Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 471»

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Impressum

© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-879-9

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Burt Frederick

Die Inseln des Teufels

Sie waren lieblich anzusehen – aber eine Falle für jedes Schiff

Dieses Mal hatten Philip Hasard Killigrew und seine Männer eine harte Nuß zu knacken, denn ihr Gegner – Juan Vargas, Kapitän der spanischen Handelsgaleone „Santa Barbara“ – spielte geradezu teuflisch seine Trümpfe aus. Seine Trümpfe waren vierzig junge Indianerinnen vom Stamm der Arawaks. Sechs von ihnen ließ er über Bord stoßen, und seine Rechnung ging auf, als er sah, wie das Korsarenschiff die Verfolgung der „Santa Barbara“ abbrach, um die sechs Frauen aus dem Wasser zu bergen. Jetzt hatte er noch vierunddreißig „Weiber“ an Bord und konnte dieses satanische Spiel beliebig lange fortsetzen – vielleicht bis zum Einbruch der Dunkelheit, die ihm die Möglichkeit bieten würde, mit einer Kursänderung ungesehen zu verschwinden …

Die Hauptpersonen des Romans:

Philip Hasard Killigrew – besucht eine spanische Handelsgaleone und interessiert sich für einen „reichen Bürger“.

Mac Pellew – paßt als Hahn im Korb auf sein Hühnervölkchen auf und bekommt Ärger.

Don Juan de Alcazar – hat hart zu schlucken, weil er einen „alten Freund“ entdeckt.

Roviro Valenzuela – ein Capitán, der Mühe hat, nicht aus der Haut zu fahren.

Taina – die junge Indianerin spürt, daß sie und ihre Gefährtinnen unter Freunden sind.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

Dieser Vormittag des 5. Mai 1595 sah nicht danach aus, als würde sich im weiteren Verlauf des Tages noch etwas Vielversprechendes ereignen.

Ringsum war die Kimm leer. Nur am nördlichen Horizont hatte Dan O’Flynn mit seinem gewohnt scharfen Blick ein paar hauchdünne Nadelspitzen entdeckt – Mastspitzen von mehreren Einzelfahrern.

Seit der Versenkung der Frachtgaleone „Santa Barbara“ waren die „Isabella“, die „Chubasco“ und der Viermaster „Eiliger Drache über den Wassern“ Ostkurs gesegelt. Die derzeitige Position der drei Schiffe des Bundes der Korsaren war annähernd einhundertzwanzig Meilen südsüdwestlich der Bermuda-Inseln. Die Arwenacks und ihre Freunde hofften, auf Einzelfahrer des mittlerweile zersprengten Geleitzugs zu stoßen, um sie auszunehmen.

Ohnehin war das allgemeine Interesse an Bord der „Isabella“ ganz und gar nicht auf das mögliche Auftauchen lohnender Objekte gerichtet, die sich in Form von Mastspitzen über der Kimm angekündigt hätten. Bis auf wenige Ausnahmen hatten die Männer sowieso damit zu tun, sich auf jene Arbeiten zu konzentrieren, die sie befehls- und routinemäßig auszuführen hatten. Denn seit der Begegnung mit jener „Santa Barbara“ hatte sich das Geschehen an Bord grundlegend gewandelt. Da gab es eine munter plappernde Schar von Schönheiten, bei deren Anblick jedem Seemann auf den Weltmeeren einfach die Augen übergehen mußten.

Wenn sich die Arwenacks als wahre Gentlemen zeigten und die Ladys nicht einmal mit einer vorwitzigen Bemerkung bedachten, so lag es an dem, was sie über ihre weiblichen Gäste an Bord wußten.

Was die neununddreißig Indianerinnen vom Stamm der Arawak hinter sich hatten, mußte grauenvoll gewesen sein. Und noch düsterer war das Schicksal gewesen, das ihre spanischen Entführer ihnen zugedacht hatten.

