Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 571»

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Impressum

© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-978-9

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Burt Frederick

Die Trauminsel

Die Hexe Morena macht Kefallinia zum Alptraum

Die Hexe stand stumm und ergriffen. Das Wasser des unterirdischen Sees war glatt wie ein Spiegel. Darüber dehnte sich eine mächtige Felsenkuppel wie das Dach eines Doms. Tageslicht fiel durch unergründliche Schächte und Röhren im Fels.

Auf rätselhafte Weise verteilte es sich zu einer diffusen Helligkeit über dem ganzen See. Es war der Ort, an dem Morena, die Hexe, die Nähe ihre Gebieters spürte.

Nur er konnte den Felsendom geschaffen haben. Niemand sonst. Und er mußte es schon vor langer, langer Zeit getan haben. Dessen wurde sich Morena jedesmal dann bewußt, wenn sie an das Ufer des stillen Sees trat.

Sie fühlte sich klein und unbedeutend angesichts der Zeitspanne, die hier eine Rolle spielte. Aber sie war ihm ergeben wie keine andere. Ihm, dem Satan …

Die Hauptpersonen des Romans:

Morena – auf der Insel wird sie die Hexe genannt, und tatsächlich verhält sie sich reichlich sonderlich.

Old Donegal O’Flynn – ihn zieht es wie magisch auf die Insel, weil er meint, in einem früheren Leben bereits dort gewohnt zu haben.

Kyrillos Stefanasi – der alte Schafhirte wird verhext und soll dafür büßen, daß er sich mit der Hexe eingelassen hat.

Melina – die junge Griechin setzt sich für ihn ein und beweist sehr viel Mut.

Philip Hasard Killigrew – der Seewolf braucht wieder einmal viel Geduld, um mit dem störrischen Old Donegal klarzukommen.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Ein Schaudern durchlief den mageren Körper der Frau. Es war jedesmal das gleiche, wenn sie sich an diesen Ort begab. Wie eine Prüfung empfand sie es. War sie ihres Gebieters noch würdig?

Es würde sich zeigen, sobald sie die Messe für ihn zelebriert hatte. Erst danach konnte sie sich wieder für längere Zeit frei und ermutigt fühlen – vorausgesetzt, sein Fluch hatte sie nicht getroffen und ihrem Leben ein Ende gesetzt.

Es konnte jederzeit geschehen, das wußte sie.

Sie sehnte sich nach einem Zeichen, das er ihr geben würde.

Denn es lag in seiner Macht, ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben. Eine Ewigkeit brachte sie nun schon in Sinnlosigkeit zu. Manchmal gab es Momente in ihrer Gedankenwelt, in denen sie imstande war, sich selbst kritisch zu betrachten.

In solchen Momenten spürte sie, daß sie sich aus unerklärlichen Gründen von allen anderen Menschen abgewandt hatte – in ihrem Denken und in ihrem Handeln. Diese Gründe lagen in ihr selbst, auch das fühlte sie. Doch mehr vermochte sie nicht herauszufinden.

Ihre eigene Vergangenheit war wie die undurchdringliche Schwärze eines Abgrunds. Und wenn sie sich hinabstürzte, dann fürchtete sie, würde es den Tod bedeuten.

Sie war froh darüber, daß jene Momente ihrer gedanklichen Klarheit nur selten auftraten. Tag für Tag erlebte sie die glückbringende Stumpfheit ihres Empfindens. Die Anbetung ihres Gebieters war so etwas wie eine Erneuerung, zu der sie sich furchtsam aufraffte – von Zeit zu Zeit. Sie hatte einen Instinkt dafür, wann das notwendig war.

Mit einer raschen Willenanstrengung überwand sie ihre Furcht. Sie ging auf das Boot zu, das auf dem Felsenufer des Sees lag. Es kostete sie keine Mühe, das Boot zu Wasser zu bringen. Sie war zäh und ausdauernd, auch wenn ihr Körper unter dem grauen Gewand erschreckend ausgemergelt wirkte. Ihre Kraft war ungebrochen.

Sie hatte keine Erinnerungen an ihre einstige Schönheit. Die Wasseroberfläche des Sees in der riesigen Höhle war ihr einziger Spiegel.

Bevor sie ins Boot stieg, beobachtete sie ihr Gesicht, wie es im sanften Wellenschlag, den sie selbst hervorgerufen hatte, in Bewegung geriet. Die Mulden und Furchen dieses Gesichts formten Freude und Traurigkeit im Wechsel, und über der schmalen und spitzen Nase standen die beiden dunklen Augen als unveränderbar feste Punkte.

