Kitabı oku: «Vom Kriege», sayfa 14

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Sechstes Kapitel: Über Beispiele

Historische Beispiele machen alles klar und haben nebenher in Erfahrungswissenschaften die beste Beweiskraft. Mehr als irgendwo ist dies in der Kriegskunst der Fall. Der General Scharnhorst, welcher in seinem Taschenbuche über den eigentlichen Krieg am besten geschrieben hat, erklärt die historischen Beispiele für das Wichtigste in dieser Materie, und er macht einen bewunderungswürdigen Gebrauch davon. Hätte er den Krieg, in welchem er fiel, überlebt, so würde der vierte Teil seiner umgearbeiteten Artillerie uns einen noch schöneren Beweis gegeben haben, mit welchem Geist der Beobachtung und Belehrung er die Erfahrung durchdrang.

Aber ein solcher Gebrauch von historischen Beispielen wird nur selten von den theoretischen Schriftstellern gemacht; vielmehr ist die Art, wie sie sich derselben bedienen, meistens nur geeignet, den Verstand nicht allein unbefriedigt zu lassen, sondern sogar zu verletzen. Wir halten es daher für wichtig, den rechten Gebrauch und den Mißbrauch der Beispiele besonders ins Auge zu fassen.

Unstreitig gehören die der Kriegskunst zugrunde liegenden Kenntnisse zu den Erfahrungswissenschaften; denn wenn sie auch größtenteils aus der Natur der Dinge hervorgehen, so muß man doch diese Natur selbst meistens erst durch die Erfahrung kennenlernen; außerdem aber wird die Anwendung von so vielen Umständen modifiziert, daß die Wirkungen nie aus der bloßen Natur des Mittels vollständig erkannt werden können.

Die Wirkung des Pulvers, dieses großen Agens für unsere kriegerische Tätigkeit, ist bloß durch die Erfahrung erkannt worden, und noch zu dieser Stunde ist man unaufhörlich durch Versuche beschäftigt, sie genauer zu erforschen. Daß eine eiserne Kugel, der man durch das Pulver eine Geschwindigkeit von 1000 Fuß in der Sekunde gegeben hat, alles zerschmettert, was sie von lebenden Wesen in ihrem Lauf berührt, versteht sich freilich von selbst, es bedarf dazu keiner Erfahrung; aber wie viel Hundert Nebenumstände bestimmen diese Wirkung genauer, die zum Teil nur durch die Erfahrung erkannt werden können! Und die physische Wirkung ist ja nicht die einzige, die wir zu beachten haben; die moralische ist es ja, welche wir suchen, und es gibt kein anderes Mittel, diese kennen und schätzen zu lernen, als die Erfahrung. Im Mittelalter, als die Feuerwaffen eben erst erfunden waren, war ihre physische Wirkung der unvollkommenen Einrichtung wegen natürlich viel geringer als jetzt, ihre moralische war aber viel größer. Man muß die Standhaftigkeit eines jener Haufen, die Bonaparte in seinem Eroberungsdienst erzogen und angeführt hat, im stärksten und anhaltendsten Geschützfeuer gesehen haben, um sich einen Begriff davon zu machen, was eine in [144] langer Übung der Gefahr gestählte Truppe leisten kann, die durch eine reiche Siegesfülle zu dem edlen Satze gelangt ist, sich selbst die höchsten Forderungen zu machen. In der bloßen Vorstellung würde man es nie glauben. Von der anderen Seite ist es eine bekannte Erfahrung, daß es noch heut in den europäischen Heeren Truppen gibt, wie Tataren, Kosaken, Kroaten, deren Haufen durch ein paar Kanonenschüsse jedesmal zerstreut werden.

Aber keine Erfahrungswissenschaft, und folglich auch nicht die Theorie der Kriegskunst, ist imstande, ihre Wahrheiten immer von den historischen Beweisen begleiten zu lassen; teils würde es schon der bloßen Weitläuftigkeit wegen unmöglich sein, teils würde es auch schwer sein, die Erfahrung in den einzelnen Erscheinungen nachzuweisen. Findet man im Kriege, daß irgendein Mittel sich sehr wirksam gezeigt hat, so wird es wiederholt; einer macht es dem andern nach, es wird förmlich Mode, und auf diese Weise kommt es, auf die Erfahrung gestützt, in den Gebrauch und nimmt seinen Platz in der Theorie ein, die dabei stehenbleibt, sich im allgemeinen auf die Erfahrung zu berufen, um seinen Ursprung anzudeuten, nicht aber, um es zu beweisen.

