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Kitabı oku: «Das blutige Blockhaus», sayfa 8

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Die Pflanzung war ungefähr zehn Stunden von dem eigentlichen Kirchspiel in den Attacapas und fünf Stunden von Madame Ducalles Haus gelegen. Sie bestand aus einem mürben Fachgebäude in der Art aller Pflanzerhäuser dort, mit breitem, vorspringendem Dach, einem Erdgeschoß, das zwei große Zimmer enthielt, die wieder mit Veranden umgeben waren. Weiter zurück lag ein Speicher, in dem unsere Leute schliefen, und im Hintergrund drei Negerhütten, in denen die vier Schwarzen und unsere Milchkuh untergebracht waren. Das Ganze war von einem Dutzend Catalpas überschattet. Etwa zwanzig Acker waren mit Welschkorn bepflanzt, das wir mir Monsieur Berthoud zur Hälfte teilten, das übrige war Urwald.

Wir traten unter das wettergebräunte Zypressendach unserer schlichten Behausung mit einer Mischung von Gefühlen, die nur derjenige würdigen kann, der so wie wir, im Schoß des Überflusses aufgewachsen und zehn Jahre auf der stürmischen See des Bürgerkriegs umhergetrieben, endlich wieder eine Erdscholle betritt, auf der er sein Haupt ruhig niederlegen kann. Wir standen einige Augenblicke an der Schwelle, blickten einander an, drückten uns gerührt die Hände und fielen uns bewegt in die Arme.

Amadée hatte wie eine gute Hausmutter für jene kleinen Bequemlichkeiten Sorge getragen, die nirgends schwerer als in diesem Land entbehrt werden, das doch die gröberen Bedürfnisse des Lebens wieder in so reichlichem Maß spendet. Er hatte an den Ecken der Veranda in der Eile einige Schlafräume anbringen lassen, in denen unsere Betten, mit Moskitovorhängen versehen, standen. Von der Abendbrottafel lachte uns ein frisches Weizenbrot entgegen, in dieser Gegend ein Luxus, den sich damals selbst die reichsten Pflanzer versagen mußten, und einige zarte junge Outards. Diese wohlschmeckenden Gänse, die größer sind als die gewöhnlichen und um den Hals einen schwarzen Ring tragen, hatte Jean geschossen. Dazu gab es Kaffee und Milch und später Ananaspunsch.

Der Abend wurde einer der fröhlichsten, die wir je verplauderten. Mehrere unserer Freunde, darunter Ducalle, der Kommandant und Bossompierre, hatten uns begleitet, um uns, wie sie sagten, in unserer neuen Residenz einzuführen. Wir blieben bis Mitternacht beisammen und schliefen dann. Seit Jahren hatten wir keine so ruhige Nacht gehabt.

Mit dem folgenden Morgen begann unser Pflanzerleben. Wir standen morgens um fünf Uhr auf, jäteten, hackten in den Welschkornfeldern oder dem Garten, was sonst kein Pflanzer tut, nahmen hierauf eine Tasse schwarzen Kaffees, arbeiteten wieder eine Stunde, frühstückten und ergingen uns gegen den Chetimachas zu, in den hier ein kleines Bayou einmündet, um unser Mittags- und Abendmahl zu schießen. Wild und Wassergeflügel war in solchem Überfluß vorhanden, daß wir nur vor die Tür zu gehen brauchten, um unsern Bedarf für die ganze Woche in kurzer Zeit zu erlegen.

Bei zunehmender Hitze zogen wir uns auf die Veranda zurück und schrieben, lasen oder musizierten. Lassalle und ich spielten die Violine, Hauterouge blies die Flöte. Der Mittag fand uns gewöhnlich bei gutem Appetit. Nachmittags wurde eine Partie Billard gespielt, das wir uns in den ersten Tagen zusammengestümpert hatten. Zuweilen kamen Gäste, Monsieur Bossompierre oder der Kommandant, ein fröhlicher Picarde. Doch war dies nicht häufig der Fall, die Pflanzung war zu entlegen. Zu unserm nächsten Nachbarn hatten wir eine volle Stunde.

