Kitabı oku: «Die Pickwickier», sayfa 13
Aber obgleich ich meinen Plan durchgeführt und sie unter die Erde gebracht hatte, so war ich doch unruhig und verstört und fühlte, daß mein Geheimnis nicht lange mehr verborgen bleiben konnte. Ich vermochte nicht, die wilde Heiterkeit und Freude, die in meinem Innern kochte, zu verheimlichen; ich mußte ihr, wenn ich allein zu Hause war, durch Hüpfen, Tanzen, Zusammenschlagen der Hände und lautes Hinausbrüllen Luft machen. Ging ich aus und sah ich überall eine geschäftige Menge durch die Straßen oder nach dem Theater eilen oder hörte ich Musik" und sah tanzen, so fühlte ich eine so tobende Lust, daß ich in die Häuser hätte einbrechen, den Leuten Stück für Stück das Fleisch vom Leibe reißen und laut aufheulen mögen in tollem Entzücken. Aber ich knirschte mit den Zähnen, stampfte mit den Füßen auf die Erde und grub mir die Nägel in die Hände. So hielt ich mich gewaltsam zurück, und noch kein Mensch ahnte, daß ich wahnsinnig war.
Ich erinnere mich noch, obgleich dies zu den letzten Dingen gehört, deren ich mich entsinnen kann, denn seit kurzem vermenge ich die Wirklichkeit mit meinen Träumen, und da ich so viel zu tun habe, daß ich trotz der größten Eile nicht fertig zu werden vermag, so gebricht es mir an Zeit, beide aus der wunderlichen Verwirrung, in der sie vor mir auftauchen, zu trennen, ich erinnere mich noch, wie ich endlich meinen Zustand merken ließ. Haha! Es ist mir, als sähe ich noch die entsetzten Blicke, als fühlte ich noch die Leichtigkeit, womit ich sie von mir schleuderte, ihnen die geballten Fäuste in die aschfahlen Gesichter schlug und dann auf den Flügeln des Windes dahineilte, die schreiende und tobende Menge weit hinter mir zurücklassend. Die Kraft "eines Riesen kehrt in meine Muskeln zurück, wenn ich nur daran denke. Da, wie diese Eisenstange sich unter meinem wütenden Griffe biegt! Ich könnte sie zerbrechen wie einen dürren Ast, wenn nur nicht die langen Gänge mit den vielen Türen wären, ich glaube nicht, daß ich mich zurechtfinden könnte, und wenn auch, ich weiß recht wohl, daß unten eiserne Tore sind, die man immer verriegelt und verschlossen hält. Sie wissen, mit was für einem schlauen Irren sie es zu tun haben, und sind stolz darauf, mich hier zu haben, um mich zeigen zu können.
Wo war ich stehengeblieben? Ja, richtig. Ich hatte einen kleinen Ausflug gemacht. Es war spät in der Nacht, als ich nach Hause kam, und ich fand den hochmütigsten der drei stolzen Brüder auf mich warten, eines dringenden Geschäfts wegen, wie er sagte; ich erinnere mich noch recht gut. Ich haßte diesen Menschen mit dem ganzen Haß des Wahnsinns. Oft und oft hatte es mir schon in den Fingern gejuckt, ihn zu zerreißen. Man sagte mir, daß er da wäre. Ich eilte rasch die Treppe hinauf. Er hatte mir etwas mitzuteilen. Ich schickte die Dienerschaft fort. Es war spät, und wir befanden uns allein, zum erstenmal.
Anfangs hielt ich meine Augen sorgfältig von ihm abgewandt, denn ich wußte, wovon er keine Ahnung hatte, ja, ich freute mich dessen, daß die Glut des Wahnsinns wie strahlendes Feuer aus meinen Blicken leuchtete. Endlich fing er an zu sprechen. Meine täglichen Ausschweifungen und die sonderbaren Reden, so bald nach dem Tode seiner Schwester, seien eine Kränkung ihres Andenkens. Wenn er dies mit vielen Umständen, die anfänglich seiner Beobachtung entgangen seien, zusammenhalte, so müsse er glauben, daß ich sie nicht gut behandelt hätte. Er wollte wissen, ob seine Annahme, ich beabsichtige, einen Schatten auf ihr Andenken zu werfen und ihre Familie zu kränken, richtig sei. Er sei es der Uniform, die er trage, schuldig, diese Erklärung zu fordern.