Ganz anders ist es aber, wenn die Erfahrung gebraucht werden soll, um ein gebräuchliches Mittel zu verdrängen, ein zweifelhaftes festzustellen, oder ein neues einzuführen; dann müssen einzelne Beispiele aus der Geschichte zum Beweise aufgestellt werden.

Wenn man nun den Gebrauch eines historischen Beispiels näher betrachtet, so ergeben sich dafür vier leicht zu unterscheidende Gesichtspunkte.

Zuerst kann man dasselbe als eine bloße Erläuterung des Gedankens brauchen. Es ist nämlich bei jeder abstrakten Betrachtung sehr leicht, falsch oder gar nicht verstanden zu werden; wo der Autor dies fürchtet, dient ein historisches Beispiel dazu, dem Gedanken das fehlende Licht zu geben, und zu sichern, daß Autor und Leser beieinanderbleiben.

Zweitens kann es als eine Anwendung des Gedankens dienen, weil man bei einem Beispiel Gelegenheit hat, die Behandlung derjenigen kleineren Umstände zu zeigen, die bei dem allgemeinen Ausdruck des Gedankens nicht alle mit aufgefaßt werden konnten; denn darin besteht ja der Unterschied zwischen Theorie und Erfahrung. Diese beiden Fälle sind die des eigentlichen Beispiels; die beiden folgenden gehören zum historischen Beweis.

Drittens kann man sich nämlich auf ein historisches Faktum beziehen, um damit dasjenige, was man gesagt hat, zu belegen. Dies ist in allen Fällen hinreichend, wo man bloß die Möglichkeit einer Erscheinung oder Wirkung dartun will.

Endlich kann man viertens aus der umständlichen Darstellung eines historischen Ereignisses und aus der Zusammenstellung mehrerer irgendeine Lehre ziehen, die also in diesem Zeugnis selbst ihren waren Beweis findet.

Bei dem ersten Gebrauch kommt es meistens nur auf eine flüchtige Erwähnung des Falles an, weil man ihn nur einseitig benutzt. Es ist dabei selbst [145] die historische Wahrheit eine Nebensache, ein erfundenes Beispiel könnte auch dienen; nur haben historische immer den Vorzug, praktischer zu sein und den Gedanken, welchen sie erläutern, dem praktischen Leben selbst näher zu führen.

Der zweite Gebrauch setzt eine umständlichere Darstellung des Falles voraus, nur ist die Richtigkeit dabei wieder Nebensache, und in dieser Beziehung dasselbe zu sagen, was wir vom ersten Fall gesagt haben.

Beim dritten Gebrauch reicht meistens die bloße Angabe eines unzweifelhaften Faktums hin. Wenn man die Behauptung aufstellt, daß verschanzte Stellungen unter gewissen Bedingungen ihren Zweck erfüllen können, so braucht man bloß die Stellung vom Bunzelwitz zu nennen, um diese Behauptung zu belegen.

Soll aber durch die Darstellung eines historischen Falles irgendeine allgemeine Wahrheit erwiesen werden, so muß dieser Fall in allem, was Bezug auf die Behauptung hat, genau und umständlich entwickelt, er muß gewissermaßen vor dem Auge des Lesers sorgfältig aufgebaut werden. Je weniger dies zu erreichen ist, um so schwächer wird der Beweis, und um so mehr wird es nötig, was dem einzelnen Fall an Beweiskraft abgeht, durch die Menge der Fälle zu ersetzen, weil man nämlich mit Recht voraussetzt, daß die näheren Umstände, die man nicht imstande gewesen ist, anzugeben, in einer gewissen Anzahl von Fällen ihren Wirkungen nach, sich ausgeglichen haben werden.

