Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 587»

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Impressum

© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-96688-001-5

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Burt Frederick

Das Silberschiff

Tödlicher Haß stürzt Schiff und Mannschaft ins Verderben

Capitán Manuel Redrojo schob seine Ellenbogen auf die Heckbalustrade, an der er mit dem Rücken lehnte. Die Stimmen waren jetzt deutlicher zu hören. „Ist es nicht wie das Erwachen einer geläuterten Welt?“ säuselte der Schreiberling. „Ja, Consuela, für mich ist es auch das Symbol des Neubeginns, der uns Menschen immer wieder möglich sein wird.“

„Für uns wird jeder Tag neu und wunderschön sein“, hauchte das Mädchen.

Redrojo konnte es nicht fassen. Völlig ungeniert redeten sie ihr verliebtes Zeug dort unten auf der Heckgalerie. Wie konnte man so einen Unsinn über das Wetter zusammenspinnen! Der Sturm war vorbei, und jetzt schien die Sonne. Das war alles.

Das Mädchen war einfach zu schade für diesen albernen Kerl. Redrojo spürte seine Eifersucht wie eine innere Glut. Er blickte an sich hinunter und sah seine Hand auf dem Pistolengriff …

Die Hauptpersonen des Romans:

Manuel Redrojo – der Capitán der Silber-Galeone „Fidelidad“ ist in Liebe entflammt und vernachlässigt die Führung seines Schiffes.

Consuela Verguero – die hübsche Kaufmannstochter fährt als Passagier auf der „Fidelidad“ und bringt Unruhe in den Bordbetrieb.

Amadeo Palma – der Schriftsteller und Geschichtsschreiber wird in seiner Ehre beleidigt und verlangt Genugtuung mit dem Säbel.

Cormac O’Sirideáin – der hitzköpfige Ire legt sich mit den Arwenacks an und empfängt eine tödliche Abfuhr.

Philip Hasard Killigrew – eine Silber-Galeone ist dem Seewolf als „kleines“ Geschenk für die königliche Lissy gerade recht.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Heilige Mutter Gottes!

Er erschrak und war zugleich stolz auf sich. Diese ungewollte Reaktion zeigte seine innere Bereitschaft. Himmel, ja, seine Liebe war übermächtig! Er war der Mann für Consuela Verguero. Nicht dieser lächerliche Federfuchser. Ein solches Mädchen brauchte einen wirklichen Mann, einen Spanier vom Scheitel bis zur Sohle.

Ja, er war bereit, den Kerl notfalls zu töten.

Vielleicht würde ihm dann sogar wohler sein. Und gleichzeitig lieferte er Consuela den Beweis für die wahre, großartige Liebe, die er für sie empfand. Die Blicke, die sie ihm seit der Abfahrt aus Havanna gelegentlich zugeworfen hatte, bereiteten ihm noch jetzt einen Schauer des Wohlbehagens. Er hatte darüber nachgedacht und war zu der Überzeugung gelangt, daß in jenen Blicken Bewunderung und Sehnsucht gelegen hatten.

Verständlich.

Manuel Redrojo hatte anfangs seinen Augen nicht getraut, als er mit den Ladepapieren auch die Dokumente für die beiden Passagiere erhalten hatte. Amadeo Palma, Schriftsteller und Geschichtsschreiber, Genueser von Geburt. Kaum zu glauben. Ein Stubenhocker und Träumer, der seinen Lebensunterhalt damit bestritt, sinnloses Zeug zu Papier zu bringen.

Die Hochwohlgeborenen, die ihm das Geschreibsel abkauften, verstanden es in den seltensten Fällen. Aber sie schmückten sich mit ihrem angeblichen Kunstverstand. In ihren Kreisen überbot man sich gegenseitig mit solchem angeberischen Gehabe, natürlich auch mit Malerei und Musik. Die beiden letzteren Kunstrichtungen hatten für Capitán Redrojo noch einen gewissen Sinn.

Mit Feder und Tinte Buchstaben und Zahlen niederzuschreiben, ergab dann einen Nutzeffekt, wenn es sich um die Kontobücher eines Kaufmanns handelte. Oder um das Logbuch eines Kapitäns. Aber Schreiben aus purem Vergnügen? Und dafür noch Geld verlangen?

