Kitabı oku: «Münster - Jede Woche hat ihre Geschichten», sayfa 2

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In dieser Woche im Jahr 1957 …

… bekam Münsters Polizei ihre erste Funkstreife.

Vor dem 7. Februar 1957 mussten Münsters Polizisten auf Streife zum nächsten Telefon laufen, um mit der Leitstelle zu kommunizieren. Damit waren sie vor allem den fliegenden Händlern des Schwarzmarktes hoffnungslos unterlegen. Der Schwarzmarkt für Lebensmittel, Zigaretten, Schnaps und Luxusgüter aus der Vorkriegszeit blühte dank des Nachkriegsmangels prächtig. Pelzmäntel, Schinken, amerikanische Lucky Strikes oder westfälischer Korn: Alles, was knapp war, erzielte utopische Preise. Die Zentrale für die verbotenen Geschäfte war eine finstere Ruine gegenüber vom Hauptbahnhof, dort wo heute das Hotel Conti steht. Bei einer Razzia wurden auf einen Schlag 900 Verdächtige verhaftet und 120 Kilo Speck entdeckt. Ein Polizeibeamter flog allerdings selbst auf, als er beschlagnahmte Zigaretten mit nettem Gewinn weiterverkaufte. Erst die Währungsreform machte den Schwarzmarkt uninteressant. Dafür bekam es Münsters Polizei ab jetzt mit Metalldieben zu tun, die ganze Straßenlaternen absägten. Innerhalb eines Jahres legte die Funkstreife im Stadtgebiet zweihunderttausend Kilometer zurück. Mit Beginn der Wirtschaftswunderzeit wurde es auch für Münsters Polizisten wieder ruhiger. Abgesehen von einem typischen Delikt: Schon 1959 alarmiert die Lokalpresse: »In nur einer Woche 200 Fahrräder gestohlen!« Damit lag Münster schon damals weit über dem Bundesdurchschnitt. Seit damals funkt Münsters Polizei immer noch mit der gleichen Technik und wartet seit Jahren darauf, dass die Landespolitiker die Einführung des Digitalfunks umsetzen.


Wo heute das Hotel Conti steht, war früher Münsters Unterwelt-Zentrale.

In dieser Woche im Jahr 1990 …

… wurde das »Balkonmonster« gefasst.

Ausgerechnet im Jahr der Wiedervereinigung schockierte eine Serie brutaler Sexverbrechen die Stadt. Auffällig war, dass der Täter seine Opfer filmte und fotografierte. Die Polizei setzte Profiler ein, die zu dem Schluss kamen, dass sich der Täter mehr und mehr »aufschaukeln« würde. Münster war sehr beunruhigt. Weil der Täter am Yorkring über eine Regenrinne die offene Balkontür eines Opfers erreichte, nannten ihn die Münsteraner »Das Balkonmonster«. Doch Mitte Februar hatte er endlich Pech: An der Hammer Straße leistete eine Frau unerwartet heftigen Widerstand und schaffte es, die Polizei zu rufen. Die riegelte das halbe Südviertel ab und entdeckte den Täter in einer Mülltonne. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung an der Mecklenburger Straße fiel den Beamten abartiges Beweismaterial nur so entgegen. Die Überraschung: Der Täter war Musterschüler kurz vor dem Abitur und Träger des NRW-Chemiepreises, sowie Gewinner zahlreicher renommierter Fotowettbewerbe. Von seinen sadistischen Trieben ahnte niemand etwas. Nicht einmal seine bizarre Neigung, blutige Unfallopfer zu fotografieren, war jemandem bedenklich vorgekommen. Bereits im März kam es zum Prozess vor dem münsterschen Landgericht. Das Urteil wurde als Skandal empfunden: Lediglich fünf Jahre Haft! Der Richter ließ sich sogar zu der kumpeligen Aussage hinreißen: »Mit Abitur können Sie in zwei Jahren wieder frei sein«! Das verhinderten zum Glück andere Organe des Rechtsstaates und ordneten eine geschlossene Unterbringung an! Bis heute sind die Opfer damit immerhin vor einem Wiedersehen sicher.


Bizarre Briefe aus dem Knast: Post vom »Balkonmonster«. Viel Arbeit für Graphologen.

In dieser Woche im Jahr 1995 …

… wurde Claas Bahr verhaftet.

