Kitabı oku: «Seewölfe Paket 9», sayfa 12

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Der rhythmische Gleichklang der Hufgeräusche und das monotone Mahlen der Wagenräder wirkten einschläfernd, außerdem die Wärme der Sonnenstrahlen und die nervliche Entspannung, die Sir Francis Drake jetzt empfand.

Er fühlte sich wie nach einem ersten Sieg, den er endlich über seinen verhaßten Widersacher Killigrew errungen hatte. Diese Genugtuung erfüllte ihn mit innerer Ruhe und Zufriedenheit, wie er beides seit der Schlacht gegen die Armada nicht mehr erlebt hatte.

Die Kindesentführung betrachtete er als ein legitimes Mittel in seiner Auseinandersetzung mit Killigrew. Der Bastard hatte es sich selbst zuzuschreiben, denn die Methoden, die er angewendet hatte, waren weit weniger gerechtfertigt.

Nein, nein, dachte Drake beruhigt, wer zu solcher Niedertracht fähig ist wie Killigrew, der darf sich nicht wundern, wenn ihm mit einem empfindlichen Gegenschlag geantwortet wird.

Je mehr er sich diese Dinge vor Augen hielt, desto mehr gelangte er zu der Überzeugung, daß die Entführung der Zwillinge geradezu eine glanzvolle Leistung, ein hervorragendes Beispiel taktischer Kriegslist war. Immerhin – er war noch der alte Francis Drake, der selbst den ausgekochtesten Gegner zu übertrumpfen vermochte. Daran hatte sich nichts geändert, obwohl es eine Zeitlang so ausgesehen hatte, als würde ihm Killigrew den Rang ablaufen.

Der sehr ehrenwerte Admiral faltete die Hände über dem Bauch und blinzelte in die Sonne. Diese Schläfrigkeit konnte er sich nicht leisten, das wußte er. Wenn er die Augen schloß, würden die Zwillinge bei der nächsten Gelegenheit aus der Kutsche hüpfen und das Weite suchen. Sie waren eine gerissene Brut – bei dem Vater. Aber sie mußten schon eher aufstehen, wenn sie ihm, dem kampferprobten Admiral einen Streich spielen wollten.

Seit er sie in seine Gewalt gebracht hatte, saßen sie schweigend da und starrten ihn an. Unablässig. Ihre Augen hatten etwas Durchbohrendes, Anklagendes. Aber er störte sich nicht daran und nahm es kaum wahr. Kinder zählten für ihn nicht zu dem Personenkreis, den man ernstnehmen mußte.

Gewiß, er hätte sie fesseln können, um völlig sicherzugehen. Aber wenn es nicht unbedingt sein mußte, wollte er das vermeiden. Denn es konnte bei etwaigen Beobachtern einen schlechten Eindruck hinterlassen. So aber sah es aus, als würde er, der gütige Admiral Drake dem alten Kampfgefährten Killigrew die Kinder zurückbringen. Eine scheinbar versöhnliche Geste vor aller Augen in Plymouth!

Drake schmunzelte bei diesem Gedanken. Killigrew würde natürlich der erste sein, der herausfand, wie es sich wirklich verhielt. Das würde ein teuflisch böses Erwachen für ihn geben. Recht so. Und in der Angst um seine Brut würde er wie ein winselnder Hund angekrochen kommen.

So weit, so gut. Die Maßnahmen, die daran anschließend zu ergreifen waren, mußte man noch planen und im einzelnen festlegen. Auf jeden Fall würde es so ablaufen, daß Killigrew dabei den kürzeren zog und nie wieder versucht sein würde, den ruhmreichen Admiral herauszufordern und zu demütigen.

Gut so. Drake schmunzelte noch immer und blickte wohlgefällig von oben herab auf die beiden Jungen, die ihrem Vater so verteufelt ähnlich waren.

Philip und Hasard erwachten aus ihrer scheinbaren Lethargie.

„Es wird Zeit, daß wir etwas unternehmen“, sagte Philip auf Türkisch. „Was denkst du, wie lange brauchen wir noch bis Plymouth?“

Hasard antwortete in derselben Sprache, die ihnen wie eine Muttersprache war. Denn die meisten Jahre ihres jungen Lebens hatten sie in der Obhut von türkischen und persischen Gauklern zugebracht, bevor ihr Vater sie in Tanger wie durch ein Wunder gefunden hatte.