Redrojo schüttelte abermals den Kopf.

Als der Genueser durch die Pforte im Schanzkleid getreten war, hatte er gleich gewußt, daß dieser Bursche nicht ganz richtig im Oberstübchen war.

Das bedauernswerte Mädchen, diese unvergleichliche Schönheit, mußte ihm von ihrem Vater versprochen worden sein. Anders konnte man sich das beim besten Willen nicht erklären.

Auf der Heckgalerie säuselte er weiter, dieser Affe.

„Der Atlantik, Consuela, hat diese einzigartige Härte. Sieh den Himmel in seinem stählernen Blau! Der Sonnenschein ist von einem Glanz, der uns Menschen die Erhabenheit der Natur spüren läßt. Gewiß, eine freundliche Sonne, die uns – wie vorhin gesagt – Grund zum Aufatmen gibt, Hoffnung auf das Neue, berauschend Schöne.“

„Ich glaube, ich verstehe, was du sagen willst“, sagte Consuela. „Ich empfinde es ähnlich wie du, Amadeo. Die Karibik ist anders. Dort hat die Sonne etwas Verspieltes, und der blaue Himmel ist grenzenlos heiter. Selbst Regen und Gewitter tragen keine Schwere, sondern sie besänftigen gewissermaßen mit der Ankündigung, daß sie nur kurzzeitige Gäste sein werden.“

„Wie wahr!“ rief der Schreiberling begeistert. „Und wenn du als weiteren Vergleich unser heimisches Mittelmeer hinzuziehst, wirst du dort eine wiederum völlig anders geartete Stimmung erkennen. Der mediterrane Himmel hat bisweilen etwas an sich, das Freude und Schwermut zugleich widerspiegelt. Es ist – wie soll ich es ausdrücken …“

„Tu nicht so!“ sagte Consuela lachend. „Dir hat es noch nie an Ausdrucksfähigkeit gemangelt.“

„Beim Schreiben fällt es mir leichter als beim Sprechen.“

„Stell dein Licht nicht unter den Scheffel!“

Beide lachten.

Redrojo verdrehte die Augen und faßte sich an den Kopf. Ihm wurde fast übel. Das arme Mädchen fing schon an, die schwülstige Redeweise des Träumers anzunehmen. Es wurde höchste Zeit, daß man ihr vor Augen führte, was Männlichkeit wirklich bedeutete.

Manuel Redrojo wußte jetzt, daß er den Schreiberling aufrichtig haßte.

„Capitán! Ich bitte um Verzeihung, Capitán …“

Redrojo zuckte ungewollt zusammen. Die Stimme, die da in sein Bewußtsein vordrang, war so störend wie nur irgend etwas. Ärgerlich zog er die Stirn in Falten.

Er nahm den Anblick der Galeone wieder wahr, seiner Galeone.

Und vor ihm baute sich Labastida diensteifrig auf. Labastida, der ehrgeizige Hund. Jorge Labastida, seines Zeichens Erster Offizier, der darauf hoffte, die nächste Reise von Cádiz nach Havanna im Range eines Kapitäns anzutreten.

Die „Fidelidad“ sah zerzaust aus wie ein Straßenköter, den man geprügelt und getreten hatte und der mit knapper Not entwischt war.

Ein gnädiger Wind aus Südwest trieb die Galeone durch eine weite Dünung, die noch vom Sturm aufgebaut worden war und in westlicher Richtung verlief. Redrojo hatte angeordnet, das Schiff platt vor dem Wind laufen zu lassen Kurs Nordost. Nur so erfüllten die Segelfetzen noch einen Sinn. Der schwerbeladene Dreimaster wiegte sich behäbig in seiner mäßigen Fahrt, abwechselnd nach Backbord und Steuerbord krängend.

„Was ist los, verdammt?“ zischte Redrojo.

Ihn ärgerte besonders, daß die Turtelnden auf der Heckgalerie jetzt sicherlich auf ihn aufmerksam wurden. Andererseits war er der Kapitän, und er konnte sich an Bord aufhalten, wo er wollte. Genaugenommen hätte er auch das Recht, nachts ihre Kammern zu kontrollieren. Daß der Schreiberling zu später Stunde zu Consuela schlich, um es mit ihr zu treiben, stand außer Frage. Redrojo nahm sich vor, das ab sofort zu unterbinden.

