Kitabı oku: «David Copperfield», sayfa 6

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»Kein Mensch hat jemals an so etwas gedacht«, sagte Peggotty.

»Du hast es getan, Peggotty!« gab meine Mutter zurück. »Ich weiß, daß du es gemeint hast! Was anders soll ich aus deinen Worten entnehmen, du böses Mädchen, da du doch recht gut weißt, daß ich mir nur seinetwegen im letzten Vierteljahr keinen neuen Sonnenschirm kaufen wollte, obgleich der alte grüne obenherum ganz schlecht ist und die Fransen entzwei sind: Das weißt du, Peggotty, und das kannst du nicht leugnen!« Dann wendete sie sich zärtlich an mich, schmiegte ihre Wange an die meine und sagte: »Bin ich eine böse Mama, Davy? Bin ich eine hartherzige, selbstsüchtige, schlechte Mama? Sage ja, Kind, sage ja, liebes Herz, dann wird dich Peggotty lieben und Peggottys Liebe ist viel, viel besser, als die meine, Davy. Ich liebe dich ja gar nicht, nicht wahr?«

Bei diesen Worten fingen wir alle zu weinen an, und soviel ich mich besinnen kann, war ich der lauteste von den dreien, aber wir meinten es sicherlich alle drei gleich aufrichtig. Ich war wie aufgelöst, und ich glaube, daß ich in den ersten Aufwallungen verletzter Zärtlichkeit Peggotty ein Scheusal nannte. Ich besinne mich noch, wie das gute Mädchen in die tiefste Betrübnis geriet und bei dieser Gelegenheit alle ihre Knöpfe verloren haben muß, denn eine ganze Ladung davon sprang ins Zimmer, als sie, nach Versöhnung mit meiner Mutter vor meinen Stuhl hinkniete und das gleiche mit mir tat.

Wir gingen alle sehr niedergeschlagen zu Bett. Mein Schluchzen hielt mich noch lange Zeit wach, und als mich ein starker Seufzer im Bette ordentlich in die Höhe hob, sah ich, daß meine Mutter auf dem Gestell saß und sich über mich beugte. Ich schlummerte nun in ihren Armen ein und schlief fest.

Ob ich, schon am folgenden Sonntag den Herrn wieder sah oder ob ein größerer Zeitraum dazwischen lag, dessen kann ich mich nicht mehr entsinnen. In der Zeitrechnung bin ich nicht ganz zuverlässig. Aber er war wieder in der Kirche und begleitete uns dann nach Hause, Er kam auch in die Stube, um sich ein schönes Geranium anzusehen, das im Fenster stand. Er schien es nicht besonderer Aufmerksamkeit zu würdigen, aber ehe er uns verließ, bat er meine Mutter, ihm eine Blüte davon zu geben. Sie sagte, er solle sich selbst eine aussuchen, aber das wollte er nicht – ich konnte nicht begreifen, warum – und so pflückte sie eine Blüte ab und gab sie ihm. Er sagte, er werde sich nun und niemals von ihr trennen, und ich dachte, er müsse ein rechter Narr sein, um nicht zu wissen, daß die Blätter in ein oder zwei Tagen verwelkt sein würden.

Peggotty fing jetzt an, uns abends weniger oft Gesellschaft zu leisten als früher. Meine Mutter besprach zwar mancherlei mit ihr – viel mehr als gewöhnlich, wie mir schien – und wir vertrugen uns vortrefflich, aber es war doch zwischen uns dreien anders geworden, und wir befanden uns nicht mehr so behaglich wie früher. Manchmal kam es mir vor, Peggotty habe etwas dagegen, daß meine Mutter jetzt immer ihre besten Kleider hervorholte und anzog, die in ihrem Kleiderschränke hingen, dann wieder, daß ihr Mutters häufige Besuche in der Nachbarschaft zuwider waren: doch ich konnte mir nicht klar darüber werden, was es eigentlich war.

Allmählich gewöhnte ich mich an den Anblick des Herrn mit dem schwarzen Backenbart. Er gefiel mir nicht besser als von Anfang an, und ich fühlte immer noch in bezug auf ihn dieselbe unbestimmte Eifersucht. Aber wenn ich überhaupt einen Grund dafür hatte, abgesehen von instinktiver kindischer Abneigung, und von der allgemeinen Überzeugung, daß Peggotty und ich meine Mutter auch ohne fremde Hilfe beherrschen konnten: jedenfalls geschah es nicht aus dem Grunde, den ich herausgefunden hatte, wenn ich älter gewesen wäre. Das kam mir nie, auch nicht im entferntesten in den Sinn. Ich vermochte meine Beobachtungen gewissermaßen nur stückweise anzustellen, doch aus diesen Bruchstücken ein Netz zu machen und darin irgendeinen zu fangen, das ging noch über meine Kräfte.

