Kitabı oku: «Mord in Key West»
Mord in Key West
von C.S. Poe
Impressum:
© dead soft verlag, Mettingen 2020
© the author
Titel der Originalausgabe: Southernmost Murder
© der Übersetzung: C.S. Poe
Cover: Irene Repp
Bildrechte:
© Denis Tabler – shutterstock.com
© Kiselev Andrey Valerevich – shutterstock.com
© alexkich – stock.adobe.com
1. Auflage
ISBN 978-3-96089-412-4
ISBN 978-3-96089-413-1 (epub)
Inhalt:
Aubrey Grant lebt im Stadtviertel Old Town des tropischen Paradieses Key West, hat ein hübsches Häuschen, eine schnuckelige Vespa und die großartige berufliche Aufgabe, das denkmalgeschützte Anwesen eines ehemaligen Kapitäns zu verwalten. Beim Besuch seines angehenden Freundes, dem erfolgreichen FBI-Agenten Jun Tanaka, der sich bei ihm etwas Erholung gönnen möchte, kann selbst Aubreys Narkolepsie die Vorfreude auf ihre Ferienpläne nicht trüben.
Doch dann macht ihnen ein Skelett in einem Schrank einen Strich durch die Rechnung. Obwohl Aubrey und Jun sich vorgenommen hatten, die gemeinsame Zeit zu genießen, führt sie die Identität des Skeletts zu einem über hundert Jahre alten Geheimnis. Sie entdecken die Geschichte eines Piratenkönigs und seines verloren geglaubten Schatzes sowie einen Mörder der Gegenwart, der vor nichts haltmacht, um die verborgenen Reichtümer aufzuspüren.
Für Trish.
Danke für alles, was ihr tut.
Anmerkung des Autors:
Mord in Key West spielt zwischen Band 2 und 3 der Snow & Winter Serie, kann aber eigenständig gelesen werden.
Kapitel 1
HÄUFIG SAGTEN mir Leute: „Mr Aubrey Grant, was leben Sie nur für ein seltsames Leben.“
Wobei es sich um eine recht treffende Einschätzung handelte.
Einmal wurde ich von einer wütenden Ex-Frau (nicht meiner, wohlgemerkt) mit einem geladenen Elefantengewehr bedroht – lange Geschichte. Ich habe einem Clown einen Faustschlag ins Gesicht verpasst – längere Geschichte. Und für sehr kurze Zeit war ich Teil einer Messerwerfer-Nummer bei einem Wanderzirkus – was nicht mit dem Clown zusammenhängt. Jedenfalls hatte ich in meinen achtunddreißig Jahren genug erlebt, um nicht allzu schockiert darüber zu sein, was mich manchmal hinter der nächsten Ecke erwartete.
Abgesehen von Leichen.
Ich kann voller Überzeugung sagen, dass ich niemals damit gerechnet hätte und ebenso wenig darauf vorbereitet war, auf sehr tote Menschen zu stoßen.
Und nicht etwa beerdigungstot.
Ich meine Skelett-im-Schrank-tot.
Also ein echtes Skelett.
Ich stützte mich an meinem Platz auf dem Boden, auf dem ich nach Schreien und Stolpern gelandet war, auf die Ellbogen. Und starrte durch die offene Tür.
Er … sie? Unser seliger Verstorbener hing vornübergebeugt aus der Lücke, wo ich soeben eine verborgene Nische in der Wand entdeckt hatte, obwohl ich das denkmalgeschützte Anwesen bereits seit zwei Jahren verwaltete. Und das auch nur, weil ich endlich damit begonnen hatte, die für die entsprechende Zeit unpassende Tapete zu entfernen.
Ich schluckte einige Male und bemühte mich, meine Atmung unter Kontrolle zu bringen, um nicht zu hyperventilieren. Da sich mein ganzer Körper schwach anfühlte, ließ ich mich wieder zu Boden sinken und starrte an die Decke. Verdammte Kataplexie. Unfreiwilliger Verlust der Kontrolle über meine Muskeln war eines der Symptome meiner Narkolepsie. Normalerweise passierte es, wenn ich viel lachte, aber manchmal … Tja, beinahe zu Tode erschreckt zu werden, konnte ebenfalls ein Auslöser sein.