Wenn man aus der Erfahrung beweisen will, daß die Reiterei besser hinter, als neben dem Fußvolk steht, daß es bei nicht entscheidender Übermacht höchst gefährlich ist, den Gegner sowohl in einer Schlacht als auf dem Kriegstheater, also sowohl taktisch als strategisch mit getrennten Kolonnen weit zu umfassen: so reicht es in dem ersten Fall nicht hin, einige verlorene Schlachten zu nennen, wo die Reiterei auf den Flügeln, und ein paar gewonnene, wo sie hinter dem Fußvolk stand, und im letzten Fall reicht es nicht hin, an die Schlachten von Rivoli oder Wagram, an die Angriffe der Österreicher auf das italienische Kriegstheater 1796, oder der Franzosen auf das deutsche in eben diesem Feldzug zu erinnern, sondern es muß durch eine genaue Verfolgung aller Umstände und der einzelnen Vorgänge dargetan werden, auf welche Weise jene Formen der Stellung und des Angriffs wesentlich zum schlechten Ausgang beigetragen haben. Dann wird sich auch ergeben, inwieweit jene Formen verwerflich sind, welches notwendig mitbestimmt werden muß, weil eine ganz allgemeine Verwerfung jedenfalls die Wahrheit verletzen würde.

Daß man, wenn die umständliche Darlegung des Faktums nicht tunlich ist, die fehlende Beweiskraft durch die Anzahl der Beispiele ergänzen kann, haben wir schon eingeräumt, aber es ist nicht zu leugnen, daß dies ein gefährlicher Ausweg ist, der häufig gemißbraucht wird. Statt eines sehr umständlich dargelegten Falles begnügt man sich, drei oder vier bloß zu berühren, und gewinnt dadurch den Schein eines starken Beweises. Aber es gibt Gegenstände, [146] wo ein ganzes Dutzend angeführter Fälle nichts beweist, wenn sie sich nämlich häufig wiederholen, und es also ebenso leicht ist, ein Dutzend Fälle mit engegengesetztem Ausgang dawider anzuführen. Wer uns ein Dutzend verlorene Schlachten nennt, in welchen der Geschlagene in getrennten Kolonnen angriff, dem können wir ein Dutzend gewonnene nennen, wo eben diese Ordnung gebraucht wurde. Man sieht, daß auf diese Weise kein Resultat zu erreichen wäre.

Wenn man sich diese verschiedenen Verhältnisse überlegt, so wird man einsehen, wie leicht mit Beispielen Mißbrauch getrieben werden kann.

Ein Ereignis, was nicht in allen seinen Teilen sorgfältig aufgebaut, sondern im Fluge berührt wird, ist wie ein aus zu großer Entfernung gesehener Gegenstand, an dem man die Lage seiner Teile nicht mehr unterscheiden kann, und der von allen Seiten ein gleiches Ansehen hat. Wirklich haben solche Beispiele den widersprechendsten Meinungen zur Stütze dienen müssen. Dem einen sind Dauns Feldzüge das Muster weiser Behutsamkeit, dem anderen der Zaghaftigkeit und Unentschlossenheit. Bonapartes Vordringen über die Norischen Alpen im Jahr 1797 kann als die herrlichste Entschlossenheit, aber auch als eine wahre Unbesonnenheit erscheinen; seine strategische Niederlage 1812 kann als eine Folge eines Übermaßes an Energie, aber auch eines Mangels daran vorgestellt werden. Alle diese Meinungen sind vorgekommen, und man begreift wohl, wie sie haben entstehen können, weil jede sich den Zusammenhang der Dinge anders gedacht hat. Gleichwohl können diese widersprechenden Meinungen nicht miteinander bestehen, und eine von beiden muß also notwendig unwahr sein.

So sehr viel Dank wir dem vortrefflichen Feuquières für die zahlreichen Beispiele schuldig sind, womit er seine Memoiren ausgerüstet hat, teils weil dadurch eine Menge historischer Nachrichten auf uns gekommen sind, die wir sonst entbehren würden, teils weil er dadurch zuerst eine sehr nützliche Annäherung theoretischer, d. h. abstrakter Vorstellungen an das praktische Leben bewirkt hat, insofern die angeführten Fälle als Erläuterung und nähere Bestimmung der theoretischen Behauptung zu betrachten sind: so hat er doch den Zweck, welchen er sich meistens dabei vorsetzt: die theoretischen Wahrheiten historisch zu erweisen, schwerlich bei einem unbefangenen Leser unserer Zeit erreichen können. Denn wenn er auch die Ereignisse zuweilen mit einiger Umständlichkeit erzählt, so fehlt doch viel daran, daß aus ihrem inneren Zusammenhang die gezogenen Folgerungen notwendig hervorgingen.