So vergingen die ersten vierzehn Tage leidlich, die nächst darauffolgenden schon weniger so. Es fehlte uns so manches, auf das wir Verzicht zu leisten hatten. Das fiel uns allmählich härter, als wir es uns vorgestellt. Denn man entbehrt leichter im abenteuerlich bewegten Kriegerleben als in der stillen Zurückgezogenheit eines geregelten Haushaltes. Und wir mußten wirklich vieles entbehren.

In dem ganzen Kirchspiel waren bloß zwei Krämer, der nächste etwa sechs Stunden von uns. Die Buden beider enthielten kaum etwas anderes als Schnupf- und Rauchtabak, Pulver und Strohhüte, Messer und Gabeln und Wolldecken. Unser Keller war nur schlecht versehen, ein paar Flaschen Bordeaux und Madeira wurden für unvorhergesehene Fälle wie ein Schatz aufbewahrt. So begann uns unser Pflanzerleben allmählich unbequem zu werden. Wir trösteten uns zwar mit der Hoffnung auf die Zukunft und schwelgten in Träumen, aber es waren doch nur Träume, deren Verwirklichung im weiten Feld lag.

Das Land war ein Paradies, das alles im Überfluß und beinah ohne die mindeste Mühe gab. Es lag nur an uns, ein glückliches Dasein zu gründen. Aber bis dahin konnte eine geraume Zeit vergehen, die unsere Geduld auf eine harte Probe stellen mußte. Die Schwierigkeiten, die bei unserer Ansiedlung zu überwinden waren, häuften sich. Selbst mit unserer Schenkung hatte es eine eigene Bewandtnis. In dem Dokument war eine Strecke von 4000 Arpents Arpent — ein louisianisches Feldmaß: etwa 13675 Quadratkilometer zwischen dem Teche und Vermilion, westlich vom Chetimachas, für meine Familie vorbehalten, ohne daß die näheren Grenzen bestimmt gewesen wären. Es war mehr ein Vorbehalt, den der Abtretungskommissar unserer Regierung zugunsten seines Gönners, meines Großvaters, ausbedungen, als er nach dem Frieden von 1763 Louisiana an den spanischen Bevollmächtigten übergab.

Der Kommissar hatte von der Schönheit des Landes, der Milde des Klimas, der Fruchtbarkeit des Bodens Bericht erhalten, war aber selber nicht an Ort und Stelle gewesen. Es kam also darauf an, die 4000 Morgen gewissermaßen aus den verschiedenen später durch die Gouverneure bewilligten Schenkungen herauszuschneiden und soviel wie möglich Unannehmlichkeiten und Prozesse zu vermeiden. Die Sache war nicht leicht. Es gehörte dazu eine vollkommene Aufnahme des Geländes, eine genaue Kenntnis der verschiedenen von den Einwohnern des Kantons angesprochenen Ländereien. Das wurde um so schwieriger, als der Kommandant seinen Posten erst kurz vor unserer Ankunft angetreten, sein Vorgänger, Monsieur Descoulettes, gestorben und seinen erwachsenen Söhnen, um die Verwirrung vollkommen zu machen, den Haß aller Kreolen des Kirchspiels zum Erbteil hinterlassen hatte.

Während der fünfzig Jahre, die seit der Ansiedlung verflossen, hatten sich nämlich zahlreiche Herden sogenannter Maroon-Rinder in den Wäldern und Wiesen des Kantons gesammelt, die herrenlos und ungebrandet von den Einwohnern als gute Beute, vorzüglich ihrer Felle halber, gejagt und getötet wurden. Bei diesen Jagden hatte es sich nun häufig ereignet, daß auch gebrandete Rinder mit unterliefen. Darüber waren Klagen entstanden, die den letzten Kommandanten bewogen, Hausuntersuchungen vorzunehmen. Bei mehreren der reichsten Pflanzer waren bedeutende Vorräte von Rinderhäuten vorgefunden worden.

