Kitabı oku: «Hearts Collide»
Celine Ziegler
Hearts Collide
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Impressum neobooks
Prolog
Seit ich in der Grundschule schreiben und lesen gelernt habe, bin ich süchtig danach. Ich habe die meiste Zeit meiner Freizeit damit verbracht, Bücher zu lesen, mir wissen über Literatur und Germanistik anzueignen, um immer besser zu werden, um Erfolg mit meiner Leidenschaft haben zu können; 'Denn Erfolg ist alles', sagte mein Onkel immer, der heute eine eigene Firma besitzt und Millionen verdient.
Deshalb hatte ich nie sonderlich viele Freunde. Störte mich das? Eigentlich nicht. Ich war zufrieden damit, in meine Welten einzutauchen und die anderen zu vergessen, denn ich hatte meine Ziele im Leben und diese wollte ich erreichen.
Neben meinen kaum existenten Freunden, hegte ich keinerlei Interesse an irgendwelchen Beziehungen zu Jungs. Jeder weiß, dass Beziehungen in meinem Alter bloß jugendliche Gelüste sind, die am Ende mit einem gebrochenem Herzen enden und ich wollte nicht einer dieser Menschen sein, die sich in jemanden auf erbärmlichste Art verlieben und alles andere aufgeben, um dieser Person nahe zu sein.
Doch all das sollte sich ändern, als ich auf das College kam und Aiden Bender kennen lernte.
Aiden war der Inbegriff von Lebenslust und so viel anders als ich. Er war immer die Art von Perfektion, die sich selbst nicht zu ernst nahm und das zog mich magisch an.
Ich begleitete Aiden durch so viele Kapitel seines Lebens und er begleitete mich auf der Straße voller Kurven und Ecken meines Lebens. Wir teilten unser Leid und Leben. Er war so viel für mich und noch viel mehr.
Manchmal frage ich mich, wo ich heute wäre, wäre ich auf ein anderes College gegangen und er mich niemals aus meiner selbst erschaffenen Dunkelheit gezogen hätte, um mir die Sonne zu zeigen. In all den Jahren vor dem College wusste ich nicht, wie wenig ich vom Leben hatte, bis ich ihn traf.
Ich habe so viele Dinge gelernt und kennengelernt, die ich in keinem Buch erlesen konnte. Es war alles so viel mehr. Es war ein Drama, ein Krimi und auch ein Roman. Schließlich endet es aber doch mit meiner Biografie, dem Weg zu mir selbst.
Es sind so viele Dinge unschlüssig und das Leben ist noch lang, aber eine Sache weiß ich jetzt ganz genau:
Ohne Aiden hätte ich mich niemals kennengelernt.
Ohne Aiden hätte ich mich niemals verloren.
Kapitel 1
"Und du bist dir auch sicher, dass du alles hast?", fragt mein Dad mich nun zum zigsten Mal.
"Ja, Dad. Ich hab sicher alles. Du bist ja nervöser als ich", lache ich.
Heute ist der Tag, auf den ich schon so lange gewartet habe. Ich ziehe auf die ZOS in London. Es ist Wahnsinn, wenn man bedenkt, wie lange ich auf diesen Tag gewartet habe. Auch wenn mir der Abschied von meinem Vater und meiner besten Freundin wirklich nahe geht, erfüllt sich heute mein Lebenstraum. Es ist die größte und beste Veränderung in meinem Leben und ich bin mir sicher, dass ich hier meinen Erfolgen näher kommen werde. Ich bin froh, endlich von meinem kalten Heimatdorf Aldbury verschwinden zu können. Und das, was ich schon von London gesehen habe, ist mehr als eine Faszination. Es ist schöner, als ich es mir je hätte vorstellen können.
"Es ist nur ... Du ..." Dad sieht so aus, als würde er jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. Sein Kopf wird knallrot.
Ich weiß, dass es ihm schwer fällt, so viel Emotion zu zeigen. Sein Testosteronspiegel würde dann jedes Mal um einiges sinken, behauptet er immer, deshalb umarme ich ihn einfach so fest wie ich kann.
Jetzt scheint er sich dennoch nicht mehr beherrschen zu können, denn er schluchzt laut los mit dem Kopf in meiner Halsbeuge.