An einem Herbstmorgen war ich mit meiner Mutter in dem Garten vor dem Hause, als Mr. Murdstone (ich kannte ihn jetzt unter diesem Namen) vorbeigeritten kam. Er hielt sein Pferd an, um meine Mutter zu begrüßen, und sagte, er ritte nach Lowestoft, um einige Freunde zu besuchen, die dort eine Jacht hätten, und machte scherzend den Vorschlag, mich vor sich aus den Sattel zu nehmen, wenn ich an dem Ritt Gefallen fände.

Das Wetter war so wunderschön und die Luft so milde, und dem Pferde selbst schien die Aussicht auf den Ritt sehr zu gefallen, weil es schnaubend und stampfend vor der Gartentür stand, daß ich große Lust fühlte, mitzureiten. Die Mutter schickte mich daher mit Peggotty hinauf, Um Schmuck gemacht zu werden, und unterdessen stieg Mr. Murdstone ab und ging, die Zügel über den Arm geworfen, langsam vor der Hagebuttenhecke auf und ab, während meine Mutter ihm zur Gesellschaft auf der inneren Seite mit ihm Schritt hielt. Ich erinnere mich noch, wie Peggotty und ich aus meinem kleinen Fenster auf sie hinabguckten, ich besinne mich auch noch, wie eifrig sie bei ihrem Spaziergange in den Hagebuttenbusch spähten, und wie Peggotty, die vorher in der besten Laune gewesen war, plötzlich ganz ärgerlich wurde und mein Haar recht derb gegen den Strich bürstete.

Mr. Murdstone und ich waren bald unterwegs und trabten auf dem grünen Rasenstreifen neben der Landstraße dahin. Er hielt mich leicht mit einem Arm umfaßt, und ich glaube nicht, daß ich besonders unruhig war; aber ich konnte mich nicht entschließen, vor ihm sitzen zu bleiben, ohne den Kopf umzuwenden und ihm ins Gesicht zu sehen. Er hatte jene Art von seichten schwarzen Augen– ich habe kein besseres Wort für ein Auge, das keine Tiefe hat, in die man hineinblicken könnte – die durch ein eigentümliches Spiel des Lichts zu schielen scheinen, wenn sie nachsinnend blicken. Mehrmals, wenn ich ihn ansah, bemerkte ich mit einer Art Scheu diesen Blick, und fragte mich, worüber er wohl nachdenken möge. Sein Haupthaar und sein Bart waren, in der Nähe betrachtet, noch schwärzer und dichter, als ich je geglaubt hätte. Die eckigstarken Kinnladen und die bläulichen Schatten, die von dem sorgfältig rasierten Barte übrig blieben, erinnerten mich an eine Wachsfigur, die vor einem halben Jahre in unserer Gegend gezeigt worden war. Dieses, seine regelmäßigen Augenbrauen und das schöne Weiß, Schwarz und Braun seines Teints – verwünscht sei sein Teint und sein Gedächtnis! – all dieses machte, daß ich ihn trotz meiner bangen Ahnungen für einen sehr schönen Mann hielt. Ich bezweifle gar nicht, daß meine arme Mutter ganz derselben Meinung war.

Wir gingen nach einem am Meere belegenen Gasthofe, wo zwei Herren in einem eigenen Zimmer Zigarren rauchten. Jeder von ihnen räkelte sich auf mindestens vier Stühle hingestreckt und hatte eine zottige Matrosenjacke an. In einem Winkel lagen auf einem Haufen übereinander Überröcke und Schifferjacken und eine Flagge,

Sie stolperten beide schwerfällig in die Höhe, als wir eintraten, und riefen: »Holla, Murdstone! Wir dachten, Ihr wäret tot!«

»Noch nicht«, sagte Mr. Murdstone.

»Und wer ist dieser kleine Mann?« sagte einer der Herren, und faßte mich beim Arme.

»Das, ist Davy«, gab Mr. Murdstone zur Antwort.

