Kitabı oku: «Ein Traum von Schlaf»

Yazı tipi:

Carola van Daxx

Ein Traum von Schlaf

Eine Kurzgeschichte nicht nur für Schlaflose

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Ein Traum von Schlaf

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Ein Traum von Schlaf

Mir war klar, ich würde zum absoluten Gespött meiner Kollegen werden. Eine Oberärztin der Psychiatrischen Klinik, die wegen ominöser Schlafstörungen zu einem Scharlatan ging. Zu einem Teemischer, einem Kaffeesatzleser – oder sollte ich besser gleich Betrüger sagen, um die Tatsache beim Namen zu nennen? Wer, bitteschön, sollte angesichts dessen noch Achtung vor mir haben? Wenn das rauskäme… Sie tuschelten doch jetzt schon über mich und meine Unfähigkeit, länger als ein paar gefühlte Sekunden zu schlafen – was mittlerweile mehr als bekannt war auf den Fluren des Klinikums. Die „Gräfin“, so nannten sie mich wegen meiner ostpreußischen Wurzeln und weil ich eine „Von-und-zu“ war, hat ein Problem mit Heia machen...“ oder „So was gibt’s doch gar nicht, die spinnt doch komplett – wie alle Psychiater. Die brauchen doch selbst eine Therapie am allermeisten…“

Ich hatte solche abfälligen Bemerkungen mehr als einmal mitgehört, aufgeschnappt im Vorbeigehen – oder wenn meine Kolleginnen, ja, es waren überwiegend Frauen, die hinten herum so richtig über mich vom Leder zogen, gerade glaubten, dass ich außer Reichweite war. Falsche Hyänen nannte ich sie – denn diese Tiere waren in der allgemeinen Wahrnehmung so schön böse. Geradezu ideal, um meiner Verachtung den angemessenen Ausdruck zu verleihen. Keine Ahnung, ob die Damen der Schöpfung nun wirklich die größeren Tratschtanten als ihre männlichen Pendants sind, aber im Durchhecheln auf die fiese Art sind sie wohl – nennen wir es mal begabter.

Tja, Talent muss nicht zwangsläufig positiv besetzt sein.

Es raubte mir den letzten Nerv, die ganze Situation war mehr als belastend, auf jeder einzelnen Ebene. Müde war ich. Immerzu war ich müde, erschöpft. Kein Wunder… Alles habe ich ausprobiert, was der Medizinschrank so hergab, alles. Ich habe mich im Netz schlau gemacht, mir heimlich homöopathische Mittelchen bestellt, Einschlafmantras gesungen, Wasserplätscher-CDs gehört und Chakrenmeditation gelernt, außerdem furztrockene Nervenkekse nach Hildegard von Bingen gebacken, Schäfchen gezählt, bis ich im vierstelligen (!!!) Bereich war, heiß gebadet, kalte Waschungen nach Pfarrer Kneipp durchgeführt, in billigen Eckkneipen, wo mich garantiert niemand vermutet hätte, eine Hopfenkur gemacht – oder Johnny Walker persönlich das Zepter überlassen, wenn ein anstrengender Tag endlich gegangen war, die Nachtruhe aber wieder nicht einkehren wollte. Eine ebenso sinnlose wie ungesunde Methode… Aus Verzweiflung hatte ich mir sogar sündhaft teure Ayurveda-Behandlungen gegönnt, gerne vierhändig, meist kurz vor Mitternacht in irgendeinem exklusiven SPA mitten im Frankfurter Bahnhofsviertel… Nichts hatte geholfen. Nicht mal mein altes Kindergebet: „Müde bin ich, geh‘ zur Ruh‘, schließe meine Äuglein zu. Vater, lass‘ die Augen Dein, über meinem Bettchen sein.“ Früher hat das immer geholfen. Aber wahrscheinlich war ich jetzt zu erwachsen, zu rational, zu schlau, um es auf den Punkt zu bringen. Zu ungläubig, der Raum zwischen mir und dem sogenannten Vater im Himmel, dem Mann mit dem weißen Bart, der uns alle beschützen sollte, war zu groß geworden – ich hatte den Draht zu ihm anscheinend verloren.

Doch die Pharmaindustrie sollte nicht mein Retter sein. Jedenfalls nicht auf Dauer… Obwohl ich beim Verordnen von Pillen und Tropfen aller Art ansonsten nicht gerade zimperlich war. Nun, ich musste zugeben: selten sind Ärzte selbst auch „gute“ Patienten. Warum sollte es bei mir anders sein? Ein jeder hat so seine Macken, so auch ich.

Da biss die Maus keinen Faden ab.

