Kitabı oku: «Jenseits des schweigenden Sterns», sayfa 4

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Als er erwachte, fühlte er sich sehr erfrischt und schämte sich ein wenig seines Entsetzens am vergangenen Abend. Die Situation war zweifellos sehr ernst; so ernst, dass er die Möglichkeit, lebendig zur Erde zurückzukehren, beinahe ausschließen musste. Aber dem Tod konnte man ins Auge sehen, eine rationale Todesangst konnte gemeistert werden. Wirkliche Schwierigkeiten bereitete ihm das irrationale, das biologische Grauen vor Ungeheuern. Als er nach dem Frühstück in der Sonne lag, kämpfte er so gut es ging gegen dieses Grauen an und überwand es schließlich. Er hatte das Gefühl, dass jemand, der wie er durch die Himmel segelte, keine jämmerliche Angst vor irgendwelchen erdgebundenen Geschöpfen haben sollte. Ihm kam sogar der Gedanke, dass das Messer ebenso gut in fremdes Fleisch eindringen konnte wie in sein eigenes. Eine solch angriffslustige Stimmung war bei Ransom sehr selten. Wie viele Männer seines Alters schätzte er seinen Mut eher zu niedrig als zu hoch ein. Der Unterschied zwischen den Jugendträumen und seinen tatsächlichen Kriegserlebnissen war erschreckend gewesen und vielleicht hatte die Erkenntnis, dass er sich schlecht zum Helden eignete, das Pendel zu weit in die andere Richtung ausschlagen lassen. Er befürchtete, dass seine augenblickliche Entschlossenheit sich als kurzlebige Illusion erweisen könnte; aber er musste das Beste daraus machen.

Während Stunde um Stunde verging und in dem ewigen Tag Wachen auf Schlaf folgte, nahm er eine ganz allmähliche Veränderung wahr. Die Temperatur sank langsam. Sie zogen wieder Kleider an. Dann kam warme Unterwäsche hinzu. Schließlich wurde sogar die elektrische Heizung in der Schiffsmitte eingeschaltet. Und es wurde deutlich – obwohl das Phänomen schwer zu erfassen war –, dass die Intensität des Lichts weniger überwältigend war als zu Anfang der Reise. Der vergleichende Verstand konnte den Unterschied zwar feststellen, aber man empfand nicht, dass das Licht schwächer wurde, und ganz und gar unmöglich war es, sich das Geschehen als Dämmerung zu denken. Denn während die Intensität der Strahlung allmählich nachließ, blieb die unirdische Beschaffenheit des Lichts unverändert so wie zu Anfang. Der Vorgang war nicht, wie das Verblassen des Tageslichts auf der Erde, mit zunehmender Luftfeuchtigkeit und Farbenspielen verbunden. Man konnte die Intensität dieses Lichts halbieren, dachte Ransom, und die verbleibende Hälfte blieb dennoch genau das, was das Ganze gewesen war – weniger, aber nicht anders. Halbierte man die Lichtmenge abermals, so wäre der Rest immer noch dasselbe. Solange dieses Licht existierte, würde es seine Eigenheit bewahren – selbst noch in jener unvorstellbaren Ferne, wo es mit letzter Kraft hingelangte. Er versuchte, Devine diese Gedanken zu erklären.

»Wie echte Markenseife, oder?« Devine grinste. »Qualität bis zur letzten Schaumblase.«

Nicht lange danach traten kleine Störungen in dem gleichmäßigen Ablauf ihres Lebens an Bord auf. Weston erklärte, dies seien die ersten, noch schwachen Auswirkungen der Anziehungskraft Malakandras.