»Davy Wer?« sagte der Herr. »Jones?«

»Copperfield«, sagte Mr. Murdstone.

»Was? ein Sprößling der himmlischen Mrs. Copperfield?« rief der Hell. »Von der reizenden kleinen Witwe?«

»Quinion, sagte Mr. Murdstone, »bitte mit Vorsicht, Jemand ist schlau.« ^

»Wer?« fragte der Herr lachend. Ich blickte rasch auf, denn ich war neugierig es zu erfahren.

»Ach, nur Brooks von Sheffield«, sagte Mr. Murdstone.

Ich fühlte mich ordentlich erleichtert, als ich erfuhr, daß es nur Brooks von Sheffield sei, denn anfangs glaubte ich wirklich, man meine mich.

Mr. Brooks von Sheffield schien aber außerordentlich komische Erinnerungen zu erregen, denn beide Herren lachten recht Herzlich, als sie seinen Namen hörten, und auch Mr. Murdstone amüsierte sich köstlich darüber. Nach einigem Lachen sagte der Herr, den er Quinion genannt hatte:

»Und was ist des Mr. Brooks von Sheffield Meinung über das beabsichtigte Geschäft?«

»Hm! Ich weiß nicht, ob Brooks vorderhand viel davon weiß,« entgegnete Mr. Murdstone; »aber ich glaube im allgemeinen ist er dem Plan nicht besonders günstig.«

Darüber wurde viel gelacht, und Mr. Quinion sagte, er wolle nach Sherry klingeln, um auf Brooks Gesundheit zu trinken. Das tat er, und als der Wein kam, schenkte er mir ein Gläschen voll ein, hieß mich aufstehen und vor dem Trinken sagen: »Daß dich der Deixel – Brooks von Sheffield!« Der Toast wurde mit großem Beifall und so schallendem Gelächter aufgenommen, daß ich selbst mitlachen mußte, worüber sie noch mehr lachten. Kurz, wir waren sehr vergnügt miteinander.

Wir gingen danach auf den Klippen des Strandes spazieren und fetzten uns ins Gras und guckten nach verschiedenen Dingen durch das Teleskop – ich konnte nichts sehen, als sie es mir vor das Auge hielten, obgleich ich so tat – und dann kehrten wir nach, dem Gasthofe zurück, um zeitig zu Mittag zu essen. Während unseres Spazierganges rauchten die beiden Herren in einem fort – was sie, nach dem Dufte ihrer Schifferjacken zu urteilen, unaufhörlich seit dem Tage getan haben mußten, an dem sie die Jacken vom Schneider erhielten. Ich darf auch nicht zu berichten vergessen, daß wir die Jacht besuchten, wo sie alle drei in die Kajüte hinabgingen und sich mit einigen Papieren zu tun machten. Ich sah sie damit sehr eifrig beschäftigt, als ich durch das offene Lukenfenster hinabblickte. Diese ganze Zeit über ließen sie mich in Gesellschaft eines sehr netten Mannes mit einem starken Schopf roter Haare und einem sehr kleinen lackierten Hut darauf; er trug ein buntgestreiftes Hemd, mit dem Worte »Seemöve« in großen Buchstaben quer über die Brust. Ich glaubte, es sei sein Name und er schreibe ihn auf die Brust, weil er auf dem Schiffe wohnte und daher seinen Namen an keine Haustür schlagen könnte; als ich ihn aber Mr. Seemöve nannte, sagte er, das Schiff heiße so.

Den ganzen Tag über bemerkte ich, daß Mr. Murdstone ernster und gesetzter war, als die andern beiden Herren. Diese waren sehr lustig und ungeniert; sie trieben ihren Scherz miteinander, aber selten mit ihm. Er schien mir klüger und kälter als sie, und sie mochten ihn ziemlich mit denselben Gefühlen einer gewissen Scheu betrachten wie ich. Auch kann ich mich nicht erinnern, daß Mr. Murdstone den ganzen Tag über gelacht hätte, außer über den Witz mit Brooks von Sheffield – und das war, beiläufig gesagt, sein eigener Witz.