Unvermittelt verharrte sie, schon im Begriff, sich über das Dollbord zu schwingen.

Ihr von Wellen bewegtes Spiegelbild veränderte sich und wurde von einem anderen Gesicht überlagert.

Es war das Gesicht, das sie nicht kannte.

Nur für einen Moment war es zu sehen. Morena vermochte nicht einmal festzustellen, ob es das Antlitz eines Mannes oder einer Frau war. Zu schnell verflüchtigte es sich wieder. Ihr eigenes Gesicht kehrte zurück, doch es hatte plötzlich einen Ausdruck von Glückseligkeit.

Beschwingtheit erfüllte die Hexe.

Sie schwang sich auf die mittlere Ducht, legte die Riemen in die Dollen und begann zu pullen. Das Eintauchen der Riemenblätter und das leise Rauschen des Wassers, das beim Dahingleiten des Bootes entstand, verursachten unter der Felsenkuppel einen starken Widerhall.

Etwas würde geschehen, sie fühlte es jetzt. Es war eine Ahnung, die sich mit jedem Riemenschlag verstärkte und schon fast zur Gewißheit wurde.

Durch das unwirkliche, von feinen Dunstschleiern durchzogene Licht erreichte sie die Felsplattform am jenseitigen Ende des Sees. Mit ihren geschnürten Ledersandalen stieg sie in das flache Wasser. Der zerschlissene Saum ihres Gewandes sog Feuchtigkeit auf. Der Stoff klebte an ihren mageren Beinen. Sie zog das Boot ein Stück auf den Fels und wandte sich dem Altar zu.

Die Hexe verneigte sich tief und sank auf die Knie. Ihre Lippen formten Silben, die keine Worte ergaben. Sie hielt den Blick gesenkt, denn jetzt, das wußte sie, schaute ihr Gebieter sie an. Sie rückte sich selbst in den Mittelpunkt seines Interesses, denn sie wußte, wie sie sich ihm zu nähern hatte.

Der Altar bestand aus einem großen, hüfthohen Felsklotz. Die Oberfläche, die eine natürliche Vertiefung hatte, war blutbefleckt. Zwei armdicke Kerzen, die Morena in der Dorfkirche von Athakon gestohlen hatte, zierten den Block auf der linken und der rechten Seite.

Mit dem hinuntertropfenden Wachs ähnelten die Kerzen Stalagmiten, wie sie vereinzelt an den Ufern des Sees im Felsmassiv gewachsen waren. Stalaktiten befanden sich ebenfalls nur an wenigen Stellen an der natürlichen Decke der Felsenkuppel, die sonst aus glattem Granit bestand.

Morena erhob sich und trat mit gesenktem Kopf hinter den Altar, wo eine Seekiste stand, die annähernd die Größe eines Sarges hatte. An den Ursprung dieser Kiste erinnerte sie sich nicht.

Morena öffnete den Deckel und nahm nur das Gewand aus feuerroter Seide heraus. Sie zog es sich über die schmalen Schultern. Die anderen Utensilien brauchte sie nur, wenn sie ihrem Gebieter ein Opfer brachte – etwa den schweren Säbel, auf dessen fast handtellerbreiter Klinge sich eingetrocknete Blutstropfen befanden.

Morena nahm Feuersteine, Zunder und Kienspan aus einer weiten Tasche ihres Gewandes und entfachte den Span geschickt mit wenigen Schlägen. Dann zündete sie die Kerzen an und atmete den Geruch des heißen Wachses genußvoll ein.

Sie schloß das rote Seidengewand und kniete vor dem Altar nieder.

Wieder murmelte sie diese Silben, von denen sie wußte, daß sie eine Verbindung herstellten. Wie stets gelang es ihr, sich in einen tranceartigen Zustand zu versetzen und die Signale zu empfangen, die er ihr sandte.

Ein wohliges Gefühl, wie sie es selten verspürt hatte, erfüllte sie kurz darauf. Fast glich es einem beginnenden Rausch.

Murmelnd hob sie den Kopf und blickte zu jener Stelle zwischen den beiden Kerzen, wo sich die warmgelben Lichtkreise vereinten. Ein goldener Schimmer entstand dort. Das Gold vereinte sich mit blutigem Rot, wie es dem glühenden Zentrum der Kerzenflammen entsprang. Aus dieser Vereinigung wurde plötzlich das Antlitz des Satans erkennbar.