"Hach, Dad. Wein doch nicht, in einem Monat komm ich wieder zu Besuch", versuche ich ihn zu trösten und klopfe ihm sachte auf den Rücken. "Und außerdem willst du doch hier nicht vor allen eine Szene machen oder? Was die bloß denken, wenn hier ein heulender erwachsener Mann steht?"
Er lässt von mir ab und wischt sich unauffällig mit der Hand über die Wange, damit man seine kleine Träne nicht sehen kann.
Er wird mir so fehlen.
Schmunzelnd gehe ich auf meine beste Freundin zu, die genau neben ihm steht. Ihr Kopf ist ebenfalls schon gerötet und sie scheint die Luft anzuhalten. "Du wirst jetzt aber nicht auch weinen, oder? Noch eine nasse Schulter vertrage ich, glaube ich, nicht mehr." Ich versuche die Situation ein wenig von Unannehmlichkeiten zu befreien, doch Scarlett war schon immer nah am Wasser gebaut, deshalb denke ich, dass sie gleich explodieren wird.
"Komm her", schluchzt sie schließlich und zieht mich fest in ihre Arme. "Versprich mir, dass du mich mindestens drei Mal die Woche anrufst und mir von jedem kleinsten Detail berichtest." Sie lässt mich wieder los und hebt bestimmend ihren Finger. "Und du erzählst mir sofort, wenn du jemanden kennengelernt hast!"
Scar ist immer noch fest davon überzeugt, dass ich gerade hier auf diesem College die Liebe meines Lebens kennenlernen werde. Wir sind uns da allerdings nicht ganz einig, denn ich glaube eher weniger daran.
Ich verdrehe die Augen. "Wohl kaum, aber ja, werde ich tun, Mutti."
"Gut! Und jetzt schwinde in die Welt der Nerds!"
Sie meint wohl eher in die Welt der Träume und Literatur. Denn das ist, was es ist. Ein Traum, ein wahrer Traum. Kaum zu glauben, dass ich endlich hier bin. Wie viele Nächte ich damit verbracht habe, von diesem Tag heute zu fantasieren.
Nach langem Suchen habe ich endlich mein Zimmer gefunden, Zimmer 102. Ich kann immer noch nicht ganz fassen, dass ich endlich hier bin. Sogar die Gänge in den Wohnhäusern sehen cool aus. Ich schließe mit dem Schlüssel, den mir eine Betreuerin gegeben hat, die Tür auf und halte es kaum aus vor Vorfreude. Mit zwei riesigen Koffern im Schlepptau versuche ich, mich durch den viel zu engen Türrahmen zu quetschen und bin froh, dass ich nicht stolpere, als ich endlich im Zimmer stehe. Erleichtert seufze ich und sehe mich im Zimmer um.
Mir bleibt die Luft weg.
Die Wände sind bis auf den kleinsten Millimeter voll mit Postern von Boybands. Von den Beatles bis One Direction ist alles dabei. Ich schnappe entsetzt nach Luft. Bin ich in der Hölle gelandet? Oder doch im Folterraum eines Jungencolleges? Die Blase vom Traumzimmer auf meinem Traumcollege ist kurz vorm Platzen.
"Oh, hallo, ich sehe, du bist angekommen", höre ich eine Stimme hinter mir und ich drehe mich erschrocken um.
Ein Mädchen - ungefähr in meinem Alter - sitzt an einem der zwei Schreibtische im Zimmer und lächelt mich freundlich an. Ihre blonden Haare sind so extrem toupiert, dass sie nur noch wie ein reines Vogelnest aussehen. Ich kann sogar schon beobachten, wie neidisch manche Vögel von draußen zu ihr hineinstarren. Trägt sie etwa ein braunes Bettlaken um ihren Körper?
Ich bekomme kein Wort heraus. Mein Entsetzen ist einfach noch zu groß. Meine Kinnlade schleift mittlerweile schon am Boden und scheint da ein Mittagsschläfchen zu halten.
Das äußerst seltsame Mädchen steht auf und kommt langsam auf mich zu. Sie sieht mich abschätzend von oben bis unten an. "Mein Name ist Margaery und ich heiße dich herzlichst Willkommen in unserem gemeinsamen bescheidenen Zimmer." Sie macht gerade ernsthaft einen Knicks vor mir.