Aber das bloße Berühren von historischen Ereignissen hat noch den andern Nachteil, daß ein Teil der Leser diese Ereignisse nicht hinreichend kennt oder im Gedächtnisse hat, um sich auch nur das dabei denken zu können, was sich der Autor dabei gedacht hat, so daß für sie nichts übrig bleibt, als sich imponieren zu lassen oder ohne alle Überzeugung zu bleiben.

Es ist allerdings sehr schwer, geschichtliche Ereignisse so vor dem Auge des Lesers aufzubauen oder sich zutragen zu lassen, wie es nötig ist, um sie [147] zu Beweisen brauchen zu können, denn es fehlt den Schriftstellern meistens ebenso sehr an den Mitteln als an Zeit und Raum dazu; wir behaupten aber, daß, wo es auf die Feststellung einer neuen oder einer zweifelhaften Meinung ankommt, ein einziges gründlich dargestelltes Ereignis belehrender ist als zehn bloß berührte. Das Hauptübel dieser oberflächlichen Berührung liegt nicht darin, daß der Schriftsteller sie gibt mit dem falschen Anspruch, dadurch etwas beweisen zu wollen, sondern daß er diese Ereignisse nie ordentlich kennengelernt hat, und daß von dieser oberflächlichen, leichtsinnigen Behandlung der Geschichte dann hundert falsche Ansichten und theoretische Projektmachereien entstehen, die nie zum Vorschein gekommen wären, wenn der Schriftsteller die Verpflichtung hätte, alles, was er Neues zu Markt bringt und aus der Geschichte beweisen will, aus dem genauen Zusammenhang der Dinge unzweifelhaft hervorgehen zu lassen.

Hat man sich von diesen Schwierigkeiten bei dem Gebrauch historischer Beispiele und von der Notwendigkeit dieser Forderung überzeugt, so wird man auch der Meinung sein, daß die neueste Kriegsgeschichte immer das natürlichste Feld für die Wahl der Beispiele sein muß, insoweit sie nur hinreichend bekannt und bearbeitet ist.

Nicht nur, daß entferntere Perioden andern Verhältnissen angehören, also auch einer andern Kriegführung, und daß also ihre Ereignisse weniger lehrreich und praktisch für uns sind, sondern es ist auch natürlich, daß die Kriegsgeschichte wie jede andere nach und nach eine Menge von kleinen Zügen und Umständen einbüßt, die sie anfangs noch aufzuweisen hatte, daß sie immer mehr an Farben und Leben verliert, wie ein ausgeblaßtes oder nachgedunkeltes Bild, so daß zuletzt nur noch die großen Massen und einzelne Züge zufällig stehen bleiben, die ein übertriebenes Gewicht dadurch bekommen.

Betrachten wir den Zustand der jetzigen Kriegführung, so müssen wir uns sagen, daß es hauptsächlich die Kriege bis zu dem Österreichischen Erbfolgekriege sind, welche wenigstens in der Bewaffung noch, eine große Ähnlichkeit mit den heutigen haben, und die, wenn sich auch sonst in den großen und kleinen Verhältnissen viel geändert hat, den heutigen Kriegen doch noch nahe genug stehen, um viel Belehrung aus ihnen zu ziehen. Ganz anders ist es schon mit dem Spanischen Erbfolgekriege, wo das Feuergewehr noch nicht so ausgebildet und die Reiterei noch die Hauptwaffe war. Je weiter man zurückgeht, um so unbrauchbarer wird die Kriegsgeschichte, wie sie zugleich um so ärmer und dürftiger wird. Am unbrauchbarsten und dürftigsten muß die Geschichte der alten Völker sein.

Aber diese Unbrauchbarkeit ist freilich keine absolute, sondern sie bezieht sich nur auf Gegenstände, die von der Kenntnis der genaueren Umstände oder von denjenigen Dingen abhängen, in welchen sich die Kriegführung geändert hat. Wie wenig wir auch von dem Hergange der Schlachten der Schweizer gegen die Österreicher, Burgunder und Franzosen unterrichtet sind, so finden [148] wir doch darin zuerst die Überlegenheit eines guten Fußvolkes gegen die beste Reiterei mit den stärksten Zügen ausgesprochen. Ein allgemeiner Blick auf die Zeit der Kondottieri lehrt uns, wie die ganze Kriegführung abhängig ist von dem Instrument, dessen man sich bedient, denn zu keiner anderen Zeit hatten die im Kriege gebrauchten Streitkräfte so den Charakter eines eigentümlichen Instruments und waren so von dem übrigen Staats- und Volksleben getrennt. Die merkwürdige Art, wie Rom im zweiten Punischen Kriege Karthago bekämpfte, durch einen Angriff in Spanien und Afrika, während Hannibal in Italien noch unbesiegt war, kann ein Gegenstand sehr lehrreicher Betrachtung sein, weil die allgemeinen Verhältnisse der Staaten und Heere, worauf die Wirksamkeit dieses indirekten Widerstandes beruhte, noch hinreichend bekannt sind.