Dieser Mensch hatte ein Offizierspatent bei der Armee, ein Patent, das mit meinem Gelde und mit dem Elend seiner Schwester erkauft war. Er war der Rädelsführer eines Komplottes, das mich in eine Enge treiben und ihm Griffe in meine Kasse ermöglichen sollte. Er hauptsächlich hatte seine Schwester gezwungen, mich zu heiraten, trotzdem er wußte, daß ihr Herz jenem piepsenden Bürschlein gehörte. Seiner Uniform schuldig! Er! Der Livree seiner Schande! Ich wandte ihm meine Augen zu, ich konnte nicht anders, aber ich sprach kein Wort. Ich sah die plötzliche Veränderung, die unter dem Glutstrahl meiner Blicke in ihm vorging. Er war ein mutiger Mensch, aber die Farbe wich aus seinem Gesicht; er rückte den Stuhl zurück. Ich rückte ihm mit dem meinigen nach, und als ich lachte – ich war damals sehr lustig –, sah ich, daß er schauderte. Ich fühlte, wie der Wahnsinn in mir aufbrauste. Er fürchtete sich vor mir.
,Sie haben Ihre Schwester sehr geliebt, als sie noch am Leben war', sagte ich, ,natürlich, sehr geliebt.'
Er sah unruhig im Zimmer umher, und ich gewahrte, wie seine Hand die Lehne seines Stuhles ergriff; aber er antwortete nicht.
,Du Schuft', sagte ich. ,Ich habe dich durchschaut; ich bin dem höllischen Komplott, das ihr gegen mich schmiedet, auf die Spur gekommen und weiß, daß ihr Herz an einem andern hing, ehe ihr sie zwangt, mein Weib zu werden. Ich weiß es, ich weiß es.'
Er sprang von seinem Stuhl auf, schwang ihn in der Luft und rief mir zu, zurückzuweichen, denn ich war ihm, während ich sprach, immer näher gerückt.
Ich schrie mehr, als ich sprach, denn ich fühlte, wie die Raserei über mich kam, und die alten Geister flüsterten mir ins Ohr und hetzten mich, ich solle ihm das Herz aus dem Leibe reißen.
,Gott verdamm dich', fuhr ich plötzlich auf und stürzte auf ihn los, ,ich habe sie getötet. Ich bin ein Wahnsinniger. Nieder, du Hund. Blut – Blut muß ich sehen.'
Ich warf den Stuhl, den er in seinem Entsetzen nach mir schleuderte, mit einem Schlage beiseite, packte ihn, und wir stürzten beide mit einem dumpfen Krachen zu Boden.
Ein herrlicher Kampf, denn er war ein großer, starker Mann, der sich um sein Leben wehrte, und ich ein Toller, der mit der Kraft des Wahnsinns rang und nach seinem Blute dürstete.
Keine Kraft auf Erden hätte mir die Spitze bieten können, und ich behielt recht. Abermals recht, obgleich ich wahnsinnig war! Sein Kämpfen wurde immer schwächer. Ich kniete auf seiner Brust und umkrallte seine Gurgel mit ehernen Griffen. Sein Gesicht wurde purpurrot, die Augen quollen ihm aus dem Kopf, und er schien mich mit der herausgestreckten Zunge zu verhöhnen. Ich drückte immer fester zu.
Da flog die Tür plötzlich krachend auf, und eine Menge Leute drang herein und rief sich gegenseitig zu, mich, den Wahnsinnigen, zu ergreifen. Mein Geheimnis war verraten, und mein Kampf galt jetzt nur noch meiner Freiheit. Ich war, ehe mich noch eine Hand berührte, wieder auf den Beinen, stürzte mich auf die Angreifer und bahnte mir mit den Armen, als hätte ich ein Beil in der Hand, mit dem ich alles niederschmetterte, einen Weg. Ich erreichte die Tür, schwang mich über das Treppengeländer und war im Nu auf der Straße.