Und Moment mal … Margaery? Ist das nicht ein Charakter aus Games of Thrones? Ich traue fast meinen Augen und Ohren nicht. Das kann nur ein schlechter Scherz sein.
"Ehm, ich bin Ravely", krächze ich und halte Ausschau nach versteckten Kameras. Hier sollten besser welche sein.
Margae... wie auch immer, setzt sich auf ihr Bett, das Bettwäsche von Take That trägt und grinst mich breit an. "Ravely. Was ein schöner Name. Wusstest du, dass Rave Rabe bedeutet?"
"Ja, habe ich schon oft gehört." Ich kann meinen Blick nicht von ihrem Gewand lenken. Sie sieht aus wie eine Mischung aus Mönch und Neandertaler, ich kann aber nicht entscheiden, in welche Richtung sie eher tendiert.
"Das Gewand scheint deine Aufmerksamkeit geweckt zu haben. Gefällt es dir? Ich kann dir auch eines nähen, wenn du verlangst." Das Grinsen, das ihre Lippen ziert, ist so breit, dass es mehr als unheimlich wirkt.
"Nein!", platzt es aus mir heraus. Zu laut. "Ich meine, nein, danke. Ich bleibe bei meinen Alltagsklamotten, aber danke, ähm ... für das Angebot."
Sie nickt, immer noch lächelnd.
Ich setze mich auf das Bett ihr gegenüber und betrachte das Zimmer noch einmal, blinzle mehrmals, um auch wirklich auf Nummer Sicher zu gehen, dass das gerade real ist. Wenn diese Poster von hormonellen Boygroups nicht verschwinden, werden sie mich mit Sicherheit bis in meine Träume verfolgen. "Du scheinst also auf Boybands zu stehen, huh?" Ich versuche mein Entsetzen nicht ganz zur Geltung zur bringen, denke aber, dass es mir nicht gerade gut gelingt.
"Ja, Boybands sind für mich alles. Meine Religion, meine Fantasien, meine Welt … Mein Leben.“
"Hm-hm." Sie ist verrückt.
"Gefallen dir die Poster nicht?"
"Doch, doch, klar." Ich glaube meinen eigenen Worten nicht. "Es sind nur ... so viele, weißt du? Ich hab gar keinen Platz meine eigenen Poster aufzuhängen." Dass ich keine Poster habe, die ich aufhängen könnte, behalte ich für mich. Hauptsache, diese abstrakten Dinger kommen von den Wänden.
"O, ich entschuldige mich. Ich werde meinen Fehler bereinigen." Sie steht auf und fängt an das Riesenposter von der Tür abzuhängen.
Ich nutze die Zeit und räume meine Klamotten in den Schrank. Ich hoffe insgeheim, dass dort keine Poster sind. "Wie lange bist du schon auf der ZOS?", frage ich sie, um wenigstens ein normales Gespräch mit ihr führen zu können.
"Seit letztem Schuljahr." Sie faltet das Poster zusammen, küsst aber vorher noch den Kopf eines Bandmitglieds von One Direction.
Kaum zu glauben, dass sie einen Notendurchschnitt von mindestens 2,0 haben muss, wenn sie das Privileg hat, hier auf der Schule zu studieren. Aber vielleicht lerne ich ja auch eine normale Seite an ihr kennen, wenn ein wenig Zeit vergangen ist. Ich hoffe es.
Nachdem ich mich so schnell wie möglich beeile, alle meine Sachen in den Regalen und Schränken zu verstauen, habe ich auch schon einen Abflug gemacht.
Nicht, weil ich nicht in Margaretas... oder Marge... oder wie auch immer, Nähe sein will, sondern - Stop, ich will einfach nicht in ihrer Nähe sein. Sie hat definitiv nicht mehr alle Tassen im Schrank und mit so viel verrücktem Kram am ersten Tag hatte ich definitiv nicht gerechnet, als ich heute Morgen aufgestanden bin.
Ich habe beschlossen - wenn ich schon mal dabei bin abzuhauen - den Campus ein wenig zu erkunden. Ich könnte mir schon mal zurechtlegen, wie meine Wege zu den verschiedenen Kursen sind, denn ich habe schon rausgefunden, dass es verschiedene Blöcke gibt, für die verschiedenen Genres wie Naturwissenschaften oder Sprachen.