Ende der 70er ging Claas Bahr mit einem in Manila gekauften Professorentitel als Psychologe in Münster auf Kundenfang und wurde zum Therapiestar der linksgrünen Szene. In den 1980ern eröffnete er seine psychotherapeutische Praxis gegenüber der Kreuzkirche – doch seine Patienten ahnten nicht, welcher Art von Therapie sie sich auslieferten … Nachdem eine Patientin 1987 Selbstmord begangen hatte, recherchierte der SPIEGEL Einzelheiten: Bahrs Psycho-Sekte war wie ein Wirtschaftskonzern organisiert. Seine Adepten betrieben 14 weitere Praxen und die Möbelkette »Wohnen und Ideen« mit 20 Filialen, in denen die Patienten arbeiteten, die außerdem ihre gesamten Ersparnisse in die Therapie investierten. Die Patienten wurden mit Druck dazu angehalten, weitere Patienten mitzubringen. Die Therapiesitzungen auf einem Hof bei Osterwick arteten nach Aussagen von Aussteigern in wilde Sexorgien aus, bei denen auch der Meister gerne mitmischte. Der SPIEGEL: »Nach den Seminaren sind die Patienten endgültig reif für die Klapse.« Doch dann überreizte Bahr seine Karten: Münsters Staatsanwaltschaft ermittelte wegen sexueller Nötigung, Erpressung und der Hinterziehung von Steuern in Höhe von 1,5 Mio. DM. Bahr wurde verhaftet. Seine ehemaligen Patienten wurden von qualifizierten Psychologen betreut. 1997 veröffentlichte der münstersche Journalist Werner Paczian die ganze Geschichte in einer vermeintlich fiktiven (weil juristisch nicht angreifbaren) Form in dem Buch »Der Psycho-Guru von Münster«. Bahr hat sich heute auf Coaching spezialisiert.


Wer zwischen den Zeilen lesen konnte, wusste, wer der Psycho-Guru in Paczians Buch ist. Der Autor verstarb 2008 überraschend.

In dieser Woche im Jahr 1872 …

… brach in Westfalen der Kulturkampf aus.

Westfalen gehörte früher zu Preußen. Das konnte nicht gutgehen: Hier katholische Bauern – dort protestantische Beamte. Kanzler Bismarck wollte zeigen, wer in Westfalen das Sagen hat (nämlich der Staat) und ließ es auf eine Kraftprobe mit dem Bischof ankommen: Der Kirche wurde die Schulaufsicht entzogen. Münsters Katholiken sammelten Protestunterschriften. Der Staat revanchierte sich mit dem Boykott kirchlicher Feste. Darauf verweigerte der Bischof Theologiestudenten mit staatlichem Examen die Priesterweihe. Der Staat verhängte Bußgelder, die der Bischof nicht zahlte, darauf wurden seine Möbel gepfändet. Es gab nur in ganz Münster keinen Freiwilligen zum Abtransport der beschlagnahmten Güter. Schließlich fand man einen evangelischen Bürger, der sich bereit erklärte. Um ihn vor dem Lynchen zu retten, musste die Polizei ihn einsperren. Dem folgte die Zwangsversteigerung des bischöflichen Besitzes. Die Münsteraner kauften alles und gaben es dem Bischof zurück. Jetzt war das Maß voll: Der Bischof wurde abgesetzt und zur Flucht nach Holland gezwungen, sein Vermögen sollte beschlagnahmt werden. Rache: Der konfiszierende Beamte wurde von seiner Vermieterin auf die Straße gesetzt. Die Bischofsmitarbeiter hatten zudem die Buchhaltung frisiert, sodass in der Kirchenkasse offiziell ganze 45 Pfennig waren. Einer Razzia folgten Steinwürfe auf Polizisten. Dafür störten Militärkapellen die Andacht im Dom. Als über 2000 Eltern ihre Kinder nicht mehr zur Schule schickten, war eine Pattsituation erreicht. Nach neun Jahren Dauerkleinkrieg gaben die Behörden auf und setzten den Bischof wieder auf seinen Thron …


Sieg nach etlichen Runden durch technischen K. o. Die Katholiken hatten im erbitterten Kampf gegen Preußens Beamte die bessere Kondition …

In dieser Woche im Jahr 1988 …

… machte Pebüso pleite.