Nach meinem Schrei war das Haus unheimlich still. Im Innern schienen sich keine Besucher zu befinden. Etwas ungewöhnlich für März – den Höhepunkt der Touristensaison –, jedoch war es auch erst kurz nach acht Uhr morgens. Auch der Touristenführer im unteren Stockwerk reagierte nicht, obwohl ich sicher laut genug geschrien hatte, um das eine oder andere Fenster zum Beben zu bringen. Verdammter Herbert. Vermutlich schlief er auf einem der Schaukelstühle auf der Veranda.
Ich warf einen Blick auf den Wandschrank.
Skelli hatte keine Meinung zur Situation.
Okay, alles ist in Ordnung. Es ist nur ein toter Typ. Oder eine Typin. Oder – ach ist doch auch egal.
Ich kämpfte mich auf die Füße und sammelte mich einen Moment, bevor ich mich dem Schrank näherte. Staub – in mehr als hundert Jahren angesammelt – tanzte im Morgenlicht umher, nach langer Zeit von mir aufgewirbelt, als ich den verborgenen Riegel für die geheime Nische in der Wand entdeckt hatte. Ich hustete und wedelte ihn mit der Hand fort.
Es war unglaublich. Im Smith-Family-Historical-Home in Old Town auf Key West war ein Skelett versteckt. Hier unten waren wir für unsere Schwulenparade bekannt, für unseren aus den echten Limetten der Florida Keys hergestellten Limettenkuchen und für eine Obrigkeit, die beim öffentlichen Konsumieren von Alkohol auf der Duval Street ein Auge zudrückte. Nicht für … was auch immer das war! Ich meine – verdammt. Wer war das? Wie war er gestorben? Wann war er gestorben? Warum war er in meiner verfluchten Wand?
Die letzten zwei Monate hatte ich mit einem gründlichen Instandsetzungsprojekt verbracht, zu dem auch die Überprüfung der Wände gehörte, für die ich eine spezielle Farbe kreieren wollte, die dem Originalfarbton von 1853 entsprach – dem Jahr, welches das Haus widerspiegeln sollte. Die nicht zum Rest passende Tapete im Wandschrank, so antik und wunderschön sie auch war, ging da aus historischer Sicht gar nicht. Da es auch keine Aufzeichnungen darüber gab, wer sie dort angebracht hatte, musste sie leider raus. Und offenbar war so etwas bei mir vorprogrammiert: Da spielte ich den Heimwerker, um meinen inneren Historiker zu befriedigen und wurde für die Mühe mit einem toten Typ belohnt.
Wie gesagt, ich nahm mein Los im Leben normalerweise ohne großes Gemecker und mit einer gesunden Portion Humor hin. Aber tote Dinge? So was von gar nicht mein bevorzugtes Gebiet. Schon ein überfahrenes Tier am Straßenrand setzte mir zu. In derartiges Zeug geriet eigentlich eher mein Kumpel mit dem Antiquitätengeschäft in New York, nicht ich. Ich machte keinen Unfug und schnüffelte in nichts herum, was mit toten Menschen zu tun hatte. Daher begrüßte ich es nicht, dass dieser tote Typ in mein Leben geplatzt war.
„Also gut“, sagte ich. „Ich muss … jemanden anrufen. Zum Beispiel … wahrscheinlich die Polizei. Guter Anfang.“
Okay.
Ich drehte mich auf dem Absatz um und eilte wie der Blitz die Treppe hinab.
Ich überprüfte mit einem kurzen Rundgang durch den ersten Stock und das Erdgeschoss, ob das Haus wirklich leer war und stürzte auf die Veranda hinaus. Ich zog die schwere Massivholztür hinter mir zu und schloss auch die zweite, die zum Schutz vor Stürmen diente. Ich ging in die Hocke, um sie sicher zu befestigen.
„Aubs?“, fragte Herb von seinem Stuhl.