»Das bedeutet«, sagte er, »dass wir bald den Schiffsmittelpunkt nicht mehr als unten empfinden. Unten wird die Richtung sein, in der sich Malakandra befindet – von unserem Standpunkt aus also unter dem Kontrollraum. Infolgedessen werden die Böden der meisten Kabinen zu Wänden oder Decken und eine der Wände zum Boden. Es wird euch nicht gefallen.«

Für Ransom bedeutete diese Ankündigung Stunden schwerer Arbeit, die er Schulter an Schulter bald mit Devine, bald mit Weston verrichtete, je nachdem, wer gerade keine Wache im Kontrollraum hatte. Wassertanks, Sauerstoffzylinder, Waffen, Munition und Nahrungsmittel mussten auf dem Boden und an den richtigen Wänden entlang so aufgestapelt und auf die Seite gelegt werden, dass sie aufrecht stehen würden, sobald die neuen Schwereverhältnisse sich auswirkten. Lange bevor sie mit dieser Arbeit fertig waren, machten sich störende Empfindungen bemerkbar. Anfangs glaubte Ransom, die ungewohnte Arbeit selbst mache seine Glieder so schwer. Aber Ruhepausen brachten keine Erleichterung und man erklärte ihm, dass ihre Körper durch die Anziehungskraft des Planeten, in dessen Schwerefeld sie jetzt eingedrungen waren, tatsächlich mit jeder Minute an Gewicht zunähmen und alle vierundzwanzig Stunden ihr Gewicht verdoppelten. Sie machten ähnliche Erfahrungen wie eine schwangere Frau, allerdings beinahe bis zur Unerträglichkeit beschleunigt und gesteigert.

Gleichzeitig geriet ihr Orientierungssinn – auf den in dem Raumschiff nie sehr großer Verlass gewesen war – ständig durcheinander. Bisher hatte jeder Raum an Bord, von einem anderen aus gesehen, abschüssig gewirkt, sich aber beim Betreten als eben erwiesen. Jetzt sah er nicht nur abschüssig aus, sondern war es auch ein bisschen, ein ganz kleines bisschen. Man ging unwillkürlich schneller, wenn man hineinging. Ein auf den Boden des Tagesraums geworfenes Kissen bewegte sich innerhalb einiger Stunden von selbst zur Wand. Sie litten alle unter Übelkeit, Kopfschmerzen und Herzklopfen. Von Stunde zu Stunde wurde es schlimmer. Bald konnte man nur noch auf allen vieren von einer Kabine in die andere kriechen. Jegliches Orientierungsgefühl löste sich in einem Übelkeit erregenden Über- und Untereinander auf. Teile des Schiffs waren eindeutig unten in dem Sinne, dass ihre Fußböden oben waren und nur eine Fliege darüber hätte laufen können; aber kein Teil erschien Ransom als eindeutig gerade oder an seinem richtigen Platz. Abwechselnd hatte man das Gefühl, sich in schwindelnder Höhe zu befinden oder abzustürzen – Gefühle, die es im Weltraum einfach nicht gab. Das Kochen hatten sie längst aufgegeben. Jeder nahm sich zu essen, so gut es ging, aber das Trinken bereitete große Schwierigkeiten; man wusste nie genau, ob man den Mund unter oder neben den Flaschenhals hielt. Weston wurde mürrischer und schweigsamer denn je. Devine, stets eine Flasche Schnaps in der Hand, warf mit Blasphemien und Obszönitäten um sich und verfluchte Weston, weil er sie hierher gebracht hatte. Ransoms ganzer Körper schmerzte, er leckte sich die trockenen Lippen, strich über seine wundgestoßenen Glieder und betete zu Gott, dass es bald ein Ende haben möge.

Schließlich war eine Seite der Kugel unverkennbar unten. Die festgeschraubten Betten und Tische hingen nutzlos und lächerlich an Wänden oder Decken. Türen wurden zu Falltüren, die sich nur mit Mühe öffnen ließen. Ihre Körper schienen schwer wie Blei. Es gab nun nichts mehr zu tun, nachdem Devine die Kleider – die Kleider für Malakandra – ausgepackt hatte und an der Rückwand des Salons kauerte und das Thermometer beobachtete. Ransom fiel auf, dass sich unter den Sachen auch dicke wollene Unterwäsche, Westen aus Schaffell, Pelzhandschuhe und Mützen mit Ohrenklappen befanden. Devine antwortete nicht auf seine Fragen; er war vollauf damit beschäftigt, das Thermometer abzulesen und zu Weston in den Kontrollraum hinunterzubrüllen.