„Wenn Onkel Freemont recht hat. dann sind es jetzt vielleicht noch eine oder eineinhalb Stunden. Meinst du, daß die Zeit reicht?“

„Sicher doch“, sagte Philip, „wir müssen nur genau wissen, was wir wollen. Auf jeden Fall kriegt dieser Lump von einem Admiral kein Wort mit. Siehst du, wie blöd er dreinschaut?“

„Ja!“ Hasard kicherte, ohne den Kopf zu wenden. Sie sahen sich gegenseitig an und vermieden es, Drake auch nur eines Blickes zu würdigen.

Der Admiral runzelte verblüfft die Stirn. Was, in aller Welt, war das für ein seltsames Kauderwelsch, in dem diese Bürschchen sich unterhielten? Um Spanisch oder einen spanischen Dialekt handelte es sich jedenfalls nicht. Das hätte er verstanden. Komische Brut, die Killigrew da großgezogen hatte. Wer so redete, der mußte schon eine sonderbare Vergangenheit haben. Nichts, dessen sich ein anständiger Engländer rühmen konnte. Wieder ein Pluspunkt, den man geflissentlich zur Kenntnis nehmen konnte. Es würde sich lohnen, ein wenig in Killigrews Vergangenheit zu forschen. Traten dann gewisse Dinge zutage, die man in der Öffentlichkeit breittreten konnte, würde das seinen frisch erworbenen Ruhm sehr schnell abbröckeln lassen.

„Damals, bei den Gauklern haben wir genug gelernt“, fuhr Philip in dem vermeintlichen Kauderwelsch fort. „Sachen, von denen sich dieser aufgeplusterte Knilch garantiert nichts träumen läßt.“

„Hm, eine gute Idee“, antwortete Hasard begeistert, „aber eins ist dabei wichtig: wir dürfen nicht zuviel riskieren, bevor wir in Plymouth sind. Denn sonst könnte es sein, daß er uns doch noch wieder reinlegt.“

„Richtig. Gehen wir mal davon aus, daß wir dem Knilch und seinem Kutscher körperlich nicht gewachsen sind. Also können wir sie nur ausschmieren. Und Tricks sollten wir genügend auf Lager haben.“

„Auch richtig. Wenn nicht körperliche Gewalt, dann nur Waffengewalt. Hast du gesehen, daß er die Pistole wieder in seinen Gürtel gesteckt hat?“

„Sicher. Er rechnet doch nicht damit, daß wir ihm das Ding wegnehmen könnten.“

„Und genau damit hat er sich verrechnet.“ Hasard kicherte von neuem. „Ob die Pistole auch wirklich geladen ist?“

„Natürlich! Glaubst du, so ein Halunke würde mit ungeladener Waffe durch die Gegend zuckeln?“

„Nein, eigentlich nicht.“

„Na also. Wer von uns beiden soll es tun?“

„Ich sitze ihm genau gegenüber“, sagte Hasard, „also werde ich es übernehmen.“

„Bist du sicher, daß du es schaffst?“

„Na hör mal! Das haben wir schließlich gründlich genug gelernt.“

„Aber wir haben lange nicht mehr geübt.“

„Trotzdem. So was kann man gar nicht verlernen. Das weißt du genau.“

„In Ordnung. Ich verlasse mich auf dich. Es würde zu sehr auffallen, wenn wir die Plätze wechseln, obwohl ich es lieber selbst übernehmen würde.“

„Fängst du schon wieder an zu spinnen!“ fauchte Hasard. „Langsam geht mir das gegen den Strich, daß du neuerdings meinst, du bist der Bessere in allen Dingen.“

Dem Admiral platzte der Kragen.

„Ruhe jetzt!“ sagte er konsterniert. „Schluß mit diesem albernen Palaver. Ich will dieses lächerliche Kauderwelsch nicht mehr hören. Habt ihr mich verstanden, oder muß ich böse werden?“

„Ja, Sir – äh, nein, Sir“, antworteten Philip und Hasard artig und wie aus einem Mund.

Sir Francis Drake lehnte sich zurück und nickte grimmig. Auf die Idee, den Inhalt des Kauderwelsch-Gesprächs zu erforschen, kam er nicht. Dazu waren seine Gedanken, die er über seinen Erzfeind Killigrew anstellte, viel zu wichtig.

Die Zwillinge schwiegen gehorsam, und Admiral Drake hatte ausreichend Gelegenheit, ungestört seinen wohlgefälligen Überlegungen nachzugehen. Die Monotonie der Geräusche und das Schaukeln der Kutsche ließen ihn abermals schläfrig werden. Doch er blieb wach, seiner Überzeugung nach wach genug, um die Killigrew-Brut unter Kontrolle zu halten.