Die Gefängnisstrafe, die ihnen dafür zuerkannt worden, hatte bei diesen stolzen, einigermaßen verwilderten Herdenbesitzern einen tödlichen Haß gegen den Kommandanten und seine Familie zurückgelassen, der sich, wie es bei rohen leidenschaftlichen Gemütern häufig der Fall zu sein pflegt, auf alle jene erstreckte, die in irgendeiner Berührung mit den Descoulettes standen. So hatte sich der Kanton in zwei Parteien gespalten, die eine waren die alten Kreolen oder sogenannten Adeligen, die andere die Descoulettes, an die sich die Akadier angeschlossen. Und wir saßen in der Mitte, wenn nicht zwischen zwei Feuern, so doch zwischen zwei Stühlen.

Diese Spießbürgerfehde kam uns recht ungelegen, so lächerlich sie auch im Munde des jetzigen Kommandanten klang, der sich über beide Parteien lustig machte. Denn die Adeligen hatten ihre Köpfe mit dieser wichtigen Streitfrage dergestalt angefüllt, daß ihnen weder Zeit noch Lust blieb, auch nur einen Fuß für uns in Bewegung zu setzen. Einen der Descoulettes oder die Akadier anzusprechen, würde uns aber als nicht viel weniger denn offenbare Landesverräterei ausgelegt worden sein.

So waren wir denn auf uns selbst angewiesen. Wir versuchten, die Landschaft gegen den Vermilion hinüber auszukundschaften, um einen Lageplan zu entwerfen. Allein unser Eifer kühlte bald ab. Der Europäer, dessen Auge an abgegrenzte Fluren, Felder, Wiesen und Wälder gewöhnt ist, hat keine Vorstellung von der Verwirrung, die der Neuling beim Eintritt in diese endlos scheinenden Wiesen und Waldwildnisse ergreift. Es ist ihm, als ob er in die Fluten des Ozeans gestoßen mit den die Sinne betäubenden Wellen kämpfte. Wir hatten versucht, in westlicher Richtung gegen den Vermilion vorzudringen. Es ging, solange wir uns an die Wiesen hielten, obwohl wir häufig bis an den Gürtel im Sumpf versanken. Als wir aber in die furchtbaren Zypressenwälder kamen, bewohnt von Tausenden von Alligatoren, Tortue-Krokodilen und Reihern und Nachteulen, da verging uns die Lust. Nur hie und da lag ein vermoderter Baumstamm, auf dem man fußen konnte, und ein Fehltritt mußte uns für immer im schwarzen Schlamm begraben. Wir versuchten, auf der anderen Seite durch Liquidambar- und Immergrüneichenwälder einzudringen. Dornen von ungeheurer Länge und Dicke und Lianen rissen uns in der ersten Stunde unsere Kleider in Fetzen. Wir verwünschten das heillose Land und unsere Schenkung dazu und kehrten mißmutig in unsere vier Pfähle zurück.

Oh, wie seufzten wir nach unserm Frankreich! Nicht nach den göttlichen Abendgesellschaften bei der Ste. Genièvre oder Sophie Arnoult, nicht nach ihren feinen Witzen, ihren herrlichen Weinen, nein, nach einem kleinen, noch so kleinen Fleckchen. Meine Großmutter hatte noch im Jahre 1781 vom König zwei Generalleutnantsstellen und eine Kavalleriebrigade für ihre Familie erhalten, und ich, ihr Enkel?! Ich war oft halb verzweifelt.

Wir hatten uns die Sache so ganz anders vorgestellt, hatten geglaubt, uns mit unseren Mitteln ohne weiteres niederlassen, Häuser bauen und Felder bestellen zu können. Und nun hülsten wir Welschkorn aus, gruben, hackten, hielten Siesta, froh, mit saurer Milch unsern Durst löschen zu können. Mit all unseren Barschaften und Wechseln waren wir nicht imstande, uns ein Dutzend Flaschen Champagner zu verschaffen.

Wir mochten bersten vor Ungeduld. Wir glaubten keine Zeit verlieren zu dürfen, und die Wahrheit zu gestehen, hatten wir auch keine zu verlieren. Ich hatte mein dreißigstes Lebensjahr zurückgelegt, Lassalle und Hauterouge zählten einige Jahre weniger. Lassalle und ich hatten unsere Verlobten in Frankreich zurückgelassen, denen wir einen Herd, eine Hütte zu bauen vor Begierde brannten. Und da saßen wir nun und kamen nicht vor- noch rückwärts.