Ich lief immer geradeaus, aber niemand wagte es, mich aufzuhalten. Ich hört" das Geräusch der laufenden Füße hinter mir und verdoppelte meine Eile. Immer schwächer und schwächer wurde das Getöse und erstarb endlich ganz und gar. Aber immer noch jagte ich weiter über Sumpfgründe und Gräben, über Hecken und Zäune, unter wildem Jubelgeschrei, und die seltsamen Wesen, die mich von allen Seiten umgaben, stimmten mit ein, daß die ganze Luft von dem Geheul erfüllt war. Ich wurde von den Armen der Dämonen getragen, die im Winde dahinfegten und alle Hindernisse vor sich niederwarfen. Das Getümmel und die Eile, womit sie midi fortzogen, machten mich schwindlig, bis sie mich endlich gewaltsam von sich schleuderten und ich schwer auf die Erde niederstürzte. Als ich wieder erwachte, befand ich mich hier, hier, in dieser lustigen Zelle, wo mich die Sonne selten besucht und ihre Strahlen nur dazu dienen, mir die dunkeln Schatten, die mich umringen, und die stumme Gestalt in ihrem Winkel zu zeigen. Wenn ich wachend daliege, höre ich bisweilen seltsame Schreie, die aus entfernten Teilen dieses großen Gebäudes zu mir dringen. Was sie zu bedeuten haben, weiß ich nicht; aber sie kommen nie von der bleichen Gestalt, die ihrer nicht einmal achtet. Von den ersten Schatten des Abends bis zum frühesten Lichte des Morgens steht sie regungslos auf demselben Fleck, horcht auf die Musik meiner Eisenkette und sieht zu, wie ich in meinem Strohlager umherwühle."
Am Schlüsse dieses Manuskripts stand, von einer andern Hand geschrieben, folgende Note:
"Der Unglückliche, dessen Zustand in den vorstehenden Zeilen geschildert ist, bietet, ein trauriges Beispiel für die verderblichen Folgen schlechter Erziehung und so lange fortgesetzter Ausschweifungen, bis sich ihre Folgen nicht mehr gutmachen ließen. Das wüste Leben seiner jüngeren Jahre hatte Fieber und Delirium erzeugt. In einem solchen Anfall bemächtigte sich seiner die wunderliche Vorstellung, daß der Wahnsinn in seiner Familie erblich sei, eine Vorstellung, die sich auf eine wohlbekannte pathologische Theorie gründet, die einesteils von den Ärzten scharf bestritten, andererseits beharrlich verfochten wird. Dies hatte allmählich Trübsinn zur Folge, der nach und nach in ausgesprochen" Tobsucht überging. Es ist aller Grund vorhanden, daß die mitgeteilten Tatsachen, freilich in ihrer Darstellung durch eine kranke Phantasie verdreht, wirklich stattgefunden haben, und wenn man die Jugendverirrungen des Wahnsinnigen kennt, muß man sich nur wundern, daß seine Leidenschaften, sobald sie einmal des Zügels der Vernunft entbehrten, ihn nicht zu noch schrecklicheren Taten verleitet haben." Mr. Pickwicks Kerze war heruntergebrannt, und als das Licht plötzlich ohne ein vorangehendes warnendes Flackern auslöschte, schrak er in seinem aufgeregten Zustande lebhaft zusammen. Hastig warf er die Kleidungsstücke, die er beim Aufstehen angezogen hatte, wieder ab, sah sich furchtsam im Zimmer um, hüllte sich rasch in die Bettdecke und verfiel bald darauf in tiefen Schlaf.
Der Morgen war schon weit vorgerückt, und die Sonne schien herrlich in sein Schlafgemach, als er erwachte. Die Beklemmung der letzten Nacht war mit den dunklen Schatten, die die Landschaft umfingen, gewichen, und das Licht des strahlenden Morgens erfüllte sein Inneres. Nach einem kräftigen Frühstück machten sich die vier Reisenden nebst einem Manne, der ihnen den Stein "in dem Bretterkistchen nachtrug, nach Gravesend auf den Weg. Sie erreichten die Stadt gegen ein Uhr – ihr Gepäck hatten sie bereits von Rochester aus nach London zurückschicken lassen –, und da sie glücklicherweise auf einem Postwagen noch Außensitze bekamen, langten sie fröhlich und gesund noch am selben Abend zu Hause an. Die nächsten drei oder vier Tage verbrachten sie mit Vorbereitungen für ihren Besuch in .Eatanswill. Da jedoch der Bericht über alles, was auf dieses wichtige Unternehmen Bezug hat, ein gesondertes Kapitel erheischt, so sei hier nur kurz die weitere Geschichte der archäologischen Entdeckung mitgeteilt.