Morena erstarrte.

Wie würde er entscheiden? Was drückte dieses Antlitz aus?

Wohlgesonnenheit.

Das sah sie im nächsten Moment ganz deutlich.

Morena konnte den Blick nicht von dem Punkt der Vereinigung des Lichts lösen.

Das freundliche Satansgesicht verschwand.

Und plötzlich war jenes andere da, das sie schon in vagen Konturen im spiegelnden Wasser gesehen hatte. Es war nicht deutlicher diesmal und wiederum nicht einwandfrei als männlich oder weiblich zu identifizieren. Aber es war ein menschliches Gesicht. Es gehörte nicht zu einem Wesen aus dem Unergründlichen.

Es verschwand ebenfalls nach wenigen Augenblicken.

Morena verharrte noch minutenlang. Unbändige Freude erfüllte sie. Jetzt hatte sie die Gewißheit. Ihr Leben würde sich ändern. Ein anderer Mensch würde in ihrem Leben eine Rolle spielen. Sie wußte nur noch nicht, in welcher Form das geschehen würde.

Langsam richtete sie sich auf, von einem innerlichen Zittern erfüllt. Es war die Aufregung, das wußte sie – die Aufregung vor dem Neuen, dem Unerwarteten.

„Ich danke dir, mein Gebieter“, flüsterte sie mit heiserer Stimme. „Ich schwöre dir ewigen Gehorsam.“ Sie verneigte sich noch einmal tief und trat wieder hinter den Altar, wo sie das Seidengewand abstreifte.

Das Zittern hielt an, bis sie das jenseitige Ufer des Sees erreicht hatte. Erst als sie auf den Ausgang des Felsendoms zuging, wurde sie ruhiger.

Draußen, am Fuß des hohen, zerklüfteten Felsmassivs, blieb sie stehen und sog die frische Luft des Morgens tief in ihre Lungen. Es würde ein wunderbarer Tag werden. Leuchtend blauer Himmel wölbte sich über der Insel Kefallinia, das Ionische Meer hatte die Farbe dieses Himmels.

Morena ging über das Geröllfeld, das einen schmalen Paß vor dem benachbarten, nordwestlich gelegenen Berg bildete. Dann benutzte sie den vertrauten Serpentinenweg, den Menschen vor Jahrhunderten in den Fels gemeißelt hatten. Der Weg war lückenhaft und gefährlich. An manchen Stellen waren große Brocken herausgebrochen, und Morena mußte den Abgrund im Sprung überwinden.

Niemals hatte sie sich dabei unsicher gefühlt. Sie wußte, daß sie Kräfte hatte, über die normale Sterbliche nicht verfügten.

Sie erreichte ihre Wohnhöhle, deren Eingang hundert Fuß über dem Geröllfeld lag. Aus dem Inneren der Höhle trug sie eine Kiste in den Eingang, setzte sich auf den fellbespannten Deckel und starrte auf das Meer hinaus. Nur einen Teil konnte sie wegen des benachbarten Felsens sehen. Irgendwann, sehr bald, so beschloß sie, würde sie sich einen besseren Aussichtspunkt suchen.

Denn das, worauf sie hoffen durfte, würde sich über das Meer nähern.

Würde es ein Mensch sein? Einer, der ihr nahe sein konnte – anders als die Bewohner des Dorfes Athakon?

Die Dubas lag auf einem langen Kreuzschlag nach Ost-Nord-Ost. Der Wind war eher nur ein laues Lüftchen und wehte aus wechselnden nördlichen Richtungen. Der Seewolf und Ben Brighton hatten die Entwicklung des Wetters mit besorgten Mienen abzuschätzen versucht. Am frühen Morgen war der Wind noch handig und entsprechend brauchbar gewesen. Jetzt aber deutete alles auf eine bevorstehende Flaute hin.

„Land in Sicht!“ ertönte die Stimme Bills, der als Ausguck eingesetzt war. „Land in Sicht! In Nordost!“

Philip Hasard Killigrew und Ben Brighton hoben ihre Spektive.

Der Zweimaster lief fast genau auf das zu, was Bill als Land bezeichnet hatte.

„Da hat irgendein Riese seinen faulen Backenzahn verloren“, sagte Old Donegal Daniel O’Flynn, der sich zu diesem Zeitpunkt auf der Back befand, wo er eine „Windprobe“ hatte vornehmen wollen. Dank seiner besonderen Kenntnisse, so hatte er kundgetan, würde er zu einer genauen Vorhersage fähig sein.