Zwar wäre es uns ein leichtes gewesen, uns in eine eingerichtete Pflanzung hineinzusetzen. Mehrere waren uns, ja ungestüm, zum Kauf angeboten worden. Man hatte es sogar sonderbar gefunden, daß wir nicht kauften, allein wir hatten unsere guten Gründe. Was wir von dem damaligen Pflanzerleben sahen, war nicht geeignet, es uns von einer liebenswürdigen Seite darzustellen.

Wir verstanden zudem nichts von dieser Wirtschaft und hatten eine unüberwindliche Abneigung gegen die Sklaverei. Auch war uns klar geworden, daß nur fortwährende leichte Beschäftigung in diesem Klima vor jenem Faulfieber schützen konnte, von dem wir die guten Leute in den Attacapas mehr oder weniger angesteckt fanden. Denn daß Weiße das Land bebauen könnten, ohne ihrer Gesundheit zu schaden, das sahen wir bei den Akadiern, die großenteils ihre Felder ohne Sklaven bearbeiteten und dabei gediehen.

So war unsere Lage in den Attacapas nach Verlauf der ersten fünf Wochen beschaffen. Das Klima hatte gleichfalls das seinige beigetragen, uns mit Anwandlungen jener salzig-galligen Laune zu überraschen, die uns an den Kreolen und besonders ihren Damen so unangenehm berührt hatte. Dazu die Milliarden Moskitos, die uns umsummten, wo wir gingen, standen, saßen, bei Tag, bei Nacht. Unsere Lage war wirklich zum Verzweifeln.

Die Chartreuse

1

Es war an einem heißen Septembernachmittag. Wir kamen von einem Besuch bei Bossompierre zurück, demselben Pflanzer, bei dem wir unser Absteigequartier nehmen sollten. Als wir langsam, über unseren Köpfen die Sonnenschirme, durch die Gassen unserer Welschkornfelder dem Wohnhause zuritten, schallten uns vom Hof gräßlicher Lärm und Geheul entgegen.

Wir ritten schneller und erblickten zwei unserer Leute, wie sie einen der gemieteten Neger peitschten. Ich schrie schon von weitem den beiden zu innezuhalten, und viel hätte nicht gefehlt, ich würde die Peitsche auf ihren Rücken haben tanzen lassen, so empört war ich. Ich machte Amadée, der dabei stand, Vorwürfe, aber er unterbrach mich mit der Nachricht, der Neger verdiene die Strafe, denn durch seine Schuld sei unsere Milchkuh ausgebrochen.

Diese Worte trafen uns wie ein Donnerschlag. Unsere Milchkuh ausgebrochen, an der unser ganzes Sein hing?

»Es ist leider so!« bekräftigten unsere Leute.

Der Reichtum der Bewohner der Attacapas bestand damals vorzüglich in Herden. Der Baumwoll-, Zucker- und Reisbau lag noch in seinen Anfängen und wurde nur von wenigen betrieben. Diese Herden waren sehr zahlreich. Manche Kreolen besaßen an die viertausend Stück Vieh und darüber. Es lief in halbwildem Zustand auf den Wiesen und in den Wäldern umher und wurde jährlich einmal, höchstens zweimal, auf ein paar Tage in die Corrals getrieben, wo es gezeichnet und adouciert, an den Anblick von Menschen gewöhnt wurde. Das war jedoch bloß bei den tätigeren Herdenbesitzern der Fall. Viele sahen ihre Herden oft jahrelang nicht.

Diese unverantwortliche Nachlässigkeit hatte wieder zur Folge, daß die Tiere, dem Überfluß und Mangel, der Hitze und dem Frost gleich ausgesetzt, trotz ihrer Schönheit in der Regel an irgendeiner inneren Krankheit litten — gewöhnlich war das Blut verdorben oder die Leber angesteckt — und daher zur Benutzung nicht gut taugten. Es hatte Roche Martin nicht geringe Mühe gekostet, eine gesunde Milchkuh aufzutreiben, und wir waren froh, sie um den dreifachen Preis erlangt zu haben. Denn den bequemen Kreolen auch nur zuzumuten, wegen einer Kuh eine Herde in den Corral zu bringen, würde als grobe Unhöflichkeit ausgelegt worden sein.