Zeitig gegen Abend traten wir wieder den Heimweg an. Es war ein sehr schöner Abend, und meine Mutter und er machten einen zweiten Spaziergang am Hagebuttenstaket, während sie mich zum Tee hinauf schickte. Als er fort war, fragte mich meine Mutter begierig aus über das, was ich den Tag über gesehen und gehört hätte. Ich erzählte, was sie über sie geäußert hatten, und sie lachte und sagte, es wäre unverschämtes, junges Volk, das Unsinn schwatze, – aber ich wußte, daß es ihr Vergnügen machte; ich wußte es damals gerade so gut wie jetzt. Darauf fragte ich sie, ob sie einen gewissen Mr. Brooks von Sheffield kenne, aber sie erwiderte, nein, sie glaube indessen, es müsse wohl ein Stahlwarenfabrikant sein.

Soviel Grund ich auch habe, mich ihres nachmals so veränderten Gesichts, zu erinnern – kann ich sagen, daß es in seiner unschuldsvollen, mädchenhaften Schöne für immer dahin ist, wenn ich es jetzt noch so leuchtend klar vor mir stehen sehe, wie das des nächsten besten Menschen, der mir im Straßengewühl begegnet? Wenn ich noch jetzt den Hauch ihres Mundes auf meiner Wange zu verspüren glaube, wie ich ihn an jenem Abende verspürte? Darf ich sagen, daß sie sich je verändert hat, wenn sie mir meine Erinnerung immer nur so wieder ins Leben zurückruft und, treuer der Jugendliebe als ich oder ein Mann es je gewesen ist, die damals geliebte Gestalt noch immer festhält? ...

Ich schildere sie mit denselben Zügen, wie sie war, als ich nach dieser Unterhaltung zu Bett gegangen war und sie noch einmal zu mir kam, um mir gute Nacht zu sagen. Sie kniete neben meinem Bett nieder, legte das Kinn auf ihre Hände und fragte lachend:

»Was sagten sie, Davy? Sage es noch einmal! Ich kann es nicht glauben,«

»Die Himmlische –« fing ich an.

Meine Mutter legte mir die Hand auf den Mund.

»Die Himmlische gewiß nicht«, sagte sie lachend. »Himmlisch kann es nicht gewesen sein, Davy. Das weiß ich jetzt ganz bestimmt, daß es nicht so ist!«

»Doch! Die Himmlische Mrs. Copperfield,« wiederholte ich standhaft, – »und reizend!«

»Nein, nein, reizend gewiß nicht, nicht reizend!« unterbrach mich meine Mutter und legte mir wieder die Hand auf den Mund.

»Und sie sagten es doch. ›Die reizende kleine Witwe!‹«

»Was für närrische, unverschämte Menschen!« rief meine Mutter lachend und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. »Wie lächerlich! Nicht wahr? Lieber Davy –«

»Ja, Ma.«

»Sage Peggotty nichts davon; sie könnte sonst böse auf die Herren werden. Ich bin auch sehr böse auf sie; aber es ist besser, Peggotty erfährt nichts davon.« Ich versprach es natürlich, wir küßten uns noch vielmals zur »Guten Nacht«, und bald lag ich in festem Schlafe.

Es kommt mir jetzt noch so vor, als ob mir Peggotty schon am Tage darauf den seltsamen Vorschlag gemacht hatte, den ich sogleich erzählen will; aber wahrscheinlich geschah es erst zwei Monate später.

Wir saßen wieder eines Abends, als meine Mutter auf Besuch war, in Gesellschaft mit dem Strumpfe, dem Ellenmaß, dem Stückchen Wachslicht und dem Arbeitskästchen mit der St. Paulskirche auf dem Deckel, und dem Krokodilenbuch, als Peggotty, nachdem sie mich mehrmals angeblickt und den Mund aufgetan hatte, als ob sie sprechen wollte, ohne dazu zu kommen – was ich für Gähnen hielt, sonst hätte es mich beunruhigt –endlich mit schmeichelnder Stimme sagte:

»Master Davy, wie wäre es denn, wenn du mit mir auf vierzehn Tage meinen Bruder in Darmouth besuchtest? Wäre das nicht herrlich?«

»Ist dein Bruder ein netter Mann, Peggotty?« fragte ich vorsichtigerweise.

»O was für ein netter Mann«, rief Peggotty und hielt die Hände in die Höhe. »Dann ist das Meer da und die Boote und Schiffe und die Fischer und der Strand und Ham als Spielkamerad –«

Ham war jener Neffe Peggottys, der schon in meinem ersten Kapitel vorgekommen ist, und den sie stets um seinen Anfangsbuchstaben verkürzte.

Ihre Aufzählung dieser Genüsse von Darmouth versetzte mich ganz in Aufregung, und ich erwiderte, daß es freilich herrlich wäre, aber was wohl die Mutter dazu sagen würde.