Aus den Klubverhandlungen erhellt, daß Mr. Pickwick in einer am Abend nach seiner Rückkehr abgehaltenen Generalversammlung eine Vorlesung über seinen Fund hielt, in der er viele scharfsinnige und gelehrte Hypothesen über die Bedeutung der Inschrift zum besten gab. Ein geschickter Künstler hatte eine getreue Zeichnung des Steines angefertigt und sie lithographiert, um Abdrücke davon der königlichen Gesellschaft für Altertumsforschung und andern gelehrten Korporationen zu übersenden, ein Schritt, der viele neidische und eifersüchtige Federn in Bewegung setzte. Mr. Pickwick selbst ließ eine Broschüre erscheinen, in der er auf sechsundvierzig enggedruckten Seiten siebenundzwanzig verschiedene Erklärungen der Inschrift veröffentlichte. Eine weitere Folge war, daß drei alte Herren ihre erstgeborenen Söhne auf den gesetzlich niedrigsten Pflichtanteil von einem Schilling setzten, weil sie sich unterfangen hatten, den archäologischen Wert der Entdeckung in Zweifel zu ziehen; ferner, daß ein enthusiastischer Altertumsfreund aus Verzweiflung, daß er den Sinn der Inschrift nicht zu ergründen vermochte, sich selbst entleibte, daß Mr. Pickwick zum Ehrenmitglied von siebzehn einheimischen und ausländischen Gesellschaften ernannt wurde, und schließlich, daß keine dieser siebzehn Gesellschaften etwas aus der rätselhaften Schrift zu machen wußte und daher alle darin übereinstimmten, daß der Fund außerordentlich wichtig wäre.
Nur Mr. Blotton – möge dieser Name der ewigen Verachtung aller Verehrer des Geheimnisvollen und Erhabenen anheimfallen –, nur Mr. Blotton unterfing sich, mit der Zweifelsucht und Sophisterei einer gemeinen Seele einen Erklärungsversuch geltend zu machen, der ebenso hämisch wie lächerlich war. Mr. Blotton hatte nämlich, erfüllt von dem niedrigen Wunsche, den Glanz des unsterblichen Namens "Pickwick" zu besudeln, in Person eine Reise nach Cobham gemacht und erlaubte sich nun nach seiner Rückkehr in einer Rede an den Klub die sarkastische Bemerkung, daß er den Mann gesprochen hätte, von dem der Stein gekauft worden wäre, und daß dieser allerdings über das Alter des Steins keine Auskunft zu geben gewußt, wohl aber das hohe Alter der Inschrift feierlich in Abrede gestellt hätte. Letztere wäre lediglich eine Arbeit, die er selbst in müßigen Stunden ausgeführt hätte und die "Bill Stump sein Grenzzeichen" bedeuten sollte, wobei sich der gute Stump mehr an den Klang der Worte als an die strengen Regeln der Grammatik gehalten hätte.
Der Pickwick-Klub nahm, wie sich von einem so erleuchteten Institut erwarten läßt, diese Erklärung mit der gebührenden Verachtung auf, schloß den scheelsüchtigen und anmaßenden Mr. Blotton aus dem Klubverbande aus und dotierte Mr. Pickwick eine goldne Brille zum Beweise seines Vertrauens und der Anerkennung seiner Verdienste. Mr. Pickwick ließ sich zum Dank für den Klub porträtieren und das Bild zum ewigen Gedächtnis im Versammlungssaal aufhängen.
Mr. Blotton war zwar ausgestoßen, gab sich aber nicht geschlagen. Er schrieb gleichfalls eine Broschüre, dedizierte sie den siebzehn gelehrten Gesellschaften, wiederholte darin die bereits vermeldeten Angaben und deutete an, daß er die besagten siebzehn Korporationen lediglich für ebenso viele "Narrenverbände" halte. Dadurch wurde natürlich die gerechte Entrüstung dieser siebzehn Gesellschaften geweckt, und es erschienen mehrere neue Flugschriften. Die fremden gelehrten Gesellschaften korrespondierten mit den einheimischen; die einheimischen übersetzten die Flugschriften der fremden ins Englische, die fremden die Flugschriften der einheimischen in alle nur erdenklichen Sprachen, und so begann der berühmte wissenschaftliche Streit, der aller Welt unter dem Namen "Pickwickfehde" bekannt geworden ist. Der nichtswürdige Versuch, Mr. Pickwicks Ruhm zu schmälern, fiel indes auf das Haupt seines boshaften Urhebers zurück. Die siebzehn gelehrten Gesellschaften erklärten den anmaßenden Mr. Blotton für einen unwissenden Intriganten und schickten fleißiger als je Abhandlungen in die Welt. Und bis auf diesen Tag ist der Stein ein unlesbares Monument der Größe Mr. Pickwicks und ein unvergängliches Zeichen seines Sieges über die Kleinlichkeit seiner Feinde.
