würde er schon jahrelang durch diese Vorkammer zur Hölle rasen.

Hölle? Vorkammer zur Hölle?

Ein neuer Gedanke plagte ihn. Mit Schaudern und Schrecken malte er sich aus, daß er auch in der Hölle landen konnte. Warum auch nicht! Sie befand sich ja bekanntlich unter der Erde, wo die geschwänzten Teufelchen ihre Feuersuppe kochten und die armen Seelen zwackten und plagten. Man mußte ja nicht unbedingt gestorben sein, um in die Hölle zu gelangen.

In seiner krausen Vorstellung und seiner abstrusen Gedankenwelt sah Old Donegal alle Schrecknisse dieser Welt auf sich zukommen.

Jetzt sah er schon Sterne, streifte einmal etwas und schrie wieder gellend laut.

„Hilfe!“ brüllte er.

Da war irgendwo ein Poltern und ein Krachen. Vielleicht war das schon der Satan, der mit einer Eisenstange das Feuer schürte. Ein weiteres Krachen ertönte, erneut streifte ihn etwas, diesmal hart am Arm.

Seine Nerven flatterten, er bereute schnell noch alle seine Sünden und bat mit kreischender Stimme um Vergebung. Und man möge ihn doch, bitte sehr, lieber in Ruhe lassen, damit er sein armes Söhnchen versorgen könne.

Es wurde immer heißer. Brüllend heiß war es, kaum noch zum Aushalten. Das Fleisch mußte ihm schon in Fetzen vom Körper hängen und total verbrannt sein.

Old O’Flynn war so genervt wie noch nie in seinem Leben. Aber es sollte alles noch schlimmer werden.

Da war irgendwo ein fahles, unheimliches Licht, das geisterhaft seine Umgebung erhellte. Er spürte auch, daß sich seine rasende Rutschfahrt ein wenig verlangsamt hatte.

In dem diffusen Dämmerlicht erkannte er voller Entsetzen einen leuchtendgrünen, schenkelstarken Arm. Allerdings hatte der Arm keine Hand und keine Finger, aber er war auch so schaurig und unheimlich, besonders weil er in einem giftigen Grün leuchtete. Der Arm hing von irgendwo herab und wurde vor Old Donegals Gesicht immer größer.

Außerdem war das monströse Gebilde mit kleinen, ebenfalls leuchtenden Warzen bedeckt, die in allen Farben schillerten.

Old O’Flynn war so schaurig erschrocken, daß er fast vergaß, den Schädel einzuziehen, als der Arm direkt auf sein Gesicht zufuhr. Etliche Yards war das Monstrum lang, und da zog er doch ängstlich den Schädel ein und schrumpfte in sich zusammen.

Er spürte eine eisige Berührung, wie ein Hauch aus einer eisigkalten Gruft. Feucht war es auch noch, und es roch so eigentümlich.

Total verängstigt rutschte er weiter, immer noch umgeben von diffusem Halbdämmer, einem so fahlen Licht, daß er sich überhaupt nicht orientieren konnte.

Da waren sehr seltsame Gebilde um ihn herum. Rotleuchtende Fackeln, grüne und blaue Schlangen, silberne und golden schimmernde Kerzen mit riesigen Dochten.

Mehr oder minder führte er diese wundersamen Gebilde auf seine überreizte Phantasie zurück, denn so etwas gab es ja schließlich nicht. Oder doch?

Sah es vielleicht in der Hölle so ähnlich aus?

Mal schloß er krampfhaft die Augen, dann öffnete er sie wieder scheu und zaghaft, und immer wenn er diese farbigen Kegel und Stempel sah, überfiel ihn das nackte Entsetzen.

Dämonen und Geister mußten das sein, Totengeister, die ihm die Haare zu Berge stehen ließen. Total verkrampft rutschte er weiter, nachdem er noch einen Einblick in diese grausige Welt erhalten hatte.

Jetzt wurde es dämmriger, fast dunkel, und die Gebilde veränderten sich auf erschreckende Art und Weise. Sie wechselten ihre Farben, bis sie grau oder totenblaß wirkten.