Für mein rätselhaftes Leiden, diese zermürbende Schlaflosigkeit, das völlige Fehlen von Tiefschlaf bei gleichzeitiger chronischer Traumlosigkeit, gab es keine offizielle Erklärung, keine brauchbare Diagnose. Eine richtige Diagnose halte ich sowieso für einen großen Glücksfall, meine Meinung – ich bin ja schon ein paar Tage im Geschäft. Nicht umsonst sagen selbst die Mediziner scherzhaft: „Fünf Ärzte, fünf Diagnosen.“ Ich persönlich hatte jedoch für meine Symptomatik keine einzige abgekriegt. Zumindest keine, die ich irgendwie für hilfreich hielt. Eine körperliche Ursache konnte nicht gefunden werden, so landete ich dann dummerweise in meinem eigenen Fachgebiet – als Patientin.

„Sie haben keine Krankheit im klassischen Sinne“, hatte der Prof gesagt. Ihm hatte ich mein Problem gebeichtet, mir tatsächlich doch Hilfe „vom Fachmann“ erhofft. Gedacht, er würde schon einen Weg aus der Misere finden, der Herr Professor. Wie man halt so denkt über Vorgesetzte, Respektspersonen, Höhergestellte, Titel- und Würdenträger. Eine Klein-Mädchen-Haltung, die ich wohlgemerkt kein bisschen nötig hatte, aber frei nach dem Motto: Der Doktor macht Heile-heile-Gänschen, dann wird alles wieder gut. Oder in dem Fall: Der Prof muss es ja wissen – und wird die lästige Sache dann sicherlich auch gleich beheben. Aber Fehlanzeige. Und das auf der ganzen Linie.

„Es ist wahrscheinlich mehr eine Art Einbildung, ein subjektives Empfinden, nichts weiter als ein Stresssymptom. Wenn Sie wirklich nur so kurz schlafen würden, wie Sie es vermuten, dann wären Sie längst durchgedreht, dann könnten Sie Ihren Alltag überhaupt nicht mehr bewältigen. Wahrscheinlich sind Sie nur in den Wechseljahren oder kurz davor, da haben viele Frauen ähnliche Probleme. Aber Tatsache ist: Jeder Mensch kann schlafen. Früher oder später holt sich der Körper sowieso, was er braucht…“, hatte er lapidar seine völlig allgemein gehaltene Vermutung in den Bart gemurmelt.

Vonwegen, jeder Mensch kann schlafen. Bei mir sollte es jedenfalls nicht so sein. Ich hatte eine Art Schlafphobie entwickelt, und in den Jahren, in denen ich die Karriereleiter systematisch hochgeklettert bin, war das Ganze zu einem ernsthaften Problem geworden. Die lasch gehandhabte Schweigepflicht hatte dann – abteilungsübergreifend wohlgemerkt - dazu geführt, dass bald alle wussten, was die Oberärztin quälte. Was die Gräfin eigentlich für ein Problem hat. Es war wie „Stille Post“, ich konnte es mir genau vorstellen. „Ich sag’s nur Dir…“, „Kein Wort, dass Du das von mir hast, okay?“ oder „Ganz im Vertrauen, ich hab‘ das hier zufällig im System entdeckt…“. So oder so ähnlich wird es unter die Leute gekommen sein. Und jeder hat dies oder das dazu gedichtet, am Ende ist man dann drogenabhängig oder kurz vor der Einlieferung in die Geschlossene. Interessant, welche Eigendynamik so ein bisschen Halbwissen vermischt mit Klatsch und Tratsch entwickeln kann. Dabei kommt es ja in den besten Kreisen vor, dass irgendwo was durchsickert. Und wenn es wirklich mehr als brisant ist, am allerbesten noch DELIKAT (!!!), dann können die Wenigsten es für sich behalten. Selbst zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtete, berufsbedingt sozusagen. Die Fähigkeit zum Geheimnisträger ist nicht jedem gegeben, sage ich immer. Aber die Liste derer, die unter solchen Versuchungen durch das bundesdeutsche Schlagzeilen-Dorf gejagt wurden, ist lang und bekannt: Käßmann, Kachelmann, Hoeneß – um nur ein paar Namen zu nennen. Und auch bei mir konnte irgendjemand nicht widerstehen, Details aus meiner Krankenakte auszuplaudern.

Aber sollte ich der Sache nachgehen? Na, dann hätte es der Allerletzte am anderen Ende des Klinikum ganz sicher auch noch erfahren, dass ich unter massiven Schlafproblemen litt, befürchtete verrückt zu werden, Angstzustände entwickelt hatte – und langsam zweifelte, ob und wie lange das noch gutgehen könnte mit mir und meinem Leben. Und meine Beförderung auf den Oberchefsessel wäre ein für allemal hinfällig gewesen. Wahrscheinlich war ich sowieso schon längst abgeschrieben. Schwäche zeigen, das ging nicht, das war von Natur aus nicht vorgesehen für Weißkittelträger in leitender Funktion. Und ich blöde Kuh war auch noch so naiv gewesen und hatte mich meinem Chef anvertraut. Meinem Chef!!!

Wie konnte ich nur? Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Was hatte mich da bloß geritten?