Dreizehntes Kapitel: Ein Vorfall von einschneidender Wirkung auf Mr. Pickwicks Leben und Geschichte.
Mr. Pickwicks Wohnung in Goß Wallstreet war zwar nicht groß, aber einem Mann von seinem Genie und seiner Beobachtungsgabe vorzüglich angepaßt. Sein Arbeitszimmer befand sich im ersten Stock, sein Schlafzimmer im zweiten, und beide lagen vornheraus, so daß Mr. Pickwick sowohl von seinem Schreibtisch im Wohnzimmer wie von seinem Ankleidespiegel im Schlafgemach aus stets Gelegenheit hatte, die menschliche Natur in allen ihren unzähligen Phasen an einem Platze zu beobachten, der ihm fortwährend ein buntes Volksleben vor Augen führte. Seine Hauswirtin, Mrs. Bardell, die trostlose Hinterbliebene eines Zollbeamten, war eine stattliche Frau von lebhaftem Temperament, angenehmem Äußern und wohlausgebildetem Kochgenie. In ihrem Hause gab es weder Kinder noch Dienstboten, noch Federvieh. Seine einzigen Insassen waren, außer Mr. Pickwick, ein großer Mann und ein kleiner Knabe, der erstere ein Mietsmann, der zweite ein Sprößling Mrs. Bardells. Der große Mann kam immer abends Punkt zehn Uhr nach Hause, um sich in eine zwerghafte französische Bettstelle in dem hintern Zimmer zu zwängen, wogegen die kindlichen Spiele und gymnastischen Übungen des jungen Mr. Bardell sich ausschließlich auf die Plätze vor den Türen der Nachbarn und die Gossen vor dem Hause beschränkten. Reinlichkeit und Ruhe herrschten in dem Hause, in dem Mr. Pickwicks Wille als oberstes Gesetz galt. Jedermann, der den geschilderten häuslichen Zustand und die bewunderungswürdige Selbstbeherrschung Mr. Pickwicks kannte, würde das Benehmen des Gelehrten an dem Morgen des Vortages der Reise nach Eatanswill höchst mysteriös und unergründlich vorgekommen sein. Er ging mit raschen Schritten in seinem Zimmer auf und ab, schaute alle drei Minuten einmal unruhig zum Fenster hinaus, sah fortwährend auf die Uhr und ließ noch viele andere bei ihm selten vorkommende Zeichen von Ungeduld wahrnehmen. Offenbar lag ihm etwas sehr Wichtiges im Sinn; doch was das sein konnte, vermochte selbst Mrs. Bardell nicht zu ergründen.
"Mrs. Bardell!" hob Mr. Pickwick endlich an, als das langwierige Staubabwischen der Haushälterin sich seinem Ende zuneigte.
"Sir?"
"Ihr kleiner Knabe bleibt aber lange aus, Mrs. Bardell!"
"Nun, es ist auch ein ziemlich weiter Weg nach dem Borough, Sir", entgegnete Mrs. Bardell.
"Da haben Sie freilich recht", versetzte Mr. Pickwick und versank abermals in Stillschweigen, während Mrs. Bardell mit dem Staubabwischen fortfuhr.
"Mrs. Bardell!" begann Mr. Pickwick nach einigen Minuten von neuem.
"Sir?" sagte Mrs. Bardell wie zuvor.
"Glauben Sie, daß es bedeutend teurer käme, zwei Personen zu erhalten als eine einzige?"
"Ach Gott, Mr. Pickwick", rief Mrs. Bardell aus, bis an den Rand ihrer Haube errötend, da sie in den Augen ihres Mieters ein heiratslustiges Blinzeln zu bemerken glaubte. "Ach Gott, Mr. Pickwick, was ist das für eine Frage?"
"Glauben Sie es wirklich?" forschte Mr. Pickwick weiter.
"Ach Mr. Pickwick", erwiderte Mrs. Bardell und kam mit ihrem Staubtuch bis dicht an die Ellenbogen des Gelehrten. "Das kommt ganz darauf an, ob es eine haushälterische und verständige Person ist, Sir."