»Ich will eine Guinee wetten,« sagte Pegotty, mich dabei scharf prüfend, »daß sie uns Erlaubnis zur Reise gibt. Wenn du willst, frage ich sie, sobald sie nach Hause kommt.«

»Aber was soll sie machen, während wir dort sind?« sagte ich und stemmte meine kleinen Ellbogen auf den Tisch, um die Sache gründlich durchzusprechen. »Sie kann doch nicht allein bleiben!«

Wenn Peggotty ganz plötzlich nach einem Loche im Hacken des Strumpfes fahndete, so muß es wahrhaftig ganz, ganz klein und des Stopfens nicht wert gewesen sein,

»Peggotty! Ich sage, sie kann doch nicht allein bleiben!«

»O du meine Güte!« sagte Peggotty und sah mich endlich wieder an. »Weißt du es noch nicht? Sie geht auf vierzehn Tage zum Besuch zu Mrs. Grayper. Mrs. Grayper bekommt viele, viele Gäste.«

O! wenn sich die Sache so verhielt, dann war ich ganz bereit zur Reise. In der größten Ungeduld wartete ich, bis meine Mutter von Mrs. Grayper (denn das war die Nachbarin) nach Hause kam, um zu erfahren, ob sie mit dem hochfliegenden Plane einverstanden sei? Ohne so überrascht zu sein, wie ich erwartet hatte, ging meine Mutter bereitwillig darauf ein, und die Sache wurde diesen Abend noch abgemacht und festgesetzt, was an Wohnung und Kost für mich während der vierzehn Tage zu bezahlen sei.

Der Tag der Abreise kam bald. Er war so nahe angesetzt, daß er selbst für mich bald kam, obgleich ich von fieberhafter Ungeduld erfüllt war und fast fürchtete, ein Erdbeben oder ein feuerspeiender Berg oder der Eintritt einer andern großen Katastrophe könnte die Reise verhindern. Wir sollten mit einem Fuhrmann reisen, der immer morgens nach dem Frühstück abfuhr. Ich hätte viel Geld für die Erlaubnis gegeben, mich über Nacht in den Mantel wickeln und schon reisefertig mit Hut und Stiefeln schlafen zu dürfen.

Es rührt mir jetzt noch das Herz, obgleich ich es in kalten Worten erzähle, wenn ich daran denke, wie ungeduldig ich mich von dem glücklichen heimischen Herd wegsehnte und wie wenig ich ahnte, wieviel ich auf immer verlieren sollte.

Es freut mich, wenn ich daran denke, daß, als der Fuhrmann mit seinem Wagen vor der Tür stand und meine Mutter mich küßte, meine zärtliche Liebe zu ihr und zu dem alten Hause, das ich noch nie verlassen hatte, mich weinen machte. Es freut mich, zu wissen, daß auch meine Mutter weinte und daß ich ihr Herz an dem meinigen schlagen fühlte.

Es freut mich, wenn ich daran denke, daß, als der Wagen fortfuhr, meine Mutter noch einmal zur Gartentür hinausgelaufen kam und dem Fuhrmann zurief, anzuhalten, damit sie mich noch einmal küssen könne.

Wie beglückt rufe ich mir die Innigkeit ins Gedächtnis, mit der sie ihr Antlitz zu dem meinen aufhob und mich küßte.

Als sie dann, uns nachblickend, mitten auf der Straße stand, trat Mr. Murdstone hinzu und schien ihr Vorstellungen über ihre große Erregtheit zu machen. Ich blickte um den Plan des Wagens herum nach ihr zurück und wunderte mich, was ihn eigentlich die ganze Sache anging? Peggotty, die auf der andern Seite gleichfalls aus dem Wagen hinaussah, schien nichts weniger als zufrieden zu sein, wie ihr Gesicht verriet, als sie wieder ruhig im Wagen saß.

Ich saß eine Zeitlang stumm neben Peggotty, betrachtete sie aufmerksam und war ernstlich beschäftigt mit der Lösung der Frage, ob, im Falle sie mich vom Hause entführen sollte, wie den Knaben im Märchen, ich imstande sein werde, vermittels der Knöpfe, die sie verlor, den Heimweg glücklich wieder aufzufinden.

Drittes Kapitel. Eine Veränderung.