Partypeople kennen den Hawerkamp nur als Brache mit Subkultur. Früher war hier das Herz von Münsters Industrie. Vor 100 Jahren stand auf der Halbinsel zwischen Kanal, Bahn und Albersloher Weg ein Bauernhof. Dann verlegt die Baufirma Peter Büscher & Sohn aus Witten ihre Zentrale dorthin. Der Bauernhof verschwindet und aus dem Firmennamen wird Pe-Bü-So. Pebüso stellt vor allem Gehwegplatten und Betonteile her. Im Krieg wird Pebüso zerstört, aber der Erfolg geht erst richtig los: Weil die Siegermächte alles Bauholz abholen, müssen Dachsparren für den Wiederaufbau aus Beton gegossen werden – Pebüso brummt! Bald ist die Firma überall dabei: Beim Wiederaufbau des Schlosses, am Juridicum, bei Geistkirche und Germania-Brauerei, Speichern am Hafen und Lokschuppen am Bahnhof, bei Kanalbrücken und Schleuse. Da gründet ein Pebüso-Prokurist den Karnevalsverein Paohlbürger. Der Mitgliedsbeitrag ist bewusst hoch, um den Kreis exklusiv zu halten. Der Gründer erklärte es so: »Wenn ich zum Chef ging und sagte: Baudezernent X kann es sich leider nicht leisten, würde aber gerne Mitglied im Club und es wäre gut für die Firma, wenn er es würde, dann bezahlte Pebüso die Aufnahmegebühr.« Pebüso baut Wohnblocks in Coerde, Gievenbeck, Berg Fidel, Kinderhaus und den Allwetterzoo. Aber dann war plötzlich Schluss: Von 67 Mio. DM Umsatz 1987 ein Jahr später in die Pleite. Tiefstand im Bausektor. Gerüchte um einen fahrlässigen Konkurs gibt es bis heute. Ironie: Nur ein Jahr später kam der Bauboom mit der Wiedervereinigung zurück. Zu spät, aber sonst gäb’s heute keinen Alternativ-Hawerkamp.


Diese Firmen-Lok half beim Trümmerräumen. 1961 schenkte Pebüso sie der Stadt. Sie diente als Spielplatz-Klettergerüst und für Lindenberg-Fotos.

In dieser Woche im Jahr 1941 …

… trat Kurt Gerstein in die SS ein.

Kurt Gerstein wuchs in der Heerdestraße 11 als Sohn des Landgerichtspräsidenten Münsters auf. Der junge Katholik kollidierte bald mit der Hitlerjugend, von der er mehrfach Prügel bezog. 1938 kam er wegen kirchlicher Umtriebe sogar in »Schutzhaft«. Aus der NSDAP, in die er aus beruflichen Gründen eingetreten war, warf man ihn hinaus. Als seine Schwägerin dem Mordprogramm an Kranken zum Opfer fällt, beschließt er, das System von innen zu bekämpfen. Gerstein meldet sich zur SS und kommt als Techniker zum Hygieneinstitut, das sich mit Desinfektion beschäftigt. Im Sommer ’42 bekommt er den Auftrag, 250 Kilo des Blausäuregifts Zyklon-B zu bestellen und nach Belżec in Polen zu bringen. Dort erlebt er die erste Vergasung an über 5.000 Menschen. Gerstein schreibt ein genaues Gedächtnisprotokoll und gibt es einem Sekretär der schwedischen Botschaft. Stundenlang bekniet er den Schweden, die Welt über die Vergasungen zu informieren. Der Sekretär gibt die Aufzeichnungen an seine Botschaft weiter, wo sie allerdings in der Schublade bleiben. In Berlin versucht Gerstein nun, den Nuntius des Papstes zu treffen. Doch der empfängt ihn nicht. Nun versucht der Münsteraner, die Todesmaschinerie aufzuhalten: Er unterschlägt Zyklon-B-Lieferungen, lässt Transporte fehllaufen. Ausrichten kann er nichts. 1945 stellt er sich den Franzosen, um seine Berichte den Kriegsverbrechertribunalen zur Verfügung zu stellen. Stattdessen wird er selbst als Kriegsverbrecher behandelt und erhängt sich in der Haft. Martin Niemöller und Ignatz Bubis setzten sich für seine Rehabilitierung ein.