"Sehr wahr", versetzte Mr. Pickwick, "aber ich denke, daß die Person, die ich im Auge habe", bei diesen Worten fixierte er Mrs. Bardell sehr scharf, "diese Eigenschaften und noch überdies eine beträchtliche Weltkenntnis und Klugheit besitzt, was mir alles wesentlich von Nutzen sein dürfte."
"Ach Gott, Mr. Pickwick!" rief Mrs. Bardell aus und errötete abermals bis an den Rand ihrer Haube.
"Ich bin wirklich davon überzeugt", sagte Mr. Pickwick, lebhaft werdend, wie es gewöhnlich bei ihm der Fall war, wenn er von einem ihn interessierenden Gegenstande sprach. "Ich bin wirklich fest davon überzeugt, und, um Ihnen die Wahrheit zu sagen, Mrs. Bardell, ich habe bereits meinen Entschluß gefaßt."
"Ach du meine Güte, Sir!" rief Mrs. Bardell.
"Sie werden es allerdings auffallend finden", fuhr Mr. Pickwick liebenswürdig fort und blickte dabei seine Hausgenossin mit freundlichem Lächeln an, "daß ich Sie über diese Angelegenheit gar nicht zu Rat gezogen und nicht eher etwas erwähnt habe als in dieser Stunde, wo ich Ihren kleinen Jungen ausgeschickt ... He, he, was sagen Sie?"
Mrs. Bardell konnte nur mit einem Blick antworten. Sie hatte Mr. Pickwick längst im stillen verehrt, und jetzt sah sie sich mit einem Male auf den Gipfel eines Glücks gehoben, von dem sie sich nicht im entferntesten hatte träumen lassen. Mr. Pickwick stand im Begriff, ihr einen Antrag zu machen! – Ein wohlüberlegter Plan! – Ja, nur deshalb hatte er ihren Knaben ausgeschickt. Wie herrlich war das ausgedacht und wie klug ausgeführt.
"Nun", fragte Mr. Pickwick, "was meinen Sie?"
"Ach, Mr. Pickwick", erwiderte Mrs. Bardell, vor innerer Bewegung zitternd. "Sie sind zu gütig, Sir."
"Meinen Sie nicht, daß ich Ihnen ein gutes Teil Mühe dadurch ersparen würde?" fragte Mr. Pickwick weiter.
"Ach, aus der Mühe mache ich mir gar nichts, Sir", erwiderte Mrs. Bardell, "und ich will mich, wenn ich Sie nur zufrieden weiß, gern noch einer größeren unterziehen. Ach, es ist unaussprechlich gütig von Ihnen, Mr. Pickwick, auf meine verlassene Lage soviel Rücksicht zu nehmen!"
"Ich muß gestehen", versetzte Mr. Pickwick, "daran habe ich gar nicht einmal gedacht. Sie werden auf diese Art, wenn ich in der Stadt bin, immer jemand haben, der bei Ihnen bleibt. Vorausgesetzt, daß es Ihnen recht ist."
"Oh, wie glücklich werde ich sein", seufzte Mr. Bardell.
"Und Ihr kleiner Knabe wird einen Gefährten haben, und zwar einen recht aufgeweckten, der ihn, ich will wetten, in einer Woche mehr Schelmenstreiche lehren wird, als er sonst wohl in einem Jahre lernen würde." Mr. Pickwick begleitete diese Worte mit einem gutmütigen Lächeln.
"Oh, Sie teurer ..."
Mr. Pickwick stutzte.
"Oh, du lieber, guter, herrlicher Mann!" rief Mrs. Bardell aus, sprang von ihrem Stuhle auf und schlang ohne weitere Umstände unter einem Katarakt von Tränen ihre Arme um Mr. Pickwicks Nacken.
"Gerechter Gott!" schrie Mr. Pickwick, ganz außer sich. "Mrs. Bardell, gute Frau, du lieber Himmel! – Welche Situation! – Ich bitte, bedenken Sie doch, Mrs. Bardell, ich beschwöre Sie um alles in der Welt, wenn jemand käme ..."
"Oh, mag kommen, wer will!" rief Mrs. Bardell im Liebestaumel. "Ich lasse dich nicht! Oh, du lieber, du guter Mann!" Dabei klammerte sie sich noch fester an ihn.
"Barmherziger Gott!" ächzte Mr. Pickwick und rang aus Leibeskräften, um sich loszumachen. "Ich höre jemand die Treppe heraufkommen. Ich bitte Sie um des Himmels willen, liebe Frau, seien Sie doch nur vernünftig!"