Aber je weiter die Dinge in das Einzelne hinuntersteigen und sich von den allgemeinsten Verhältnissen entfernen, um so weniger können wir die Muster und Erfahrungen in sehr entlegenen Zeiten aufsuchen, denn wir sind weder imstande, die entsprechenden Ereignisse gehörig zu würdigen, noch auf unsere ganz veränderten Mittel anzuwenden.

Aber es ist leider zu allen Zeiten die Neigung der Schriftsteller sehr groß gewesen, die Begebenheiten des Altertums im Munde zu führen. Wir wollen unentschieden lassen, wieviel Anteil Eitelkeit und Charlatanerie daran haben können, aber wir vermissen dabei meistens die redliche Absicht, das eifrige Bestreben, zu belehren und zu überzeugen, und können solche Allusionen dann nur für Zierate halten, womit Lücken und Fehler bedeckt werden sollen.

Unendlich groß wäre das Verdienst, den Krieg in lauter historischen Beispielen zu lehren, wie Feuquières sich vorgesetzt hatte; aber es wäre reichlich das Werk eines ganzen Menschenlebens, wenn man bedenkt, daß der, welcher es unternimmt, doch erst durch eine eigene lange, Kriegserfahrung dazu ausgerüstet sein muß.

Wer, von inneren Kräften angeregt, sich ein solches Werk vorsetzen will, der rüste sich zu dem frommen Unternehmen mit Kräften wie zu einer weiten Pilgerfahrt aus. Er opfere Zeit und scheue keine Anstrengung, er fürchte keine zeitliche Gewalt und Größe, er erhebe sich über eigene Eitelkeit und falsche Scham, um nach dem Ausdruck des französischen Kodex die Wahrheit zu sagen, nichts als die Wahrheit, die ganze Wahrheit.

Drittes Buch: Von der Strategie überhaupt

[150]

Erstes Kapitel: Strategie

Der Begriff ist festgestellt im zweiten Kapitel des zweiten Buchs. Sie ist der Gebrauch des Gefechts zum Zweck des Krieges. Sie hat es eigentlich nur mit dem Gefecht zu tun, aber ihre Theorie muß den Träger dieser eigentlichen Tätigkeit, die Streitkraft, an sich und in ihren Hauptbeziehungen, mit betrachten, denn das Gefecht wird durch sie gegeben und äußert seine Wirkungen wieder zunächst auf sie. Das Gefecht selbst muß sie in Beziehung auf seine möglichen Erfolge kennen lehren und die Kräfte des Geistes und Gemüts, welche bei dem Gebrauch desselben die wichtigsten sind.

Die Strategie ist der Gebrauch des Gefechts zum Zweck des Krieges; sie muß also dem ganzen kriegerischen Akt ein Ziel setzen, welches dem Zweck desselben entspricht, d. h. sie entwirft den Kriegsplan, und an dieses Ziel knüpft sie die Reihe der Handlungen an, welche zu demselben führen sollen, d. h. sie macht die Entwürfe zu den einzelnen Feldzügen und ordnet in diesen die einzelnen Gefechte an. Da sich alle diese Dinge meistens nur nach Voraussetzungen bestimmen lassen, die nicht alle zutreffen, eine Menge anderer, mehr ins einzelne gehender Bestimmungen sich aber gar nicht vorher geben lassen, so folgt von selbst, daß die Strategie mit ins Feld ziehen muß, um das Einzelne an Ort und Stelle anzuordnen und für das Ganze die Modifikationen zu treffen, die unaufhörlich erforderlich werden. Sie kann also ihre Hand in keinem Augenblick von dem Werke abziehen.

Daß man dies, wenigstens was das Ganze betrifft, nicht immer so angesehen hat, beweist die frühere Gewohnheit, die Strategie im Kabinett zu haben und nicht bei der Armee, was nur dann zulässig ist, wenn das Kabinett dem Heere so nahe bleibt, daß es für das große Hauptquartier desselben genommen werden kann.