Der Seewolf sah voraus, was sich abspielen würde. Das war in dem Moment, in dem Sam Roskill aus der Grätingsluke vor der Nagelbank des Großmasts auftauchte und sich schnell und verstohlen umsah. In einem unbeobachteten Augenblick hatte er sich davongeschlichen, und da auch jetzt alle Aufmerksamkeit zur Back gerichtet war, hatte Sam keine Mühe, sich heimlich vor den festgezurrten Beibooten aufzurichten.

Hasard konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, fuhr aber fort, so zu tun, als beobachtete er voller Interesse die nördliche Kimm. Scheinbar hingebungsvoll hantierte er an seinem Spektiv, das irgendwie zu klemmen schien. Was sich da unten auf der Kuhl anbahnte, war schon lange fällig. Hasard wußte indessen, daß er nicht einzugreifen brauchte. Denn für einen solchen Fall hatte er bestens vorgesorgt.

Sam Roskill, der schlanke Draufgänger mit dem dunklen Haar und den dunklen Augen, hatte sich ausgerüstet. Lange hatte er nachgedacht, bis er auf die zündende Idee verfallen war. Teufel auch, dieser Plan mußte klappen! In beiden Händen, als sei es besonders zerbrechlich, trug er das Werkzeug, das er sich unter Deck besorgt hatte – Holzhammer und Zangen zum Demontieren des Hinterlader-Verschlußstücks und einen Rohrwischer. Gerade in der jüngsten Vergangenheit waren die Drehbassen auf der Back besonders häufig benutzt worden. Al Conroy hatte sie mehrfach und mit besonderem Erfolg für seine höchst wirksamen „Achterstiche“ eingesetzt.

Diese Methode, sich von achtern an einen Gegner heranzupirschen und ihm die Ruderanlage zu zerschießen, hatte im Fall des Geleitzuges jedesmal von neuem gewirkt. Das hatte so weit geführt, daß der Seewolf bereits überlegt hatte, diese Taktik in ein noch zu verfassendes Seekriegshandbuch aufzunehmen. Allerdings waren die besonderen Fähigkeiten Big Old Shanes und Batutis mit ihren englischen Langbögen wesentlicher Bestandteil dieser Taktik, vor allem jedoch die überragenden Fähigkeiten des schwarzhaarigen Stückmeisters.

Die beiden Drehbassen auf der Back, so hatte Sam Roskill messerscharf überlegt, bedurften dringend einer gründlichen Pflege. Während er an der Steuerbordseite der Kuhl zielstrebig losmarschierte, war er seiner Sache bereits völlig sicher. Keiner der Kerle würde ihn durch eine dämliche Bemerkung zurückhalten. Denn interessiert waren sie letzten Endes alle genauso wie er. Und wenn seine Methode funktionierte, dann würden die Nachahmer mit ähnlichen Ideen im Handumdrehen folgen.

Die ersten Schritte klappten reibungslos. Sam fühlte sich bestärkt und schritt rascher aus. Ringsum verstummten die Gespräche. Er fühlte die staunenden und bewundernden Blicke, die ihm folgten.

Staunt nur, ihr einfallslosen Kakerlaken, dachte er voller Stolz, Ideen muß der Mensch haben, dann erreicht er auch was.

Im nächsten Moment vollführte sein Herz einen Freudenhüpfer. Das Kombüsenschott stand halb offen, und von drinnen war deutliches Klappern zu hören. Der Mann, der dort drinnen hantierte, konnte niemand anders als Mac Pellew sein, der Sauertopf vom Dienst.

Sam hatte von Anfang an damit gerechnet, sich den Weg freikämpfen zu müssen – mit Worten natürlich. Und jetzt gab es nicht einmal ein Hindernis. Wahrscheinlich war der Griesgram soeben damit beschäftigt, für seine liebreizenden Schutzbefohlenen einen Leckerbissen zuzubereiten. Das tat er natürlich voller Hingabe, und er hatte sicherlich weder Augen noch Ohren für seine Umgebung.

Eingedenk des nicht vorhandenen Hindernisses konzentrierte sich Sam nun auf das verlockende Ziel, das greifbar nahe war.

