Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 418»

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Impressum

© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-826-3

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Burt Frederick

Sirenenklänge

Die Rote Korsarin stellte eine Falle, und die Kerle fielen darauf herein

Ein dreistes Bubenstück hatte sich der alte John Killigrew geleistet, derart dreist, daß die sehr ehrenwerten Gentlemen auf den vier englischen Kriegsgaleonen zunächst einmal wie vor den Kopf geschlagen waren und vergaßen, irgendwie zu reagieren. Sie hatten die spanische Handelsgaleone „Santa Cruz“ aufgebracht und zerschossen, obwohl der Capitán die Flagge bereits gestrichen hatte. Und dann war Sir John mit seiner „Lady Anne“ bei der „Santa Cruz“ längsseits gegangen, hatte mit Mannschaften und Kapitän kurzen Prozeß gemacht und war beigegangen, Kisten aus der Galeone auf seine Karavelle zu verladen. Und den erlauchten Sir Andrew hatte er als Geisel genommen und war auf und davon gesegelt – mit einer riesigen Ladung Goldbarren …

Die Hauptpersonen des Romans:

Sir Andrew Clifford – der erlauchte Earl of Cumberland gerät vom Regen in die Traufe.

Sir John Killigrew – der alte Gauner und Spitzbube säuft zuviel und denkt dabei an nackte Indianerinnen.

Charles Stewart – der Kommandant der „Dragon“ möchte gern sein eigenes Süppchen kochen, als er etwas von Gold hört.

Siri-Tong – die Rote Korsarin weiß ein gutes Mittel, um den Gegner zu betören.

Philip Hasard Killigrew – ihn packt die kalte Wut, als er erfährt, warum die Engländer in die Karibik gesegelt sind.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Nur noch wenige zerborstene Trümmerteile erinnerten an die spanische Galeone „Santa Cruz“. Die Wellen spielten mit einer zersplitterten Grätingsluke, einer Nagelbank und den zerschmetterten Bestandteilen einer Achterdecksbalustrade.

Strahlender Sonnenschein lag an diesem Nachmittag des 21. August 1594 über dem nördlichen Ausgang der Florida-Straße. Der Wind wehte aus Südwesten. Den vier englischen Galeonen wäre zweifellos rauschende Fahrt möglich gewesen, wenn nicht besondere Umstände Anlaß gegeben hätten, die Segel zu bergen und Treibanker zu werfen.

Kapitän George Rooke von der Galeone „Centurion“ blickte mit Schaudern auf die im Wellengang schwappenden Wrackteile. Die Spanier mußten geglaubt haben, blutrünstigen Barbaren in die Hände gefallen zu sein – nicht aber englischen Seeleuten, die sich selbst auf Kaperfahrt noch an gewisse Regeln der Humanität hielten.

George Rooke enterte als letzter über die Jakobsleiter auf. Er betrat die Decksplanken des Flaggschiffs „Orion“ mit Widerwillen. Lange hatte er gezögert, überhaupt an dieser für ihn nutzlosen Besprechung teilzunehmen.

Der hochwohlgeborenen Gentlemen-Clique ging es doch im Moment nur darum, den dreisten Sir John Killigrew mit seiner Karavelle „Lady Anne“ wieder zu erwischen. Eben jenen berüchtigten Freibeuter aus Cornwall, der mit Sir Andrew Clifford als Geisel an Bord auf und davon gesegelt war.

Nur durch seinen persönlichen Freund, Kapitän James Wavell von der „Eagle“, hatte sich George Rooke schließlich doch überreden lassen, der Aufforderung von Sir Edward Tottenham zu folgen und sich an Bord der „Orion“ zu begeben. Schwerwiegende Konsequenzen seines Zögerns befürchtete Rooke nicht.

Selbst bei seinem Fernbleiben hätte er kein schlechtes Gewissen gehabt. Denn Sir Edward konnte sich durch nichts darauf berufen, daß er etwa zum Verbandsführer ernannt worden wäre. Gewiß, er war Kapitän der „Orion“, und diese war von der verdammten Clique gewissermaßen als Flaggschiff auserkoren worden. Eine gleichzeitige Aufwertung von Sir Edwards Position durch Order von höchster Stelle war jedoch nicht erfolgt.