Diese Milchkuh war nun ausgerissen. Der Neger, der das Futter für sie zu mähen hatte, hatte es für bequemer gefunden, sie in der Nacht hinauszulassen und dafür auf einem unserer Pferde einen Besuch bei seiner schwarzen Geliebten, fünf Stunden weit, abzustatten. So waren Pferd und Kuh verloren. Das Pferd, zehn Stunden ohne Wasser und Futter gejagt, war wenige Minuten vor unserer Ankunft draufgegangen, die Kuh war wer weiß wo zu finden.

Der Neger glotzte uns an, gab aber keine Antwort auf meine Fragen. Jetzt tat es mir beinah leid, den Arm Jeans aufgehalten zu haben. Wir waren in Verzweiflung. Wohl nie hatte eine Kuh drei hoffähige Edelleute in größere Verlegenheit versetzt. Wir schauten drein wie arme Seeleute auf einem entmasteten Wrack, vor deren Augen das letzte Wasserfaß vom Deck gespült wird. Was nun? Guter Rat war teuer. Ohne Milch konnten wir nicht leben. Es war das einzige Getränk, das wir genossen, da wir den Tafia Rum aus geringerer Melasse nicht vertragen konnten.

Wir mußten versuchen, des flüchtigen Tieres wieder habhaft zu werden. Roche Martin konnte uns am besten Bescheid geben. Zu ihm wollten wir also, auf dem Wege zu ihm allenfalls die Gegend durchstöbern, ob die unglückselige Martha — so hatten wir die Kuh getauft — irgendwo verweilte, und dann von ihm das weitere zu vernehmen.

Wir hatten drei Reit- und zwei Wagenpferde von Bossompierre gekauft. Lassalle und Amadée sollten in westlicher Richtung gegen den Vermilion zu die Gegend durchstöbern, Hauterouge und ich wollten eine östliche Richtung nehmen. Gerade als wir im Aufbruch begriffen waren, kam Ducalle. Als er hörte, was vorgefallen, schloß er sich uns an, und Amadée blieb zu Hause.

Wir ritten durch einen Liquidambarwald, aus dem ein Indianerpfad in die große Prärie führte. Dort trennten »wir uns. Lassalle und ich hielten uns rechts nordöstlich gegen den Lebœuf hinauf, Hauterouge und Ducalle sich links gegen den Vermilion zu. Bei Roche Martins Pflanzung wollten wir uns wieder treffen.

Es war zum erstenmal, daß wir den Indianerpfad betraten. Er sollte uns in eine Landschaft bringen, die man uns immer als eine halbe Wüstenei schilderte: Nur an einzelnen Punkten sei sie von halbwilden Akadiern bewohnt, die, meist Jäger, die rauhen Sitten der eingeborenen Stämme angenommen hätten. Wir hatten uns daher zur Vorsicht mit Waffen versehen.

Der Nachmittag war heiß, einer jener Septembertage, die bei uns das gelbe Fieber zeitigen. Unsere Sonnenschirme über den Köpfen, unsere Tiere durch Fliegennetze und Laubwerk gegen die Moskitos und Brulôts geschützt, trabten wir auf dem Indianerpfad durch den Liquidambarwald. Nach einer halben Stunde lag die Prärie vor uns, unabsehbar wie die gekräuselte Wellenflache des Ozeans.

Am fernen Himmelsrand stiegen düstere violettfarbige Wolkenmassen herauf, deren im Feuer vergoldete Ränder das ungeheure tiefblaue Himmelsgezelt in einen drohenden Rahmen faßten. Die Immergrüneichen, die den Liquidambarwald begrenzten, gaben zugleich jene leise ächzenden knarrenden Töne von sich, die immer Vorboten eines herannahenden Sturmes zu sein pflegen. Noch schienen aber die Wolkenmassen träge über den Wipfeln der fernen Waldsäume zu ruhen. Es war, als ob die furchtbare Hitze auch sie niederdrückte.