Flaute oder nicht Flaute – die Arwenacks sollten es in Kürze aus seinem Munde erfahren.

Es störte den Alten dabei wenig, daß keiner von ihnen offenbar gesteigerten Wert auf seine Prophezeiungen legte. Er kannte das. Immer wenn er etwas Fundamentales mitzuteilen hatte, mimten sie die Desinteressierten. Es konnte nur ihr Neid sein.

Jetzt plötzlich war die „Windprobe“ aus seinen Gedanken wie weggewischt.

Er stützte sich mit beiden Händen auf die vordere Balustrade und starrte nach Nordosten.

Unvermittelt wandte er sich ab. Sein Holzbein schlug hart auf die Planken, als er an die achtere Balustrade der Back trat.

„Dan!“ brüllte er.

Die Männer an Deck drehten sich erstaunt zu ihm um.

Dan O’Flynn, der eben über den Niedergang zum Achterdeck aufentern wollte, reagierte nicht minder erstaunt. In diesem barschen Befehlston hatte ihn der Alte nicht mehr angefahren, seit er ein Jüngling gewesen war.

„Dan, verdammt noch mal!“ herrschte der Alte seinen Sohn an. „Habe ich dich gerufen oder nicht? Erzähle mir nicht, daß du Bohnen in den Ohren hast!“

Dan blinzelte verdattert.

„Ich habe dich deutlich gehört!“ rief er über das Hauptdeck. „Aber ich denke nicht daran …“

„Dann komm endlich her!“ schrie Old Donegal, und seine Stimme schrillte dabei. „Hölle und Teufel, ich sag nicht gern alles zweimal!“

Das Erstaunen der Arwenacks schlug in Verblüffung um. So verbissen hatten sie den alten Zausel seit Ewigkeiten nicht mehr erlebt. Vor allem seinem Sohn gegenüber nicht.

Seit er Mary Snugglemouse geehelicht hatte, war er insgesamt eher lammfromm geworden. Seltener polterte und tobte er herum, wie er es in früheren Jahren oft getan hatte. Manchmal hatten die Männer auch den Eindruck, daß er sich nach Mary und seinem Nachwuchs sehnte. Aber das würde er natürlich niemals offen zugeben.

Dan O’Flynn wechselte einen fassungslosen Blick mit Hasard.

„Geh schon“, sagte der Seewolf milde lächelnd. „Vielleicht ist ihm die Windprobe zu Kopf gestiegen.“

„Die was?“

Dan hatte es nicht mitgekriegt, da er in seiner Kammer über den Karten gebrütet hatte. Das Ergebnis seiner navigatorischen Berechnungen wollte er dem Seewolf und dem Ersten Offizier mitteilen.

Hasard erklärte ihm, welche Absichten Old Donegal zur allgemeinen Erheiterung angekündigt hätte.

Dan konnte nur den Kopf schütteln. „Und jetzt soll ich ihm wahrscheinlich verraten, wie sich die Wetterlage entwickelt. Und das verkündet er dann als Ergebnis seiner eigenen …“

„Jetzt reicht es!“ übertönte ihn die Stimme Old Donegals. „Hast du denn kein bißchen Respekt mehr vor deinem alten Vater? Muß man dich heutzutage erst anflehen, damit zu tust, was man dir sagt?“

Dan zog die Schultern hoch, seufzte und wandte sich vom Niedergang ab. Auf seinem Weg zum Vordeck begleiteten ihn vielsagende Blicke.

„Hurtig, hurtig!“ sagte Edwin Carberry leise und grinsend. „Jetzt wird aber gespurt, Junior!“ Das letzte Wort betonte er besonders.

Dan sah ihn von der Seite an. Der Profos verzog erschrocken das Gesicht und hob abwehrend die Hände. Jetzt war es Dan, der grinste.

Er trat auf den Alten zu.

„Was soll das Geschrei?“ sagte er ungehalten und verharrte vor der Balustrade.

„Nimm’s nicht krumm.“ Old Donegal war plötzlich wie umgewandelt. Er senkte seine Stimme zum Flüstern. „Ich brauche deinen Rat, Dan. Sei so gut, entere auf. Ich will nicht, daß alle Welt mithört.“

Dan runzelte die Stirn, folgte aber der Aufforderung. Der Alte bereitete ihm ernsthaft Sorgen. So rätselhaft hatte er sich selten verhalten, beinahe unterwürfig war er jetzt.