Ihr heiteres Geplapper war so rein wie heller Glockenklang. Ihre Haut schimmerte bronzefarben im milden Sonnenlicht, und ihr Haar glänzte wie Seide. Von jener bronzenen Haut zeigten sie überhaupt sehr viel, und sie taten es auf eine so natürliche Weise, daß es den Arwenacks keinen Moment als Grund für krumme Gedanken erschienen war.

Die jungen Frauen hatten sich auf der Back versammelt, wie es der Seewolf angeordnet hatte. Sie genossen die frische Luft, ordneten ihr Haar und besserten ihre Kleidung aus. Das Leben war ihnen wiedergeschenkt worden, und sie würden die stickigen Unterdecksräume der spanischen Handelsgaleone rasch vergessen.

Eine ihrer Leidensgefährtinnen war von dem teuflischen Capitán Vargas erschossen worden – als Geisel, um den großen schwarzhaarigen Engländer an seiner Rettungsaktion zu hindern. Die Trauer der überlebenden Frauen gehörte nicht etwa der Vergangenheit an. Aber Vargas hatte für sein Verbrechen bezahlt. Und sie wußten, daß sie sich mit ganzem Mut auf einen neuen Lebensabschnitt vorbereiten mußten.

Mit jedem Schritt, den sich Sam Roskill dem Steuerbordniedergang zur Back näherte, wuchs seine Faszination. Was sich seinen immer größer werdenden Augen da auftat, mußte er erst einmal verdauen. Himmel, diese Ladys waren Schönheiten, eine wie die andere. In der allgemeinen Wuhling bei ihrer Rettung hatte man darauf gar nicht so sehr geachtet. Jetzt aber, da er den Vorzug ausgiebiger Blicke aus unmittelbarer Nähe genießen durfte, wurde Sam Roskill klar, welchen kostbaren Schatz sie hier an Bord genommen hatten.

Die jungen Frauen vom Stamm der Arawak-Indianer waren samt und sonders jung, gutgewachsen und ausnehmend hübsch. Sam Roskill konnte sich nicht erinnern, so etwas jemals an Bord eines Segelschiffes erlebt zu haben. Und er war immerhin schon Pirat in der Karibik gewesen, bevor er sich dem Seewolf und seinen Männern angeschlossen hatte.

Gewiß, da hatte es einige Begegnungen mit der holden Weiblichkeit gegeben. Sam dachte an die Galeone der Komödianten. Eine muntere Schar, in der besonders die männerhungrigen Schauspielerinnen aufgefallen waren. Die Timucua-Indianer waren auf Coral Island mit ihren Frauen unter sich geblieben.

Und jene Galeone, die seinerzeit käufliche Damen aus dem alten Paris nach Tortuga gebracht hatte, war ein Segen gewesen. Manon und die anderen lebten noch immer auf der Schildkröten-Insel, wie sich vor kurzem bei einem Abstecher ergeben hatte. Aber in ihrer besonderen Art von Abgebrühtheit waren sie ein völlig anderer Schlag als diese jungen Arawak-Frauen in ihrer Natürlichkeit.

Sam Roskill bemerkte, daß die ersten von ihnen ihre Gespräche unterbrachen und sich zu ihm umsahen. Das muntere Geplapper verstummte nach und nach, und interessierte Blicke aus glutvollen schwarzen Augen richteten sich auf den schlanken, gutaussehenden Mann, der offenbar mit einem besonderen Auftrag auf die Back zustrebte.

Sam spürte das Interesse, das er erweckte, und ein Gefühl innerer Wärme erfaßte ihn. Er fühlte sich bestärkt in seinem Beschluß, denn natürlich bewunderten ihn die Ladys wegen seines Wagemuts. Bestimmt wußten sie, daß es der Crew ausdrücklich verboten worden war, sich den weiblichen Gästen an Bord mit eindeutigen oder zweideutigen Angeboten zu nähern. Mac Pellew, die Essiggurke, führte sich auf wie ein Gockel, weil Hasard ihn zum Verantwortlichen für das Wohlergehen der Ladys ernannt hatte.