Die Theorie wird also der Strategie in diesem Entwurfe folgen, oder richtiger gesagt, sie wird die Dinge an sich und in ihren Verhältnissen zueinander beleuchten und das wenige herausheben, was sich als Grundsatz oder Regel ergibt.

[152] Wenn wir uns aus dem ersten Kapitel erinnern, wieviel Gegenstände der größten Art der Krieg berührt, so werden wir begreifen, daß die Berücksichtigung aller einen seltenen Blick des Geistes voraussetzt.

Ein Fürst oder Feldherr, welcher seinen Krieg genau nach seinen Zwecken und Mitteln einzurichten weiß, nicht zu viel und zu wenig tut, gibt dadurch den größten Beweis seines Genies. Aber die Wirkungen dieser Genialität zeigen sich nicht sowohl in neuerfundenen Formen des Handelns, welche sogleich in die Augen fallen würden, als in dem glücklichen Endresultat des Ganzen. Es ist das richtige Zutreffen der stillen Voraussetzungen, es ist die geräuschlose Harmonie des ganzen Handelns, welche wir bewundern sollten, und die sich erst in dem Gesamterfolg verkündet.

Derjenige Forscher, welcher in diesem Gesamterfolg aus jener Harmonie nicht auf die Spur kommt, der sucht die Genialität leicht da, wo sie nicht ist und sein kann.

Es sind nämlich die Mittel und Formen, deren sich die Strategie bedient, so höchst einfach, durch ihre beständige Wiederkehr so bekannt, daß es dem gesunden Menschenverstande nur lächerlich vorkommen kann, wenn er so häufig die Kritik mit einer geschraubten Emphase davon sprechen hört. Eine tausendmal vorgekommene Umgehung wird hier wie der Zug der glänzendsten Genialität, dort der tiefsten Einsicht, ja selbst des umfassendsten Wissens gepriesen. Kann es abgeschmacktere Auswüchse in der Bücherwelt geben?

Immer lächerlicher wird es, wenn man sich noch hinzudenkt, daß eben diese Kritik nach der gemeinsten Meinung alle moralischen Größen von der Theorie ausschließt und es nur mit dem Materiellen zu tun haben will, so daß alles auf ein paar mathematische Verhältnisse von Gleichgewicht und Überlegenheit, von Zeit und Raum und auf ein paar Winkel und Linien beschränkt wird. Wäre es nichts als das, so würde sich ja aus solcher Misere kaum eine wissenschaftliche Aufgabe für einen Schulknaben bilden lassen.

Aber gestehen wir nur: es ist hier von wissenschaftlichen Formen und Aufgaben gar nicht die Rede; die Verhältnisse der materiellen Dinge sind alle sehr einfach; schwieriger ist das Auffassen der geistigen Kräfte, die im Spiel sind. Aber auch bei diesen sind die Geistesverwicklungen und die große Mannigfaltigkeit der Größen und Verhältnisse nur in den höchsten Regionen der Strategie zu suchen, da, wo sie an die Politik und Staatskunst grenzt oder vielmehr beides selbst wird, und da haben sie, wie wir schon gesagt haben, mehr Einfluß auf das Wieviel und Wiewenig als auf die Form der Ausführung. Wo diese vorherrscht, wie bei den einzelnen großen und kleinen Begebenheiten, des Krieges, da sind die geistigen Größen schon auf eine geringe Anzahl zurückgebracht.

So ist denn in der Strategie alles sehr einfach, aber darum nicht auch alles sehr leicht. Ist aus den Verhältnissen des Staates einmal bestimmt, [153] was der Krieg soll und was er kann, so ist der Weg dazu leicht gefunden; aber diesen Weg unverrückt zu verfolgen, den Plan durchzuführen, nicht durch tausend Veranlassungen tausendmal davon abgebracht zu werden, das erfordert außer einer großen Stärke des Charakters eine große Klarheit und Sicherheit des Geistes; und von tausend Menschen, die ausgezeichnet sein können, der eine durch Geist, der andere durch Scharfsinn, wieder andere durch Kühnheit oder durch Willensstärke, wird vielleicht nicht einer die Eigenschaften in sich vereinigen, die ihn in der Bahn des Feldherrn über die Linie des Mittelmäßigen erheben.