Schon als ich das erste Mal aus dem Auto meines Dads ausgestiegen bin, sind mir die vielen schönen Bäume und grünen Wiesen aufgefallen, die den kompletten Campus schmücken. Natürlich gibt es auch gepflasterte Wege, aber größtenteils besteht alles aus Natur. An den Wegen stehen auch gelegentlich Bänke. Ich freue mich jetzt schon darauf, jeden Tag nach den Kursen das schöne Wetter zu genießen, auf den Bänken meine Hausaufgaben zu machen und mich meinen Büchern zu widmen.
Am liebsten würde ich mich schon jetzt sofort auf eine Bank setzen, mein Notizblock herausholen und aufschreiben, wie durchgedreht meine Mitbewohnerin ist. Insgeheim hoffe ich immer noch, dass das alles nur ein schlechter Scherz ist.
Nach ungefähr einer Stunde des Herumlaufens und Erkundens gehe ich gezwungenermaßen wieder zurück in das Zimmer des Schreckens, denn es fängt schon an zu dämmern. Vor der Tür atme ich nochmal tief ein und aus, um nicht sofort den nächsten Herzinfarkt zu bekommen, wenn ich gleich diesen Raum betrete.
Doch es kommt komplett anders.
Margae... wie auch immer, liegt in ganz normalen Klamotten, ganz normal auf ihrem Bett, mit ganz normaler Bettwäsche und tippt etwas auf ihrem ganz normalen Handy.
Alle Poster von Boybands sind von den Wänden verschwunden und erst jetzt kann man sehen, dass die Wände in einem schönen Hellblau gehalten sind. Das habe ich definitiv nicht erwartet. Ich stehe immer noch ungläubig im Türrahmen und halte den Türknauf in der Hand. Hat sie jetzt eine Hundertachtziggradveränderung gemacht? Haben die Boybandaliens ihr wieder ihr Hirn zurückgegeben?
"Ravely, du bist wieder da", sagt sie. Sie sagt es ganz ... normal. Sogar ihre Stimme hat sich verändert, sie ist nicht mehr so hoch wie vorher.
"Ja, anscheinend bin ich das." Ich bin total baff. "Was zur Hölle ist hier los?"
Sie lacht einmal kurz auf und meint: "Setz dich, ich werde es dir erklären."
Ich gehorche und setze mich. Ich setze eine leicht böse Miene auf, immerhin fühle ich mich gerade komplett verarscht. Neugierig ziehe ich eine Braue hoch und verschränke die Arme.
"Also pass auf, das alles, was sich hier vorhin noch abgespielt hat, war nichts anderes als reiner Wissensdurst. Jedes Mal, wenn ich neue Leute kennenlerne, versuche ich sie auf törichste Art und Weise hereinzulegen, um herauszufinden, wie sie reagieren."
Ich betrachte sie skeptisch.
"Ich schreibe Bücher, weißt du? Und für mich ist es extrem wichtig, viele verschiedene Situationen in meinem Leben schon mal durchlebt zu haben. Seien sie auch noch so peinlich. So kann ich besser die Gefühle von meinem Gegenüber, wie auch von mir, verstehen und in meinen Geschichten wiederverwenden. Und dass ich eine neue Mitbewohnerin bekommen, war einfach die perfekte Chance für mich. Ich hoffe, du bist mir nicht böse." Mittlerweile bekommt sie einen entschuldigenden Unterton, denn sie scheint zu merken, dass das wirklich verrückt klingt. Und das tut es auch.
Wow, ich bin sprachlos. Ich fühle mich hintergangen und gleichzeitig bin ich extrem erleichtert, dass sie doch nicht so verrückt ist, wie ich dachte. Mir fällt eine Last von den Schultern, die ich in den letzten Stunden tragen musste. Die Blase vom Traumzimmer auf meinem Traumcollege besteht wieder.
Ich lache laut… vor lauter Erleichterung lache ich einfach laut los. Ich wische mir eine Träne aus den Augen und frage, nachdem ich mich beruhigt habe. "Margae..., wie auch immer, ist aber nicht dein richtiger Name, oder?"
"Nein, natürlich nicht. Ich heiße Abigail, aber nenn mich bitte Aby. Bin 19 Jahre alt, studiere englische Literatur, hasse Katzen und steh total auf den Lehrer aus dem Mathekurs." Sie ist auf jeden Fall netter als ich dachte. Ich denke, dass man mit ihr viel Spaß haben kann.