Die „Fidelidad“ sollte, verdammt noch mal, ein sauberes Schiff bleiben.

„Es handelt sich um unseren Kurs, Capitán“, sagte der Erste Offizier laut und deutlich, als habe er es mit einem Schwerhörigen zu tun. „Außerdem verlaufen die Maßnahmen zum Beheben der Sturmschäden nicht zufriedenstellend.“

Redrojo zog unwillig die Stirn in Falten. „Letzteres werden Sie ja wohl selbständig überwachen können, Labastida. Und was den Kurs betrifft, sehe ich keinerlei offene Fragen.“

„Der Navigator ist der Meinung, daß wir in Lissabon eintreffen werden, wenn wir diesen Kurs beibehalten. Oder sogar nördlich von Lissabon. Nach dem Stand der Sonne …“

„Unsinn!“ schnitt ihm Redrojo das Wort ab. „Seemännische Erfahrung und die Klugscheißerei von Anfängern sind zwei verschiedene Paar Stiefel. Einen Navigator, der seine zweite Atlantiküberquerung erlebt, kann man wohl kaum als erfahren ansprechen.“

„Aber er versteht etwas von seinem Fach“, widersprach Labastida vorsichtig.

Redrojo starrte den Ersten an, als hätte dieser unvermittelt Chinesisch gesprochen. Redrojo hob den rechten Arm und wies mit übertriebenem Staunen auf den jungen Offizier, der neben dem Zweiten und dem Dritten an der vorderen Querbalustrade des Achterdecks stand und kluge Reden führte. „Sprechen Sie von diesem Grünschnabel? Allen Ernstes?“

Labastida schluckte trocken hinunter und zwang sich, beherrscht zu bleiben. „Der Mann hat in Cádiz eine erstklassige Ausbildung genossen. Er hat seine Erfahrungen bei früheren Einsätzen im Mittelmeer gesammelt. Ich glaube, man sollte über seine Hinweise zumindest nachdenken.“

„Tun Sie das, Labastida, tun Sie das. Für mich gelten andere Grundsätze. Und ich bin immer noch der Kapitän dieses Schiffes, nicht wahr?“

„Das habe ich mit keiner Silbe angezweifelt“, entgegnete der Erste scharf. „Ich verwahre mich entschieden gegen derartige Unterstellungen.“

Redrojo blinzelte verwirrt. „Mann, was ist los mit Ihnen? Ist Ihnen eine Laus über die Leber gekrochen? Du lieber Himmel, wir sollten alle froh sein, daß wir den Sturm überstanden haben und noch am Leben sind! Genießen wir diesen herrlichen Tag!“

Jorge Labastida wollte erwidern, daß er auch nur den angedeuteten Vorwurf von möglicher Meuterei niemals hinnehmen würde, ohne die Wiederherstellung seiner Ehre zu verlangen. Doch ein Blick in das Gesicht des Capitáns veranlaßte ihn, darauf zu verzichten. „Sie stimmen also einer Kursänderung nicht zu, Capitán?“

„Nein“, entgegnete Redrojo schroff. „Der Atlantik ist nicht das Mittelmeer. Und wenn ein Navigator nicht in der Lage ist, den Kontakt mit unserem Verband aufrechtzuerhalten, dann sollte er anschließend nicht auch noch weise Kommentare von sich geben. Wir halten den festgelegten Kurs und damit basta!“

„Jawohl, Capitán“, sagte Labastida und salutierte.

Redrojo blickte dem schlanken Offizier kopfschüttelnd nach und faßte sich an die Stirn. „Lissabon!“ Er atmete stoßartig aus. Gütiger Vater im Himmel, dachte er, bin ich denn nur noch von Narren umgeben?

Sie hatten mit der „Fidelidad“ nicht nur den Anschluß an den Verband verloren. Sie hatten sich nach dem Sturm auch noch hoffnungslos versegelt. Dieser Schnösel von einem Navigator war so hilflos gewesen wie ein seiberndes Kleinkind. Und jetzt meinte er, die Kursentscheidung seines Kapitäns anzweifeln zu müssen. Nicht zu fassen!