Es klingt sonderbar, ist aber gewiß für alle, die den Krieg in dieser Beziehung kennen, ausgemacht, daß zu einem wichtigen Entschluß in der Strategie viel mehr Stärke des Willens gehört als in der Taktik. In dieser reißt der Augenblick mit fort, der Handelnde fühlt sich in einem Strudel fortgezogen, gegen den er ohne die verderblichsten Folgen nicht ankämpfen darf, er unterdrückt die aufsteigenden Bedenklichkeiten und wagt mutig weiter. In der Strategie, wo alles viel langsamer abläuft, ist den eigenen und fremden Bedenklichkeiten, Einwendungen und Vorstellungen und also auch der unzeitigen Reue viel mehr Raum gegönnt, und da man die Dinge in der Strategie nicht wie in der Taktik wenigstens zur Hälfte mit eigenen leiblichen Augen sieht, sondern alles erraten und vermuten muß, so ist auch die Überzeugung weniger kräftig. Die Folge ist, daß die meisten Generale, wo sie handeln sollten, in falschen Bedenklichkeiten steckenbleiben.

Jetzt werfen wir einen Blick in die Geschichte; er fällt auf Friedrichs des Großen Feldzug von 1760, berühmt durch die schönen Märsche und Manöver, ein rechtes Kunstwerk strategischer Meisterschaft, wie uns die Kritik rühmt. Sollen wir nun da außer uns geraten vor Bewunderung, daß der König nun Dauns rechte Flanke umgehen wollte, nun seine linke, dann wieder die rechte usw.? Sollen wir darin eine tiefe Weisheit sehen? Nein, das können wir nicht, wenn wir natürlich und ohne Ziererei urteilen wollen. Wir müssen vielmehr zuvörderst des Königs Weisheit bewundern, der bei seinen beschränkten Kräften ein großes Ziel verfolgend, nichts unternahm, was diesen Kräften nicht entsprochen hätte, und gerade genug, um seinen Zweck zu erreichen. Diese Weisheit des Feldherrn ist nicht bloß in diesem Feldzuge sichtbar, sondern über alle drei Kriege des großen Königs verbreitet.

Schlesien in den sicheren Hafen eines wohl garantierten Friedens zu bringen, war sein Zweck.

An der Spitze eines kleinen Staates, den übrigen Staaten in den meisten Dingen ähnlich und nur durch einige Zweige der Verwaltung vor ihnen ausgezeichnet, konnte er kein Alexander werden, und als Karl XII. würde er sich wie jener das Haupt zerschellt haben. Wir finden daher in seiner ganzen Kriegführung jene verhaltene Kraft, die immer im Gleichgewicht schwebt, die es nie an Nachdruck fehlen läßt, sich im Augenblick großer Bedrängnis zum Erstaunenswürdigen erhebt und im nächsten Augenblick wieder [154] ruhig fort oszilliert, um dem Spiel der leisesten politischen Regungen sich unterzuordnen. Weder Eitelkeit, noch Ehrgeiz, noch Rachsucht können ihn von dieser Bahn entfernen, und diese Bahn allein ist es, die ihn an den glücklichen Ausgang des Streites geführt hat.

Wie wenig vermögen diese paar Worte jene Seite des großen Feldherrn zu würdigen; nur wenn man den wunderbaren Ausgang dieses Kampfes sorgfältig ins Auge faßt und den Ursachen nachspürt, die ihn herbeigeführt, wird man von der Überzeugung durchdrungen, daß nur des Königs scharfer Blick ihn durch alle Klippen glücklich geführt hat.

Dies ist die eine Seite, welche wir an diesem großen Feldherrn bewundern, in dem Feldzuge von 1760 und in allen andern, aber in diesem vorzugsweise, weil er in keinem einer so überlegenen feindlichen Macht mit so geringen Opfern das Gleichgewicht gehalten hat.

Die andere Seite trifft die Schwierigkeit der Ausführung. Die Märsche zu einer Umgehung rechts und links sind leicht entworfen; der Gedanke, sein Häuflein immer dicht beisammen zu halten, um dem zerstreuten Feinde überall gewachsen zu sein, sich mit schnellen Bewegungen zu vervielfältigen, ist ebenso leicht gefunden als ausgesprochen; die Erfindung also kann unsere Bewunderung nicht erwecken, und von so einfachen Dingen bleibt nichts übrig, als zu gestehen, daß sie einfach sind.