"Ich bin Ravely, 18 Jahre alt, studiere ebenfalls englische Literatur, hasse Boybands und bin durch und durch Single."
Kapitel 2
Am nächsten Morgen steht der erste Unterricht an. Ich bin extrem aufgeregt, was mich in den Kursen so erwartet. Mein erster Kurs ist direkt Literatur, zum Glück. Mit Mathe will ich den Tag nicht starten.
Als ich den Raum betrete, sehe ich schon vierzig Personen im Hörsaal sitzen. Dass es so viele junge Erwachsene gibt, die sich für Literatur interessieren, hätte ich nicht gedacht. Vorsichtshalber setze ich mich in die letzte Reihe, denn ich möchte nicht unbedingt von jemandem angesprochen werden, der mich ablenken könnte. Dafür ist mir dieser Kurs zu wichtig.
"So, liebe Schüler und Schülerinnen, nehmt bitte Platz", ruft der Professor durch den Raum. Kurz darauf wird es auch schon still. "Mein Name ist Professor Snow und ich bin froh, einige neue Interessenten in meinem Kurs begrüßen zu dürfen und hoffe auf viele neue Charaktere. Wie ihr wahrscheinlich bereits wisst, handelt es sich hier in diesem Kurs um die englische Literatur, deshalb bitte ich euch immer euren Laptop oder einen Block dabei zu haben. Ein Block sollte absolut ausreichen, da ihr den Großteil eurer Geschichten auf euren Zimmern, oder wo auch immer ihr am liebsten schreibt, schreiben werdet. Dazu kommt –‘‘ Der Professor wird von dem Knall der Eingangstür unterbrochen.
Ein Schüler betritt den Raum und alle starren ihn an. Genervt beobachte ich ihn, wie er in die letzte Reihe geht. Wie kann er es sich erlauben am ersten Tag zu spät zu kommen?
"A, Mister Bender! Sie hielten es wohl auch mal für nötig in den Unterricht zu kommen", ruft Snow zu ihm.
Der benannte Mister Bender setzt sich an das andere Ende der letzten Reihe. Gut so, schön weit weg von mir. „Nach der Sommerpause an einem Montagmorgen pünktlich im Unterricht zu erscheinen ist utopisch, Professor Snow", ruft er lässig nach vorne und bekommt von den allen anderen Schülerinnen Gekicher geschenkt, außer von mir. Ich finde es eigentlich nur unangebracht und außerdem klaut dieser Auftritt mir kostbare Zeit vom Unterricht. Ich mag ihn schon jetzt nicht. Genervt von ihm schnaube ich und sehe wieder zu Mister Snow.
"Wie auch immer. Wo war ich?“, murmelt dieser und schnipst. „Ach so! Dazu kommt, dass ich möchte, dass Sie jeden Tag ihre Gefühle und Erlebnisse aufschreiben, die sie für den Tag geprägt haben. Oder Sie schreiben eine Kurzgeschichte, mit der Sie sich identifizieren können. Ich möchte, dass Sie das alles in ein einziges Buch oder Heft schreiben, nie auf verschiedene Blätter, so verlieren Sie auch nichts. Ich möchte am Ende des Schuljahres diese Hefte einsammeln und eure Fortschritte bewerten."
Ein lautes Stöhnen kommt von den Schülern. Außer natürlich von mir, ich freue mich total darüber, dass so etwas bewertet wird.
Die erste Stunde wurden uns weitere Informationen über das bevorstehende Schuljahr gesagt und ich freue mich jetzt schon wie eine Schneekönigin, endlich damit beginnen zu können. Genau so habe ich mir das College vorgestellt. Nachdem ich den Hörsaal verlassen habe, krame ich meinen Plan vom Campus aus meiner Tasche und versuche den Weg zum Physikkurs zu finden. Ich drehe die Karte ständig herum, um endlich zu kapieren, welcher Weg eigentlich welcher ist. Ich verzweifle jedoch. Mein Orientierungssinn war noch nie besonders ausgeprägt.
"Du hältst die Karte falschherum", höre ich eine bekannte Stimme hinter mehr.
