Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 537»
Impressum
© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-945-1
Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de
Burt Frederick
Insel der Verdammten
Sie leben von der Hoffnung – und finden nichts als den Tod …
„Friß es!“ sagte der grobschlächtige Mann. Seine Stimme dröhnte zwischen den Wänden aus Quadersteinen.
Borracho, der Säufer, hob den Kopf. Er blinzelte gegen das Sonnenlicht, das durch das Zellenfenster fiel. In seinem Furchengesicht zuckte es. Er konnte sein Zittern nicht verbergen, und er wußte, daß der bullige Aufseher daran seine Angst messen konnte.
Mantaka, der baskische Schinder.
„Was ist das?“ fragte Borracho mühsam. Mit den Fingerkuppen berührte er den Napf. Die Flüssigkeit darin war grau.
„Rattensuppe“, antwortete Mantaka grinsend. „Du wirst sie schlürfen. Jetzt sofort.“
Die fünf anderen am rohgezimmerten Tisch schwiegen. Der Schinder suchte sich stets den als Opfer, von dem er am wenigsten Widerstand zu erwarten hatte.
Und die beiden Bewaffneten im Korridor vor der Gittertür schirmten ihn ab. Er konnte sich alles herausnehmen …
Die Hauptpersonen des Romans:
Jorge Vero – Einer der Gefangenen auf der Insel der Verdammten, der einen Fluchtversuch unternimmt und ihn teuer bezahlt.
Vereno Cascian – Als Kommandant eines portugiesischen Patrouillen-Verbands nimmt er sich eine Menge heraus, als er die „Santa Barbara“ beschlagnahmt.
Philip Hasard Killigrew – Der Seewolf wird unter fadenscheinigen Gründen zu einem lebenslänglichen Zwangsaufenthalt verurteilt.
Piero Alcante – Ein Gefängnisdirektor, der sich für besonders schlau hält – bis er selbst hereingelegt wird.
Ben Brighton – Der Erste Offizier der Arwenacks kauft zwei vergammelte Schaluppen und greift mit ihnen eine portugiesische Karavelle an.
Inhalt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
1.
Der Säufer wurde grau im Gesicht. Seine Finger zuckten von dem Napf zurück, als hätte er sich daran verbrannt. Er zitterte heftiger. Seine Augenlider und seine Gesichtsmuskeln begannen zu flattern.
„Mein Gott!“ sagte er keuchend. „Das können Sie nicht von mir verlangen, Señor. Ich kann doch nicht …“
„Natürlich kannst du.“ Mantaka, ein Mann mit breitem Stiernacken und kurzgeschnittenem schwarzen Haar, lachte dröhnend. „An diesem schönen Mittag bist du der Vorkoster für den ganzen verdammten Bau. Sei dir der Ehre bewußt, Amigo. Die Wahl ist auf dich gefallen. Bist du folgsam, ist dir das Wohl des Kommandanten gewiß.“
„W-wie-wieso?“ stotterte Borracho. Gleich darauf preßte er den Mund zusammen und konnte doch nicht verhindern, daß seine Zähne klapperten.
In den Mienen seiner Mitgefangenen stand der Zorn, den sie nur mit äußerster Willensanstrengung unterdrücken konnten.
Die Aufseher im Korridor lachten. Sie hatten die Läufe ihrer schußbereiten Pistolen durch die Gitterstäbe geschoben und auf Querstreben gelegt.
„Nun“, sagte Mantaka väterlich und verschränkte die Arme vor dem breiten Brustkasten, „ich kann verstehen, daß die Schnapsteufel das bißchen Hirn zerstört haben, das du früher mal hattest. Ich werde daher so freundlich sein, es dir zu erklären. Bist du deinerseits so nett, mir jetzt aufmerksam zuzuhören?“
„Ja – ja, natürlich“, stammelte Borracho mit der Dankbarkeit des Hoffenden, der die falsche Güte seines Peinigers nicht durchschaut.
„Ich verschwende eine Menge Zeit mit dir“, sagte der grobschlächtige Baske. „Aber es muß sein. Der Kommandant will es so. Ich führe nur seinen Befehl aus. Also paß auf: Fleisch ist knapp in diesem verdammten Ostafrika. Das Hinterland wird von einer Dürre nach der anderen heimgesucht. Nichts gedeiht, das Vieh ist nur Haut und Knochen. Entsprechend wenig fällt auch für euch arme Teufel ab. Du wirst es bestätigen können, nicht wahr, Borracho?“
Das Gesicht des Säufers erhellte sich.