Dabei war ich es doch immer gewesen, die – in früheren Zeiten – ihre Lieblingskolleginnen gewarnt hat: „Lass‘ Dich um Himmels Willen nicht vom Chef untersuchen!“ Und das galt insbesondere, wenn man „auf Gyn“ arbeitete…“ Nicht gerade selten, ließen sich einige der Mädels nämlich von ihren eigenen Vorgesetzten untersuchen. Auch in den unteren Gefilden. Das kam gut an – Stichwort „Vermeidung von Fehlzeiten“… Ich konnte das nie nachvollziehen, wie man derart blank ziehen konnte vor seinem Boss. Aber die Herren Chefs hatten natürlich allesamt überhaupt nichts dagegen, hier diagnostisch tätig zu werden. Ganz unbürokratisch, versteht sich!

So ging es dann oftmals um Intimes, einfach so - zwischen Mittagspause und Visite … Da wurde nur kurz gefragt: „Ach, Herr Kollege, hätten Sie eben kurz Zeit? Ich hab‘ da sowas, das würde ich doch gerne mal abklären lassen…“ Und schon war der Kittel hochgerutscht.

Na, das ist doch kein Problem! Da hilft man als Mann doch gerne.

Unglaublich, aber meistens nichts als die Wahrheit. Nur in seltenen Fällen war der Grund für einen schnell hochgezogenen Kittel kein rein medizinischer. Aber der guten Ordnung halber gebe ich hiermit zu Protokoll: Auch das kam vor! Zwischen Mittagspause und Visite – oder anders herum.

Nein, ich konnte nie mit derartigen Grenzüberschreitungen umgehen. Weder mit denen, die das Arzt-Patienten-Verhältnis betrafen, noch mit diesen zwischenmenschlich-erotischen Verwicklungen. „Hausfick bringt Unglück“, so hieß es doch – und Hausuntersuchung bestimmt auch! Oder wie der Engländer wissend mahnt: Never in the Company! Mir fehlte dafür jegliches Verständnis. Wie konnte frau nur?

Doch Hochmut kommt vor dem Fall: Keine zwei Jahrzehnte später – und ich selbst saß beim Prof, meinem direkten Vorgesetzten auf der anderen Seite des Tisches. Nicht auf seinem Schoß, wohlgemerkt! Ich bin ja keine Sekretärin aus einem Fünfziger-Jahre-Heimatfilm… Nein, aber mal ungeschönt: Ich erzählte tatsächlich meine ganze Leidensgeschichte, frei und frank von der Leber weg. In allen Einzelheiten, mit Beschreibung aller durchlebten Zustände, Unsicherheiten, Verwirrungen und Verzweiflungen. Die ganze Nummer. Nicht zu glauben! Und das von mir! Wie man doch manches Mal im Leben so komplett neben sich zu stehen scheint. Und dann wunderte ich mich allen Ernstes, wieso ich, also ICH, zum Objekt des Klinikboulevards werden konnte? Und woher kamen die einschlägigen Bewertungen im Internet, in denen ich selbst als „Psychotante“ beschimpft wurde, als „unausgeschlafene Tussi, vor der man nur warnen konnte“? Waren das noch echte Einträge – oder hatten sich hier etwa ein paar Kollegenschweinchen ausgetobt? Möglich war alles, in diesem Netz der Abscheulichkeiten, wo alle Aggressionen und all der aufgestaute Hass sich so wunderbar entladen konnten.

*

So und nicht anders – also, im Grunde genommen aus blanker Verzweiflung – war ich eines Tages an diesen Typen geraten. Manchmal weiß ich selbst nicht mehr genau, wie ich eigentlich gerade an den gekommen bin. Aber das Leben geht hin und wieder recht krumme Wege… Und plötzlich ist der Arzt der hilflose Helfer – und der Hilfesuchende der Lösungslieferant. Also, um es kurz zu machen, ich hatte eine Patientin, die ich schon lange, sehr lange behandelt hatte. Erfolglos, aber ihr Krankheitsbild ist auch kein harmloser Schnupfen, der in absehbarer Zeit wieder das Weite sucht. Mit einer deutlichen Verbesserung ihres Zustandes war eigentlich nicht mehr zu rechnen. Ein Buddhist hätte auf zukünftige Inkarnationen verwiesen, denn in diesem Leben glaubte doch niemand mehr an eine Wende. Die Frau wurde mehr oder weniger nur noch verwaltet, in regelmäßigen Abständen wieder einbestellt und mit Therapiestunden und den üblichen bunten Pillen versorgt. Alles mehr oder weniger ohne Wirkung, wenn man mich fragt. Also unterm Strich. Selbst die stationären Klinikaufenthalte und Rehabilitationsmaßnahmen: alles für die Katz‘! Diese Patientin war ausgesprochen therapieresistent – oder austherapiert, man konnte sich die Bezeichnungen aussuchen. Und niemand erhoffte mehr irgendwas. Man war immer nur gefasst, was als nächstes kommen würde. Für Überraschungen in jede Richtung war sie immer gut. Eigentlich hätte man sie prima fürs Kino einsetzen können, Langeweile wäre bei ihrer Geschichte nicht aufgekommen. Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt, sie hatte alle Facetten parat und ihr Leben entsprach einem einzigen Schleudergang.

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