Als ich einen Seitenblick auf ihn warf, sah ich, wie er sich den Schlaf aus den Augen blinzelte. Er war in Altersteilzeit und arbeitete halbtags als Fremdenführer, weil, um ihn zu zitieren, „mir langweilig ist und ich nichts Besseres zu tun habe, als rumzusitzen und auf den Tod zu warten.“ Ich erhob mich und steckte den Schlüsselbund des Hauses in die Tasche. „Im Wandschrank in der zweiten Etage ist ein Skelett.“
Herb spitzte die Lippen, rieb sich über den dicken, geraden Schnurrbart und sagte: „Okay.“
Ich neigte den Kopf zur Seite. „Wie bitte?“
Er wedelte träge mit der Hand. „Ich weiß ja, dass du heute früher gehen musst, aber wenn du schon eine halbe Stunde nach dem Öffnen schließt, warum habe ich dann überhaupt meinen alten Hintern herbemüht?“
Kurz starrte ich ihn ungläubig an. „Herb In meiner Abstellkammer ist ein toter Typ!“
Er lehnte sich wieder auf seinem Stuhl zurück. „Hast du getrunken, Aubs?“
„Nein“, schrie ich, vielleicht etwas lauter als nötig.
„Du bist ja angespannter als ein Flitzebogen. Gut, dass dieser Mann von dir heute landet. Wirklich, wir sagen das schon den ganzen Monat: Du brauchst Urlaub.“
Mit dem Gefühl, kurz vor einem Schlaganfall zu stehen, hob ich die Hände. Denn auch wenn ich Herb mochte, würde ich ihn gleich erwürgen. „Das Haus ist jetzt geschlossen. Ich muss telefonieren.“
„Mhm.“ Er schloss die Augen und schaukelte mit seinem Stuhl.
Ich sprang die Verandastufen hinunter und rannte durch den Garten. Dieser Mittwoch war tropenparadiesperfekt. Mit dem zu einem Strandbesuch einladenden Sonnenschein, der milden Brise und der bunten Schönheit der Blumen, die alle in voller Blüte standen, war es beinahe möglich, den im Schrank herumhängenden Skelli zu vergessen, der sich dort mit den billigen Reinigungsmitteln anfreundete.
Beinahe.
Ein Schauer aus Ih, Igitt, Brr und Oh mein Gott lief mir über den Rücken und ich rannte etwas schneller auf das Gebäude zu, das uns als Kasse und Souvenirladen diente. Durch die Hintertür trat ich ein und bewegte mich durch die chaotischen Korridore, die ausschließlich aus Lagerbestand errichtet worden waren, weil Adam Love, der sich um den Laden kümmerte, entweder nicht in der Lage oder nicht gewillt war, jemals etwas wegzuräumen.
„Heute keine Eintrittskarten“, rief ich in den Verkaufsraum stürzend.
Adam wandte sich überrascht von der Kasse ab und sah mich an. Er war ein gewaltiger Kerl. Wie ein Football-Spieler. Ein echter Elefant im Porzellanladen, dem man jedoch zugestehen musste, dass er bisher niemals etwas von den kitschigen Kleinigkeiten in den Regalen zerbrochen hatte. Er war der neueste Mitarbeiter, seit etwa vier Monaten dabei. Und jung – vermutlich höchstens fünfundzwanzig. Der Junge war auf die Keys gekommen, um ein Abenteuer zu beginnen. Ob er den Verkauf von Fünfzehn-Dollar-Eintrittskarten für ein altes Haus als besonders aufregend betrachtete, konnte ich nicht beurteilen, aber na ja – man muss nehmen, was man kriegt.
„Warum nicht?“, fragte er.
„Ich habe ein … Lange Geschichte. Aber keine Besucher für das Haus, in Ordnung? Nur Gartenführungen.“
„In Ordnung“, sagte er langsam.