Nordost und nichts anderes. Punktum.

Erst einmal mußten sie überhaupt vernünftige Fahrt laufen. Dann konnte man weitersehen.

Lissabon!

Unglaublich. Je mehr er darüber nachdachte, desto wütender wurde Redrojo über diesen vorlauten Navigator. Eigentlich war es angebracht, ihn wegen seiner Unverschämtheit zur Rechenschaft zu ziehen. Mit einer Disziplinarmaßnahme. Redrojo verwarf die Überlegung. Er hatte sich vorgenommen, milde gestimmt zu bleiben.

Labastidas Hinweis, die Sturmschäden würden nicht zufriedenstellend behoben, waren typisch für die Diensteifrigkeit dieses Mannes. Er, Redrojo, wußte aus Erfahrung, wann man mit einer Crew hart und wann nachsichtig umspringen mußte. Nach dem Sturm hatten alle eine Verschnaufpause verdient. Man konnte die Männer nicht schon wieder herannehmen, als sei nichts geschehen.

Nach dem Üblichen Zwischenaufenthalt auf den Azoren hatten sie geglaubt, eine rasche Heimreise vor sich zu haben. Man mußte verstehen, welche Enttäuschung jeden einzelnen der Männer durch den Sturm befallen hatte. Natürlich waren sie froh, nicht abgesoffen zu sein. Aber jeder träumte doch von seinem kleinen Glück in Cádiz – und wenn es nur darin bestand, eine ganze Nacht mit einer Hafenhure zu verbringen.

Redrojo lächelte weltentrückt. Kaum einer an Bord würde ihn wohl verstehen, wenn er preisgab, daß er über die Verzögerung froh war. Nein, er würde es auch niemandem erzählen.

Schließlich ging es keinen etwas an, daß er, Manuel Redrojo, die große Liebe Seines Lebens gefunden hatte. Auf der Fahrt bis zu den Azoren hatte er es schon geahnt, aber durch die Beschäftigung mit dem Segeln im Verband war er vermutlich weitgehend davon abgelenkt worden.

Nun jedoch, nach dem Sturm, waren ihm alle Zweifel genommen worden. Eine gütige Fügung des Schicksals hatte ihm diese unglaublich schöne junge Frau an Bord seines Schiffes geschickt. Er war der Mann für sie, niemand sonst. Sie würde es begreifen, wenn sie ihn erst einmal kennengelernt hatte. Dann würde sie diese läppische Figur von einem Genueser schnell vergessen.

Redrojo fiel auf, daß er den Schreiberling nicht mehr säuseln hörte.

Er drehte sich um und beugte sich über die Balustrade.

Natürlich! Die Galerie war leer. Durch den Wortwechsel mit Labastida waren Consuela und ihr schwadronierender Galan verscheucht worden. Er hätte dem Ersten einen Tritt in den Hintern verpassen können.

Manuel Redrojo begann zu überlegen, welche Taktik er anwenden sollte, um mit Consuela Verguero in eine engere Beziehung zu treten. Berührungspunkte gab es bei den Mahlzeiten und meist abends, wenn man sich zum Wein im Achterdeckssalon traf.

Der Schreiberling war an allem und jedem interessiert. Vielleicht sollte man ihm anbieten, sich von dem besserwisserischen Schnösel in die Geheimnisse der Navigationskunst einweisen zu lassen. Das würde Consuela natürlich langweilen. Gelegenheit für den Capitán, sich ihr mit Grandezza zu einer kleinen Plauderei anzubieten.

Nicht im entferntesten Winkel seiner Gedankenwelt hätte Redrojo für möglich gehalten, daß seine Offiziere ernsthaft besorgt waren und er selbst der Mittelpunkt dieser Besorgnis war.

2.

Edwin Carberry legte die Hände auf den Rücken und hob den Kopf. Er blähte die Nasenflügel und gab vernehmliche Schnüffelgeräusche von sich.

„Riechst du was, Sir John?“ fragte er schließlich, ohne den Blick zu wenden. Er setzte die Schnüffelei fort und schloß genießerisch die Augen.