Schon nach einer halben Stunde hatte er das unverständliche Palaver der Zwillinge bereits völlig vergessen.

Ein jäher Ruck ging durch die Kutsche, als das rechte Hinterrad in ein tiefes Schlagloch knallte.

Hasard Junior wurde von seinem Sitz hochgeschleudert. Während Philip sich mit Mühe noch festhalten konnte, verlor sein Zwillingsbruder den Halt und fiel dem Admiral unfreiwillig in die Arme.

Drake schüttelte sich, fluchte und befreite sich von der Umarmung des Killigrew-Sprößlings.

Hasard Junior rappelte sich unbeholfen auf und schob sich zurück auf seinen ursprünglichen Platz.

„Verzeihung, Sir“, sagte er artig und schlug den Blick nieder.

„Paß das nächste Mal besser auf“, knurrte Drake und faltete mit einer unwilligen Gebärde erneut die Hände über dem Bauch.

Philip und Hasard saßen von nun an wieder schweigend und stocksteif auf ihren Plätzen. Die kunstvoll ziselierte Radschloß-Pistole, die Hasard unter seinem weiten Hemd verborgen hatte, fiel nicht auf. Und Philip war beruhigt. Sein Bruder hatte den Trick nicht schlechter bewerkstelligt, als er selbst es gekonnt hätte.

Diese Taschenspielereien hatten sie bei den Gauklern bis zum Erbrechen geübt. Damals waren sie in der Lage gewesen, einem Mann den Ohrring abzuziehen, ohne daß er es bemerkte.

Und es funktionierte noch immer.

Jetzt brauchten sie nur noch auf den richtigen Moment zu warten.

8.

Die Männer schufteten im Schweiße ihres Angesichts.

Am Kai und auf der Kuhl der „Isabella“ herrschte hektische Betriebsamkeit. Eine stattliche Reihe von Frachtwagen war vorgefahren, mit Kisten und Fässern beladen. Die Seewölfe würden noch mindestens zwei Stunden zu tun haben, bis sämtliche Vorräte an Proviant, Trinkwasser und Munition an Bord gemannt waren.

In dem Gewühl war es wieder Edwin Carberry, der die Männer mit seinen gewohnt liebevollen Bemerkungen auf Trab hielt. Der Profos hatte sich am Backbord-Schanzkleid aufgebaut, zum Kai hin, und hielt ein wachsames Auge darauf, daß die Kette der Männer nicht abriß. Mit Kisten oder Fässern auf dem gebeugten Rücken keuchten sie an Bord, während die anderen bereits wieder an Land trabten. Die, die für die Arbeit in den Laderäumen der Galeone eingeteilt waren, fanden ebenfalls keine ruhige Minute.

„Schlaft nicht ein, ihr Rübenschweine!“ brüllte Carberry. „Oder glaubt ihr Stinte, ihr hättet gestern abend so viel geleistet, daß ihr jetzt die Hände in den Schoß legen könnt, was, wie? Wer saufen und prügeln kann, der kann auch arbeiten! Bildet euch bloß nichts auf gestern abend ein, ihr lausigen Kakerlaken! In einer Stunde will ich die Laderaumschotten dicht sehen! Ist das klar?“

Natürlich antwortete niemand. Denn erstens waren die Männer viel zu sehr beschäftigt, und zweitens wußten sie, daß der Profos ohnehin keine Antwort erwartete.

Carberry hielt nur einen Moment inne, um Atem zu holen. Dann fuhr er fort, obwohl die Männer ihr Bestes gaben und ein noch schnelleres Arbeitstempo unmöglich war. Aber er bildete sich ein, daß sie seine Kommentare einfach brauchten. Es mußte für sie wie eine liebgewonnene Geräuschkulisse sein, ohne die sie sich einfach unwohl fühlten.

„Zum Teufel, rede ich denn gegen eine Wand? Selbst ein halbverhungerter Hering würde das noch schneller schaffen als ihr! Es dauert nicht mehr lange, und ich ziehe euch tatsächlich die Haut in Streifen von euren Affenärschen!“

Er wurde unterbrochen, denn Sir John, der karmesinrote Ara-Papagei, ließ sich im Sturzflug vom Großmars fallen, bremste seinen Fall mit weit ausgebreiteten Flügeln und landete flatternd auf der breiten Schulter des Profos. Dort wiegte er sich aufgeregt von einer Seite zur anderen und stimmte ein durchdringendes Gezeter an.