Kapitän Rooke warf einen Blick über die Verschanzung, nachdem er vom Zweiten Offizier in Empfang genommen worden war und zum Achterdeck geführt wurde. An der nordöstlichen Kimm waren soeben die Mastspitzen der „Lady Anne“ verschwunden.

Im Achterdeckssalon hatte sich die gesamte hochwohlgeborene Gesellschaft bereits versammelt. Die sauren Gesichter standen in krassem Gegensatz zu dem prächtigen Wetter, das an diesem Tag herrschte. Tadelnde Blicke empfingen George Rooke angesichts seiner Verspätung.

Er begegnete diesen Blicken mit hoch aufgerichteter Haltung und betrachtete seinerseits die Teilnehmerrunde mit erkennbarer Geringschätzung. Das Schweigen, mit dem sie ihre Pikiertheit ausdrückten, störte ihn nicht im mindesten.

In seinen Spinnenfingern drehte der dürre Sir Edward Tottenham nervös einen Federkiel. Natürlich hatte sich die erlauchte Clique seine „Orion“ hauptsächlich deshalb als Flaggschiff ausgesucht, weil Tottenham als einziger der vier Kapitäne von Adel war.

Die Tatsache als solche reichte bei seiner Crew indessen kaum aus, seinen Beliebtheitsgrad in die Höhe zu treiben. Sir Edward, dieser geiergesichtige Pedant, lebte nur für seine Dienstvorschriften und entwickelte entsprechend wenig eigene Initiative. Seine Untergebenen waren gewohnt, ihn ständig nörgeln zu hören.

Kapitän James Wavell, ein Seemann von der aufrechten Sorte, nickte seinem Freund kaum merklich zu. Rooke las in Wavells Augen Erleichterung, und er kannte den Grund. Wavell war froh, nicht allein auf verlorenem Posten zu stehen. Denn außer ihm war es nur noch George Rooke, der seine Ansichten teilte.

Kapitän Charles Stewart von der „Dragon“ war ebenfalls ein handfester Seemann. Doch Rooke und Wavell hatten sich mit ihm nie so recht anfreunden können. In manchen Situationen – ob bei einer Wirtshaus-Schlägerei oder bei einem Gefecht zur See – neigte er zur Hinterhältigkeit und zu brutaler Gewalt, die nichts mehr mit Ritterlichkeit zu tun hatten.

Dank der zwangsläufigen Abwesenheit von Sir Andrew durfte sich Sir Henry, Duke of Battingham, in dieser Besprechungsrunde sozusagen als Oberhaupt fühlen.

Dem Kapitän der „Centurion“ war dieser Mann schon bei der ersten Begegnung unsympathisch gewesen. Für Rooke war dieser Sir Henry nichts anderes als ein eitler Pfau, der sich immer wieder aufplusterte und es doch nicht schaffte, ein Rad zu schlagen.

Er war nur mittelgroß, hatte eine leicht nach oben gebogene Nase und wäßrige Augen von blassem Blau. Von den Nächten, in denen er erst richtig munter zu werden pflegte, zeugte Sir Henrys bleiches Gesicht.

Jetzt Ende Zwanzig, war er noch blasierter geworden, seit er den Titel des Duke geerbt hatte. Die Schiffsoffiziere hatten darüber zu berichten gewußt. George Rooke selbst interessierte sich nicht für Klatsch und Tratsch aus Adelskreisen.

Von den übrigen sehr ehrenwerten Gentlemen hielt Rooke noch viel weniger. Daß sie sich anmaßten, an der Besprechungsrunde der Kommandanten teilzunehmen, zeugte von ihrer Blasiertheit. Denn von seemännischen Dingen verstanden sie nun wahrhaftig nichts – wohl aber davon, nächtelang zu saufen und zu würfeln und tagsüber den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Das hatten sie in den knapp drei Monaten seit dem Auslaufen aus dem Hafen von Plymouth hinlänglich bewiesen.