»Langsamer, langsamer!«, schrie er immer wieder. »Langsamer, du verdammter Narr. In ein oder zwei Minuten sind wir in der Atmosphäre.« Dann scharf und zornig: »He! Lass mich mal ran!«

Weston antwortete nicht. Es war nicht Devines Art, ungefragt Ratschläge zu erteilen. Ransom schloss daraus, dass er vor Angst oder vor Aufregung wie von Sinnen sein musste.

Plötzlich schienen die Lichter des Universums zu erlöschen. Als ob ein Dämon mit einem schmutzigen Schwamm über das Antlitz des Himmels gefahren wäre, verblasste die strahlende Herrlichkeit, in der sie so lange gelebt hatten, zu einem blassen, trostlosen, erbärmlichen Grau. Von der Stelle aus, wo sie kauerten, war es unmöglich, die Stahlschieber zu öffnen oder die schwere Blende zurückzuschieben. Die schwerelos durch die Himmelsgefilde schwebende Gondel war zu einem dunklen Stahlbehälter geworden, der durch einen Fensterschlitz nur trübe erhellt wurde und aus dem Himmel auf eine fremde Welt niederstürzte. Keines von all seinen Erlebnissen prägte sich so tief in Ransoms Bewusstsein ein wie dieses. Er fragte sich, wie er die Planeten und auch die Erde jemals als schwebende Inseln von Leben und Wirklichkeit inmitten einer tödlichen Leere hatte betrachten können. Denn mit einer Gewissheit, die auch später nie von ihm wich, sah er die Planeten – die Erden, wie er sie in seinen Gedanken nannte – als bloße Löcher oder Lücken im lebendigen Himmel, ausgeschlossene, ausgestoßene Einöden aus schwerer Materie und trüber Luft, entstanden nicht durch einen Zuwachs an Licht, sondern durch die Verringerung der strahlenden Helligkeit um sie herum. Und doch endet jenseits des Sonnensystems die Helligkeit, dachte er. Ist das die wahre Leere, der wahre Tod?

Es sei denn … er versuchte, den Gedanken zu fassen … es sei denn, auch das sichtbare Licht wäre ein Loch oder eine Lücke, eine bloße Verringerung von etwas anderem. Etwas, das sich zum unwandelbaren Glanz des Himmels verhielt wie der Himmel zu den dunklen, schweren Erden …

Vieles kommt anders, als man denkt: Im Augenblick seiner Ankunft auf einer unbekannten Welt war Ransom tief versunken in eine philosophische Betrachtung.

7 _______

»He, was ist? Schläfst du?«, fragte Devine. »Oder lassen dich neue Planeten inzwischen kalt?«

»Kannst du was sehen?«, unterbrach Weston.

»Ich bring die Schieber nicht auf, die verdammten Dinger«, erwiderte Devine. »Am besten gehen wir gleich zur Einstiegsluke.«

Ransom erwachte aus seiner Grübelei. Die beiden anderen arbeiteten neben ihm im Halbdunkel. Ihn fror und sein Körper, obwohl in Wirklichkeit viel leichter als auf der Erde, fühlte sich immer noch unerträglich schwer an. Dann wurde ihm mit einem Schlag seine Situation wieder bewusst; er verspürte Angst, aber noch mehr Neugierde. Vielleicht erwartete ihn der Tod, doch auf was für einem Schafott! Schon kam von draußen kalte Luft herein und Licht. Ungeduldig reckte er den Hals, um zwischen den arbeitenden Schultern der beiden Männer einen kurzen Blick hinauszuwerfen. Einen Moment später war auch die letzte Schraube gelöst. Er sah durch den Ausstieg ins Freie.