„Aber ja!“ rief er mit der Freude des dummen Lehrjungen, der endlich einmal etwas von dem begriff, was sein Meister ihm immer wieder beizubringen versuchte.
„Fein, dann sind wir uns soweit einig. Nun mußt du dir vor Augen halten, mein lieber Borracho, daß der Comandante ständig darüber nachdenkt, wie er den Gefangenen hier auf ‚Sangre del Diablo‘ das Leben ein wenig angenehmer gestalten kann. Also, hat er sich gesagt, was das Essen betrifft, muß man das nehmen, was man kriegt. Fleisch vom Festland gibt’s selten oder nie. Aber was haben wir hier, in unserem feinen Insel-Bau, im Überfluß?“
„Ratten“, sagte Jorge Vero, einer der Mitgefangenen, bevor Borracho antworten konnte. „Auch zweibeinige!“
Mantakas Gesicht wurde steinern. Sein Blick aus schmalen Augen wechselte zu dem schlanken dunkelhaarigen Mann, der Spanier und folglich kein Freund der Basken war.
„Vorsagen gilt nicht, Vero“, sagte er. „Scheint fast so, als ob du die Rattensuppe vorkosten möchtest. Du bettelst ja richtig darum.“
„Versuchen Sie es“, entgegnete Vero kalt.
Mantaka grinste herablassend.
„Ich warne dich, Spanier. Nimm dir nicht zuviel heraus. Es könnte sein, daß ich darauf zurückkomme. Nun aber zur Sache.“ Er wandte sich wieder dem Säufer zu. „Der Comandante wird hocherfreut sein, wenn er von dir hört, daß die Rattensuppe schmackhaft ist. Es heißt, Ratten seien so zart wie Tauben. Also gib dir einen Ruck, Borracho. Du tust allen deinen Mitgefangenen einen großen Gefallen. Unsere Köche haben sich große Mühe bereitet. Von dir hängt es ab, ob ihr alle wieder mehr Mumm in die Knochen kriegt.“
Borrachos große, immer noch flackernden Augen, spiegelten Staunen. Seine Zellengefährten sahen, daß er anfing, dem Gewäsch des Schinders zu glauben. Wahrscheinlich enthielt diese sogenannte Suppe nicht einmal den Zipfel von einer Ratte.
Aber Mantaka würde seinen Spaß an den Ängsten und der hündischen Ergebenheit des Säufers haben, der vor einem Monat als ein menschliches Wrack in den Kerker geworfen worden war. Dadurch, daß er nichts mehr zu trinken erhielt, hatte sich sein Zustand eher verschlechtert. Jorge Vero und die anderen hatten Mitleid mit ihm und halfen ihm, soweit das in ihren Kräften stand.
Doch sie trieben keinen Schabernack mit ihm, wie es Mantaka und die anderen Dreckskerle so gern taten. Immer wieder dachten sie sich neue Gemeinheiten aus.
Später, bei ihren abendlichen Gelagen, gaben sie die Geschichten dann zum besten und brüsteten sich voller Stolz damit. Und Mantaka war der schlimmste von allen.
Borracho atmete tief durch.
„Ich bin kein Feigling“, sagte er und strengte sich dabei an, seine Stimme fest und entschlossen klingen zu lassen. „An mir soll’s nicht liegen, verdammt noch mal!“
Die Kerle vor der Gittertür kicherten und spendeten Beifall, indem sie mit den freien Händen gegen die Eisenstäbe klatschten. Der Baske brummte zufrieden.
„Dann mal los“, sagte er. „Du wirst sehen, Rattensuppe schmeckt bestens.“
Borracho nickte, stolz jetzt auf seine bevorstehende besondere Leistung. Er schob beide Hände gleichzeitig vor und schloß sie um den Napf. Langsam hob er ihn an. Sein Zittern hatte fast völlig aufgehört.
„Halt!“ Jorge Vero klatschte mit der flachen Hand auf den Tisch, daß der Säufer zusammenzuckte und beinahe die graue Suppe verschüttete. „Laß es sein, Borracho. Wir werden alle davon kosten.“
Der Mann mit dem Furchengesicht blinzelte verwirrt und sperrte den Mund auf.
Mantaka zog unwillig die Brauen zusammen. Die beiden anderen stellten ihr Kichern ein, ihre Mienen wurden erkennbar wachsamer.