„Rübenschweine! Affenärsche! Rübenschweine! Kakerlaken! Rübenschweine! Stinte! Rüben …“

Edwin Carberry packte den Vogel mit einem schnellen Griff und stopfte ihn unter sein Hemd. Sir John zeterte weiter, undeutlicher und gedämpft jetzt.

„Hm“, sagte Carberry grimmig. Mehr fiel ihm im Augenblick nicht ein, denn die Männer grinsten breit, obwohl ihnen der Schweiß in Strömen über die Gesichter rann.

Aus dem Großmars ertönte ein helles Keckern, das nach Meinung des Profos überaus spöttisch klang. Arwenack, der Schimpanse, hielt dort oben die Stellung, die er vor einer Weile gemeinsam mit Sir John bezogen hatte.

Edwin Carberry hatte das Gefühl, daß sich mal wieder alle über ihn lustig machten. Fehlten nur noch die Sprößlinge des Seewolfs mit ihren hinterlistigen Schlingeleien. Es konnte gar nicht mehr lange dauern, bis die beiden mit ihren Hummeln im Hintern wieder an Bord herumquirlen würden. Der Profos seufzte bei diesem Gedanken. Schwere Zeiten standen ihm bevor.

Auch drüben im Dock der „Revenge“ wurde hart gearbeitet. Hammerschläge und das Kreischen von Sägen hallten weit über die Mill Bay und ihre Piers. Die Blicke, die aus dem Dock von Zeit zu Zeit zur „Isabella“ und zur „Le Vengeur“ geworfen wurden, waren finster. Aber an Bord der Galeone und der Zweimast-Karacke gab es niemanden, der sich um diese Blicke kümmerte.

„Ich habe den Eindruck, als ob es auf Ihrem Schiff niemals langweilig wird, Sir Hasard“, sagte Lord Mayor Abbot Cummings, der mit dem Seewolf vor dem Niedergang zur Kapitänskammer stehengeblieben war. Cummings beobachtete schmunzelnd den Profos, der von neuem sein Donnergebrüll anstimmte und sein unerschöpfliches Repertoire an Kraftausdrücken noch einmal von vorn herunterbetete.

Hasard nickte lächelnd.

„Wenn wir den Profos und sein Gebrüll nicht hätten, würde sich keiner mehr an Bord wohlfühlen.“

„Tja, der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier, nicht wahr?“ Cummings lachte.

„Sicher. Aber Carberry ist ein hervorragender Mann. Seine Sprüche sind nur die äußere Schale, die er nicht ablegen kann.“

„Oh, das verstehe ich; andernfalls würde ihn die Crew wohl kaum akzeptieren.“

„Mit Sicherheit nicht. Denn jeder von ihnen ist so gut wie der Profos selbst.“ Hasard deutete auf den Eingang zu seiner Kammer. „Gehen wir hinunter?“

„Danke, gern.“ Der Lord Mayor folgte ihm.

Die Kapitänskammer lag in ungewohnter Helligkeit. Denn dank der späten Jahreszeit fielen die Sonnenstrahlen flach durch die Heckfenster. Das Licht verlieh dem Raum mit seiner Einrichtung aus dunkel gebeiztem Holz besondere Behaglichkeit.

Auf Hasards Aufforderung nahm der Bürgermeister am Tisch Platz. Der Seewolf nahm eine Karaffe aus seinem Schapp und schenkte zwei Gläser halbvoll. Eins bot er seinem Gast an.

„Was ist das?“ fragte Cummings und schnupperte.

„Rum aus der Karibik“, antwortete Hasard, „ein außergewöhnlich guter Tropfen, den die Eingeborenen normalerweise nur für sich selbst brennen. Auf Ihr Wohl, Lord Mayor.“

„Auf das Ihre, Sir Hasard.“

Cummings nahm einen vorsichtigen Schluck. Seine Augen weiteten sich, als er das Glas absetzte.

„Donnerwetter. Das ist wirklich ein handfester Tropfen. Aber ausgezeichnet. Sie haben recht.“

Hasard setzte sich ihm gegenüber.

„Ich nehme an, Sie sind nicht nur gekommen, um karibischen Rum zu probieren“, sagte er unumwunden.

Abbot Cummings wurde ernst.