Der rote Papagei, der auf seiner linken Schulter thronte, beugte sich vor, so weit er konnte, ohne hinunterzufallen. Er drehte den runden Kopf in Schrägstellung und beäugte die Nasentätigkeit des Profosen.

„Na, riechst du was, Sir John?“ wiederholte Carberry, ließ die Augen geschlossen und schnupperte weiter.

Die auf dem Hauptdeck beschäftigten Arwenacks grinsten und wechselten vielsagende Blicke. Ferris Tucker, der eine Lafette aufgebockt hatte und eine beschädigte Rolle auswechselte, tippte sich an die Stirn.

„Das riecht nach England, Sir John“, sagte Carberry wie im väterlichen Gespräch mit einem Kind, dem er die Lösung eines kleinen Rätsels offenbarte. „Nach England riecht das, mein Alter!“

„Papageien können überhaupt nicht riechen“, sagte der Schiffszimmermann überzeugt.

Die Männer an Deck mußten an sich halten.

Carberry riß die Augen schlagartig auf und starrte den rothaarigen Hünen an, als hätte dieser behauptet, zwei und zwei seien fünf. „Woher willst du das wissen, he?“

Ferris wandte sich von der Lafette ab und richtete sich zu voller Größe auf. „Dafür brauche ich nur meine Augen, du Blindfisch. Papageien haben einen Schnabel und keinen Rüssel.“

Der Profos polterte augenblicklich los: „Willst du behaupten, daß ich einen Rüssel habe?“

„Affenarsch!“ schrie Sir John. „Verlauste Kakerlake!“

„Nenn es, wie du willst“, entgegnete Ferris aufgebracht. „Jedenfalls kannst du einem den Nerv töten.“ Er äffte Carberrys Stimme nach: „Das riecht nach England, Sir John!“

Die Arwenacks lachten schallend.

„Tut es auch!“ erwiderte Carberry dröhnend. „Für so was habt ihr Blödiane eben kein Gespür!“

„Kein Gespür!“ schrie Sir John und wiegte sich aufgeregt von einer Seite auf die andere. Ein rollendes Krächzen folgte: „Hol durch die Lose, Sir!“

Old Donegal Daniel O’Flynn, der neben Ferris Tuckers Lafette an der Verschanzung lehnte, verschaffte sich Gehör, indem er mit seinem Holzbein aufstampfte.

„Wenn die Gentlemen mal eine Sekunde zuhören wollen!“ rief er mit einer Stimme, die wie eine rostige Eisenraspel klang. „Ich denke, wir können den Sachverhalt schnell klären – egal, wie gut ein Papagei riechen kann. Wenn wir nämlich auf dem Boden der Tatsachen bleiben, ist die Geschichte verdammt einfach. Jeder der Gentlemen wird mir bestätigen, daß wir Südwestwind haben und mit unserem Schiffchen ziemlich genau auf Nordkurs segeln. Und da oben im Norden liegt England! Wie, bitte sehr, soll es nach England riechen, wenn der Wind nahezu aus der entgegengesetzten Richtung weht?“

Carberry sah den Alten an und blinzelte verdutzt.

„England riechst du eben auf tausend Meilen gegen den Wind“, sagte er nach kurzem Überlegen und grinste. „Stell dir bloß mal sämtliche gepuderten Ladys und Gents auf einem Haufen vor. Stell dir ihre Schlösser und Landsitze vor, aus denen sie ausziehen, weil’s vor Gestank nicht mehr auszuhalten ist. Stell dir die Straßen von London vor, in denen es stinkt, daß den Leuten schwindlig wird, wenn sie sich nicht die Nasen zuhalten. England ist eine einzige große Stinkdrüse.“

„Was willst du dann überhaupt da?“ fauchte der alte O’Flynn.

„Nur mal nachsehen, ob Plymmie seinen Saftladen renoviert hat“, erwiderte der Profos feixend. „Als wir letztes Mal das letzte Faß Bier bei ihm leerten, sah’s ziemlich übel aus in der ‚Bloody Mary‘.“

Die Männer grinsten. Sie bemerkten, wie Plymmie, die Wolfshündin, den Kopf hob und die Ohren spitzte.