Das Pferd des Fuhrmanns war, wie es mir vorkam, das faulste Pferd auf der ganzen Welt, und schlich mit gesenktem Kopfe die Straße entlang, als ob es ihm Spaß machte, die Leute, denen es Sendungen brachte, warten zu lassen. Ja, mir kam es manchmal vor, als ob es bei diesem Gedanken vernehmlich in sich hinein kicherte, aber der Fuhrmann sagte, es habe nur den Husten. Der Fuhrmann ließ auch den Kopf hängen wie sein Pferd und nickte im Fahren schläfrig, die Arme auf das Knie gestützt. Ich brauche das Wort »fahren«, aber mir schien es fast, als ob der Wagen ebensogut auch ohne ihn nach Darmouth gekommen wäre, denn das Pferd tat alles allein, und was die Unterhaltung betrifft, so ließ er es beim Pfeifen bewenden.

Peggotty hatte vor sich auf den Knien einen Korb mit Eßwaren, der reichlich bis London gereicht hätte. Wir aßen viel und schliefen viel, und Peggotty stützte beim Schlafen immer das Kinn auf den Henkel des Korbes, den sie nie losließ; und ich hätte es nicht geglaubt, wenn ich es nicht gehört hätte, daß ein einziges Weib so stark schnarchen könnte.

Wir machten so viel Kreuz- und Querwege und brauchten so viel Zeit, um eine Bettstelle an einem Wirtshaus abzuladen und an verschiedenen Orten anzuhalten, daß ich ganz müde und recht froh war, als wir endlich Darmouth erblickten. Es sah mir sozusagen ziemlich grau und schmuddelig aus, als mein Auge die weite einförmige Öde über den Fluß drüben musterte, und ich fragte mich verwundert, wie es kommen möge, daß, wenn die Welt wirklich so rund wäre, wie mein Geographiebuch sagte, ein Teil davon so flach sein könnte. Aber dann fiel mir ein, daß Darmouth an einem Pole liegen könnte, was die Fläche erklärt hätte. ,

Als wir etwas näher kamen und die ganze Landschaft sich wie ein gerader schmaler Streifen am Himmel abzeichnete, bemerkte ich gegen Peggotty, daß ein kleiner Hügel oder so etwas der Aussicht nichts schaden könnte; ferner, daß es gar nicht übel wäre, wenn das Land etwas besser vom Meere getrennt und Stadt und Flut nicht so sehr wie Brotsuppe untereinander gespült wären. Aber Peggotty sagte mit größerem Ausdruck als gewöhnlich, daß wir die Dinge nehmen müßten, wie wir sie fanden, und daß sie ihrerseits stolz sei, ein Bückling von Darmouth *)Ein Spitzname der Darmouther. zu sein.

Als wir in die Straßen einfuhren, die mir wunderbar genug vorkamen, und die Fische und das Pech und das Werg und den Teer rochen, die Matrosen herumschlendern sahen und die Karren über die Steine rasseln hörten, fühlte ich, daß ich einem so geschäftigen Orte Unrecht getan hatte, und sprach dies gegen Peggotty aus, die meine Ausrufe der Freude mit innerem Behagen anhörte und sagte, es sei bekannt (wahrscheinlich denen, die den Vorzug hatten »Bücklinge« zu sein), daß Yarmouth alles in allem genommen die schönste Stadt der Welt wäre. '

»Da ist ja mein Am!« schrie Peggotty überrascht auf, »und so gewachsen ist er, daß man ihn gar nicht mehr erkennt!«

Ham erwartete uns am Gasthaus und erkundigte sich wie ein alter Bekannter nach meinem Befinden. Anfangs kam es mir natürlich nicht so vor, als ob ich ihn so gut kennte als er mich, weil er seit der Nacht, wo ich geboren wurde, nicht wieder in unser Haus gekommen war, und dadurch hatte er also in dieser Hinsicht einen Vorteil vor mir voraus. Aber unsere Vertraulichkeit nahm alsbald sehr zu, als er mich auf seinem Rücken nach Hause trug. Er war ein gewiß sechs Fuß hoher, breitbrüstiger und starkschulteriger Bursche geworden mit einem verlegengrinsenden Knabengesicht und blondgeringeltem Haar, was ihm ein etwas schafiges Aussehen verlieh. Er hatte eine Segeltuchjacke an und Hosen von so stocksteifem Zeug, daß sie ganz von selbst, ohne Menschenbeine darin, aufrecht gestanden hätten. Einen eigentlichen Hut trug er gerade nicht, aber er hatte etwas Schwarzes obendrauf sitzen wie alte Dachpappe auf einein Hause.