Wieder ging es schneller in die Tiefe. Die Rutsche war jetzt naß und schlüpfrig, und Old O’Flynn sah sich verängstigt nach weiteren Armen oder Fingern um, die aus der Finsternis wuchsen. Vielleicht hatte ihm der Satan nur mal kurz eine Fackel entzündet, damit er einen Einblick in das Höllenreich hatte.

Er war allein, der einsamste Mensch auf der Welt, verlassen auf dem Weg zum Fürsten der Hölle, der ihn sicher gleich mit glühenden Gabeln empfangen würde.

Er wußte auch nicht, wie lange er schon durch diese Finsternis rutschte, er hatte jegliches Zeitgefühl verloren.

Über sein Granitgesicht rann der Schweiß in Strömen. Seine Augen waren zusammengekniffen, die Lippen hart aufeinandergepreßt, und sein Herz schlug wie ein großes Hammerwerk in seiner Brust.

Er stieß gleichzeitig Gebete und Flüche aus, denn die jetzt wieder herrschende Finsternis ließ ihn fast rasend werden. Er wußte auch nicht mehr, was um ihn herum war. Sicher wieder diese glühenden Arme oder unheimliche Teufelsfinger, die nach ihm griffen.

Old O’Flynn war zwar ein eisenharter Kerl, der vor sichtbaren Gegnern nicht die geringste Angst hatte. Aber hier war das alles ganz anders. Hier glich er einem schlotternden Nervenbündel, denn die Geister, die um ihn herum waren, konnte er nicht fassen. Sie lauerten unsichtbar und versteckt auf ihn. Das war es, was ihn so nervte.

Wieder sah er übergangslos schummrige Helligkeit. Ihm war, als befände er sich tief unter Wasser, wo alles verzerrt wirkte.

Da hingen kreuz und quer farbige leuchtende Zapfen von einer unsichtbaren Decke herab, da wuchsen Säulen und Wülste von unten nach oben, und da blitzte und funkelte es grell.

Dann war wieder Nacht, und er schloß erneut krampfhaft und leise fluchend die Augen.

Seine Rutschpartie wurde jählings beendet. Irgendwo in der Dunkelheit wuchs wieder eine dieser schimmernden Säulen auf, und die beendete seine unglückliche Reise abrupt.

Mit dem Holzbein voran landete er unter ohrenbetäubendem Krachen und Poltern an einem dieser bizarren Gebilde. Es gab einen heftigen Ruck, ein Krachen und Splittern folgte. Old O’Flynns rechtes Holzbein zersplitterte und flog auseinander.

Aber das war noch nicht alles. Irgendwo in der Dunkelheit stand da noch eine weitere Säule, und an die stieß er voller Wucht mit seinem ohnehin geplagten Schädel.

Ein wilder Schmerzensschrei entfuhr ihm. Da war die Bratpfanne seiner lieben Mary aber wesentlich sanfter gewesen. Vor seinen Augen zerplatzte die Welt in einem farbigen Reigen. Wieder sah er Sterne, die explosionsartig nach allen Seiten davonstoben.

„Hölle und Teufel“, krächzte er, doch die Worte wurden nur noch ein hilfloses Lallen.

Für Old O’Flynn gingen nach dem Feuerzauber sämtliche Lichter aus. Er fiel in eine bodenlose Finsternis und verlor das Bewußtsein. Er merkte auch nicht mehr, daß er in einer flachen, muldenartigen Wanne lag, in der sich Tropfwasser aus der Kalksteinhöhle sammelte.

5.

Als Old Donegal wieder zu sich kam, war er noch dösiger als vorher und begriff nicht gleich, was eigentlich vorgefallen war.

Er glaubte, grelle Lichter zu sehen, Feuerschweife, die auf ihn zurasten, dann brach wieder Finsternis herein, und eine entsetzliche Stille herrschte.