Jener, der in dieser gepuderten Perückengesellschaft am unangenehmsten auffiel, war für George Rooke ein Mann, der sich durch geschickte und flinke Hände auszeichnete und das Aussehen eines eiskalten Haies hatte. Das war er ohne Zweifel – ein mit allen Wassern gewaschener Hasardeur und Abenteurer: Sir Robert Monk, der Spieler.

Wegen ihm hatte es erst vor ein paar Tagen ziemliches Aufsehen gegeben. Vom Alkohol umnebelt, hatte ihn Sir Henry nachts des Falschspiels bezichtigt und war von Sir Robert zum Duell gefordert worden. Ob Falschspiel oder nicht, das Duell hatte zum großen Bedauern der Mannschaften nicht stattgefunden. Denn am nächsten Morgen hatte sich der erlauchte Sir Henry – leider, leider – so unpäßlich gefühlt, daß er nicht imstande war, dem Herausforderer mit einer Pistole gegenüberzutreten.

Statt dessen hatte Sir Henry anschließend geruht, ein paar Decksleute auspeitschen zu lassen – sehr zur Erheiterung der gepuderten Achterdecksgesellschaft, die damit wenigstens vorübergehend der Eintönigkeit eines langen Tages enthoben war.

Sir Edward hob den Kopf und räusperte sich. Es klang wie ein Krächzen.

„Nun, äh – Mister Rooke, da Sie auch schon anwesend sind, können wir wohl anfangen.“ Tottenham blickte in die Runde, wartete auf ein Lachen, doch niemand schien seinen Scherz zu verstehen.

„Verspätet hat er sich“, sagte Sir Henry von oben herab und scheinbar gelangweilt. Er hing auf seinem Stuhl und war hingebungsvoll damit beschäftigt, mit einem kostbaren ziselierten Dolch seine Fingernägel zu reinigen. Ohne aufzublicken, fuhr er im gleichen Tonfall fort: „So ein Verhalten ist ungezogen. Man sollte es bestrafen.“

Die Gentlemen in seiner Umgebung nickten so heftig Beifall, daß man befürchten mußte, der Puder würde ihnen aus den Gesichtsfalten bröckeln.

„Ich habe niemanden darum gebeten, auf mich zu warten“, sagte George Rooke kühl. „Sie hätten Ihre Gesprächsrunde auch ohne mich beginnen können, Gentlemen.“

Sir Henry hob nun doch den Kopf, öffnete und schloß den Mund fassungslos und sah dabei aus wie ein Karpfen auf dem Trockenen.

Sir Edward nagte angestrengt auf seiner Unterlippe und fand offenbar nicht die rechten Worte der Zurechtweisung.

Kapitän Charles Stewart von der „Dragon“ war es, der lospolterte, bevor ein anderer etwas sagen konnte.

„Wie wär’s, wenn wir endlich anfangen? Oder wollen wir den Nachmittag mit dämlicher Quatscherei verplempern?“

Kapitän Tottenham gab sich einen Ruck, als hätte man ihm den ersehnten Geistesblitz vermittelt.

„Sehr richtig, Mister Stewart, sehr richtig.“ Er wandte sich dem Kapitän der „Centurion“ zu, der immer noch mit abweisendem Gesichtsausdruck dastand. „Setzen Sie sich endlich, Mister Rooke.“ Es klang wie ein Befehl, wobei Sir Edward nur zu gut wußte, daß er einen solchen Befehl bestenfalls als Gastgeber aussprechen konnte. Eine höhere Art von Autorität hatte er gegenüber den drei anderen Kapitänen nun einmal nicht.

George Rooke folgte der Anordnung nach einem drängenden Blick von James Wavell, der ihm zu sagen schien, er solle endlich klein beigeben und nicht unnötige Scherereien anfangen.

Sir Edward räusperte sich abermals, zwirbelte den Federkiel heftiger mit seinen mageren Fingern und suchte nach einem passenden Beginn für seinen Lagebericht. Was er schließlich zustande brachte, klang eher wie ein hilfloses Gestammel, immer wieder von längeren Pausen unterbrochen.