Natürlich konnte er nur den Boden sehen – einen blassrosa, fast weißen Kreis. Ob dies sehr dichter, niedriger Pflanzenwuchs, rissiger, rauer Fels oder Erdboden war, konnte er nicht erkennen. Im nächsten Augenblick füllte Devines dunkle Gestalt die Öffnung und Ransom bemerkte, dass er einen Revolver in der Hand hatte. »Für mich oder für die Sorne oder für beide?«, fragte er sich.

»Jetzt Sie!«, sagte Weston barsch.

Ransom holte tief Atem und tastete mit der Hand nach dem Messer in seinem Gürtel. Dann zwängte er Kopf und Schultern durch den Ausstieg und seine Hände berührten den Boden von Malakandra. Das rosa Zeug war weich und ein wenig elastisch, wie Kautschuk: eindeutig Vegetation. Dann blickte er auf und sah einen blassblauen Himmel – wie ein schöner Wintermorgenhimmel auf der Erde – und weiter unten eine riesige, wogende, rosafarbene Masse, die er für eine Wolke hielt, und dann …

»Los, raus«, sagte Weston hinter ihm.

Er kroch ganz hinaus und stand auf. Die Luft war kalt, aber nicht unangenehm und kratzte ein wenig im Hals. Er sah sich um, wollte unbedingt die neue Welt mit einem Blick in sich aufnehmen, musste sich jedoch geschlagen geben. Er sah nichts als Farben – Farben, die nicht die Form von Dingen annehmen wollten. Er kannte ja noch nichts gut genug, um es zu sehen, denn man kann Dinge erst sehen, wenn man eine ungefähre Vorstellung von ihnen hat. Sein erster Eindruck war der einer hellen, blassen Welt – einer Wasserfarbenwelt aus dem Malkasten eines Kindes; später erkannte er, dass der schmale, hellblaue Streifen eine Wasserfläche war oder jedenfalls etwas Wasserähnliches, das fast bis an seine Füße reichte. Sie waren am Ufer eines Sees oder Flusses.

»Nun denn«, sagte Weston, als er an ihm vorbeiging. Ransom wandte sich um und sah zu seiner Überraschung ganz

in der Nähe ein durchaus erkennbares Objekt – eine Hütte von eindeutig irdischer Form, aber aus unbekanntem Material.

»Es sind Menschen!«, stieß er hervor. »Und sie bauen

Häuser?«

»Nein, wir«, sagte Devine. »Falsch geraten.« Damit zog er einen Schlüssel aus der Tasche und machte sich daran, ein gewöhnliches Vorhängeschloss an der Hüttentür aufzuschließen. Mit einem vagen Gefühl von Enttäuschung und Erleichterung zugleich wurde Ransom klar, dass seine Entführer nur zu ihrem eigenen Lager zurückkehrten. Sie benahmen sich genau so, wie man es in einem solchen Fall erwartet. Sie gingen in die Hütte, nahmen die Läden von den Fensteröffnungen, schnüffelten die abgestandene Luft, wunderten sich, dass sie alles so schmutzig hinterlassen hatten, und kamen bald wieder heraus.

»Kümmern wir uns um die Vorräte«, sagte Weston.