Ich begab mich in den chaotischen hinteren Teil und zu der Nische, die mir als Büro diente. Die um meinen Schreibtisch herum errichteten Wände bestanden lediglich aus Kartons mit Weihnachtsdekoration, altem Lagerbestand, für den nirgendwo Platz war und verschiedenen Antiquitäten, die ins Wohnhaus kamen und gingen. Ich ließ mich auf meinem Stuhl nieder, atmete noch einige Male tief durch und hob den Hörer des Festnetztelefons ab. Um einen Fall für den Notruf schien es sich nicht zu handeln. Skelli sah eindeutig so aus, als hätte er sich schon eine Weile dort befunden. Wäre er das nicht gewesen, hätten wir alle eine verwesende Leiche gerochen.
Hinter der Wand meiner Wohnung damals in New York City hatte ich einmal ein totes Opossum gehabt. Was zum Teufel ein Opossum in Brooklyn vorhatte, ganz zu schweigen in der Wand meiner Wohnung, war mir ein Rätsel. Doch es hatte gestunken und der Hausmeister hatte die Gipskartonwand einreißen müssen, um es herauszufischen. Also ja, Skelli war Schnee von gestern. Unangenehmer Schnee, um den sich umgehend jemand kümmern musste, aber nicht vielleicht-atmet-er-noch-dringend.
Also wählte ich stattdessen die Hauptnummer des örtlichen Polizeireviers. „Ja, hallo. Mein Name ist Aubrey Grant. Ich bin der Verwalter des Smith-Haus an der Whitehead Street. Es geht um eine ungewöhnliche Situation … Nein, nein. Keine Betrunkenen auf unserer Veranda, aber danke, dass sie letzte Woche einen Beamten geschickt haben.“
Touristen neigten dazu, sich auf der Duval Street zu betrinken, um sich dann mitten in der Nacht auf der Suche nach ihrem Ferienhaus oder ihrer Frühstückspension zu verlaufen und am Ende auf meiner Türschwelle umzukippen. So ist das Leben.
„In meiner Abstellkammer ist ein sehr toter Mensch.“
„Was ist da?“, rief Adam.
Als ich zusammenzuckte und mich umdrehte, sah ich ihn mit Glupschaugen im Durchgang stehen. Ich wedelte mit der Hand, doch er ließ sich nicht vertreiben. „Wie bitte? … Ja. Ein toter … ja. Es handelt sich um ein Skelett. Ich habe es in einer versteckten Nische in der Wand gefunden.“
„Scheiße, was?“, fragte Adam.
Ich verzog das Gesicht. „Entschuldigung?“, fragte ich die Person am anderen Ende der Leitung. „Ich wurde von einem Mitarbeiter unterbrochen, könnten Sie das wiederholen?“ Dann schüttelte ich seufzend den Kopf. „Nein, Ma’am, ich bin vollkommen nüchtern. Danke, dass Sie fragen.“
„AUBS.“
„Ich möchte nicht darüber reden, bevor die Polizei hier ist“, antwortete ich.
Nachdem ich den Anruf beendet und mich im Toilettenraum kurz gefasst hatte, war mir Adam durch die Hintertür gefolgt und hatte den Souvenirladen abgeschlossen. Nun lief er an mir vorbei, presste eine kräftige Hand auf meine Brust und bremste mich wie eine Steinmauer.
Ich bezeichnete meine Größe gern als mini. So wie diese Mini-Schokoriegel, die man in Tüten kauft. Adam war King-Size. Und mein supercooler Nicht-ganz-Freund, der gegen zehn ankommen sollte, weil er mich besuchen wollte, bewegte sich im Bereich eines Riegels, den man teilen konnte.
Ich war sehr auf Süßigkeiten fixiert.
Vor einem Monat hatte ich das Rauchen aufgegeben. Es brachte mich praktisch um.