Ham trug mich also auf dem Rücken, und ein kleines Kistchen, das wir mitgebracht hatten, nahm er unter den Arm, während Peggotty einen zweiten Kasten trug, und so gingen wir durch Seitengäßchen, wo der Boden mit Abfall von Zimmerholz und kleinen Sandhäufchen bedeckt war, an Gasanstalten und Schmieden, an Seilerwerkstätten und Zimmerplätzen vorbei, wo Schiffe und Boote gebaut, auseinandergelegt, kalfatert und aufgetakelt wurden, bis wir auf die einförmige Fläche kamen, die ich schon von weitem gesehen hatte. Da rief Ham:

»Da ist unser Haus, Master Davy!«

Ich sah mich nach allen Seiten um, so weit ich konnte, und ließ meine Augen über die flache Ebene, über das Meer und über den Fluß schweifen, aber nirgends konnte ich ein Haus entdecken. Dagegen lag, nicht weit von uns, hoch auf eine kleine trockene Bodenerhebung aus der Flut gezogen, ein schwarzes, ausrangiertes Boot oder sonst etwas Fahrzeugähnliches mit einem eisernen als Schornstein dienenden Gußrohr, das gemütlich rauchte; aber sonst erblickte ich nichts, was einer Wohnung ähnlich gesehen hätte.

»Ist es das dort?« sagte ich. »Das Ding da, das wie ein Schiff aussieht?«

»Das ist's, Master Davy«, erwiderte Ham.

Ich glaube, selbst wenn es Aladdins Palast mit dem Ei des Vogels Rock und allem sonstigen zauberischem Zubehör gewesen wäre, so hätte ich mich nicht mehr über den romantischen Gedanken, darin zu wohnen, freuen können. In die Seitenwand war eine bewundernswerte Tür geschnitten, die überdacht war, und daneben waren richtige kleine Fenster. Aber der wunderbarste Reiz für mich war, daß es ein wirkliches Boot war, das gewiß hundertmal, auf dem Wasser geschwommen hatte und niemals bestimmt gewesen war, auf dem Trockenen zur Wohnung zu dienen: Gerade das bezauberte mich ganz und gar. Wenn es ursprünglich zu einer Wohnung bestimmt gewesen wäre, so hätte es mir vielleicht klein und eng und unbequem oder allzu abgelegen geschienen: da es aber nie zu dem Zwecke einer Wohnung hatte dienen sollen, so kam es mir ganz vollkommen vor als Aufenthaltsort.

Im Zimmer war es außerordentlich reinlich und so schmuck wie möglich. Ein Tisch war vorhanden und eine Holländer Wanduhr und eine Kommode; auf der Kommode stand ein Präsentierbrett, bemalt mit einer spazierenden Dame, die einen Sonnenschirm trug und einen soldatisch aussehenden Knaben an der Hand führte, der einen Reifen rollte. Das Präsentierbrett wurde durch eine Bibel vom Herunterrutschen bewahrt, und wenn es umgefallen wäre, so hätte es eine Anzahl Tassen und eine Teekanne zerschlagen, die um die Bibel gruppiert waren. An den Wänden hingen ein paar gewöhnliche kolorierte Bilder aus der heiligen Schrift unter Glas und Rahmen, wie ich sie seitdem nie wieder auf Jahrmärkten sehen konnte, ohne daß gleich das ganze Innere von dem Hause des Peggottyschen Bruders deutlich vor mir stand, Gin roter Abraham, der einen blauen Isaak opfern wollte, und ein gelber Daniel in einer Höhle unter grünen Löwen waren am hervorstechendsten. Über dem kleinen Kaminsims hing ein Bild des Luggers Sarah Jane, in Sunderland gebaut, und an dem Gemälde war am Stern ein wirklicher kleiner Schiffsspiegel von Holz angebracht, so daß ich dieses Kunstwerk, in dem sich die Malerei mit der Zimmerkunst vereinte, für als das beneidenswerteste Besitztum der Welt hielt. An den Deckbalken bemerkte ich ein paar Haken, deren Bestimmung ich nicht gleich erraten konnte, und dann gab's noch einige Schiffskisten und Koffer in den Winkeln, die zugleich als Sitze für die fehlenden Stühle dienten.