Tropf-tropf, hörte er, und nach jedem Tropfen vernahm er ein leises Platschen. Monoton und unheimlich klang das. Es hörte sich jedesmal an, als kichere jemand unsichtbar im Hintergrund oder lache ihn aus.

Es dauerte nochmals eine ganze Weile, bis ihm einfiel, daß er farbige Säulen gesehen hatte und jetzt eigentlich im Mittelpunkt der Erde sein müsse.

Er zuckte heftig zusammen, als ihm etwas auf den Schädel fiel. Kalt und naß war es wie eine ins Wasser gefallene Kakerlake, die nun langsam über seinen Schädel kroch. Es schüttelte den Alten richtig.

Ein zweiter Wassertropfen landete auf seinem Schädel, genau auf der empfindsamen „Bratpfannenbeule“. Und wieder glaubte er, das hämische Kichern in der einsamen Stille zu hören.

Schwatzten da nicht ein paar unsichtbare Männchen miteinander?

Unter ihm war es ebenfalls naß, feucht und kalt. Als ihm der dritte Tropfen auf den Schädel klatschte, fuhr der Alte entnervt zusammen.

„Himmel, Arsch!“ brüllte er wild. „Bei allen Heiligen …“

„Heiligen“, tönte es flüsternd zurück. Das Flüstern verstärkte sich und wurde immer lauter. Von überall her riefen Geisterstimmen das letzte seiner Worte pausenlos zurück. Dann war ein Schmatzen und Gurgeln zu hören, das ihm fast den Verstand raubte.

Schaurig und hohl klang es. Jetzt wanderte die Stimme weiter und verlor sich in endloser Ferne erneut zu einem Wispern.

Ihm gefror vor Angst das Blut in den Adern. Er sah sich noch etwas rammdösig und benommen um, konnte jedoch absolut nichts von seiner Umgebung erkennen. Da war alles schwarz, rabenfinster wie in einem Holzkohlensack.

Endlich war auch die Geisterstimme verklungen, vor der er sich so fürchtete. An ihrer Stelle war da ein leises Wispern und Raunen, das aus der Unendlichkeit zu stammen schien.

Jetzt schlichen sie heran, die geschwänzten Beelzebuben, die kleinen Teufelchen, bei denen er zwangsläufig zu Gast war. Sie kamen, um ihn zu holen und in den großen Kessel zu werfen, wo sie seine Seele so lange kochten, bis sie pechschwarz war.

„Nein!“ brüllte er.

Augenblicklich bereute er, daß er den Mund aufgetan hatte. Denn nun setzte wieder dieser schaurige Effekt ein, der seine Worte verzerrte, sie verstärkte und zu einem lauten Dröhnen werden ließ.

„Nein – nein – nein“, ertönte es von allen Seiten zu seinem Entsetzen. Sie verhöhnten ihn, die Gnomen, Trolle oder Erdmänner, die sich hier ein unsichtbares Stelldichein gaben. Oder die Teufel waren es, die so schaurig und schrecklich all seine Worte nachäfften.

Aus dem abwehrenden „Nein“ wurde ein Konzert, eine Kakophonie schaurig klingender Töne, die wie in einer riesigen Kathedrale widerhallten. Mal wurden sie lauter, dann leiser, dann kehrten sie zurück, bis die gesamte Umgebung heftig vibrierte.

Am liebsten wäre er wieder in eine wohltuende Ohnmacht gefallen, aber wie es aussah, mußte er wohl all die Schrecken bei vollem Bewußtsein durchstehen und erleben.

Reglos blieb er noch eine Weile in der Nässe liegen. Er fluchte jetzt auch nur noch lautlos, damit ihn die Geister nicht hörten.

Wo bin ich bloß? fragte er sich immer wieder beklommen. Was befindet sich um mich herum?

Er fand darauf keine Antwort. Er verhielt sich jetzt absolut still und ruhig. Wenn er sich nicht bemerkbar machte – so seine abstrusen Vorstellungen –, dann würden ihn „die anderen“ vielleicht auch gnädigerweise in Ruhe lassen und das Interesse an ihm verlieren.