Seitdem spielte der Kombüsenstint den Wichtigtuer, spreizte sich regelrecht und hatte bei Hasard sogar durchgesetzt, daß der Mannschaft das Betreten des jeweiligen Bereichs untersagt wurde, in dem sich die Frauen gerade aufhielten.

Immer noch war das Klappern aus der Kombüse zu hören. Sam Roskill konnte es kaum glauben, aber er erreichte unbehelligt den Niedergang. Die Stille an Bord war wie zum Schneiden. Hinter ihm kriegten die Kerle immer längere Stielaugen. Und vor ihm bestaunten ihn die Ladys wie ein Wundertier.

Mit gewinnendem Lächeln enterte er über den Niedergang auf und verharrte auf der ersten Planke. Beim Klabautermann, das war ein Anblick, der einen zum Jodeln bringen konnte. Diese Glutblicke, diese ebenmäßigen Gesichter, diese jugendlich straffe Haut und diese festen hüllenlosen Brüste! Sam spürte das Verlangen, sich zu kneifen, um festzustellen, ob es nicht vielleicht doch ein Traum war.

Von der Galion war das helle Keckern des Schimpansen zu hören. Arwenack genoß als einziges männliches Wesen an Bord der „Isabella“ den Vorzug, ständig mit den Ladys zusammensein zu dürfen. Einige von ihnen schienen auf der Galion beschäftigt zu sein. Ihre Kleidung mußte nach dem Zwangsaufenthalt in den stickig-stinkigen Laderäumen der Spaniergaleone dringend gewaschen werden. Das Lachen der Indianerinnen begleitete die Laute des Schimpansen. Seine Späße erweckten ihre Heiterkeit.

Sam Roskill gab sich einen Ruck und wandte sich Taina zu, die mit dem Einverständnis ihrer Leidensgefährtinnen so etwas wie eine Anführerin und Sprecherin geworden war. Außerdem beherrschte sie die spanische Sprache, was eine Verständigung mit Hasard und seinen Männern erleichterte.

„Bitte um Verzeihung“, sagte Sam mit einer angedeuteten Verbeugung.

Seine Stimme klang seltsam heiser, er fühlte sich tapsig und unbeholfen wie ein Walroß beim Landgang. Er beherrschte die spanische Sprache ebenfalls perfekt, und so hätte es ihm eigentlich keine Mühe bereiten dürfen, das auszudrücken, was er sagen wollte. Aber angesichts der vielen freundlich-interessierten Blicke aus diesen sinneslähmenden Glutaugen wurde er auf eine Weise verlegen, wie sie ihm völlig unbekannt war.

Er suchte nach Worten und fand sie nicht. Sein Schädel war auf einmal wie leergebrannt, und er brachte nicht mehr als ein langgezogenes „Äh – mhm – äh, also …“ zustande.

Taina richtete sich mit verständnisvollem Lächeln vor ihm auf. Auch ihr Oberkörper war unverhüllt, sie trug lediglich einen Lendenschurz aus inzwischen gewaschenem und getrocknetem buntem Tuch.

„Sie brauchen sich nicht zu verzeihen, Señor“, sagte Taina. „Sie haben eine Arbeit zu erledigen, nicht wahr? Also, fangen Sie nur an, wenn wir Sie nicht dabei stören.“

Sam Roskill mußte lachen. Das Eis war gebrochen.

„Stören? Sie mich?“ entgegnete er nach kurzem Zögern. „Eher umgekehrt, Señorita.“

Taina sah ihn forschend an. Ihr Lächeln wich einem Stirnrunzeln.

„Ich habe etwas Falsches gesagt, nicht wahr? Warum verbessern Sie mich nicht? Ich lerne gern.“

Ihre Offenheit verblüffte ihn. Teufel auch, da dachte man als höflichkeitsbeflissener Gentleman dreimal um die Ecke, um nur niemanden zu beleidigen, und diese Naturkinder sagten es einem rundheraus ins Gesicht, was sie dachten und empfanden. Bestimmt die bessere Art zu leben, dachte Sam Roskill.