Als »Geheimagent Gottes« in der SS-Mordfabrik: Kurt Gerstein dokumentierte die NS-Verbrechen, aber niemand wollte davon wissen.

In dieser Woche im Jahr 1988 …

… begann im Klarastift das Ende der Gutsherrenpolitik.

Leider baute die Stadt die Altenwohnanlage Klarastift 1957 in einer Tonkuhle, die ständig voll Wasser lief. Das Problem war bekannt. Trotzdem plante das Hochbauamt 1977 einen Neubau, der von vornherein Pfusch war. Darum zögerte Oberstadtdirektor Hermann Fechtrup die Bauabnahme, mit der die Gewährleistungsfrist beginnt, über ein Jahr hinaus. Die Senioren in ihren feuchten Wohnungen wurden hingehalten; der Fall offiziell vertuscht. Doch in dem Altenheim wohnte ein pensionierter Baurat, der alle Mängel dokumentierte. Er spielte die Akten einem SPD-Ratsherrn zu. Ein Gutachten wurde erstellt. Ergebnis: Sanierungskosten von 6 Millionen DM – 40 % der Bausumme! Die CDU hielt das Gutachten unter Verschluss, niemand sollte davon erfahren. Selbst vor dem Stadtrat wurde es geheim gehalten. Das Gerichtsverfahren wurde überraschend eingestellt. Stattdessen einigte sich die Stadt plötzlich mit den Baufirmen auf lächerliche 274.000! Dieser Vergleich hätte im Rat abgestimmt werden müssen. Aber Fechtrup erklärte, mehr sei eben nicht zu holen gewesen. Als die SPD Akteneinsicht verlangte, waren Teile daraus entfernt worden. Schließlich konnte die CDU eine Untersuchung nicht mehr verhindern. Aber die Kommission führte die CDU selbst! Alles verlief im Sand. »DIE ZEIT« machte 1988 den Fall publik: »Normalerweise funktioniert das Geben und Nehmen in Münster diskret. Die Herrschaft teilen sich Wirtschaft, Verwaltung und CDU.« Der Generationswechsel im Rat läutete jedoch zu dieser Zeit das Ende der Gutsherrenpolitik in Münster ein. Seitdem muss auch die CDU wieder um Münsters Wähler werben …


Für seine Rolle im Pfusch-Skandal um das feuchte Klarastift kam Oberstadtdirektor Fechtrup nicht mal vors Karnevalsgericht …

In dieser Woche im Jahr 1848 …

… war auch in Münster »Märzrevolution«.

Anfang März 1848 wagten liberale Demokraten die Revolution gegen Fürsten & Feudalismus. In Berlin verteidigten Studenten unter den Farben der Uniformen aus den Befreiungskriegen – Schwarz-Rot-Gold – Straßenbarrikaden gegen schießendes Militär. Auch in Münster kam es zu Steinwürfen auf preußische Soldaten; dem Oberbürgermeister wurden die Scheiben eingeworfen. Um weiteres Chaos zu verhindern, stellte man eine revolutionäre Bürgerwehr auf. Trotz 1.650 Mann Stärke war ihr kämpferischer Wert eher mager: Der Lambertipfarrer spottete: »Ein drolliges Corps! Sie beziehen Posten und schlafen ein!« Der Westfälische Merkur (heute WN) bemühte sich, ein düsteres Bild von Anarchie auszumalen. Das wirkte: Die liberalen Bürger bekamen Angst vor ihrer eigenen Courage und dienten sich schnell wieder der alten Obrigkeit an. Bei der Wahl zur ersten deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche stimmten die Münsteraner dann auch tatsächlich für ihren Bischof als Delegierten! Durch überzogene Repressionen bekamen die Demokraten dann aber doch noch Aufwind: Nach der Verhaftung von 14 Bürgern, kam es zu einer Massenschlägerei zwischen Münsteranern und Militär. Aber zu spät: Fürst Metternichs Reaktion rollte die Revolution zurück. Auch in Münster hieß das bis auf weiteres: Dreiklassenwahlrecht, verschärfte Pressezensur und Aus für die demokratische Meinungsfreiheit.


»Gegen Demokraten helfen nur Soldaten«, rappte Preußens König. Gegen diese nicht so leicht, aber gegen Münsters Biedermeier-Bürgerwehr allemal!

In dieser Woche im Jahr 1993 …

… verlor Münster seine geliebte Postleitzahl.