Ransom merkte bald, dass er nur wenig Zeit für Beobachtungen und keinerlei Gelegenheit zur Flucht hatte. Die monotone Arbeit des Umladens von Nahrungsmitteln, Kleidern, Waffen und zahlreichen Kisten und Ballen unbekannten Inhalts vom Schiff zur Hütte beschäftigte ihn während der nächsten Stunde und hielt ihn in enger Fühlung mit seinen Entführern. Doch eines konnte er bereits feststellen. Als Allererstes machte er die Erfahrung, dass Malakandra schön war; und er fand es seltsam, dass diese Möglichkeit in seinen Überlegungen nie vorgekommen war. Dieselbe eigentümliche Neigung seiner Fantasie, die ihn dazu gebracht hatte, das Universum mit Ungeheuern zu bevölkern, hatte ihn wohl auch gelehrt, auf einem fremden Planeten nichts als felsige Einöde oder aber ein Netz von albtraumhaften Maschinen zu erwarten. Selbst als er jetzt darüber nachdachte, wusste er nicht, warum das so war. Er entdeckte auch, dass das blaue Wasser sie auf mindestens drei Seiten umgab. Auf der vierten Seite versperrte der riesige stählerne Fußball, mit dem sie gekommen waren, den Ausblick. Die Hütte musste am Ende einer Halbinsel oder Insel stehen. Nach und nach kam er zu dem Schluss, dass das Wasser nicht wie irdisches Wasser nur bei bestimmten Lichtverhältnissen blau schimmerte, sondern dass es wirklich blau war. Etwas am Verhalten des Wassers bei der sanften Brise schien nicht zu stimmen – die Wellen kamen ihm falsch oder unnatürlich vor. Sie waren für einen so leichten Wind zu hoch, doch das war nicht alles. Sie erinnerten ihn an Bilder von Seeschlachten, auf denen das Wasser beim Aufschlag von Granaten steil emporschoss. Dann wurde es ihm plötzlich klar: Sie hatten die falsche Form, sie waren verzogen, viel zu hoch für ihre Länge, zu schmal an der Basis, zu steil an den Seiten. Er musste an eine Wendung denken, die er bei einem jener modernen Dichter gelesen hatte über die stürmische See, die sich in »betürmten Mauern« erhob.

»Fang!«, rief Devine. Ransom fing das Paket auf und warf es Weston zu, der im Hütteneingang stand.

Auf der einen Seite erstreckte das Wasser sich über eine weite Fläche – etwa eine viertel Meile, dachte er, aber es war noch schwierig, in dieser fremden Welt Entfernungen abzuschätzen. Auf der anderen Seite war es viel schmaler, nicht breiter als vielleicht fünfzehn Fuß, und schien über eine Furt zu fließen – bewegtes, wirbelndes Wasser, das weichere und zischendere Geräusche machte als das Wasser auf der Erde; und da, wo es das diesseitige Ufer bespülte – die rosig weiße Vegetation wuchs bis an den Rand –, sprühte und sprudelte es wie Kohlensäure. Soweit die Arbeit es zuließ, versuchte er mit schnellen Seitenblicken zu erkennen, was sich am anderen Ufer befand. Als Erstes sah er eine mächtige purpurne Masse, die so hoch aufragte, dass er sie für einen mit Heidekraut bedeckten Berg hielt. Auf der anderen Seite, über der größeren Wasserfläche, befand sich etwas Ähnliches. Aber dort konnte er darüber hinwegsehen. Dahinter ragten seltsame aufrechte Formen von weißlich grüner Farbe empor, zu zerklüftet und unregelmäßig für Gebäude, zu schmal und steil für Berge. Hinter und über diesen hing wieder die rosafarbene, wolkenähnliche Masse. Vielleicht war es wirklich eine Wolke, doch sie schien sehr fest zu sein und sich auch nicht bewegt zu haben, seit er sie von der Einstiegsluke aus zum ersten Mal gesehen hatte. Sie sah aus wie der Kopf eines gigantischen roten Blumenkohls – oder wie eine riesige Schale mit rotem Seifenschaum –, und sowohl Farbe wie Form waren außerordentlich schön.

Verwirrt wandte er seine Aufmerksamkeit nun dem näher gelegenen Ufer auf der anderen Seite der Furt zu. Zuerst sah die purpurne Masse dort drüben aus wie ein Bündel Orgelpfeifen, dann wie ein Stapel hochkant stehender Tuchrollen und schließlich wie ein Wald aus riesigen, nach außen gestülpten Regenschirmen. Das Ganze bewegte sich leise hin und her. Dann wusste er auf einmal, was er dort sah: Das purpurne Zeug war Vegetation, genauer gesagt eine Art Gemüse, ungefähr doppelt so hoch wie englische Ulmen, aber anscheinend weich und zart. Die Stängel – Stämme konnte man sie kaum nennen – erhoben sich rund, glatt und erstaunlich dünn etwa vierzig Fuß hoch; darüber entfalteten die gewaltigen Pflanzen büschelartige Kronen, nicht aus Ästen, sondern aus Blättern – Blättern, die so groß wie Rettungsboote aber nahezu durchsichtig waren. So in etwa stellte er sich einen Wald unter Wasser vor: Die ebenso hohen wie schwachen Pflanzen wirkten so, als benötigten sie Wasser, um sie zu stützen, und er wunderte sich, dass sie sich in der Luft aufrecht halten konnten. Weiter unten zwischen den Stängeln bestimmte leuchtend purpurnes, mit blasserem Sonnenlicht gesprenkeltes Zwielicht das Bild des Waldesinneren.