Wir schauten einen Augenblick hinüber auf die großartigen Wolkenballen und sprengten dann auseinander. Bald verloren wir uns in dem hohen Grase aus dem Gesicht. Die Sonnenschirme über dem Kopf, ritten Lassalle und ich in nordöstlicher Richtung.

Etwa eine Viertelstunde waren wir geritten, als wir auf eine Herde Rinder stießen, die wohl tausend Köpfe stark sein mochte, darunter mehrere hundert Pferde von der halbwilden mexikanischen Rasse. Die Rinder unserer Attacapas unterscheiden sich von unseren französischen sehr vorteilhaft durch ihre ungemein schönen Hörner. Mit ihrem schlanken Körperbau, ihren hohen Schenkeln und Füßen gleichen sie aus der Ferne eher Hirschen als Rindern. Ihre meist braunrote Farbe erhöht diese Täuschung. Sie weiden im ellenhohen Gras, kaum daß ihre Köpfe und Hörner zu sehen sind, bemerken zeitig den Ankömmling, lassen ihn bis auf dreißig oder vierzig Schritte herankommen, werfen dann die Köpfe auf und schnauben. Die Rinder stoßen ein kurzes Gebrüll aus, die Pferde ein kurzes Gewieher, und dann brechen sie nach allen Seiten auseinander.

Unsere Tiere spitzten nicht wenig die Ohren, als wir vor der gewaltigen Herde anlangten, die uns eine Weile anstarrte und dann im wildesten Galopp auseinanderstob. Unsere aufgeregten Pferde — sie waren von derselben mexikanisch-spanischen Rasse — jagten ihnen in die weite Grassteppe nach. Wir waren trotz der Hitze nicht minder aufgeregt, es war unsere erste wilde Jagd in den Attacapas.

Scharf sprengten wir so vielleicht eine Stunde hinter den wilden Tieren her. Sichtlich ungern ließen unsere ermüdeten Pferde von ihrem Wettrennen nach, fielen in einen langsamen Trab und hielten endlich still. Als wir aufblickten, war kein Horn, keine Mähne mehr zu sehen. Links und rechts hinter uns lag die Prärie, vor uns eine ganz fremde, neue Landschaft. Wie die Wellen einer grünen Meeresbucht anschwellend, stiegen Hügel sanft an, malerisch besprenkelt mit zerstreuten Gruppen von Immergrüneichen, Magnolien und Tulpenbäumchen. Einzelne Damhirsche ließen uns bis an zwanzig Schritte herankommen.

Der Anblick war für uns ganz neu. Wir hatten uns die Attacapas als eine zwar gesegnete, fruchtbare, aber doch flache, eintönige, dabei fieberige Landschaft gedacht. Was wir bisher gesehen, hatte uns in dieser Vorstellung bestätigt.

Hier, kaum fünfzehn Meilen von unserer Pflanzung, fanden wir uns so angenehm getäuscht.

Wir sprengten den nächsten Hügel hinan. Von seinem Rücken hatten wir eine entzückende Aussicht.

So weit das Auge reichte, war sogenanntes Wellenland, Hügel, die sich wellenartig erhoben, senkten, hie und da Waldpartien, zwischen denen hindurch das Auge die herrlichste Fernsicht genoß. Die Sonne näherte sich bereits den schwarzen düsteren Wolkenmassen, und während ihre schräg einfallenden Strahlen die ihnen zugekehrten Baumseiten in tausend glorreichen Tinten aufhellten, waren die abgewandten in jenes magische Helldunkel geworfen, das im amerikanischen Klima so außerordentliche Wirkungen hervorbringt. Jede Immergrüneiche, jede Magnolie mit ihren wogenden Fächern und Kelchblumen, jeder Tulpenbaum mit seinen Pokalblüten bot diese tausend Tinten, dieses unbeschreiblich schöne Helldunkel dar.

Wir standen sprachlos, im Anstaunen dieser uns damals neuen, noch nie gesehenen Schönheiten versunken. Um die Glorie der Landschaft zu vollenden, schlängelten sich um mehrere der Hügel, die in der Ferne auftauchten, Seen und Seechen mit Mangroven gerändert, die uns wie silberne und goldene Adern aus der zauberischen Landschaft entgegenschimmerten.