„Du bist nicht gemeint, Lady“, sagte Hasard junior und kraulte ihr die Ohren.

„Da gibt’s einen männlichen Plymmie in Plymouth“, erklärte sein Bruder Philip. „Ein zweibeiniges Exemplar. Nathaniel Plymson mit vollem Namen. Der arme Kerl ist der Inhaber der Schenke ‚Bloody Mary‘, und wenn er wüßte, daß die Crew des Seewolfs auf Heimatkurs liegt, würde er seine Bude wahrscheinlich mit Brettern verrammeln und für ein paar Tage zu Verwandten aufs Land fahren. Da er es aber nicht weiß, wird er in Kauf nehmen müssen, daß sich die Arwenacks zu einem gemütlichen Beisammensein in seinem geschätzten Haus einfinden.“

„Und es bis auf den letzten Nagel auseinandernehmen“, fügte Hasard junior lachend hinzu.

Die Männer stimmten mit ein. Der Gedanke an den fetten Plymson war wirklich erbaulich. Sein Bierkeller mußte um diese Jahreszeit, im März, schön kühl sein. Einen guten Gerstensaft zapfte er wahrhaftig, und die Gemütlichkeit kannte bei ihm meistens keine Grenzen.

„Sieht so aus“, sagte Ferris Tucker, nachdem sich alles wieder beruhigt hatte, „als sei hier die Viehzeugbelehrungsstunde angebrochen. Vielleicht übernimmt jemand die dankenswerte Aufgabe, Arwenack zu erklären, daß es in England keine Bananen gibt?“

Arwenack, der Schimpanse, keckerte durchdringend und schlug sich mit den flachen Händen auf den Brustkasten, daß es dröhnte.

„Das weiß er längst“, sagte Carberry. „Schließlich ist er nicht zum erstenmal in England.“

Wieder hatte der Profos die Lacher auf seiner Seite.

Einer endlosen Fortsetzung des Wortgeplänkels hätte nichts im Weg gestanden, wenn es nicht in diesem Augenblick von Bill mit durchdringender Stimme unterbrochen worden wäre.

„Mastspitzen Steuerbord voraus!“

Alle Blicke wandten sich in die angegebene Richtung. Auf dem Achterdeck hoben der Seewolf, Ben Brighton, Dan O’Flynn und Don Juan de Alcazar die Spektive.

„Ein Zweimaster“, sagte Dan, der Mann mit den schärfsten Augen in der Crew.

Es dauerte eine halbe Stunde, bis der Seewolf und seine Gefährten weitere Einzelheiten erkennen konnten.

Der Zweimaster, der mit halbem Wind segelte, hatte zunächst auf Kurs Ostsüdost gelegen. Es war eine Karavelle, die die rot-weiß-gelb gestreifte spanische Flagge im Masttopp führte. Beim Sichten der Schebecke hatte der Spanier angeluvt und lag jetzt auf Südost. Er suchte die Begegnung und fühlte sich offenbar stark in der Nähe der heimischen Gewässer.

„Keine weiteren Schiffe zu sehen“, sagte Dan, nachdem er die Kimm gründlich abgesucht hatte.

Jeder der Männer wußte, daß es an dieser Feststellung keinen Zweifel gab.

Die Fluten des Atlantik rollten eisengrau. Das Licht der Vormittagssonne verstärkte den Eindruck der Endlosigkeit. In dieser Weite, in der die Naturgewalt die alleinige Herrschaft ausübte, hatten die Menschen auf zwei vergleichweise winzigen Seglern nichts Besseres zu tun, als wie Kampfhähne aufeinander loszugehen und im blutigen Detail jenen Streit auszutragen, den ihre Königshäuser noch immer nicht beigelegt hatten.

Doch die Arwenacks würden nicht die Angreifer sein.

Philip Hasard Killigrew ließ Flagge zeigen und befahl Gefechtsbereitschaft. Im Topp des Großmastes wehte das schwarze Tuch mit den gekreuzten goldenen Säbeln aus. Unter der Flagge des Bundes der Korsaren entfalteten die Männer auf den Decks rege Betriebsamkeit. Während unter Aufsicht von Al Conroy die Culverinen und Drehbassen geladen wurden, beeilte sich Ferris Tucker, die aufgebockte Lafette in Ordnung zu bringen.