Alles dies sah ich gleich auf den ersten Blick – nach Art der meisten Kinder, wie ich behaupte – und dann machte Peggotty eine kleine Tür auf und zeigte mir mein Schlafstübchen. Es war das vollkommenste und behaglichste Schlafstübchen, das ich jemals gesehen hatte – und lag gerade im Heck des Bootes, mit einem kleinen Fenster, wo früher das Steuer hindurchgegangen war, mit einem kleinen Spiegel, für mich gerade in richtiger Höhe an die Wand genagelt und mit Austernschalen eingefaßt, mit einem kleinen Bett und davor gerade Platz genug, um hinein zu kriechen, und mit einem Strauß von Seegras in einem blauen Krug auf dem Tisch. Die Wände waren so weiß getüncht wie Milch, und die aus Resten zusammengesetzte Steppdecke auf dem Bette blendete meine Augen fast durch ihren schneeigen Glanz. Etwas, was mir in diesem allerliebsten Hause besonders auffiel, war der Fischgeruch, der so durchdringend war, daß mein Taschentuch, als ich es einmal herausnahm, um mir die Nase zu putzen, gerade so roch, als ob ein Hummer darin eingewickelt gewesen wäre. Als ich diese Entdeckung Peggotty im Vertrauen mitteilte, sagte sie mir, daß ihr Bruder mit Hummern, Krabben und Krebsen handle; und später fand ich, daß immer ein Haufen von diesen Geschöpfen im Zustande eines wunderlichen Konglomerats draußen in einem kleinen hölzernen Schuppen, in dem Töpfe und Kessel hingen, aufbewahrt wurde, und daß die Zangentiere nach allem packten, was in ihre Nähe geriet.

Uns empfing eine sehr höfliche Frau mit einer weihen Schürze, die ich schon in der Tür hatte knicksen sehen, als ich auf Hams Rücken noch eine gute Strecke vom Hause entfernt war. Neben ihr stand ein sehr schönes kleines Mädchen (so kam es mir wenigstens vor) mit einem Halsband von blauen Glasperlen. Das Kind ließ sich aber nicht küssen, als ich mich dazu anschickte, sondern rannte fort und versteckte sich. Später, als wir ein opulentes Mittagsessen, bestehend aus gekochten Flundern, geschmolzener Butter und Kartoffeln und einem Schöpskotelett extra für mich, zu uns genommen hatten, kam ein stark behaarter Mann mit einem sehr gutmütigen Gesicht nach Hause. Da er Peggotty »Mädel« nannte und ihr einen derben Schmatz auf die Backe gab, schloß ich aus der sonstigen Züchtigkeit ihres Benehmens, daß es ihr Bruder sei, und das war auch der Fall, und er wurde mir als Mr. Peggotty, der Herr vom Hause, vorgestellt.

»Freut mich, Sie zu sehen, Sir«, sagte Mr. Peggotty. »Sie werden sehen, wir find einfache, aber ehrliche Leute.«

Ich dankte ihm und gab zur Antwort, daß ich mich an einem so reizenden Orte gewiß wohl befinden würde. »Wie befindet sich Ihre Mama, Sir?« sagte Ml. Peggotty. »Haben Sie sie recht munter und frisch verlassen?«

Ich gab Mr. Peggotty zu verstehen, daß sie so munter und frisch sei, wie ich nur wünschen könnte, und daß sie mir aufgetragen, ihm Empfehlungen auszurichten – was eine kleine Höflichkeitsflunkerei meinerseits war.

»Da danke ich schönstens, allerschönstens!« sagte Mr. Peggotty. »Nun also, Sir, wenn Sie auf vierzehn Tage mit der dort« – er nickte seiner Schwester zu – »und Ham und der kleinen Emilie vorliebnehmen, wollen, so wird uns Ihr Besuch eine große Ehre sein.«

Nachdem Mr. Peggotty die Honneurs seines Hauses auf so gastfreundliche Weise gemacht hatte, ging er hinaus, um sich in einem Kessel warmen Wassers abzubrühen, denn »kaltes Wasser kriegte den Jux nicht herunter« meinte er. Er kehrte bald zurück, in seinem Aussehen bedeutend verschönert, aber so gelötet, daß ich mich des Gedankens nicht entschlagen konnte, daß sein Gesicht mit den Hummern und Krebsen das gemein habe, daß sie sehr schwarz in das warme Wasser hinein und sehr rot wieder heraus kämen.

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