»Hier ist ein glorreiches Land, ein Paradies!« rief ich entzückt. »Hier wollen wir unsere Hütten aufschlagen!«

Lassalle unterbrach meine Rufe des Entzückens, aber ich hörte nicht, was er sagte, ich sah nichts wie die herrliche Natur. Ich segnete den Zufall, der mich in diese Fluren gebracht. Mein einziger Gedanke war, möglichst viel von dieser Gegend so schnell wie möglich zu sehen, um mich unverzüglich hier niederzulassen.

Wir ritten den Hügel hinab auf einen zweiten zu. Sein Fuß wurde von einem herrlichen Spiegel kristallhellen Wassers bespült, in dessen Mangrovenrändern zahllose Outardes Outarde (franz.) == Bustard (engl.) == Trappe (kranichartiger Vogel) und Enten sich herumtrieben. Ich betrachtete abermals die Aussicht von diesem Hügel. Sie gefiel mir noch besser als die vom ersten.

Wir ritten dem dritten zu, hinan. In der schwelgerischen Augenweide, dem Vorgefühl des Entzückens, das meine Braut, meine teure Eleonore, nun bald mit mir teilen würde, hatte ich die Kuh und alles um mich vergessen.

»Weißt du, Colonel, daß du ein ganzer Egoist geworden bist, in deiner Hast einen Lageplan zu finden?« unterbrach Lassalle meine Gedanken.

Ich schaute ihn überrascht an. Der Vorwurf war begründet. Dieser Egoismus, der sich dem Einwanderer in Amerika gleichsam anlegt — er mag wollen oder nicht —, ist eine andere seltsame Eigenheit, ein Gegensatz, der die Bewohner des Landes von den Europäern unterscheidet. Die Natur selbst drängt ihn auf.

»Ich glaube, es ist hohe Zeit, uns nach Roche Martins Pflanzung umzusehen«, meinte Lassalle und deutete auf die drohenden Wolkenmassen, die der Sonne immer näher kamen, und auf den Wipfel einer Immergrüneiche, in der sich das Säuseln stärker hören ließ.

Unsere Uhren zeigten fünf. Wir waren drei volle Stunden zum Teil scharf geritten. So weit das Auge reichte, keine Spur von einer menschlichen Wohnung. Wald, Prärie, Wasser, aber keine Hütte, kein Haus. In ferner Weite glänzte uns ein heller Wasserstreifen aus einem Waldstück entgegen, so bezaubernd, daß unsere Augen sich nicht davon losreißen konnten.

»Dort müssen Menschen wohnen!« riefen wir zugleich aus.

»Und wenn nicht, so will ich meine Hütte dort aufschlagen!« fügte ich hinzu.

Wir ritten rasch dem wunderschönen Fleckchen zu, von dem uns jedoch noch manche Meile trennte. Einige Male hielten wir auf den Rücken der Wellenhügel, die auf unserm Weg lagen, um uns zurechtzufinden. Als wir wieder einen Hügel hinanritten, entfuhr Lassalle ein Hurra.

Er zeigte auf eine leichte bläuliche Rauchwolke, die um die Baumwipfel herumwirbelte und dann vom Luftzug schichtartig gegen Süden abgetrieben wurde. Aber keine Wohnung war zu sehen. Der Rauch kräuselte aus einem Waldstück, aus dem zugleich ungemein malerisch, wie aus einem Füllhorn geschüttet, ein Flüßchen hervorquoll. Seine Ränder waren mit Mangroven eingefaßt, die gegen das Wäldchen hin mit Tränenweiden abwechselten, auf die wieder Grüneichen, Magnolien und Liquidambars folgten. Doch schienen diese gruppenweise zerstreut zu sein.

Wir beschlossen, auf alle Fälle in dieses köstliche Walddunkel einzureiten. Die Sonne war hinter den drohenden Wolkenmassen verschwunden. Das entfernte Rollen des Donners ließ uns nicht mehr am baldigen Ausbruch des Gewitters zweifeln.