Jedenfalls war ich einen Meter sechzig groß, wenn ich geradestand und wog vielleicht sechzig Kilo mit Kleidung und Schuhen, weshalb Adam mich leicht mit einem Finger aufhalten konnte. Manchmal fragte ich mich, ob es ihn störte, dass ich sein Vorgesetzter war. Ja, er war jünger, aber ich bemühte mich kein bisschen darum, wie eine Führungskraft auszusehen. Adam kleidete sich … Es ist schwer zu beschreiben. Wie ein guter Junge. Und ich? Ich ging auf die vierzig zu und trug noch immer dreckige Chucks, Skinny-Jeans und gelegentlich geschmackvoll beleidigende T-Shirts. Mein Haar war beinahe weiß gebleicht, ich besaß Tunnelohrringe und einen Nasenring – aber: Key West. Die Leute, die es störte, hätte ich an einer Hand abzählen können.
„Ist wirklich ein toter Mann im Haus?“, fragte Adam laut flüsternd.
Ich stemmte die Hände in die Hüften. „Nein, es ist nur ein Werbegag“, flüsterte ich zurück.
Adam verschränkte seine riesigen, massigen Arme.
„Tut mir leid, tut mir leid. Aber es hat mich echt fertiggemacht. Ich weiß nicht, ob ich dich um eine Zigarette oder Valium bitten soll.“
„Du wirkst wirklich ziemlich gestresst“, stellte er nach einem kurzen Moment fest.
„Dann setz noch einen Blowjob auf die Liste mit Dingen, die ich brauche.“
„Eins der drei Dinge kann ich anbieten, aber du musst raten, welches.“
Ich winkte kopfschüttelnd ab. „Ich habe einen ganzen Monat ohne Zigaretten durchgehalten. Da will ich mir nicht wenige Stunden vor Juns Ankunft eine anzünden.“
„Ich habe keine Zigarette angeboten.“ Adam grinste.
Ich lachte. „Pass bloß auf, Junge.“
Er trat zur Seite, sodass er mir nicht mehr den Weg versperrte. „Ein hinter der Wand verstecktes Skelett?“
Ich ging auf die Veranda des Hauses zu. Herb schlief noch immer auf seinem Stuhl. „Genau.“
„War es alt?“
„Hm?“
Adam blieb stehen. „Ich meine … hatte es noch … Fleisch?“
„Nein. Das ist ekelhaft. Es war alt. Ganz vergilbt und staubig.“
Er hob den Kopf und betrachtete die Fenster der zweiten Etage. „Wer hat ihn da nur versteckt?“
Ich schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung …“
„Glaubst du, er wurde ermordet?“
„Ermordet?“, wiederholte ich und sah ihn an. „Wie kommst du darauf?“
„Jemand hat sich die Mühe gemacht, die Leiche zu verstecken“, entgegnete er. „Wer tut das, wenn jemand auf natürlichem Weg stirbt?“
„Da hast du wohl recht.“ Ich bemerkte, dass Adam mir einige nervöse Seitenblicke zuwarf. „Was ist?“
„Ich weiß, dass es nur ein Aberglaube der Gegend ist …“
„Nein“, unterbrach ich ihn. „Sag es nicht.“
„Aber alle sagen, in dem Haus spukt es“, protestierte Adam.
„Nein. Tess vom Key Lime & Forever sagt das.“ Ich deutete auf die Konditorei auf der anderen Straßenseite.
„Alle sagen es, Aubs“, widersprach Adam. „Alle Einheimischen glauben, es ist Captain Smith.“
„Herb nicht“, antwortete ich und zeigte auf die Veranda.
Adam verdrehte die Augen. „Herb glaubt auch nicht an antibakterielle Seife.“
„Was?“
„Ich meine ja nur: Wenn es Geister gibt, hätte dieser doch einen Grund, in dem Haus zu spuken, nachdem sein Körper für mehr als hundert Jahre in eine Wand gestopft wurde.“
„Adam“, begann ich. „Ich verwalte dieses Haus seit zwei Jahren. Ich habe hier mehr Zeit verbracht als in meinem eigenen. Ich kann dir mit Sicherheit sagen, dass es nicht spukt.“
„Du bist ein zynischer New Yorker – was solltest du da sonst sagen?“
„Ich bin nicht zynisch.“
„Ich hab schon einiges gesehen“, beharrte Adam. „Nicht hier, aber im Haus meiner Großmutter. Es war alt. Und damit meine ich aus der Zeit des Unabhängigkeitskriegs. Und manchmal, nachts … habe ich auf der Treppe jemanden mit schweren Stiefeln gehört. Nur wir zwei haben da gewohnt und meine Großmutter ist so groß wie du. Sie hat ganz sicher nicht so gestampft. Einmal“, fuhr er fort, „bin ich aufgestanden und habe beschlossen, dem Geräusch zu folgen.“
Eine sanfte Brise brachte die Blätter der Breiapfelbäume zum Rascheln. Einige Früchte lösten sich und landeten geräuschvoll auf dem gepflasterten Weg. Das morgendliche Murmeln und Lachen der Touristen erfüllte allmählich die Straßen außerhalb des weißen Lattenzauns, doch es klang … fern. Als wären wir davor abgeschirmt.