Die gewohnte Prozedur wurde im Handumdrehen bewältigt – Ausstreuen von Sand auf den Decksplanken, Bereitstellen von Pützen mit Löschwasser und Vorbereiten der Eisenbecken mit glühender Kohle zum Zünden der Lunten.

Die Söhne des Seewolfs übernahmen es abschließend, das Viehzeug – so Carberrys liebevolle Bezeichnung für Wolfshündin, Schimpansen und Papagei – unter Deck zu bringen.

Mittlerweile zeichneten sich Einzelheiten deutlicher ab.

„Merkwürdig“, sagte der Seewolf, ohne das Spektiv abzusetzen. „Die Karavelle ist einwandfrei spanischer Bauart. Aber die Burschen an Deck sehen mir nicht wie Spanier aus.“

„Zumindest nicht wie spanische Soldaten“, entgegnete Ben Brighton.

„Und die Karavelle hat noch nicht mal einen spanischen Namen“, sagte Dan O’Flynn.

„Laß schon hören“, forderte Hasard, der aus den Augenwinkeln heraus bemerkte, daß es Dan nicht gefiel, sich mit seiner Sehschärfe aufzuspielen.

„Galway“, antwortete Dan.

Die vier Männer auf dem Achterdeck setzten die Spektive ab und sahen sich an. Sie brauchten sich nichts gegenseitig zu erklären. Galway war die größte Hafenstadt im Westen Irlands. Spanien und Portugal pflegten enge Handelsbeziehungen zu den Iren, und Galway war für die Dons traditioneller Bestimmungshafen und wichtigster Handelsstützpunkt.

Ein Dorn im Auge der königlichen Lissy. Aber die Wirksamkeit ihrer Kontrollmaßnahmen reichte eben nicht bis in jeden Winkel des wilden Irland. Niemand wußte genau, wie viele Spanier sich dort verkrochen hatten und unerkannt bei den Iren lebten. Das war damals geschehen, vor rund zehn Jahren, als die Armada besiegt worden war und ein Teil ihrer Schiffe auf dem Weg um Schottland und Irland geflohen war.

In den Stürmen des Atlantik waren viele der ohnehin stark angeschlagenen spanischen Galeonen gesunken oder gestrandet – so auch vor der irischen Westküste. Ungezählte Überlebende hatten die Gelegenheit genutzt, auf der grünen Insel unterzutauchen und ein neues Leben anzufangen. Denn kaum einer der einfachen Seeleute hatte nach dem Grauen der Niederlage ein Verlangen danach gehabt, jemals wieder in die Dienste der spanischen Seestreitmacht zu treten.

Und dieser Zweimaster, dessen Kapitän offenkundig auf eine Konfrontation scharf war, segelte unter spanischer Flagge – mit einem irischen Namen. Eine Seltenheit zumindest. Denkbar aber, daß die Dons das Schiff aus Höflichkeit gegenüber ihren offiziellen Handelspartnern nach der irischen Hafenstadt benannt hatten.

Die Karavelle leitete eine Wende ein.

Die Männer auf dem Achterdeck der Schebecke hatten Gelegenheit, den Zweimaster während seines Manövers von der Backbordseite zu studieren. Es war ein ungewöhnlich stark armiertes Schiff, gemessen an seiner Größe. Die Stückpforten waren geöffnet – acht quadratische Öffnungen in der Verschanzung, aus denen dunkle Bronzemäuler gähnten. Acht Rohre auf jeder Seite also.

„Sieht verdammt nach Vierundzwanzigpfündern aus“, sagte Ben Brighton.

Hasard nickte. „Dazu je sechs Drehbassen vorn und achtern. Ein gewaltiger Brocken.“

Die Männer schwiegen. Hasards Bemerkung bezog sich weniger auf das Registergewicht des Zweimasters als vielmehr auf Kampfkraft und Wendigkeit. Die Schebecke hatte praktisch keinerlei Vorteile, wenn eine Auseinandersetzung stattfinden sollte.