Wavell und Rooke wechselten einen Blick und erkannten, daß sie offenbar das gleiche dachten: Tottenham war völlig durcheinander. Was sich ereignet hatte, paßte nicht in sein Schema von einem Tagesablauf auf See. Ein so unkalkulierbares Verhalten, wie es Sir John Killigrew an den Tag gelegt hatte, brachte einen Mann wie Sir Edward völlig aus dem Häuschen. Schließlich war er gewohnt, sein Leben nach Dienstvorschriften einzurichten und nicht etwa auf plötzlich sich ergebende Situationen durch prompte Entscheidungen zu reagieren.

Sir Edward schloß seinen Bericht mit wedelnden Handbewegungen, wobei er den Federkiel fast zerpflückte.

„Wenn man abschließend darüber nachdenkt, war das Ganze von Anfang an reichlich merkwürdig. Wir haben letzten Endes alle beobachtet, wie die ‚Lady Anne‘ an der ‚Santa Cruz‘ längsseits ging und Kisten aus der Galeone auf die Karavelle verladen wurden. Niemand von uns hat doch Verdacht geschöpft – auch dann nicht, als Sir John Killigrew auf der ‚Orion‘ erschien und anschließend mit Sir Andrew zurückpullte.“ Tottenham hielt inne und schnaufte wie nach einer schweren körperlichen Anstrengung.

Minutenlang herrschte Stille. Die hochwohlgeborenen Gentlemen blickten stumpfsinnig und verschlafen drein. Sie hatten kaum richtig zugehört. Ohnehin war dies die Tageszeit, zu der ihre Neigung zu jedweder Aufmerksamkeit oder gar Tätigkeit absoluten Tiefpunkt hatte. Richtig lebendig würden sie erst wieder in der Nacht werden, wenn der Wein in den Gläsern funkelte und Würfel mit markantem Geräusch über hölzerne Tischplatten rollten. Es war letzten Endes das einzige Vergnügen, das man während einer so stinklangweiligen Seereise hatte.

George Rooke und James Wavell hatten den Bericht Sir Edwards zur Kenntnis genommen. Auf eine Diskussion darüber verzichteten sie gern.

Lediglich Charles Stewart schien in den letzten Augenblicken noch wacher geworden zu sein als zuvor. Lauernd beugte er sich vor, und unvermittelt schoß er die entscheidende Frage ab.

„Was hatte denn diese verdammte Galeone geladen? Wenn ich nicht völlig dämlich bin, habe ich doch mitgekriegt, daß da Unmengen von Kisten auf die ‚Lady Anne‘ verladen wurden. Die lag doch mindestens drei, vier Handbreiten tiefer im Wasser, als sie absegelte!“

Sir Edward Tottenham zuckte ungewollt zusammen. Aus geweiteten Augen starrte er den vierschrötigen Kapitän der „Dragon“ an. Erst in diesem Moment dämmerte ihm die ganze Tragweite der Zusammenhänge. Erst jetzt war es ihm möglich, die Mosaiksteinchen aneinanderzufügen. Und es war ein teuflisch grelles Bild, das ihn da vor seinem geistigen Auge anschrie.

„Sir John – Sir John hat …“, stammelte Tottenham.

„Ja, was hat er denn?“ schnaubte Stewart, immer noch vorgebeugt.

„Er hat – zwei Kisten auf mein Schiff gebracht. Musterstücke aus der Ladung der spanischen Galeone – zu treuen Händen, gewissermaßen. Sir Henry hat diese Kisten in Besitz genommen.“

Der Kopf des vierschrötigen Kapitäns ruckte herum. Und ohne zu zögern, blaffte er den adligen Gockel in herrischem Tonfall an.

„Inhalt?“

Sir Henry, Duke of Battingham, ließ erschrocken den Nagelreinigerdolch sinken. Doch im nächsten Moment hatte er sich wieder in der Gewalt.

„Reden Sie mit mir?“ näselte er von oben herab.