„Nur eine Kleinigkeit“, antwortete er. „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, heißt das. Ich bitte zwar um Verzeihung, aber verzeihen können nur Sie mir, nicht ich mir selbst. Das ist so, weil man sich entschuldigt, wenn man jemanden um Verzeihung bittet. Ich meine, ich verzeihe mir – äh – entschuldige mich nicht …“ Er unterbrach sich und kratzte sich mit der freien Hand den Kopf.

Taina lachte voller Heiterkeit.

„Ich habe nichts verstanden, Señor.“

„Sam Roskill“, entgegnete er mit einer erneut angedeuteten Verbeugung. „Aber sagen Sie Sam zu mir, Señorita Taina. Meine Erklärung war großer Mist, das gebe ich zu. Ich werde das hier oben mal sortieren“, er klopfte sich mit der Faust auf den Kopf, „und dann gebe ich Ihnen eine kleine Unterrichtsstunde in Spanisch. Einverstanden?“

„O ja!“ rief Taina begeistert. „Und viele meiner Gefährtinnen werden bestimmt auch gern unterrichten.“

„Unterrichtet werden.“

„Ja?“

„Auch so ein Problemfall“, sagte Sam und nickte, schon ganz mit schulmeisterhafter Miene. „Natürlich beherrschen Sie die spanische Sprache schon hervorragend, Taina, aber die Feinheiten sind es noch, die ein bißchen zurechtgeschliffen werden müssen.“

„Mehr als nur Feinheiten“, widersprach Taina. „Mein Spanisch ist miserabel. Ich muß noch viel gelehrt werden.“

„Lernen.“ Sam lachte und vollführte eine wegwerfende Handbewegung. „Keine Sorge, das kriegen wir hin. Schließlich haben wir bei Ihnen die besten Voraussetzungen, Taina. Aber jetzt werde ich mich erst mal um unsere Feuerrohre kümmern, damit wir bei nächster Gelegenheit den Spaniern wieder Dampf unter dem – oh, Verzeihung – wieder einheizen können.“

Taina forderte die anderen Frauen in ihrer indianischen Sprache auf, dem hochgewachsenen Mann den Weg freizugeben.

Aber Sam Roskill schaffte nur drei Schritte.

Eine ätzende Stimme traf ihn wie ein Stich in den Rücken und nagelte ihn auf den Planken fest.

„Ich bitte um Verzeihung, Mister Roskill, aber mir scheint, du wandelst auf verbotenen Pfaden.“

Sam sah die bestürzten Mienen der Frauen, und sein Gefühl einer sich anbahnenden glorreichen Eroberung schwand dahin. Langsam drehte er sich um.

Mac Pellews Gesicht hatte die Freundlichkeit eines lauernden Krokodils, das nur auf eine Bewegung seines Opfers wartet, um es packen zu können.

„Ich habe einen Auftrag auszuführen, Mister Pellew“, erwiderte Sam so lässig wie möglich. Im nächsten Atemzug ritt ihn der Teufel. „Du brauchst dich also nicht dafür zu entschuldigen, daß du mich aufhältst.“

Mac sah aus, als würde er tatsächlich zupacken. Er wippte auf den Zehenspitzen, ballte die Hände zu Fäusten und knirschte mit den Zähnen.

„Mister Roskill!“ rief er und spie die Worte geradezu aus. „Ich fordere dich hiermit auf: Verlasse sofort die Back! Auf der Stelle! Oder …“

„Oder was?“ entgegnete Sam mit herausforderndem Knurren.

„Oder ich muß Zwangsmaßnahmen einleiten.“

Sams Kinnlade sackte nach unten. Ungläubig starrte er den Mann aus der Kombüse an. Dessen ständiges Zusammensein mit dem Kutscher, der derzeit allerdings mit Old O’Flynn und seinen Männern unterwegs war, schien irgendwie abgefärbt zu haben. Zumindest sprachlich.