Bis Ende des Zweiten Weltkrieges war Münsters Postleitzahl 21a. Dann wurde das System in den drei Westzonen neu organisiert. 1962 wurden schließlich vierstellige Postleitzahlen eingeführt. Nur große Städte bekamen eine zweistellige Zahl plus zwei Nullen. Münster erhielt die 4400, verkürzt 44. Darauf waren die Münsteraner unendlich stolz, denn es war Balsam für ihren Provinzkomplex, somit offiziell in die Reihe großer Städte wie Dortmund, Bremen oder der damaligen Bundeshauptstadt Bonn zu gehören. Vierundvierzig Münster war eine Marke mit großer Beliebtheit und die Bürger hielten sie in Ehren. Doch dann brauten sich dunkle Wolken über Münsters Großstadtbewusstsein zusammen: In die Freude über die Wiedervereinigung mischte sich bald Unheil. Eine bekloppte Reklamefigur namens »Rolf« warb plötzlich für neue, fünfstellige Postleitzahlen. Grund: In der ehemaligen DDR gab es identische PLZ-Bezirke; ausgerechnet das berüchtigte Industrie-Dreckloch Bitterfeld trug »drüben« ebenfalls die 4400. Weil man kein Provisorium wollte (wie die vorgeschlagene Beibehaltung der Zahlen mit dem Zusatz auf W bzw. O für West und Ost), wurden die Zahlen wieder neu gemischt. Mit den fünfstelligen Postleitzahlen gab es erstmals verschiedene PLZ in einer Stadt.

Die Münsteraner traf es dreifach hart: Erstens verloren sie ihre großstädtische Zweistelligkeit, zweitens mussten sie ihre teure 44 an Dortmund abtreten (was irgendwie wie eine Degradierung empfunden wurde), aber der Gipfel der Demütigung war, dass Münster ausgerechnet die 48 zugewiesen bekam – die ehemalige PLZ von Bielefeld!!


Fehlte in keiner Werbung: Die Postleitzahl 4400 Münster – das klang nach Großstadt und Metropole; Balsam für den Provinzkomplex.

In dieser Woche im Jahr 1983 …

… sprach der BGH Ludwig Poullain frei.

In den 1960ern kam Ludwig Poullain aus dem Bergischen Land nach Münster, wurde Generaldirektor der Westfälischen Landesbank und vereinigte sie mit der Rheinischen Provinzialbank zur WestLB. Zudem wurde er Präsident des Sparkassenverbandes. Der Neue heizte den gemütlichen Sparkassen-Onkels kräftig ein und machte die Provinzbank zu einem international erfolgreichen Unternehmen. Damit zog er sich zuhause den Hass von Gewerkschaftern und Lokalpolitikern zu, die sich beide in ihrer traditionellen Folklore gestört fühlten. Bei den Münsteranern war Poullain sowieso unten durch, seit er indirekt (als Geldgeber) an der Aufstellung der ersten modernen Skulptur im öffentlichen Raum »schuld« war und auch noch sein futuristisches Bankgebäude auf dem Boden des alten Zoos errichtete, den die Münsteraner so liebten. Aber Poullain war auch nicht feige vor mächtigeren Feinden als den Münsteranern: So geißelte er genüsslich in aller Öffentlichkeit die Geldpolitik der Landes- und Bundesregierung. NRWs Ministerpräsident (SPD) forderte ihn auf, das gefälligst sein zu lassen. Doch Poullain konterte, er lasse sich Kritik nicht verbieten. Darauf zog man eine Skandalaffäre um einen Beratervertrag Poullains auf, um ihn zum Rückzug zu zwingen. Poullain wurde zwar im März 1983 vom BGH freigesprochen, war bei der WestLB aber draußen. 2004 sollte er trotzdem eine Rede halten. Als klar wurde, dass diese eine Abrechnung werden würde, lud man ihn aus, aber die Rede erschien darauf in der FAZ, und ließ Banker und Politiker ziemlich alt aussehen. Das verzeihen sie ihm nie! Poullain lebt bis heute in Münster.


Ludwig Poullain rechnete gnadenlos mit der Inkompetenz von Politikern und Funktionären ab – das wurde ihm zum Verhängnis …

In dieser Woche im Jahr 1992 …

… verklagte Steffi Stephan Jürgen Kehrer.