„Nein, keineswegs. Ich halte es für meine Pflicht und Schuldigkeit, nach dem gestrigen Vorfall noch einmal ein klärendes Wort mit Ihnen zu sprechen. Vor allem möchte ich mich in aller Form bei Ihnen entschuldigen. Hätte ich die Zusammenhänge gekannt, hätte ich mich niemals zu dieser fatalen Doppel-Einladung hinreißen lassen. Dieser Faux-pas ist mir äußerst peinlich, und ich kann nur hoffen, daß Sie Plymouth trotzdem in guter Erinnerung behalten.“

Hasard schüttelte energisch den Kopf.

„Sie haben keinen Grund, sich für irgend etwas zu entschuldigen, Lord Mayor. Die Kontroversen zwischen Admiral Drake und mir sind nicht Ihr Fehler. Im übrigen muß ich genauso hoffen, daß Sie meine Crew und die Ribaults ebenfalls in guter Erinnerung behalten, obwohl sie sich gestern abend einiges geleistet haben, was mir nachträglich die Haare zu Berge stehen läßt.“

„Die Geschichte in der ‚Bloody Mary‘?“ rief Cummings amüsiert. „Um Himmels willen, wer würde denn so etwas ernst nehmen! Sie wissen doch selbst, zu welcher niederen Kategorie diese Schenke gehört. Außerdem weiß ich, daß Ihre Männer noch immer für jeden Schaden geradegestanden haben. Plymson, dieser alte Gauner, kann sich gewiß nicht beklagen.“

Hasard wiegte den Kopf auf den Schultern.

„Nun, ich habe den Männern jedenfalls die Leviten gelesen. Es ging ja nicht um die ‚Bloody Mary‘ allein. Wenn Admiral Drake von der Schlacht in der Mill Bay hört, wird er mir erst recht die Pest an den Hals wünschen. Ich weiß nicht, ob ich es meinen Männern jemals beibringen werde, daß sie sich an Land wie zivilisierte Menschen benehmen.“

„Weder Sie noch Ihre Leute haben sich irgendwelche Vorwürfe zu machen“, wehrte der Bürgermeister ab. „Die Auseinandersetzung in der Mill Bay haben Drakes Männer schließlich selbst heraufbeschworen. Im Grunde kann der Admiral froh sein, daß es für seine Crew so glimpflich abgegangen ist.“

„Nun, ich brauche mich vor ihm nicht zu verkriechen“, sagte Hasard gedehnt. „Aber Drake ist kein Mann, der mit offenen Methoden kämpft. Er ist ein Meister der Intrige, und dagegen ist manchmal kein Kraut gewachsen.“

„Ich weiß“, erwiderte Cummings, „auch deshalb habe ich Sie noch einmal aufgesucht. Nach dem, was ich gestern abend gehört habe und was mir ohnehin bekannt ist, möchte ich Ihnen noch einmal versichern, daß ich voll und ganz auf Ihrer Seite stehe, Sir Hasard. Ich kann in diesem Zusammenhang leider nicht für den gesamten Stadtrat sprechen, denn es gibt Männer, die lieber übervorsichtig sind, als daß sie Partei ergreifen. Wenn Sie aber jemals hier an Land einen Verbündeten brauchen sollten, dann können Sie auf mich zählen. Das ist es, was ich Ihnen ausdrücklich gesagt haben wollte.“

„Ich danke Ihnen, Lord Mayor“, antwortete der Seewolf. Mehr nicht. Große Worte waren überflüssig, und Cummings war ohnehin kein Mann, der etwas von geschwollenen Reden hielt. Das hatte Hasard schon während des mißglückten Festbanketts gespürt.

Er wußte es zu schätzen, daß der Bürgermeister der Stadt Plymouth ihm symbolisch die Hand reichte. Vielleicht würde er eines Tages wirklich auf sein Angebot zurückgreifen müssen. Denn es war noch längst nicht abzusehen, wozu Francis Drake, in seiner ohnmächtigen Wut fähig war.

Hasard konnte noch nicht ahnen, wie nachhaltig sich diese Vermutung schon bald bestätigen sollte.

Ein unregelmäßiges Wechselspiel von Licht und Schatten begleitete die Kutsche auf ihrem Weg durch die engen Gassen von Plymouth. Das Geräusch der Pferdehufe und der Räder klang hell auf dem Steinpflaster und hallte zwischen den gedrängt gebauten Giebeln der Häuser lange nach.

Der Kutscher nahm den kürzesten Weg durch die Stadt, denn er wußte, daß der Admiral in höchster Eile war.