„Was soll das?“ knurrte der Baske. „Ihr könnt euch nicht einfach über meine Anordnung hinwegsetzen.“
„Das tun wir auch nicht“, entgegnete Vero freundlich, während er aufstand und die anderen seinem Beispiel folgten. „Wir wollen nur für Borracho vorkosten. Wenn es uns allen schmeckt, wird er es leichter haben, sich unvoreingenommen ein genaues Urteil zu bilden. Genau das ist es doch, was der Comandante möchte, nicht wahr?“
Mantaka preßte die Lippen aufeinander. Seine Aufseherkameraden kriegten es nicht mit, doch er selbst begriff sehr wohl, daß er hier mit den Waffen seiner eigenen lächerlichen Argumentation geschlagen wurde. Er beschloß, darüber erhaben zu bleiben, sich nichts anmerken zu lassen und das Spiel mitzuspielen.
„Gut, meinetwegen“, sagte er mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Dann probiert ihr eben alle die Rattensuppe.“
Die beiden Bewaffneten auf der anderen Seite der Gittertür kicherten wieder. Mantaka, so schien es, vervielfachte den Spaß.
Jorge Vero und die vier anderen schoben sich auf die Stirnseite des Tisches zu, um an den Napf zu gelangen, den Borracho noch vor sich stehen hatte. Niemand, am allerwenigsten die Aufseher draußen, beachtete Veros beiläufige Bewegung, als er im Vorbeigehen den Arm hob – offenbar, um sich am Hinterkopf zu kratzen.
Vero griff nach dem Napf, seine Zellengefährten bauten sich hinter ihm auf, wie, um Schlange zu stehen, und sie verbauten dadurch den beiden Bewaffneten vorübergehend den Blick auf Mantaka.
Als das Blickfeld wieder frei war, traf der Schreck die Aufseher wie ein Hieb.
Mantaka hatte sich zu ihnen umgedreht. Er starrte sie an, und dabei wölbten sich seine Augen hühnereigroß aus den Höhlen.
Mit beiden Händen griff er sich an die Brust, riß den Mund weit auf und ließ doch nicht den leisesten Ton hören.
Jorge Vero und die anderen schienen nichts von der merkwürdigen Veränderung zu bemerken, die mit dem Basken vor sich ging.
„Dann wollen wir mal“, sagte Vero und hob den Napf an die Lippen.
Ein Röcheln drang plötzlich aus Mantakas Kehle.
Vero hielt inne und wandte sich zur Seite. Die Mitgefangenen folgten seinem Beispiel.
Die Aufseher im Korridor standen noch immer wie erstarrt.
Borracho riß die Augen auf und blinzelte heftig.
Mantakas Röcheln riß ab. Statt dessen ging sein Atem stoßweise, doch seine Standhaftigkeit schien unerschütterlich. Er erinnerte die Männer an einen mächtigen Baum, der nicht einmal im Sturm schwankte.
„Was ist denn das?“ sagte Jorge Vero gedehnt und mit gut gespielten Erstaunen.
Es war, als hätten die Aufseher auf seine Worte gewartet, um aus ihrer Fassungslosigkeit zu erwachen.
„Keiner rührt sich!“ brüllte der eine, ein schwarzbärtiger Klotz von einem Kerl. „Zurück, an die Wand mit euch!“
„Was denn nun?“ fragte Jorge Vero freundlich. „Nicht rühren oder an die Wand?“
Mantaka stand starr wie zuvor und schien sich eher in die Höhe zu schrauben, statt umzustürzen.
Der zweite Aufseher, ein schlanker Mann mit glattem Gesicht, riß den Riegel der Gittertür zurück.
Der Schwarzbärtige lief rot an.
„An die Wand!“ schrie er.
Vero wechselte einen Blick mit seinen Gefährten und zuckte mit den Schultern.
Sie schoben sich hinter Borracho an dem Tisch vorbei, so daß sie nicht in Mantakas Nähe gelangen mußten. Nacheinander bauten sie sich an der Stirnwand der Zelle auf, unter dem Fenster, durch das das Sonnenlicht quadratisch gebündelt fiel. Auch Borracho erhob sich und folgte dem Beispiel seiner Mitgefangenen.
Wieder ertönte ein Röcheln. Der Baske erzitterte jetzt. Eine unsichtbare Gewalt schien seinen Körper durchzuschütteln.