Aber alle Bitten und Vorstellungen blieben fruchtlos, Mrs. Bardell war in Pickwicks Armen in Ohnmacht gefallen, und ehe er noch Zeit finden konnte, sie auf einen Stuhl niederzusetzen, trat Master Bardell ins Zimmer, gefolgt von Mr. Tupman, Mr. Winkle und Mr. Snodgraß.
Mr. Pickwick war wie vom Donner gerührt. Seine liebliche Bürde in den Armen haltend, stand er bestürzt und regungslos da und starrte seine Freunde an, ohne sie zu begrüßen, ja auch nur den geringsten Versuch zu machen, ihnen eine Erklärung zu geben. Die Herren machten große Augen, und Master Bardell glotzte von einem zum andern.
Die Verwirrung Mr. Pickwicks und das Erstaunen seiner Jünger waren so grenzenlos, daß sie wahrscheinlich sämtlich bis zum Wiedererwachen der Lebensgeister der guten Mrs. Bardell regungslos in ihren Stellungen verharrt haben würden, wenn sich nicht die kindliche Zärtlichkeit des Sprößlings der Ohnmächtigen auf eine höchst rührende Weise Luft gemacht hätte. Er war anfangs in seinem Manchesteranzug mit den großen Metallknöpfen erstaunt und ungewiß an der Tür stehengeblieben, aber allmählich erwachte in ihm der Verdacht, Mr. Pickwick könne seiner Mutter ein Leid angetan haben.
Er erhob ein jämmerliches Geschrei, stürzte auf den Unsterblichen los und begann seinen Kücken und seine Beine so empfindlich zu bearbeiten, wie es die Kraft seines kleinen Armes und das Ungestüm seiner Aufregung nur irgend gestatteten.
"So halten Sie doch den Schlingel fest!" rief Mr. Pickwick in seiner Angst. "Er ist ja rein des Teufels!"
"Was gibt es denn eigentlich?" fragten die drei Jünger wie aus einem Munde.
"Ich weiß es nicht", entgegnete Mr. Pickwick verdrießlich. "Schaffen Sie mir nur den Knaben vom Halse und helfen Sie mir, die Frau die Treppe hinunterzubringen."
"Ach, ich fühle mich schon wieder besser", seufzte Mrs. Bardell mit schwacher Stimme.
"Erlauben Sie mir, Sie hinunterzubegleiten", sagte der stets galante Mr. Tupman.
"Vielen Dank, Sir, vielen Dank", rief Mrs. Bardell hysterisch und ließ sich mit ihrem zärtlichen Sprößling von Mr. Tupman die Treppe hinabführen.
"Ich kann gar nicht begreifen", sagte Mr. Pickwick, als sein Freund zurückkehrte, "was mit der Frau eigentlich los ist. Ich hatte ihr kaum meine Absicht angekündigt, mir einen Diener zu halten, als sie geradezu in Paroxismus verfiel und schließlich ohnmächtig wurde. Ein höchst merkwürdiger Fall!"
"Höchst merkwürdig!" riefen die drei Freunde.
"Sie versetzte mich tatsächlich in eine höchst unangenehme Lage", fuhr Mr. Pickwick fort.
"Höchst unangenehm!" wiederholten die Jünger, hüstelten und warfen sich bedeutsame Blicke zu, die Mr. Pickwick nicht entgingen. Sie mißtrauten ihm offenbar.
"Es wartet ein Mann auf dem Gange", unterbrach Mr. Tupman endlich das Schweigen.
"Ohne Zweifel der Bediente, von dem ich sprach", sagte Mr. Pickwick. "Ich habe heute morgen nach ihm geschickt. Würden Sie vielleicht die Güte haben, ihn hereinzurufen, lieber Snodgraß."
Mr. Snodgraß tat, wie ihm geheißen, und gleich darauf präsentierte sich Mr. Samuel Weller.
"Sie erinnern sich meiner wohl noch?" redete ihn Mr. Pickwick an.
"Sollt's meinen", erwiderte Sam mit einem pfiffigen Blinzeln. "Tolle Sache das – damals –, aber er hat Sie umzingelt; weg war er, ehe einer 'ne Prise nehmen konnte, wie?"
"Lassen wir das jetzt", fiel Mr. Pickwick hastig ein. "Ich wollte von etwas anderm mit Ihnen reden. Setzen Sie sich."