In acht Kabellängen Entfernung krängte die Karavelle unter Vollzeug, legte sich auf den Steuerbordbug und setzte zu einem Kreuzschlag nach Westnordwest an. Hasard und seine Gefährten wußten, daß der Kapitän der „Galway“ nicht etwa eine Änderung des Generalkurses beabsichtigte. In einigen Minuten würde er sich auf eine Position Backbord voraus begeben. Danach würde er versuchen, im laufenden Gefecht der Schebecke gründlich einzuheizen – immer vorausgesetzt, der Dreimaster blieb auf seinem Kurs.

In der Nähe spanisch-portugiesischer Gewässer würde ein Fremder aber kaum anfangen, große Töne zu spucken. Davon konnte jener Kapitän dort auf dem Achterdeck ausgehen.

Lichtreflexe blitzten zwischen Ruder und Heckbalustrade der Karavelle. Die Sonne ließ das Glas der Spektive funkeln.

Die Schiffsführungen beäugten sich gegenseitig.

Der Kommandant der Karavelle war ein stämmiger, nur mittelgroßer Mann, besonders auffällig an ihm war das flachsblonde Haar. Sein Rang ließ sich daran ablesen, daß die drei anderen auf dem Achterdeck respektvollen Abstand von ihm hielten. Er trug einen mächtigen Schnauzbart, der hell in der Sonne schimmerte. Seine Kleidung war derb, geradezu ungepflegt.

Die anderen Kerle sahen nicht besser aus.

„Das sind keine Spanier“, sagte Don Juan überzeugt.

Der Zweimaster nahm auf seinem neuen Kurs zügig Fahrt auf. Das schlanke Schiff, das wegen seiner Neigung nach Steuerbord einen Teil der Unterwasserbeplankung an Backbord zeigte, war hervorragend in Schuß. Keine Muscheln, keine Algen. Und die Segeleigenschaften waren erstrangig.

„An wen denkst du?“ wandte sich Dan O’Flynn an de Alcazar. „Schnapphähne, die sich eine spanische Karavelle unter den Nagel gerissen haben?“

Don Juan schüttelte den Kopf. „Ich glaube, wir haben es mit Iren zu tun.“

Hasard, Ben und auch Dan ließen die Spektive sinken und sahen den Spanier an.

Unterdessen entfernte sich die Karavelle zunehmend rascher nach Westnordwest.

„Wenn du recht hast“, sagte der Seewolf, „dürfen wir uns zu dieser Begegnung beglückwünschen.“

Er brauchte nichts hinzuzufügen. Mit den Iren war es eine besondere Sache. Die Arwenacks hatten da ihre einschlägigen Erfahrungen. Die Bewohner der grünen Insel waren eine Sorte für sich. In ihren Adern floß das Blut der keltischen Vorfahren und das der Wikinger, die vor ungefähr acht oder neun Jahrhunderten als Eroberer aufgekreuzt waren und sich auf Eire ausgebreitet hatten.

Hitzköpfig waren sie, diese Iren – starrsinnig, streitsüchtig und ohne jede Logik in ihrem Handeln, wenn ihr Blut erst einmal in Wallung geraten war. Andererseits sagte man ihnen einen übertriebenen Hang zur Melancholie nach – ebenso, wie sie alles andere als Kinder von Traurigkeit waren. Die Lieder, die sie sangen, waren wie sie selbst – ausgelassen und voller Fröhlichkeit, doch gleich darauf zu Tode betrübt.

Königin Elizabeth I. hatte die Iren als ein unregierbares Volk bezeichnet, wobei zu berücksichtigen war, daß die Iren allerdings nicht den geringsten Wert darauf legten, von Engländern regiert zu werden.

Noch wußten die Burschen dort drüben auf der Karavelle nicht, daß der Mittelmeerdreimaster von einer englischen Crew gefahren wurde. Wenn sie es herauskriegten, würden sie wahrscheinlich einen Brüllchor des Jähzorns anstimmen.

„Viele Iren stehen als Seefahrer in spanischen Diensten“, erklärte Don Juan. „Ich könnte mir vorstellen, daß unsere Freunde“, er deutete mit einer Kopfbewegung zu dem Zweimaster, „für Patrouillenfahrten zwischen Spanien und Irland zuständig sind.“

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