Der Schwarzbärtige stürmte als erster in die Zelle. Er hielt die Pistole schußbereit und vergewisserte sich mit einem raschen Seitenblick, daß der andere ebenfalls zur Stelle war. Der Schwarzbärtige streckte die Linke aus, als wollte er Mantaka berühren.
„Was ist los mit dir, Mantaka? Himmel, so sag doch was!“
Ein erneutes tiefes Röcheln ließ den Schwarzbärtigen zurückzucken.
„Zuviel Sauferei, zuviel Hurerei“, sagte Jorge Vero trocken, „das haut den kräftigsten Kerl aus den Stiefeln.“
„Ruhe!“ rief der Glattgesichtige, der sich in der Nähe der Gittertür aufgebaut hatte.
Auf den Röchelnden wirkte es wie ein Kommando.
Schlagartig, als habe jemand einen letzten haltenden Faden abgeschnitten, kippte er vornüber. Der bärtige Aufseher mußte zur Seite springen. Steif wie ein Brett schlug der Baske mit dem Gesicht auf den Steinboden der Zelle.
Erneuter Schreck befiel die Aufseher wie ein lähmendes Gift. Nur die Pistolen hielten sie unverändert im Anschlag, instinktmäßige Wachsamkeit bewirkte dies.
Jorge Vero und seine Gefährten hüteten sich indessen, auch nur an einen Angriff zu denken. Gewalt war nicht das geeignete Mittel für einen Ausbruch aus dem Gefängnis auf der Insel „Sangre del Diablo“. Auf die Weise hatten es schon viele versucht, und sie waren alle gescheitert.
Vero und die anderen wußten, daß ihre Chancen vor allem in einer sorgfältigen Planung lagen. Aber selbst dann war das Risiko noch mörderisch hoch.
Jetzt, nach Mantakas Tod, waren sie gezwungen, ihren langgehegten Plan in die Tat umzusetzen. Es gab kein Zurück mehr. Das begriffen sie alle – bis auf Borracho, der mit seinem umnebelten Hirn nie mehr als ein willenloses Anhängsel gewesen war und es auch bleiben würde.
Die Aufseher überwanden ihren Schreck erst nach Sekunden.
„Er braucht sofort Hilfe“, sagte der Glattgesichtige gehetzt. „Soll ich …?“ Er wollte sich umwenden und in den Korridor hinaus.
„Narr!“ fauchte der andere ihn an. „Hier braucht keiner Hilfe, Mantaka am allerwenigsten. Halte die verfluchten Hundesöhne in Schach. Wenn sich einer bewegt, schießt du. Klar?“
Der Aufseher mit dem glatten Gesicht nickte. Sein Compadre beugte sich über den reglosen Körper des Basken. Langsam und vorsichtig drehte er ihn auf den Rücken, ohne dabei die Pistole aus der Hand zu legen. Er starrte Mantaka an, der eindeutig tot war, und er begriff noch viel weniger.
Kein Blut. Keine Wunde. Nur ein paar kleine Prellungen auf der Nase und der Stirn, die von dem Sturz auf den Steinfußboden herrührten.
Doch, er war tot. Beide Aufseher wollten es nicht glauben, aber die gebrochenen Augen des Basken ließen keinen Zweifel daran.
Der Schwarzbärtige drückte sie ihm zu.
„Ich verstehe das nicht“, murmelte er kopfschüttelnd. „Irgendwas geht hier nicht mit rechten Dingen zu.“ Er richtete sich auf und starrte die Gefangenen aus zusammengekniffenen Augen an. Mißtrauen glühte in seinen Augen auf.
Es war ein gefährliches Mißtrauen, das wußte Jorge Vero. Der kleinste Anlaß konnte dazu führen, daß hier, in dieser Zelle, Schüsse krachten. Mantaka, der Schinder, war ohne erkennbare Ursache gestorben – ausgerechnet in einer unklaren Situation.
Jeder Aufseher auf „Sangre del Diablo“ kannte natürlich die Order des Kommandanten, wonach strikt verboten war, eine Zelle zu betreten, wenn nicht ein besonderer Grund vorlag.
Es würde nicht leicht zu erklären sein, warum sich Mantaka ohne erkennbaren Anlaß in Jorge Veros Zelle begeben hatte. Da keine Schüsse gefallen waren, würde niemand im Gefängnis an eine Gefahrensituation glauben.
Was also hatte Mantaka in die Zelle getrieben?