"Danke, Sir", sagte Sam und setzte sich, ohne sich weiter nötigen zu lassen, nachdem er vorher seinen alten weißen Hut auf einen Tisch vor der Tür gelegt hatte. "Er sieht nicht zum besten aus", bemerkte er dabei mit einem freundlichen Lächeln, "sitzt aber erstaunlich gut und war 'n hübscher Deckel, ehe er sich von seiner Krempe trennte; jetzt ist er aber um so leichter, was der eine Vorteil is, und dann läßt jedes Loch frische Luft rein, und das ist der zweite."
"Gut, gut", sagte Mr. Pickwick, "aber jetzt zu der Sache, wegen der ich Sie habe rufen lassen."
"Sehr wohl, Sir", unterbrach ihn Sam, "nur raus damit, wie der Vater zu dem Kinde sagte, als es den Pfennig verschluckt hatte."
"Vor allen Dingen möchte ich wissen", fuhr Mr. Pickwick fort, "ob Sie in irgendeiner Hinsicht mit Ihrem gegenwärtigen Posten unzufrieden sind."
"Bevor ich auf diese Frage antworte", versetzte Sam, "möcht ich gern wissen, ob Sie mir vielleicht, zu 'nem bessern verhelfen wollen?"
Ein Strahl gütigen Wohlwollens glänzte auf Mr. Pickwicks Angesicht.
"Ich bin halb und halb entschlossen, Sie selbst in Dienst zu nehmen."
"So, sind Sie das?" sagte Sam.
Mr. Pickwick nickte bejahend.
"Lohn?" fragte Sam.
"Zwölf Pfund jährlich", erwiderte Mr. Pickwick.
"Kleidung?"
"Zwei Anzüge."
"Arbeit?"
"Sie hätten mich zu bedienen und diese Herren hier und mich auf unsern Reisen zu begleiten."
"Schon daß der Anschlagzettel unten runterkommt", sagte Sam mit Nachdruck. "Ich bin an 'nen einzelnen Herrn vermietet und mit die Bedingungen einverstanden."
"Sie nehmen also die Stelle an?" fragte Mr. Pickwick.
"'türlich", erwiderte Sam. "Wenn mir die Livree nur halb so gut paßt wie die Stelle, kann's gleich losgehen."
"Sie haben doch ein Zeugnis?"
"Da müssen Sie sich an die Wirtin vom ,Weißen Hirsch' wenden", versetzte Sam.
"Könnten Sie noch heute abend den Dienst antreten?"
"Augenblicks stecke ich mich in die Livree, wenn die zur Hand is", entgegnete Sam äußerst heiter.
"Sprechen Sie heute abend um acht Uhr vor", sagte Mr. Pickwick, "und wenn meine Erkundigungen nach Wunsch ausfallen, werde ich für eine Livree sogleich Sorge tragen."
Abgesehen von einem einzigen liebenswürdigen Fehltritt, an dem ein Hausmädchen zu gleichen Teilen die Schuld trug, lautete die Auskunft über Mr. Wellers Aufführung so günstig, daß Mr. Pickwick sich vollkommen beruhigt fühlte und noch am selben Abend den Vertrag abschloß. Mit der Raschheit und Energie, die nicht nur das öffentliche, sondern auch das Privatleben des außerordentlichen Mannes charakterisierte, führte er Sam Weller in eine der Niederlagen, wo alte und neue Männerkleider vorrätig sind und man der lästigen und unbequemen Formalität des Maßnehmens enthoben ist, und noch vor Einbruch der Nacht war Mr. Weller mit einem grauen Rock mit P.-K.-Knöpfen, einem schwarzen Hut mit einer Kokarde, einer fleischfarbigen, gestreiften Weste, lichten Beinkleidern und Gamaschen und sonstigem Zubehör ausstaffiert.
"Bin doch neugierig", sagte der so plötzlich umgewandelte Mr. Weller, als er am nächsten Morgen den Außensitz der Eatanswiller Postkutsche eingenommen hatte, "ob ich 'nen Bedienten, 'nen Stallknecht, 'nen Wildhüter oder einen Portier vorstellen soll. Scheine mir so 'ne Art Ragout von all dem zu sein. Na, macht nichts. Komme auf diese Weise zu 'ner Luftveränderung, kriege viel zu sehen und habe wenig zu tun, was mir alles prächtig zusagt. Vivat hoch! Die Pickwickier sollen leben!"
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