»Zeit zum Mittagessen«, sagte Devine plötzlich. Ransom reckte sich. Trotz der kalten, dünnen Luft war seine Stirn feucht. Sie hatten hart gearbeitet und er war außer Atem. Weston erschien an der Hüttentür und murmelte etwas wie: »Erst alles fertig machen.« Doch Devine beachtete ihn nicht. Er holte eine Dose Rindfleisch und etwas Zwieback hervor und die Männer setzten sich auf verschiedene Kisten, die noch immer überall zwischen dem Raumschiff und der Hütte verstreut standen. Ein wenig Whisky wurde – wieder auf Devines Vorschlag und gegen Westons Rat – in die Blechtassen gegossen und mit Wasser vermischt; Ransom stellte fest, dass sie das Wasser ihren eigenen Wassertanks und nicht dem blauen See entnahmen.

Wie es oft der Fall ist, merkte Ransom erst, als er ruhig dasaß, in welcher Erregung er seit der Landung gearbeitet hatte. Etwas zu essen schien ihm fast unmöglich. Da er jedoch die Hoffnung auf Flucht und Freiheit nicht aufgegeben hatte, zwang er sich, viel mehr als gewöhnlich zu essen, und dabei kehrte sein Appetit zurück. Er aß und trank, was er bekommen konnte, und der Geschmack dieser ersten Mahlzeit verband sich in seinem Kopf für alle Zeit mit der ersten unirdischen Fremdartigkeit (die er später nie wieder so stark empfand) der hellen, stillen, funkelnden, rätselhaften Landschaft mit ihren nadelförmigen, tausenden von Fuß hohen, blassgrünen Gebilden, ihren Flächen aus leuchtend blauem Sodawasser und Feldern aus rosarotem Seifenschaum. Er war ein wenig besorgt, seine Gefährten könnten bemerken, wie er auf einmal ganz gegen seine Gewohnheit zuschlug, und Verdacht schöpfen; aber ihre Aufmerksamkeit war anderweitig in Anspruch genommen. Ihre Blicke suchten unaufhörlich die Landschaft ab; wenn sie sprachen, schienen sie zerstreut, sie wechselten häufig die Stellung und sahen sich immerfort um. Ransom wollte gerade seine ausgedehnte Mahlzeit beenden, als er sah, dass Devine plötzlich wie ein Vorstehhund erstarrte und seine Hand wortlos auf Westons Schulter legte. Beide nickten. Sie erhoben sich. Ransom stürzte den Rest seines Whiskys hinunter, dann erhob auch er sich. Er stand zwischen seinen Entführern. Beide hatten ihre Revolver gezogen. Sie drängten ihn ans Ufer der Furt, blickten hinüber und zeigten auf etwas.