Na, toll. Der hat mir gerade noch gefehlt. Mister Ich-Ziehe-Alle-Aufmerksamkeit-Auf-Mich grinst mich schelmisch an.
Erst jetzt fällt mir auf, wie viel größer er ist als ich. Na ja, das ist wahrscheinlich jeder. Ich, mit meinen einmeterfünfundfünzig überrage kaum jemanden, der nicht gerade zehn Jahre jünger ist als ich. Seine Haare sind gelockt und nach oben gestylt und mit seinen stechend grünen Augen erinnert er mich an den Protagonist meines Lieblingsbuches. Nur, dass dieser Protagonist ein hoffnungsloser Romantiker ist, was ich ihm hier vor mir bestimmt nicht zutrauen kann.
"Oh, danke", sage ich einfach lässig und drehe mich von ihm weg. Ich steure irgendeine Richtung an. Ob es die falsche oder richtige Richtung ist, ist irrelevant, denn ich will erst einmal von ihm weg. Mein Plan scheint jedoch kläglich zu scheitern, denn ich höre schon seine Schritte hinter mir.
Er taucht neben mir auf, nimmt mir die Karte aus der Hand und sieht darauf. "Welchen Kurs hast du denn jetzt?"
Ich beherrsche mich, freundlich zu bleiben und ihm nicht sofort wieder die Karte aus der Hand zu reisen. "Physik."
"O, hab ich jetzt auch. Begleite mich doch einfach." Er lächelt freundlich und hält mir wieder die Karte hin.
Nein, ich will dich nicht begleiten.
Ich seufze und nehme ihm die Karte ab. "Von mir aus."
"Bist du neu hier?", unterbricht er die eigentlich bisher angenehme Stille zwischen uns, während wir zu den Physikräumen laufen.
"Ja."
"Gefällt es dir bisher?"
"Kann ich noch nicht beurteilen." Er fängt an mir tierisch auf den Keks zu gehen.
"O, ach so. Ich denke, es wird dir hier gefallen. Die Möglichkeiten der - "
Ich bleibe stehen und unterbreche ihn. Das will ich mir echt nicht anhören. "Hör mal, ich will einfach nur in den Kurs gehen, mehr nicht. Wenn du also mit jemandem Konversation betreiben möchtest, bin ich definitiv die Falsche dafür."
Er tritt einen Schritt zurück und hebt die Hände vor seinen Körper. "Wow, wow, ganz ruhig, Catwoman. Ich wollte nur freundlich sein. Aber wie du meinst, dann finde halt alleine den Weg zum Kurs, denn ich hab´ eigentlich einen anderen Kurs, am anderen Ende des Campus. Aber meine durch und durch freundliche Seele hat mir befohlen mich um die hilflosen Neulinge zu kümmern. Hast du dir jetzt vermiest." Und er zieht ab.
Verärgert sehe ich ihm nach und schnaube. Mist.
Mist. Mist. Mist. Ich will auf gar keinen Fall zu spät zum Kurs kommen an meinem ersten Tag. Aber ich will jetzt auch nicht einknicken und ihn nach Hilfe fragen. Nach wenigen Momenten des Konflikts in meinem Kopf sehe ich Aby und gehe zu ihr.
"Aby, kannst du mich bitte, bitte zum Physikkurs bringen? Ich kann diese doofe Karte nicht lesen und dieser noch doofere Bender hat einfach einen Abgang gemacht." Ich komme mir so hilflos auf dieser Schule vor.
"Ja, klar, kein Problem, ich hab jetzt eh eine Freistunde." Sie verabschiedet sich von ihrer Gruppe an Menschen, bei denen sie eben noch stand.
"Danke, du bist mein Held." Ich stöhne erleichtert und packe meine Karte vom Campus in meinen Rucksack.
"Nicht doch. Aber was sagtest du? Bender?"
"Ja, Bender. Er wollte mich eigentlich zum Physikkurs bringen, aber dann hab ich ihn, anscheinend zu unfreundlich für seine 'durch und durch freundliche Seele', angepampt und dann ist er gegangen. Echt ein Idiot. Dann ist er auch noch zu spät zu unserem Kurs gekommen. Was ist das denn für einer?"
"Ravely, glaub mir, so doof ist Aiden - also Bender - nicht. Er war letztes Jahr der einzige, der sein Buch veröffentlichen konnte. Er hat sogar mehrere Preise dafür bekommen."