„Im Wohnzimmer stand ein Mann“, sagte Adam. Er war blass geworden und leckte sich über die Lippen. „Er stand einfach da, Aubs. Mit einer Muskete über der Schulter und einem alten Hut auf dem Kopf. Er hat sich umgedreht, mich angesehen und klar und deutlich gesagt: ‚Ich muss kämpfen gehen‘.“
Ich glaubte nicht an Geister.
Und ich glaubte Adam nicht.
Aber mittlerweile kannten wir uns recht gut und der Junge war zu nett, um zu lügen. Daher war seine Geschichte … beunruhigend.
Ein unwillkommener Schauer lief mir über den Rücken.
„Mr Grant?“
Ich zuckte zusammen, als ich meinen Namen hörte, woraufhin Adam mir eine Hand auf die Schulter legte. Der Schutzschirm um uns herum löste sich auf und der Lärm eines geschäftigen Key-West-Morgens drang wieder in den Garten. Hinter dem Zaun stand ein Polizist in Zivil.
„Oh, ja. Das bin ich. Danke, dass Sie gekommen sind.“ Ich entfernte mich von Adam, um das Tor aufzuschließen und den Mann in den Garten zu lassen.
„Detective Tillman. Man hat mir mitgeteilt, auf dem Grundstück befände sich eine Leiche“, sagte er. Es handelte sich um einen großen (na ja, im Vergleich zu mir war das jeder), schlanken Mann. Braunes Haar, leicht sonnengebräunt und ohne Besonderheiten. Nicht hässlich oder so, aber eben jemand, der in einer Menschenmenge leicht unterging. Wenn man von seinen Augen absah. Ihr Blick war scharf wie eine Glasscherbe. Eindeutig ein Polizist, selbst in Stoffhose und Hemd.
„Glauben Sie mir, wenn bald Oktober wäre, hätte ich es für einen Streich gehalten. Aber das hier ist echt.“
„Schon viele Leichen gesehen, Mr Grant?“
Ich zog eine Augenbraue hoch. „Ich weiß genug über die menschliche Anatomie, um ein Plastikskelett aus dem Supermarkt vom Original unterscheiden zu können.“
Tillman presste die Lippen aufeinander.
Ja, ich konnte auch frech sein, Kumpel.
„Würden Sie es mir zeigen?“
Ich nickte und führte ihn zur Veranda, wo ich Herbs Schnarchen ignorierte, während ich beide Türen aufschloss und das Haus betrat. „Es befindet sich im zweiten Stock“, sagte ich und begann, die Treppe hinaufzusteigen.
„Wie genau haben Sie es entdeckt, Mr Grant?“, fragte Tillman.
„Aubrey“, sagte ich nachdrücklich über meine Schulter. „Und ich hatte vor, die alte Tapete im Wandschrank zu entfernen. Dabei muss ich wohl einen Riegel berührt haben, ein Stück Wand hat nachgegeben und Skelli – ähm, er oder sie ist aus der Lücke gefallen.“
„Finden Sie in dem Haus oft Verstecke?“
„Nein, üblich ist das nicht gerade.“
Ich führte Tillman durch den Flur des ersten Stocks und eine weitere Treppe hinauf. Als wir die zweite Etage erreicht hatten, näherte ich mich dem Schrank.
Das Skelett war verschwunden.