Doch trotz dieser Eile genoß Drake es, die Menschen zu sehen, wie sie stehenblieben, wie sie sich aus den Fenstern beugten und ihm zuwinkten. Jedesmal hob er gönnerhaft die rechte Hand und bewegte sie bedächtig vor und zurück. Seine Müdigkeit war verflogen. Er fühlte sich in jeder Beziehung bestätigt. Sein Ruhm als sieggewohnter Seeheld war ungebrochen. Die Menschen feierten ihn nach wie vor – vielleicht gerade deshalb, weil sie inzwischen wußten, welche Gemeinheiten sich der hirnrissige Bastard Killigrew ihm gegenüber geleistet hatte.

Aber diese begeisterten Menschen sahen auch, daß er die beiden Jungen bei sich in der Kutsche hatte. Ihre Freundlichkeit konnte folglich nur bedeuten, daß sie tatsächlich glaubten, er brächte Killigrew die Brut zurück.

Nun, alles würde also in der Weise aufgehen, wie er es geplant hatte. Die Zwillinge würde er zunächst auf die „Revenge“ bringen und dort in der Vorpiek einsperren. Dann konnte man einen Boten zur „Isabella“ schicken und Killigrew herbeizitieren. Welche Forderungen er im einzelnen dem Seewolf gegenüber erheben würde, nun, das wollte der sehr ehrenwerte Admiral erst dann festlegen, wenn er mit Robert Parsons gesprochen hatte. Denn zunächst mußte er einmal wissen, was sich während seiner Abwesenheit in Plymouth zugetragen hatte. Davon würde es abhängen, welche Daumenschrauben er dem Bastard Killigrew anlegte.

Die Zwillinge waren nach wie vor ruhig und friedlich. Sie schienen begriffen zu haben, daß sie hübsch brav sein mußten, wenn sie nicht den Zorn des Admirals erwecken wollten.

Er erwiderte die freundlichen Grüße der Bürger, ohne wirklich hinzusehen. Die Ovationen begannen ihm lästig zu werden. Das ewige Zurückwinken wurde ermüdend.

Der Geruch von Salzwasser und Tang, den eine leichte Brise durch die Gassen fächerte, verstärkte sich.

Drake fühlte, wie er aufzuleben begann. Das war immer noch seine Welt, der er sich näherte. Die Welt, in der er sich immer noch am besten zurechtfand und in der er nach wie vor der Größte war. Er mußte es nur von Zeit zu Zeit wieder unter Beweis stellen – so wie jetzt. Er fieberte der Ankunft entgegen wie ein Kind. Seine Überlegungen hatten sich auf verschrobene Weise einen Weg zurechtgebastelt, den er selbst für völlig plausibel und gerechtfertigt hielt. Jeden, der ihn richtigerweise als Schnapphahn und gemeinen Kindesentführer bezeichnet hätte, hätte er ohne Umschweife in der Luft zerrissen.

Die Kutsche erreichte die letzte Gasse, die unmittelbar auf das Kaigelände an der Mill Bay mündete.

Drake beugte sich vor und spähte am breiten Oberkörper des Kutschers vorbei. Er achtete jetzt nicht mehr auf die Leute, die ihm auch hier zuwinkten. Am Ende der Gasse war bereits der Mastenwald des Hafens zu erkennen.

Philip und Hasard wechselten einen verstohlenen Blick. Hasard Junior nickte kaum merklich, beruhigend. Er ahnte, daß sein Bruder womöglich schon wieder Befürchtungen hatte, er könnte seine Sache nicht allein bewältigen. Aber für einen diesbezüglichen Wortwechsel war jetzt zum Glück keine Zeit.

Drake ließ sich zufrieden zurücksinken, als die Kutsche den Kai erreichte und nach links abbog.

Philip wandte den Kopf halb zur Seite. Er hatte ein besseres Blickfeld als sein Bruder.

Zur Linken glitten die Häuserfassaden der Schiffsausrüster, der Segelmacher und der Hafenschenken vorbei. Auf der anderen Seite gab es Wagen und Karren vor den zu löschenden oder zu beladenden Schiffen. Kleinere Kauffahrer überwiegend, aber auch Fischerboote, die weiter draußen an den Piers lagen. Und überall Menschen, die ihre Arbeit unterbrachen, sich umdrehten und dem Admiral zuwinkten.

Sir Francis Drake sah nicht, daß es unter den vielen Gesichtern etliche gab, die bei seinem Erscheinen einen spöttischen Zug annahmen. Denn er kannte noch nicht die Geschichte von der Schlacht auf der Mill Bay, die die meisten Leute hier miterlebt oder von anderen gehört hatten.