Ich hebe meine Brauen und kann meinen Neid nicht verstecken. Bender ist tatsächlich der Letzte von dem ich erwartet hätte, dass er ein Buch veröffentlich hat, womit er sogar Auszeichnungen gewonnen hat.
"Außerdem ist er heiß", zwinkert Aby.
Ich verschlucke mich an meiner Spucke. Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Werde ich auch nicht. Aussehen macht keine Leute, sondern Leistungen. "Heiß sein bereinigt den ersten Eindruck auch nicht mehr. Und der ist mehr als schlecht ausgefallen“, blaffe ich deshalb.
"Warum genau magst du ihn jetzt nochmal nicht?" Sie lacht.
Ich muss selbst überlegen. Eigentlich hat er ja nichts Schlimmes getan, außer den Unterricht gestört. Danach wollte er mich sogar zu meinem Kurs bringen, obwohl seiner ein ganz anderer war. Im Großen und Ganzen könnte er bei jeder anderen Person gut abschneiden. Ich kann mir einfach nicht erklären, wieso ich ihn so doof finde.
"Ich mag ihn einfach nicht", meine ich. Mittlerweile komme ich mir tatsächlich einfach selbst bescheuert vor.
"So, hier ist es. Block C. Hier sind immer die naturwissenschaftlichen Kurse. Bis später!" Aby winkt mir noch zu und geht.
Mein Kopf ist voll von Gedanken, die ich nicht kontrollieren kann und ich frage mich abermals, wieso ich Bender -anscheinend Aiden - einfach nicht ab haben kann. Normalerweise habe ich nie wirklich etwas gegen irgendwelche fiktiven Personen gehabt, sie haben mich einfach nur nie interessiert. Ich schiebe den Gedanken 'Aiden' bei Seite und konzentriere mich auf Physik.
Nachdem all meine Kurse um drei Uhr zu Ende sind, gehe ich wieder auf mein Zimmer, um meine Hausaufgaben zu erledigen. Ich mache zuerst die nervigen Hausaufgaben, unter anderem Biologie und Physik und widme mich erst zum Schluss meinen Schreibhausaufgaben. Das Beste kommt bei mir einfach immer erst zum Schluss, so verliere ich die Motivation auch nicht zu schnell.
Ich schreibe über den schweren Abschied von Scar und meinem Dad, wie sie beide weinen mussten. Über das Drama mit Aby und wie ich mich erleichtert und gleichzeitig hintergangen gefühlt habe. Ich schreibe sogar ein paar Sätze über Aiden. Auch, wenn er mir egal ist, beschäftigt er mich auf irgendeine Art und Weise. Ich frage mich, was für ein Buch es ist, das er veröffentlicht hat. Es ist bestimmt ein Krimi, das würde zu ihm passen. Oder vielleicht ist es ein Roman? Nein. Romantik passt ganz und gar nicht zu ihm.
Wieder einmal wundere ich mich über mich selbst, wie schnell ich doch über ihn urteile, obwohl ich ihn überhaupt nicht kenne. Ich war doch sonst nicht so.
Als ich bemerke, dass ich allein über Aiden eine Seite verfasst habe, klappe ich meinen Laptop seufzend zu. Ich muss mich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren und da ist Aiden definitiv nicht dabei.
Die Tür geht auf und Aby kommt ins Zimmer herein. Sie hat wie immer ein Lächeln auf den Lippen. "Was würdest du davon halten, wenn ich dich heute Abend mit zu einer Lesung nehme? Da sind total viele coole Leute und du kannst dir coole Geschichten von vielleicht bald - wahrscheinlich nicht - erfolgreichen Autoren anhören."
Viele coole Leute? Ich denke nicht, dass das etwas für mich ist. Allein schon wegen des Adjektivs „viele“.
"Nein, danke. Ich denke, ich bleibe hier und lese ein Buch oder so", winke ich ab.
"Rave, komm schon. Du kannst doch hier nicht an deinem ersten Tag im Zimmer hocken."