„Dann leite mal ein“, sagte Sam munter, nachdem er sich von seiner Verblüffung erholt hatte. Und er äffte den geschraubten Tonfall Mac Pellews nach: „Ich weise nochmals darauf hin, daß ich einen Auftrag auszuführen habe.“

Mac blinzelte unwillig. Die Standhaftigkeit des schlanken Mannes, der von den Frauen so offenkundig angehimmelt wurde, irritierte ihn.

„Was für einen Auftrag?“ rief er erbost.

Sam konnte nicht sofort antworten. Von der Galion turnte Arwenack geschickt herauf, offenbar durch den Wortwechsel angelockt. Er eilte von hinten auf Sam Roskill zu, ergriff wie kumpelhaft seine freie Hand, hüpfte neben ihm auf und ab und zu stimmte ein Keckern an, das wie ein meckerndes Lachen klang.

„Sei bloß still, Mister Arwenack“, sagte Sam warnend. „Könnte nämlich sein, daß du dich sonst bei Mister Pellew noch entschuldigen mußt. Der versteht heute nämlich keinen Spaß.“

Arwenack verstummte tatsächlich. Statt dessen fletschte er die Zähne. In dem Rhythmus, in dem er sein mächtiges Gebiß entblößte, klatschte er sich immer wieder mit der flachen Hand auf den schwarzen Rundschädel.

Taina und die anderen jungen Frauen lachten fröhlich.

Mac Pellew verzog das Gesicht, als hätte er soeben einen zu sauren Hering vertilgt.

„Arwenack!“ rief er energisch. „Verschwinde! Los, los, hau ab!“

Der Schimpanse barg sein Gesicht unter beiden Armen, duckte sich und tat, als müßte er sich vor zu erwartenden Hieben schützen.

„Los, Befehl ausführen“, sagte Sam und versetzte dem Affen einen freundschaftlichen Schubs. „Sonst kriegst du gleich die Zwangsmaßnahmen unseres sehr verehrten Mister Pellew zu spüren.“

Die Indianerinnen wollten sich ausschütten vor Lachen, als Arwenack einen Moment die Hände hob, ein erschrockenes Gesicht zog und dann wie in wilder Flucht in Richtung Galion davonhüpfte. Erst als er dort unten in Sicherheit war, ertönte wieder sein herausforderndes Keckern.

„Mister Roskill“, sagte der Kombüsenmann gefährlich leise, „ich warne dich. Wenn du mich verscheißern willst …“

„Mister Pellew!“ fiel ihm Sam vorwurfsvoll ins Wort. „Ich muß doch sehr bitten. Es sind Ladys an Bord. Deine Sprache ist nicht gerade passend.“

Mac Pellew wippte heftiger auf den Zehenspitzen, die Fäuste in die Hüften gestemmt.

„Meine Sprache geht dich einen Scheißdreck an!“ brüllte er, und es kümmerte ihn nicht, daß einige der Indianerinnen zusammenzuckten. „Verschwinde jetzt von der Back, du Täuberich! Ich habe keine Lust, mich von dir an der Nase herumführen zu lassen. Ist das klar?“

„Überhaupt nicht“, erwiderte Sam trocken.

„Was?“ Mac schnappte nach Luft wie eine Makrele im Fischernetz. „Du hast hier nichts zu suchen. Was soll daran unklar sein?“

„Und ich sagte dir, daß ich einen Auftrag habe. Was soll daran unklar sein?“

„Auftrag? Von wem?“

Sam wußte, daß für ihn jetzt unter Umständen alles in die Hose ging. Aber er mußte es riskieren. Die Männer an Bord der „Isabella“ kannten sich gut genug, um zu wissen, wie weit sie sich aufeinander verlassen konnten.

„Von Al Conroy“, behauptete Sam laut und vernehmlich. „Drehbassen zerlegen, überprüfen und reinigen.“ Er hatte gesehen, daß sich Al auf der Kuhl aufhielt und es folglich mithören mußte.