Aber selbst das hielt er nicht lange in dieser fürchterlichen Umgebung aus. Zudem konnte er nicht auf ewig in der Finsternis liegen und auf ein Wunder warten.

Nach endlos langer Zeit erhob er sich und wollte aufstehen.

Da merkte er, daß es nicht ging. Sein Holzbein war beim Teufel und zersplittert. Richtig, vorhin hatte es auch so entsetzlich laut gekracht und gesplittert.

Auch das noch! dachte er verbiestert. Jetzt konnte er nicht einmal mehr laufen. Völlig hilflos war er.

Verdammt, verdammt, warum hatte ihm Mary auch diese lausige Bratpfanne auf den Schädel hauen müssen! Daß er die Reaktion selbst herausgefordert hatte, kam ihm überhaupt nicht in den Sinn. Jetzt war seine bessere Ehehälfte an allem schuld. Jetzt konnte sie auch sehen, wie sie mit den Drillingen fertig wurde. Ja, ganz sicher würden es Drillinge werden. Zwei Söhnchen kamen selten allein.

Mit einem Ruck richtete er sich auf. Schließlich war er ein O’Flynn, und die waren hart im Nehmen und Austeilen.

Daß über ihm ein riesiger Stalaktit von der Decke hing, konnte er nicht ahnen. Er hatte auch noch nie etwas von Stalaktiten oder Stalagmiten gehört.

Jetzt schloß er erneut ihre Bekanntschaft.

Ein gewaltiger Gong begann zu hallen, als wenn in Old O’Flynns malträtiertem Schädel eine riesige Glocke geschlagen würde. Ein spürbares Schwingen und Vibrieren pflanzte sich nach allen Seiten fort, und wieder klang es geisterhaft hohl von allen Ecken zurück.

Diesmal war der Alte so benebelt und rammdösig, daß er nahe daran war, seinen Geist aufzugeben.

Ein wilder, furchtbarer Schmerz durchzuckte seinen Schädel, und zum dritten Male brannte ein Feuerwerk vor ihm ab, das ihn bis ins Mark seiner Knochen erschütterte. Der heilige Bimbam selbst schien mit einem funkensprühenden Hammer zugeschlagen zu haben.

Ächzend sank Old O’Flynn in die muldenähnliche Vertiefung zurück.

Nein, dachte er entsagungsvoll, an diesem höllischen Tag hatte sich alles gegen ihn verschworen. Er war aus der Liste der Begünstigten endgültig gestrichen worden, und nicht einmal ein Hund würde mehr einen Knochen von ihm nehmen. Gott und die Welt hatte er gegen sich und ein Schicksal, das es ausgesprochen bösartig mit ihm meinte.

Von wegen – Vater werden ist nicht schwer! Ein Martyrium war das. Achtmal war alles glattgegangen, doch jetzt hatte der Satan persönlich die Sache in die Hand genommen und zahlte es ihm heim.

Eine glühende Sonne raste auf ihn zu, ein feuriger Ball aus Glut und greller Lohe. Dicht vor seinen Augen flog sie auseinander, berstend und krachend, zersplitternd und dröhnend, als würde die gesamte Welt in Fetzen gerissen.

Das mußte jetzt die dritte oder vierte Beule auf seinem Schädel sein, schätzte er. Mindestens drei riesige Hörner wuchsen ihm.

Die Dösigkeit übermannte ihn fast. Er fühlte sich wie einer, der viel zuviel gesoffen hatte und jetzt mit einem riesigen schmerzenden Schädel herumrannte.

Ein feiner Tag war das heute! Wenn er davon nur die geringste Ahnung gehabt hätte, dann wäre er gar nicht erst aus der Koje gestiegen.

Old O’Flynn bemitleidete sich selbst. Er hatte die Nase voll von den bunten feurigen Sternchen, die ihn dauernd umkreisten. Er konnte einfach nicht mehr.

Ha! Aber die Heiligen konnten ihm vielleicht noch helfen. Er hatte sie nur selten gebraucht, weil er sich immer selbst geholfen hatte. Aber für was waren die Burschen schließlich da!