Gemeinsam traten sie an die vordere Balustrade.

„Was ist los?“ fragte Dan, und es tat ihm schon beinahe leid, daß er überhaupt so schroff reagiert hatte. Irgend etwas hatte seinen Alten zweifellos völlig durcheinandergebracht.

Old Donegal zeigte nach Nordosten. „Siehst du die Insel?“

Dan starrte ihn von der Seite an. Allein die Frage war ein Witz. Der Alte mußte eigentlich am besten wissen, daß sein Sohn von allen Arwenacks die schärfsten Augen hatte. Dan wertete die Frage eher als zusätzliches Zeichen der Verwirrung, in der sich sein Vater befand.

„Ja“, sagte er daher nur.

„Gut, gut“, brummte Old Donegal und nickte, ohne den Blick von jenen zerklüfteten Felsen zu wenden, die sich da über die nordöstliche Kimm erhoben. „Sag mir das wichtigste zuerst, mein Junge: Ist diese Insel auf deinen Karten verzeichnet?“

„Aber ja!“ Dan kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

„Also gibt es sie wirklich“, sagte der Alte und atmete erleichtert auf. „Und ich dachte schon, es wäre Einbildung.“

„Warum?“

Old Donegal blickte ihn an. „Irgend etwas stimmt nicht mit diesem Eiland“, raunte er.

Dan atmete tief durch. Wenn es wieder mal eine Gruselgeschichte war, die er sich jetzt anhören sollte, würde er auf der Stelle umkehren und sich seinen eigentlichen Aufgaben an Bord zuwenden.

„Du hast gedacht, es wäre eine Luftspiegelung?“ sagte er daher, um das Gespräch in konkretere Bahnen zu lenken.

„Nein, nein“, wehrte Old Donegal ab. „Die Insel ist Wirklichkeit, das ist mir klar. Aber es ist etwas an ihr, das ich nicht erklären kann. Eine gefühlsmäßige Sache, verstehst du?“

„Nein“, erwiderte Dan.

Old Donegal wandte sich erneut seinem Sohn zu.

„Sag mir alles, was du über die Insel weißt“, bat er. „Vielleicht wird mir dann klar, was es ist. Es muß eine Erklärung geben.“

„Kannst du dich nicht klarer ausdrücken? Was ist ungewöhnlich an der Insel? Wie äußert sich das?“

Old Donegal zog die Schultern hoch. „Wie es sich äußert – hm, ich finde, in einem richtig mulmigen Gefühl. Der Anblick liegt mir im Magen, ich muß dauernd hinsehen und weiß doch nicht, warum.“

Dan stieß scharf die Luft durch die Nase. „Also: Was du da siehst, ist Kefallinia, die größte und gebirgigste der Ionischen Inseln. Eine richtige Trauminsel nach dem, was ich gelesen habe.“

„Trauminsel“, wiederholte Old Donegal gedehnt. Wieder starrte er nach Nordosten. „Merkwürdig.“

„Was soll daran merkwürdig sein?“ Der Alte wedelte ungeduldig mit der Hand. „Sprich weiter! Weißt du noch mehr?“

„Sicher. Es gibt eine Menge Höhlen, Schluchten und unterirdische Seen. Alle möglichen Leute sollen sich da schon verkrochen haben.“

„Piraten?“

„Anzunehmen.“

„Hm. Und weiter?“

„Vor sechsundzwanzig Jahren hat sich hier Entscheidendes abgespielt. 1571 lag in der Bucht von Sámi, Kefallinia, die Flotte von Don Juan d’Austria.“

„Ah!“ rief Old Donegal. „Das war der, der die Türken in der Schlacht von Lepanto aufs Haupt geschlagen hat. Stimmt’s?“

„Stimmt.“

„Und das ist alles?“

„So ziemlich. Außer, daß auf Kefallinia hauptsächlich Bauern und Fischer leben, soweit ich weiß.“

„Ich danke dir, mein Sohn, ich danke dir.“ Old Donegal rieb sich nachdenklich das Kinn, spähte fortwährend nach Nordosten und schien Dan schon überhaupt nicht mehr wahrzunehmen.

Dan wandte sich kopfschüttelnd ab. Es mußte schon eine verdammt merkwürdige Anwandlung sein, die den Alten dazu gebracht hatte, an seine Windprobe überhaupt nicht mehr zu denken.

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