„Allerdings. Was in den beiden Kisten ist, will ich wissen.“ Der Ton Stewarts war weiterhin ruppig.

„Was nehmen Sie sich heraus, Mann!“ Sir Henry hörte sich an wie ein beleidigt quakender Ochsenfrosch. „Erstens verbitte ich mir diesen Ton. Und zweitens hat der Inhalt der Kisten niemanden zu interessieren.“

Charles Stewart hieb mit der Faust auf den Tisch, daß es krachte. Ein paar Weingläser begannen klirrend zu tanzen.

Tottenham und etliche der Gentlemen zuckten zusammen. In ihren kalkigen Gesichtern malte sich Abscheu. Zu einem solchen Wutausbruch, wie ihn sich dieser ordinäre Stewart leistete, würde sich ein Mann von Stand natürlich niemals hinreißen lassen. Das änderte aber bedauerlicherweise nichts daran, daß man gezwungen war, diese rüpelhafte Art der Meinungsäußerung zu ertragen.

„Mich interessiert das sehr wohl!“ brüllte Charles Stewart und ließ seine Faust ein zweites Mal auf den Tisch krachen. „Wenn nämlich in den Kisten Beutegut ist, dann dürfte wohl klar sein, warum der verdammte Killigrew mit Clifford als Geisel abgehauen ist.“

Sir Henry sprang auf und stampfte trotzig mit dem linken Fuß auf die Bodenplanken.

„Das Gold in den beiden Kisten gehört aber mir!“ kreischte er. Im nächsten Atemzug schlug er sich die flache Hand vor den Mund.

Alle Blicke richteten sich schlagartig auf ihn, dessen gold- und silberbesticktes Wams nur unvollständig zugeknöpft war und ein zerknittertes Hemd und ein bißchen von seiner spärlich behaarten Hühnerbrust sehen ließ.

In der plötzlich eingekehrten Stille war nur das leise Rascheln von Sir Edwards Federkiel zu hören.

Selbst Charles Stewart war für den Moment fassungslos. Seine Kinnlade sackte weg, und er stierte den Hochwohlgeborenen an, als handele es sich bei Sir Henry um ein unbekanntes Fabelwesen. Doch langsam, sichtlich, begann die Wut in dem vierschrötigen Mann aufzusteigen.

Dies wurde erkennbar an der Röte, die an seinem Hals anfing und schließlich sein ganzes Gesicht erfaßte. Und puterrot bis an die Haarwurzeln, explodierte Stewart mit einer solchen Urgewalt, daß der ehrenwerte Duke of Battingham abwehrend die Hände hob und am ganzen Leib zu zittern begann.

„Hölle und Teufel!“ brüllte Kapitän Stewart mit Donnerstimme. „Habe ich richtig gehört? Gold? Dieser Hurensohn von Killigrew verzieht sich dreist mit Laderäumen voller Gold? Und was tun wir? Wir sitzen hier rum und quatschen! Ihnen ist doch wohl klar, mein sehr verehrter Sir Henry, daß Sie für diesen Fehler geradestehen müssen. Nach eigenem Bekunden haben Sie schließlich gewußt, was sich in den Kisten befindet.“

Sir Henry brachte keinen Ton mehr hervor. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er japste nach Luft und preßte die Hände gegen den Leib, wo sich ausgerechnet jetzt die Völlerei der vergangenen Tage mit einem heftigen innerlichen Kneifen in Erinnerung brachte.

Sir Edward Tottenham meldete sich zu Wort, indem er den Federkiel hob, wodurch er energisch zu wirken versuchte.

„Aber – es ist doch so, ich meine, Sie dürfen eines nicht vergessen, Mister Stewart …“

„Was denn?“ schnaubte ihn der Kapitän der „Dragon“ wie ein gereizter Stier an.