"Rave?" Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
"Ja, cool, oder? Ist mir heute auf dem Nachhauseweg eingefallen. Ich wusste nicht, ob du schon einen Spitznamen hast, deshalb einfach: Rave. Aber wie auch immer, bitte, komm heute mit. Dann können wir uns ein wenig besser kennenlernen. Bisher wissen wir ja noch nicht so viel voneinander." Ich wundere mich schon fast, dass sie nicht auf Knien rutscht und mich anbettelt. Sie scheint wirklich zu wollen, dass ich mitkomme.
Ich möchte eigentlich wirklich nicht mit. Aber eine Lesung stelle ich mir extrem interessant vor, ich war vorher noch nie auf einer.
Ich seufze ergeben. "Okay."
"Okay?"
"Ja, okay, ich komme mit."
"O, danke, danke, danke! Ich verspreche dir, das wird super! Danach können wir, wenn du Lust hast, noch in eine Bar oder so gehen."
Ich bereue jetzt schon meine Entscheidung. Ich hoffe nur, dass so etwas wie heute nicht öfter vorkommt. Auf gar keinen Fall darf ich mich von der Schule ablenken lassen. Dieses College entscheidet wirklich alles für meine Zukunft.
Nachdem Aby mir ungefähr eine Stunde das Ohr über jegliche Autoren abgekaut hat, die bei diesen Lesungen gewesen sind und heute erfolgreich sind, machen wir uns endlich auf dem Weg zum Café, in dem die Lesung stattfindet.
Wir betreten das Café und sofort fällt mir dieser berühmte Charme von Lesungen entgegen. Ganz vorne ist eine kleine Bühne aufgebaut, davor stehen Stühle in Reihen aufgestellt. Hier können ungefähr dreißig Leute sitzen. Relativ klein für eine Lesung, aber es ist definitiv gemütlich.
"Komm, da hinten sind sie", sagt Aby und winkt zum anderen Ende des Raumes.
Wer, sie? Ich dachte, wir gehen allein. Na, klasse. Auf neue Bekanntschaften habe ich wirklich keine Lust. Ich wusste, ich hätte einfach im Zimmer bleiben sollen.
Sie führt mich zu einer Gruppe von jungen Männern und alle sehen mich an, als wäre ich irgendein Tier im Zoo. "Rave, das ist Noah." Sie deutet auf einen etwas kleinen Kerl mit blond gefärbten Haaren.
Er streckt mir mit einem sehr sympathischen Lächeln die Hand entgegen. "Hallo, Rave."
Ich schüttle lächelnd seine Hand und schaue zu dem Typen neben ihm.
"Das ist Leon", erklärt Aby wieder glücklich und auch Leon begrüßt mich.
Er ist etwas größer als Noah und hat kurzes braunes Haar. Er sieht auch ein wenig älter aus als er, aber trotzdem sieht er nett aus.
"Und zu guter Letzt: Lucas."
Lucas schüttelt meine Hand. "Hey, Rave. Wir haben gehört, dass dich nachts Bilder von Boybands verfolgen, stimmt das?", fragt er ernst.
Ich sehe ihn fragend an. "Ähm ..."
"War doch nur ein Spaß! Aby hat uns nur erzählt, wie du geguckt hast, als die ganzen Bilder von den Beatles in eurem Zimmer hingen. Es soll ein Meisterwerk von einem Drama gewesen sein." Er lacht laut. Seine Lache klingt wie die einer Hexe. Um Gottes Willen.
"Für mich war es eher eine Komödie", stimmt jetzt Aby mit ein.
"Für mich war es purer Horror!", lache ich mit und fühle mich gleich ein wenig sicherer in dieser Konversation.
Lachen ist immerhin ein gutes Zeichen.
Ein älterer Mann bittet alle Anwesenden durch ein Mikrofon sich zu setzen, damit die Autoren ihre Geschichten vorlesen können. Ich bin froh, dass wir uns in die letzte Reihe setzen, obwohl rechts neben mir noch ein Platz frei ist und ich Angst haben muss, dass sich dort jemand Fremdes hinsetzen würde und mich vollsülzt, während ich die Geschichte hören möchte.
Ich bin froh, dass dort immer noch niemand sitzt, als der erste Autor sein Buch vorstellt.
Er beginnt mit dem Prolog. Es scheint ein Drama zu sein.
"Seine Tochter leidet an Krebs, stirbt und er bringt sich letzten Endes um." Jemand scheint sich doch auf den freien Platz neben mir gesetzt zu haben.