Philip Junior hatte das Gefühl, sein Herz vollführte einen Freudenhüpfer, als er am Rand seines Blickfelds plötzlich die schlanken Umrisse eines Schiffes sah, das er fast genauso gut kannte wie die „Isabella“.

Die „Le Vengeur“!

Wo das Schiff Jean Ribaults lag, konnte auch die „Isabella“ nicht weit sein. Der kleine Philip spürte, wie die Aufregung in ihm mit Macht anwuchs. Er mußte sich mit aller Kraft beherrschen, um nicht zappelig zu werden.

Dann, Sekunden, später, tauchte auch die ranke Galeone auf, die niemand anders als dem Seewolf und seinen Männern gehörte.

Philip versetzte seinem Bruder einen kaum merklichen Stoß in die Seite.

Hasard nickte ebenso unmerklich. Er hatte begriffen, und er musterte den Admiral jetzt sehr aufmerksam.

Sir Francis Drake war mit seinen Gedanken bereits weit voraus. Wieder spähte er angestrengt nach vorn und versuchte offenbar, die „Revenge“ im Dock zu erkennen.

„Kutscher!“ sagte Drake energisch. „Fahren Sie auf direktem Weg zu meinem Schiff. Egal, was auch passiert. Lassen Sie sich durch nichts und niemanden aufhalten.“

„Aye, aye, Sir“, antwortete der Mann auf dem Bock.

Hasard Junior spannte seine Muskeln bis in die letzte Faser, als er unvermittelt die „Le Vengeur“ aus den Augenwinkeln heraus erkannte. Jeden Augenblick mußte es soweit sein. Dann mußten sie den kürzesten Weg zur Galeone ihres Vaters nutzen.

Jetzt!

Der Bugspriet war unverwechselbar. Dann der Bug selbst, das Vordeck. Jede Planke war den Zwillingen so vertraut, als hätten sie ihr Leben nirgendwo anders verbracht als auf der „Isabella“.

Im nächsten Moment war Hasard Junior versucht, einen Triumphschrei auszustoßen.

Er sah die Männer, die Kisten und Fässer von Frachtwagen abluden. Luke Morgan, Sam Roskill, Bob Grey, Blacky und all die anderen …

Mit einer beinahe nebensächlich wirkenden Bewegung zog Hasard Junior die Pistole unter dem Hemd hervor und richtete den Lauf auf Sir Francis Drake.

„Sofort anhalten!“ sagte Hasard Junior mit heller, fast schneidend klingender Stimme. „Anhalten, oder ich puste Ihnen ein Loch in den Bauch, Sie Rübenschwein von einem Admiral!“

Drake erbleichte. Fassungslos stierte er auf den Jungen, der die schwere Waffe mit beiden Händen halten mußte. Aber wie er die Pistole hielt, das ließ keinen Zweifel daran, daß er auch damit umgehen konnte. Der Hahn des Radschlosses war gespannt, und der nervige kleine Zeigefinger lag halb gekrümmt um den Abzug.

Erst jetzt begriff Drake den Zusammenhang. Ruckhaft klopfte er mit flachen Händen auf seine Hüftgegend, tastete beinahe verzweifelt und konnte doch nur feststellen, daß es in der Tat seine eigene Waffe war, mit der dieser Knirps ihn bedrohte.

Aber da war diese Entschlossenheit und die unbändige Wildheit im Gesicht des Jungen, der seinem Vater ebenso ähnelte wie sein Bruder.

Sir Francis Drake hatte das Gefühl, daß ihm der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Es war diese furchtbare Ernüchterung, schlagartig alle Felle davonschwimmen zu sehen.

Denn ein Blick in das verbissene Gesicht des Jungen ließ ihn keinen Moment daran zweifeln, daß dieser unverschämte kleine Strolch auch wirklich abdrükken würde.

Drake begann, um sein Leben zu bangen. Hölle und Teufel, er hatte auf allen sieben Meeren ganze Seestreitmächte bezwungen und dem Teufel lachend in die grinsende Fratze geschaut. Und jetzt sollte es tatsächlich sein, daß er von einem Kind abgeknallt wurde?

Der Umstand, daß es wieder ein Killigrew war, der ihn zutiefst demütigte, brachte ihn fast zum Wahnsinn.

All diese Gedanken schossen in rasender Schnelle durch seinen Kopf. Es blieb nur die einzig mögliche Schlußfolgerung.

„Anhalten“, sagte er mit vibrierender Stimme. Er haßte sich selbst dafür, daß er es aussprechen mußte. „Sofort anhalten, Kutscher.“

„A – aber Sir, wieso …“

Philip Junior sprang mit einem Satz auf die Sitzbank und schrie es dem Mann ins Ohr.