„Daß – äh, nun ja, daß sich Sir Andrew Clifford, Earl of Cumberland, in der Gewalt des Sir John Killigrew befindet.“

„Na und?“ brüllte Stewart von neuem los. „Was schert mich das Leben eines Earl of Cumberland? Dieser Kerl ist erstens kein Seeoffizier, und zweitens hat er sich als Verbandsführer nur aufgespielt. Wenn er so dämlich ist, sich von Killigrew einwickeln zu lassen, dann muß er die Suppe eben selbst auslöffeln, die er sich eingebrockt hat. Hier geht es um Wichtigeres, Gentlemen! Um das Gold. Das gehört nämlich rechtmäßig der Krone, und deshalb können wir auf Sir Andrew keine Rücksicht nehmen. Es ist unsere Pflicht, die Beute wieder in unseren Besitz zu bringen und Königin Elisabeth bei unserer Rückkehr nach England ihren Anteil zu übergeben. Habe ich recht, Gentlemen?“ Stewarts Blick fiel auf Rooke und Wavell, die sich bislang noch mit keiner Silbe an dem Gespräch beteiligt hatten. „Was ist mit euch? Könnt ihr nicht auch mal einen Ton dazu sagen?“

George Rooke und James Wavell blieben ruhig wie bisher. Nur in ihren Mienen lag eine solche eisige Verachtung, daß Stewart seinen Blick von ihnen abwandte und sie nicht weiter mit Fragen bedrängte. Er kannte ihre Einstellung, die sie deutlich genug gezeigt hatten, als sie sich nicht am Schießen auf die „Santa Cruz“ beteiligt hatten. Denn die spanische Galeone hatte zuvor bereits die Flagge gestrichen.

George Rooke sah seinen Freund nur kurz an. James Wavell preßte die Lippen zusammen und nickte kaum merklich. Sie schätzten die Lage beide gleich ein. Es war genau das eingetreten, was die königliche Lissy wohl bezweckt hatte, als sie Sir Andrew und Sir Henry zwar mit einem Kaperbrief ausstattete, aber keinen der Gentlemen und auch keinen der vier Kommandanten als Befehlshaber einsetzte.

Mit diesem kleinen Kunstgriff ersparte sich Elisabeth I. diplomatische Verwicklungen. Ohne einen von ihr eingesetzten Befehlshaber gab es auch keinen königlichen Auftrag, so daß die gute alte Lissy mal wieder keine Verantwortung trug. Sie hatte ihre Lehre gezogen aus Sir Francis Drakes gewinnträchtiger Weltumsegelung von 1577 bis 1580, als es spanische Proteste gehagelt hatte.

Nun war zwar Sir Edward Tottenham von den vier Kommandanten der dienstälteste Seeoffizier. Aber Rooke und Wavell hatten längst festgestellt, daß Tottenham überhaupt nicht in der Lage war, die Entscheidungsgewalt an sich zu reißen. Genaugenommen hatte er nicht die leiseste Ahnung, was er tun sollte.

„Habe ich recht?“ wiederholte Charles Stewart lautstark, und da er diesmal Tottenham ansah, zog dieser wie schutzsuchend den Kopf zwischen die Schultern.

„Nein, nein“, ächzte er, „in den Dienstvorschriften ist so etwas einfach nicht vorgesehen. Wir können nicht selbstherrlich alle Richtlinien außer acht lassen und einfach …“ Mitten im Satz brach er ab und sah hilfesuchend in die Runde. „Das können wir doch nicht, oder?“

Charles Stewart konnte nur noch fassungslos den Kopf schütteln.

Ratlosigkeit schien die Versammlungsrunde minutenlang zu befallen. Sir Henry sank schwer atmend auf seinen Platz zurück, bleich und mit gesenktem Kopf.

Sir Robert Monk, der Falschspieler und Abenteurer war es, der an seiner Stelle aufstand.