Um Weihnachten 1991 veröffentlichte Jürgen Kehrer seinen zweiten Münster-Krimi »In alter Freundschaft«. Der Fiesling der Story ist ein ganz mieser Typ: Kehrer beschreibt ihn als münsterschen Discobesitzer, der gerne Stirnbänder trägt, früher mal Rockmusiker war und manchmal »einen alternden Rockopa« auf Tourneen begleitet. An der Steinfurter Straße (wo zu jener Zeit das Jovel war) betreibt der Krimi-Gangster einen Konzertladen »mit dem Charme eines Schwimmbades«. Zufall: Neben dem alten Jovel war das Spaßbad Germania-Therme. Jeder phantasiebegabte Münsteraner konnte in dieser Figur den realen Steffi Stephan erkennen. Das tat auch die Frau des damaligen Oberbürgermeisters Twenhöven, als sie das Buch las. Von seinem »Kumpel Twenny«, wie Stephan den OB zu nennen pflegte, wurde er auf die peinliche Ähnlichkeit aufmerksam gemacht. Weil es in dem Roman um üblen Kindesmissbrauch geht, war Stephan eine Entschuldigung Kehrers zu wenig: Er klagte auf Vertriebsverbot und 20.000 DM Schmerzensgeld. Münsters Landgericht hatte also die Frage zu klären, ob Kehrer nachweislich Stephan gemeint hatte. Das war gar nicht so einfach, denn die mutmaßlich wohlkalkulierten Anspielungen standen eher zwischen den Zeilen als schwarz auf weiß. Darum war es für Kehrer ein Leichtes, den Ärger Stephans ins Leere laufen zu lassen. Das Gericht konnte denn auch keine Ähnlichkeit feststellen und entschied für Kehrer. Der Presserummel um den Promi-Streit zog sich mehrere Wochen hin und bescherte dem Buch eine unterhaltsame und kostenlose PR, die sich auch in hohen Verkaufszahlen niederschlug.


Marketing-Schlaufuchs Kehrer hat natürlich bei seinem Krimi-Fiesling niiiie an Steffi Stephan gedacht. Das Gegenteil war nicht zu beweisen.

In dieser Woche im Jahr 1852 ...

… schoss von Vincke auf Bismarck.

Nach Studium und Wehrdienst bekam Georg von Vincke einen Job als Referendar am Oberlandesgericht Münster. Der junge Mann hatte die besten Empfehlungen: Sein alter Herr war Ludwig von Vincke. Der hatte es als Nachfolger des Freiherrn vom Stein zum Regierungspräsidenten des Bezirks Münster und zum Oberpräsidenten der preußischen Provinz Westfalen gebracht. Als Anhänger des Reformerkreises um Stein kümmerte er sich vor allem um den Ausbau der Infrastruktur der Agrarregion Westfalen, um die Zeichen der Zukunft auf Industrialisierung zu stellen. Filius Vincke folgte seinem alten Herrn in die Politik und wurde als Abgeordneter in den Westfälischen Provinziallandtag gewählt. Nach der studentischen Vormärz-Revolution wurde er sogar Delegierter für den westfälischen Wahlkreis in der neuen Frankfurter Nationalversammlung. Dort vertrat Vincke eine liberal-konservative Einstellung. Nachdem aus der Nationalversammlung nichts wurde, saß er im Preußischen Landtag. Dort rumpelte er mit Bismarck aneinander. Bei einem Streit über Militärausgaben blaffte Vincke, Bismarcks einzige Kompetenz sei das Zigarrequalmen; Bismarck kläffte zurück, Vinckes Eltern hätten ihm wohl keine Manieren beigebracht. Darauf forderte Vincke Bismarck zum Pistolenduell mit vier Schüssen. Der illegale Zweikampf wurde im Morgengrauen im Wald ausgetragen. Schiedsrichter Bodelschwingh (!) überredete die Hitzköpfe, statt vier Schüsse nur jeder einen abzugeben. Beide Kontrahenten schossen daneben. Wie wäre die deutsche Geschichte wohl verlaufen, wenn einer getroffen hätte? Vincke starb 23 Jahre später an einem Schlaganfall.


Bei vier Schüssen wäre Bismarck entweder als Vorbestrafter kein Minister geworden oder hätte überhaupt kein Amt mehr übernommen …

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