Aber ein Feldherr versuche es einmal, diese Dinge Friedrich dem Großen nachzutun. Lange hinterher haben Schriftsteller, die Augenzeugen waren, von der Gefahr, ja von der Unvorsichtigkeit gesprochen, welche mit des Königs Lagern verbunden gewesen, und wir dürfen nicht zweifeln, daß im Augenblick, wo er sie nahm, diese Gefahr dreimal so groß erschien als hinterher.

Ebenso war es mit den Märschen unter den Augen, oft unter den Kanonen des feindlichen Heeres. Friedrich der Große nahm jene Lager und tat diese Märsche, weil er in Dauns Verfahrungsweise, in seiner Aufstellungsart, seiner Verantwortlichkeit und seinem Charakter diejenige Sicherung fand, die seine Lager und Märsche gewagt, aber nicht unbesonnen machten. Aber es gehörte des Königs Kühnheit, Entschlossenheit und die Stärke seines Willens dazu, um die Dinge so zu sehen und nicht von der Gefahr, von welcher man 30 Jahre hinterher noch schreiben und sprechen konnte, irre gemacht und abgeschreckt zu werden. Wenige Feldherren würden an Ort und Stelle diese einfachen Mittel der Strategie ausführbar geglaubt haben.

Nun wieder eine andere Schwierigkeit der Ausführung: Des Königs Armee ist in diesem Feldzuge unaufhörlich in Bewegung. Zweimal zieht sie hinter Daun her und, gefolgt von Lascy, auf schlechten Nebenwegen von der Elbe nach Schlesien (anfangs Juli und anfangs August). Sie muß in jedem Augenblick schlagfertig sein und ihre Märsche mit einer Kunst einrichten, die notwendig eine ebenso große Anstrengung zur Folge hat. Obgleich von Tausenden von Wagen begleitet und aufgehalten, ist ihre Verpflegung doch [155] nur höchst kümmerlich. In Schlesien ist sie bis zur Schlacht von Líegnitz, 8 Tage lang, in beständigen Nachtmärschen verwickelt, immer in Auf- und Niederziehen an der feindlichen Front begriffen; - das kostet gewaltige Anstrengungen, das fordert große Entbehrungen.

Kann man glauben, daß sich das alles zugetragen habe ohne eine starke Friktion in der Maschine? Kann der Geist des Feldherrn solche Bewegungen mit der Leichtigkeit hervorbringen wie die Hand des Feldmessers die Bewegungen seines Abstrolabiums? Durchschneidet nicht der Anblick dieser Mühseligkeiten der armen hungernden und durstenden Kampfgenossen tausendmal das Herz der Führer und des obersten Führers? Kommen nicht die Klagen und Bedenklichkeiten darüber an sein Ohr? Hat ein gewöhnlicher Mensch Mut, dergleichen zu begehren, und werden solche Anstrengungen nicht unvermeidlich den Geist des Heeres herunterbringen, seine Ordnung lösen, kurz seine militärische Tugend untergraben, wenn nicht ein mächtiges Vertrauen zu der Größe und Unfehlbarkeit des Feldherrn alles gutmacht? - Hier also ist es, wo man Respekt haben soll; diese Wunder der Ausführung sind es, welche wir bewundern müssen. Alles dies aber fühlt sich mit seinem ganzen Gewicht nur, wenn man durch die Erfahrung einen Vorgeschmack davon bekommen; wer den Krieg nur aus Büchern und von Exerzierplätzen kennt, für den ist im Grunde dieses ganze Gegengewicht des Handelns nicht vorhanden; er möge daher, was ihm aus eigener Erfahrung nicht werden kann, von uns auf Treu und Glauben annehmen.

Wir haben durch dieses Beispiel dem Gange unserer Vorstellungen mehr Klarheit geben wollen und eilen nun zum Schlusse dieses Kapitels zu sagen, daß wir in unserer Darstellung der Strategie diejenigen einzelnen Gegenstände derselben, welche uns die wichtigsten scheinen, sie mögen nun materieller oder geistiger Natur sein, auf unsere Weise charakterisieren, von dem Einzelnen zum Zusammengesetzten fortschreiten und mit dem Zusammenhang des ganzen kriegerischen Aktes, d. h. mit dem Kriegs- und Feldzugsplan schließen werden.2

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