„Unser lieber Mister Stewart irrt sich gewaltig, wenn er meint, das Gold gehöre der Krone“, sagte Sir Robert eisig und herablassend, ohne den Kapitän der „Dragon“ auch nur eines Blickes zu würdigen. Sir Robert brachte das Kunststück fertig, sich den Gesprächsteilnehmern zuzuwenden, und doch keinen von ihnen wirklich anzusehen. In unnachahmlicher Arroganz fuhr er fort: „Offenbar ist dem Mister Stewart nicht bekannt, daß Sir Henry diese Expedition finanziert hat. Daraus folgert logischerweise, daß bei anfallender Beute zunächst einmal Sir Henrys berechtigte Ansprüche befriedigt werden müssen. Des weiteren – und das ist noch viel wichtiger – hat er als Finanzier unserer Reise das alleinige Recht, über die Verteilung der Beute zu verfügen. Aber natürlich wird er auch der Krone einen gewissen Anteil nicht vorenthalten. Als ehrenhafter und getreuer Ritter Ihrer Majestät der Königin kennt er schließlich seine Ehrenpflichten.“

Sir Henrys Miene hatte sich zu einem Strahlen gewandelt, und voller Glückseligkeit, so viel Gutes über sich selbst zu hören, blickte er geradezu bewundernd zu Sir Robert auf. Dieser Abenteurer verstand es wirklich, seine Worte wohl zu setzen, und zwar so, daß selbst einem Primitivling wie Stewart die Luft wegblieb.

Eben dies war geschehen. Der vierschrötige Kapitän der „Dragon“ brauchte eine Weile, um in seiner Entgeisterung wieder zu Atem zu gelangen. Um so heftiger brüllte er nun Sir Robert an.

„Und wem, sehr verehrter Sir Robert, wem gehören denn wohl die vier Kriegsschiffe? Sir Henry oder Ihrer Majestät?“

„Natürlich Ihrer Majestät“, entgegnete Sir Robert kühl. „Darüber brauchen wir überhaupt nicht zu streiten. Nur eines scheinen Sie offenbar nicht zu begreifen, verehrter Mister Stewart: Alle vier Schiffe würden heute noch in Plymouth oder London liegen, wenn sie nicht mit Sir Henrys Geld ausgerüstet worden wären. Ohne den Duke of Battingham, mein lieber Stewart, würden Sie jetzt wahrscheinlich in England herumsitzen und Däumchen drehen. Und Sie hätten nicht die Ehre, an dieser Expedition teilzunehmen.“

„Sehr richtig!“ krähte Sir Henry begeistert. „Sehr, sehr richtig!“

„Es ist nicht zu fassen“, murmelte Charles Stewart tonlos und kopfschüttelnd. Er war imstande, die ganze verdammte Adelsbande zu erwürgen. Denn eins mußte er voller Erbitterung feststellen: Während hier nutzlos gefaselt wurde, rieb sich der Gauner Killigrew die dreckigen Hände und gewann Meile um Meile Distanz zum Viererverband.

Sir Robert Monk setzte ein überlegenes Lächeln auf.

„Natürlich können wir die Karavelle verfolgen“, sagte er herablassend, „darüber muß sicherlich entschieden werden. Aber ich meine, andererseits ist es jetzt wohl an der Zeit, die verehrten Kommandanten über das eigentliche Ziel dieser Expedition aufzuklären. Aus Gründen der Geheimhaltung wurde Ihnen das nämlich vor dem Auslaufen nicht bekanntgegeben.“

„Da bin ich aber mal gespannt“, sagte Stewart, sarkastisch grinsend.

Sir Robert ging mit keinem Wimpernzucken darauf ein.

„Nun“, entgegnete er gelassen, „wir haben von Ihrer Majestät den Auftrag, einen gewissen Philip Hasard Killigrew in der Karibik aufzuspüren, zu verhaften und nach England zu bringen. Dort wird er sich vor dem Lordrichter wegen Betruges sowie Hoch- und Landesverrats zu verantworten haben.“ Einen Moment lang hielt er inne, um die Wirkung seiner Worte nachklingen zu lassen. Dann fuhr Sir Robert süffisant fort: „Im übrigen wurden wir von Ihrer Majestät beauftragt, die gesamte Schatzbeute dieses Killigrew zu beschlagnahmen und unbeschadet nach England zu transportieren. Diese Schätze des Piraten Killigrew übertreffen nach uns vorliegenden Geheimmeldungen die Goldladung der ‚Santa Cruz‘ wahrscheinlich um das Hundertfache, vermutlich jedoch um wesentlich mehr.“

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