Zuerst konnte er nicht genau sehen, worauf sie zeigten. Zwischen den purpurnen Pflanzen schien es andere zu geben, blassere und schmächtigere, die ihm zuvor nicht aufgefallen waren. Doch er beachtete sie kaum, denn seine Augen suchten den Boden ab – so besessen war er von seiner Furcht vor den der modernen Fantasie entsprungenen Reptilien und Insekten. Erst die Spiegelungen im Wasser lenkten seinen Blick wieder auf die neuen weißen Objekte: lange, streifige, weiße Spiegelungen, reglos im strömenden Wasser – vier oder fünf, nein sechs. Er blickte auf. Am anderen Ufer standen tatsächlich sechs weiße Gestalten. Spindeldürre und zerbrechliche Dinger, zwei- oder dreimal so groß wie ein Mensch. Sein erster Gedanke war, dass sie Abbilder von Menschen wären, das Werk eingeborener Künstler. Er hatte dergleichen schon in Archäologiebüchern gesehen. Aber woraus konnten sie sein und wie konnten sie stehen? Mit ihren grotesk dünnen und langen Beinen, ihren oberlastigen und massigen Oberkörpern, diese stelzenbeinigen, biegsamen Karikaturen irdischer Zweibeiner … es war Ransom, als blicke er in einen Zerrspiegel. Und sie waren ganz gewiss nicht aus Stein oder Metall, denn als er genauer hinsah, schienen sie ein wenig zu schwanken. Und mit einem Schock, der das Blut aus seinen Wangen trieb, sah er, dass sie lebendig waren, dass sie sich bewegten und auf ihn zukamen. Er warf einen flüchtigen, angstvollen Blick in ihre dünnen und unnatürlich langen Gesichter mit langen, hängenden Nasen, schlaffen Mündern und einem Ausdruck halb geisterhafter, halb idiotischer Feierlichkeit. Dann wandte er sich in einer jähen Aufwallung von Panik zur Flucht, doch Devine packte ihn und hielt ihn fest.

»Lass mich los«, schrie er.

»Sei kein Narr!«, zischte Devine und zeigte ihm die Mündung seines Revolvers. Dann, während sie noch miteinander rangen, schickte eines der Wesen seine Stimme über das Wasser zu ihnen: eine gewaltige, trompetende Stimme hoch über ihren Köpfen.

»Sie wollen, dass wir rüberkommen«, sagte Weston.

Die beiden Männer stießen ihn zum Wasser. Er stemmte seine Füße gegen den Boden, krümmte den Rücken und widersetzte sich wie ein störrischer Esel. Dann waren die beiden anderen im Wasser und versuchten, ihn vom festen Boden hineinzuziehen. Er merkte, dass er schrie. Plötzlich brachen die Wesen am anderen Ufer in ein viel lauteres und weniger artikuliertes Geschrei aus. Auch Weston brüllte, ließ Ransom los und feuerte unvermittelt seinen Revolver ab, nicht über das Wasser, sondern hinein. Im gleichen Augenblick sah Ransom, warum er es tat.

Eine Schaumlinie wie die Spur eines Torpedos jagte auf sie zu, an ihrer Spitze irgendein großes, glänzendes Tier. Devine stieß einen schrillen Fluch aus, glitt aus und fiel ins seichte Wasser. Zwischen ihm und sich selbst sah Ransom einen offenen Rachen und immer wieder hörte er neben sich das ohrenbetäubende Krachen von Westons Revolver und, beinahe ebenso laut, das Gezeter der Ungeheuer am anderen Ufer, die nun anscheinend ebenfalls ins Wasser waten wollten. Er brauchte nicht lange zu überlegen. Kaum hatten Devine und Weston ihn losgelassen, als er auch schon hinter dem Rücken seiner Bewacher davonrannte, vorbei an dem Raumschiff und weiter, so schnell seine Beine ihn trugen, hinein in das völlig Unbekannte. Als er auf die andere Seite der Metallkugel kam, sah er ein wirres Durcheinander von Blau, Purpur und Rot vor sich, aber er verlangsamte seinen Lauf auch nicht für einen einzigen flüchtigen Blick. Er platschte durch Wasser und schrie auf, nicht vor Schmerz, sondern vor Überraschung, weil das Wasser warm war. Nach weniger als einer Minute kletterte er wieder auf trockenen Boden und stürmte eine steile Böschung hinauf. Dann lief er durch purpurnen Schatten zwischen den Stängeln eines anderen Waldes jener riesigen Pflanzen hindurch.

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
251 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9783865064288
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