„Hast du nicht gehört, was dein Admiral sagt? Dreh dich um, dann begreifst du es!“

Der Kutscher zuckte zusammen und befolgte die Aufforderung.

Er erstarrte vor Schreck.

Viel zu hart zerrte er an den Zügeln. Mit schrillem, protestierendem Wiehern stieg das Zugpferd auf den Hinterbeinen hoch.

Die Kutsche stand. Der Mann auf dem Bock wagte nicht, sich zu rühren. Er sah das totenbleiche Gesicht des Admirals und wußte, daß mit dieser Situation nicht zu spaßen war.

Philip Junior wandte sich mit breitem Feixen wieder dem sehr ehrenwerten Sir Francis Drake zu.

„Ich denke, wir steigen jetzt aus und unternehmen einen kleinen Spaziergang. Nicht wahr, Hasard?“

„Das denke ich auch“, sagte Hasard Junior grimmig und stieß dem Admiral die Laufmündung der Pistole in den Bauch.

Sir Francis Drake erschrak wie unter einem Peitschenhieb.

„Nein, nicht!“ wimmerte er. „Um Himmels willen, das Ding kann doch losgehen, wenn man sich zu heftig bewegt.“

„Angst hat er auch noch“, sagte Hasard Junior verächtlich. „Als ob ich nicht mit so einem lächerlichen Pistölchen umgehen könnte!“ Seine beiden braungebrannten Hände, mit denen er die Waffe hielt, straften seine Worte Lügen. Doch ihre Wirkung verfehlten sie nicht. „Los aussteigen, oder es knallt!“

Drake hob die Hände, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Als der Junge den Pistolenlauf ein Stück zurückzog, kletterte er mit weichen Knien aus der Kutsche und mußte sich festhalten, bevor seine Füße den Boden erreichten.

Hasard Junior war mit einem Satz hinter ihm und rammte ihm die Mündung der Waffe in den Rücken.

Drake schrak von neuem zusammen.

„Vorwärts!“ bellte Philip Junior, der im selben Moment neben ihm auftauchte. „Wir besuchen das Schiff unseres Vaters!“

Der Admiral hatte das Gefühl, einer Ohnmacht nahe zu sein. Wie durch einen wallenden Nebelschleier sah er die vielen Gesichter und die spöttischen Augen, die ihn anstarrten. Erst jetzt begriff er, daß dies die größte Niederlage seines Lebens war. Die allerschlimmste Demütigung. Viel schlimmer als alles, was Killigrew Senior ihm zuvor zugefügt hatte.

„Ich danke Ihnen noch einmal, Lord Mayor“, sagte der Seewolf, während er den Bürgermeister zur Pforte im Schanzkleid begleitete.

„Nein, nein“, wehrte Cummings ab, „ich habe Ihnen zu danken für Ihren Großmut, Sir Hasard. Sie hätten allen Grund, verärgert zu sein über …“ Mitten im Satz brach er ab und blickte Hasard an.

Der Seewolf spürte es im selben Atemzug.

Diese merkwürdige Stille.

Kein Wort von Edwin Carberry. Der Profos stand am Schanzkleid und starrte zum Kai, als hätte er einen Besenstiel verschluckt. Die anderen hatten ihre Arbeit unterbrochen und schienen von jäher Faulheit übermannt worden zu sein.

Hasard trat mit zwei schnellen Schritten auf das Schanzkleid zu, gefolgt von Abbot Cummings.

Im nächsten Atemzug spürte der Seewolf, wie seine Kinnlade haltlos herabsackte.

Nie zuvor in seinem Leben hatte ihn eine solche Entgeisterung gepackt.

Der, der dort mit seltsam abgehackten Schritten den Landgangsteg heraufstelzte, war kein geringerer als Sir Francis Drake. Seine Miene war die eines Leichenträgers, der zehn Verblichene auf einmal zu betreuen hat.

Hasard sah seine Söhne, die den Admiral mit den grimmigen Gesichtern von Henkersknechten begleiteten.

Der Seewolf glaubte, daß es ihn glatt aus den Stiefeln heben müsse.

„Gleich trifft mich der Schlag“, murmelte Ed Carberry mit einer Fassungslosigkeit, wie sie der Seewolf noch nie an seinem Profos erlebt hatte.

Doch dann, als Drake das Schanzkleid erreichte und seinen Fuß auf die Decksplanken der „Isabella“ setzte, konnte Carberry sich nicht mehr halten.

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