Die Blicke der Frauen wurden zunehmend verständnislos, denn sie begriffen nicht mehr, um was es ging. Da die Männer überdies zur englischen Sprache übergegangen waren, ließ sich aus ihren Gesten nicht mehr viel folgern.

„Willst du das im Ernst behaupten?“ entgegnete Mac Pellew mit gefährlichem Unterton.

„Ich behaupte gar nichts“, erwiderte Sam Roskill. „Ich sage, wie es ist.“

Ruckartig wandte sich der Kombüsenmann zur Kuhl um, die Fäuste immer noch in den Hüften.

„Mister Conroy!“ rief er gebieterisch und mit herausfordernd vorgerecktem Kinn, etwa in der Art, wie es der ebenfalls nicht anwesende Ed Carberry zu tun pflegte. „Sofort zu mir! Ich verlange eine Erklärung!“

Die Männer wechselten vielsagende Blicke. Der schwarzhaarige Stückmeister erhob sich grinsend von einer Taurolle, schob beide Hände in die Taschen seiner Hosen und schlenderte auf den Niedergang zu. Mit drei Schritten Abstand blieb er stehen und blickte zu dem zähneknirschenden Haremswächter hoch.

„Erst einmal hast du mir eine Frage zu beantworten“, sagte Al ruhig.

„Wüßte nicht, welche“, entgegnete Mac gereizt.

„Ich schon.“ Al grinste noch breiter. „Und zwar folgende: Welche stinkige Bö hat dir den Verstand aus dem Schädel geblasen? Den Blödsinn, den du verzapfst, rieche ich auf zehn Yards gegen den Westwind.“

Mac lief krebsrot an. Wie er heftig Atem holte, sah er aus, als puste er sich bis zum Platzen auf.

„Das ist eine Beleidigung!“ schrie er. „Entweder, du entschuldigst dich, oder …“

„Oder was?“

„Oder die Sache ist für ihn erledigt“, sagte Sam Roskill und lachte glucksend.

Mac Pellew wollte herumwirbeln, doch dieses entsetzlich spöttische Grinsen des Stückmeisters nagelte ihn auf der Stelle fest.

„Hast du ihm den Auftrag erteilt?“ rief er mit sich überschlagender Stimme.

„Natürlich“, erwiderte Al Conroy ohne das winzigste Muskelzucken im Gesicht. „Glaubst du etwa, er würde so was eigenmächtig tun? Sich eine Arbeit aufhalsen, wenn er doch faul in der Sonne liegen könnte?“

Abermals schnappte Mac nach Luft.

„Es besteht eine klare Anweisung des Kapitäns“, sagte er keuchend. „In der Nähe der Frauen hat außer mir keiner etwas zu suchen. Ich habe dafür aufzupassen, daß die Anweisung eingehalten wird.“

„Bist du da so sicher?“ entgegnete Al Conroy gelassen. „Jedenfalls kannst du den armen Sam nicht für etwas verantwortlich machen, was ich angeordnet habe. Und als Stückmeister, das dürfte dir bekannt sein, bin ich für den ordnungsgemäßen Zustand aller Geschütze an Bord verantwortlich.“

Da ein Ende des Streitgesprächs nicht abzusehen war, beendete Hasard es, indem er seine Donnerstimme über die Decks schallen ließ.

„Schluß der Debatte! Der arme Sam verläßt sofort die Back! Mister Pellew, du brauchst es nicht zu übertreiben, und Mister Conroy, du versuchst dich daran zu erinnern, ob sich nicht alle Geschütze längst in ordnungsgemäßem Zustand befinden.“

Es reichte.

Sekunden nach dieser Anordnung waren die Ladys wieder allein auf der Back. Mac Pellew stolzierte mit geschwellter Brust vor den Niedergängen auf und ab, und die Arwenacks hockten im Halbkreis um den Draufgänger Sam Roskill, um sich von ihm schildern zu lassen, wie die Ladys aus der Nähe aussahen.

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