Er versuchte es erst mit dem guten Sankt Elmo, weil der schon öfter mal auf dem Schiff gehockt und sie erschreckt hatte.

„Hol mich raus aus der Hölle!“ flüsterte der Alte so leise, daß es keinen Widerhall gab.

Doch Sankt Elmo ließ nichts von sich hören, jedenfalls unternahm er nicht das geringste, um den geplagten Alten aus seiner mißlichen Lage zu befreien. Vielleicht aber war er auch gerade anderweitig beschäftigt.

Old O’Flynn lauerte noch ein bißchen, doch Sankt Elmo schwieg sich sehr gründlich aus.

Na, es gibt ja noch mehr, dachte er unwirsch. Einer von ihnen würde ihm wohl aus seiner brenzligen Situation helfen.

Ziemlich ungeduldig wandte er sich an den heiligen Nothelfer Antonius. Der war eigentlich für Wind und Wetter verantwortlich, so daß Old O’Flynn bezweifelte, daß er hier etwas ausrichten konnte.

„Hilf mir, wenn du so ein Mann bist, wie man von dir sagt“, murmelte er vor sich hin.

Das Murmeln klang nun schon etwas lauter als das Flüstern. Daher bestand die Antwort des heiligen Antonius auch nur aus einem hohl klingenden Gemurmel, das sich eine ganze Weile fortsetzte. Damit ließ es der Patron aber auch bewenden.

Old O’Flynn überlegte angestrengt. Klar, er konnte sich noch an den vornehmsten Patron der See wenden, und das war der heilige Nikolaus, aber der gehörte den Franzosen und hatte im fernen Frankreich offenbar genügend zu tun. Oder er war nicht bereit, einem in der Klemme sitzenden Engländer zu helfen.

„Wenn du mir nicht hilfst“, knurrte Old Donegal erbittert, „dann sei darauf gefaßt, daß dein Ansehen bei mir arg leiden kann. Genauer gesagt, dann hast du bei mir endgültig Verschissen!“

So haderte und schimpfte er mit den Heiligen, die partout nicht auf sein Anliegen eingehen wollten.

Hm, überlegte er, wenn die Kerle zu faul zum Helfen waren, konnte man es ja mit der Santa Barbara versuchen. Die war die Patronin der Artillerie und hatte gewissermaßen ja auch mit ihnen zu tun.

War wohl nichts, dachte er nach einer Weile. Dann griff er sich gedanklich den heiligen Sankt Michael heraus.

Als der sich auch nicht meldete, wurde Old O’Flynn giftig.

Was, zum Teufel, bildeten sich diese Kerle eigentlich ein, ihn hier unten hocken und vergammeln zu lassen! Brauchte man sie nicht, dann waren sie gleich scharenweise zur Stelle, erflehte man aber ihre Hilfe, dann versteckten sie sich.

Jetzt überlegte er ernsthaft, ob er sich nicht an Old Nick persönlich wenden sollte. Den Höllenfürsten hatten ja schon viele Seeleute überlistet, und da Old O’Flynn ein geriebenes Schlitzohr war, konnte er Old Nick vielleicht auch auf irgendeine Weise austricksen.

Er mußte ihm dann allerdings schon seine Seele verschreiben, darauf würde dieser Schwefelstinker ganz sicher bestehen. Aber den Zeitpunkt konnte er ziemlich lange hinausschieben, und bis dahin fiel ihm sicherlich noch ein ganz mieser Trick ein.

„Old Nick“, hauchte er zaghaft, „ich will hier raus, verdammt!“

Old Nick hatte natürlich ein Einsehen. Der war immer gleich zur Stelle, wenn es etwas abzustauben gab. Der Teufel ließ sich kein Geschäft entgehen.

Wie üblich kündigte er sich mit so lautem Getöse an, daß Old O’Flynn fast zu Tode erschrak.

Es polterte und rumpelte, und dann schien die Welt einzustürzen.