Der Schwarzbärtige und sein Compadre würden sich etwas einfallen lassen müssen, um das zu erklären. Denn durch seinen rätselhaften und plötzlichen Tod hatte Mantaka seinerseits eine Gefahr heraufbeschworen. Die Gefangenen hätten durchaus die Gelegenheit nutzen können, die Aufseher zu überwältigen.
Noch einmal blickte der Schwarzbärtige auf den Toten. Aber da gab es kein Messer, dessen Griff irgendwo aus dem Leinenhemd ragte. Möglich war es immerhin, daß ein Stich bis ans Heft keinerlei Blutverlust verursachte.
„Ihr steht mit dem Teufel im Bunde“, flüsterte der bärtige Aufseher. „Aber das wird euch nichts nutzen. Wenn ihr ihn getötet habt, werdet ihr dafür büßen.“
Jorge Vero wechselte einen Blick mit den anderen. Einige von ihnen wollten aufbrausen. Doch Veros Miene veranlaßte sie, zu schweigen. Es war sinnlos, sich jetzt störrisch zu zeigen. Dadurch würde die Lage nur noch gefährlicher werden.
„Mit Verlaub“, sagte der Spanier daher, „keinen von uns trifft eine Schuld, Señor. Wir befanden uns nicht in Señor Mantakas Nähe und haben ihm auch keinen Anlaß gegeben, sich übermäßig aufzuregen.“
„Was willst du damit andeuten?“ zischte der Schwarzbärtige.
„Nur das, was jeder von uns denkt“, erwiderte Vero. „Ein schwaches Herz erkennt man meist erst dann, wenn es zu spät ist. Und manch einer spürt nicht einmal an sich selbst, daß ihm irgendwann der wichtigste Teil seines Leibes versagen könnte.“
Beide Aufseher schwiegen. Sie wußten, daß sie keine Handhabe hatten, um gegen die Gefangenen einen ernsthaften Schuldvorwurf zu erheben. Die Möglichkeit, daß sie Mantaka behext und dadurch umgebracht hatten, konnten nur Vertreter der Kirche überprüfen und beweisen.
So alarmierten die Aufseher den Torposten am Ende des Zellentrakts. Wenige Minuten später waren Helfer zur Stelle, die den Toten abtransportierten.
Krachend schloß sich die Gittertür.
„Ihr wißt, was geschehen wird“, sagte Jorge Vero, nachdem die Schritte verklungen waren. „Sobald es dunkel wird, müssen wir fliehen – wenn wir dann überhaupt noch dazu in der Lage sind.“
Die Männer nickten. Sie schwiegen.
Sie wußten alles. Jorge Vero hatte es ihnen oft genug erklärt. Anfangs hatten sie es nicht glauben wollen. Aber nach und nach, je öfter er die Einzelheiten wiederholt hatte, war ihnen aufgegangen, daß es klappen konnte.
Es hatte damit begonnen, daß Vero ihnen eines Tages ein daumendickes Stück Knochen zeigte, das er aus der Mittagssuppe gefischt hatte. In Tagen und Wochen hatte er den Knochen bearbeitet, ihn mit Steinsplittern geschnitten und geschliffen, bis ein Dorn von zwei Zoll Länge und enormer Härte entstanden war.
Vero hatte den Dorn mehrmals probeweise mit beträchtlicher Kraft gegen einen Quaderstein gestoßen. Der Dorn hatte standgehalten, nur die nadelfeine Spitze hatte etwas nachgeschliffen werden müssen.
Es gab nichts, was Vero, der Allerweltskerl, in seinem Dasein nicht schon erlebt hatte. Auch, daß er einmal ein Jahr lang als Gehilfe eines Rinderschlächters gearbeitet hatte, war keine Märchenerzählerei von ihm. Aus jener Zeit stammten seine besonderen Kenntnisse über das schnelle und geschickte Töten.
Die Prozedur mit dem Knochendorn hatte er sich lange überlegt. Er hatte seinen Gefährten erklärt, daß es da eine bestimmte Stelle am Hals eines Menschen gäbe, in die man den Dorn nur blitzschnell hineinstoßen müßte. Der betreffende Mensch starb schnell und lautlos, und es war keine Wunde zu sehen.
Zuschauer waren geneigt, an ein Herzversagen zu glauben.
Der Gefängnis-Feldscher würde den Toten jedoch untersuchen und nach einer Weile die wirkliche Todesursache herausfinden.
Jorge Vero und seine Gefährten konnten nur hoffen, daß der Feldscher den Knochendorn nicht mehr vor dem Abend dieses Tages entdeckte.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.