In seinen Ohren kreischte es, Gegenstände flogen umher und rollten mit wahnwitzigem Tempo an ihm vorbei.

Der vom Aberglauben geplagte Old O’Flynn war einem Zusammenbruch nahe. Er hatte den Teufel beschworen, dachte er ängstlich, und der pfiff ihm was, der kassierte gleich seine Seele, ohne irgendeine Vorleistung zu geben.

Schnell und bedenkenlos wandte er sich erneut an Sankt Elmo, und der hatte glücklicherweise ein Einsehen. Das Poltern hörte auf, aber erst, nachdem Old O’Flynn noch ein kräftiges „Misericordio!“ dazugebrüllt hatte. Die Sache mit Old Nick konnte er vergessen, die war viel zu gefährlich.

Aber Sankt Elmo hatte diesmal rechtzeitig geholfen, oder es war sein Talisman, den er ständig um den Hals trug. So genau ließ sich das nicht unterscheiden.

Old Donegal wußte nicht, daß ein paar Yards entfernt oberhalb von ihm ein Stalaktit aus der Decke gebrochen war, ein jahrhundertealter Kalkzapfen, der die Erschütterungen nicht überstanden hatte. Das Gepolter des zerbrechenden Zapfens hatte er für die Annäherung Old Nicks gehalten.

Aber jetzt herrschte endlich wieder Ruhe, wenn er von dem nachrollenden Echo absah, das noch eine Weile lang grummelte.

Old O’Flynn hatte sich so in seine Geisterwelt und Phantasie eingesponnen, daß er alles für bare Münze nahm. Er hätte Stein und Bein darauf geschworen, daß Old Nick hiergewesen war, und er hielt jetzt noch jede Wette, daß er sich im Vorhof zur Hölle befand, ziemlich dicht am Mittelpunkt der Erde. Dabei hatte er noch das unvorstellbare Glück gehabt, nicht tiefer zu fallen oder auf der anderen Seite einfach hinauszufliegen. Dann würde er jetzt vielleicht auf dem Mond hocken und konnte seine „Empress“ von dort oben aus betrachten.

Krampfhaft überlegte er wieder, was jetzt zu tun sei. Er konnte jedenfalls nicht hier hocken und bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten. Andererseits konnte er sich mit dem zersplitterten Holzbein aber auch in dieser unbekannten Umgebung nicht richtig bewegen. Bestenfalls konnte er auf den Knien rutschen.

Und wohin? In die Finsternis, wo er sich vielleicht zum zehnten Male den Schädel stieß?

Er tastete mit den Händen vorsichtig um sich und zuckte heftig zusammen, als ihm erneut ein Wassertropfen auf den Schädel fiel.

Verdammt naß und kühl ist es in diesem Backtrog, dachte er angewidert. Wie in einer Gruft lag er darin.

Dann fiel ihm ein, daß er Feuerstahl, Flint und Zunder in seinen Taschen bei sich hatte. Das hatte er immer dabei, denn es war oft erforderlich, ein Feuer oder eine Fackel zu entzünden. Jeder Seemann trug so etwas mit sich herum, genau wie sein Messer.

Unendlich vorsichtig, um nicht wieder anzuecken, schob er sich aus der nassen Mulde und hockte sich etwas abseits auf den Boden, der grob und uneben war. Da wuchsen überall kleine Hörner und Zacken. Manche Stellen waren aber auch glatt und wie poliert.

Sein Holzbein war zwar nur noch ein zersplitterter Stecken, aber es konnte ihm noch gute Dienste leisten, wenn er sich hier orientieren wollte. Er mußte herausfinden, wo er gelandet war, sonst wurde er am Ende noch wahnsinnig. Ganz dicht davor, den Verstand zu verlieren, war er ja schon.

Er schnallte das Holzbein ab, hielt aber immer wieder bei seinem Tun inne und lauschte angstvoll nach allen Richtungen. Sobald sich die Geräusche vervielfältigten oder zu laut wurden, hörte er auf und wartete, bis das geheimnisvolle Raunen und Flüstern beendet war.

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