Wir spornten unsere Tiere, die rasch auf das Flüßchen zutrabten. Sie witterten eine Menschenwohnung. Noch waren wir etwa tausend Schritte von der Stelle, wo nach unserer Berechnung die Feuerstelle sein mußte, der der Rauch entstieg.

»Hörst du nichts, Colonel?« fragte mich auf einmal Lassalle.

Ich hatte etwas gehört. Einer jener wunderbaren Töne, die in unseren Wald- und Wieseneinöden so seltsam das Ohr berühren, war auch zu mir gedrungen. Wir ritten näher. Die Töne ließen sich abermals hören. Sie klangen anfangs barsch, schrill, dann wie Sirenengelächter, wie Gesang. Ungemein seltsam klangen sie, wie Geisterstimmen, auf den Fittichen der Windsbraut uns entgegen getragen. Wir ritten in der Richtung der Töne fort.

Das Flüßchen, etwa fünfzig Fuß breit, schien tief zu sein, wie es hier die Flüsse oder — um in der Landessprache zu reden — die Bayous in der Regel sind. Es kam so reizend aus dem Versteck der Tränenweiden und Mangroven heraus, schien durch die Zweige hindurchzugleiten. Abermals ertönte das Sirenengelächter. Jetzt erkannten wir weibliche Stimmen, dazwischen Geklingel von Schellen und metallenen Gefäßen, wie wenn erzene Instrumente mit Heftigkeit geschlagen würden. Wir sahen uns befremdet an.

»Vorwärts!« ermunterten wir einander.

»Da ist ein Weg!« Lassalle wies auf einen breiten Fußpfad, der in das Waldesdunkel führte.

Bald nahm uns das Laubdach der Grüneichen und Liquidambars auf. Der Sirenengesang wurde immer vernehmbarer, je weiter wir vorkamen. Wir waren imstande, einzelne Worte zu verstehen. Der Weg brachte uns zu einer Gabelung, von der drei Wege ausliefen. Wir folgten dem breitesten.

Etwa hundert Schritte mochten wir geritten sein, als die Waldesdämmerung einer Helle wich. Einige zerstreute Immergrüneichen, mit Rasenbänken um ihre ungeheuren knorrigen Stämme, ein herrlicher Grasteppich und endlich ein freier Platz und — wir sahen uns betroffen an — eine Villa, die uns vom jenseitigen Ufer des Flüßchens, kaum zweihundert Schritt weit, in die Augen schimmerte, so lieblich, so reizend! Von der sanften Anhöhe, auf der sie sich schwanenartig hinbreitete, beherrschte sie das Flüßchen.

»Was sagst du, Colonel?« fragte Lassalle. »Diese Villa!«

»Wenn die Akadier so wohnen, dann haben sie mehr Geschmack als die Kreolen unseres Kirchspiels«, war meine Antwort.

»Adeligen, solltest du sagen!« lachte Lassalle. »Wahrhaftig, diese Adeligen ... aber!«

Verlegen sah er zu der Villa hinüber, und ich gleichfalls. Uns wurde so sonderbar zumute. Bei unserm Wunsch, ein Obdach gegen den Sturm zu finden, war die Erscheinung dieser Villa so seltsam. Sie lag etwa hundert Schritt vom Ufer auf dem etwa vierzig Fuß ansteigenden Uferkamm so wollüstig weich, als ob sie zum Sitz der Liebe hingebettet worden.

Wie alle Häuser in den Attacapas hatte sie bloß ein Stockwerk, aber statt des häßlichen breiten spanischen Daches hatte sie ein flaches mit einer Veranda, an der Catalpas auf der einen, Magnolien von der anderen Seite hinauf- und zusammenrankten. Die untere Veranda ruhte auf ausgerillten weißen Säulen, die wie von Marmor aussahen. Die Jalousien waren herabgelassen, die Piazzas mit einem eisernen Geländer umgeben. Von den Treppen herab gelangte man in ein Gärtchen, das von der Villa bis zum Fahrweg vorlief. Dieser führte im Halbzirkel darum herum wahrscheinlich zu den hinten gelegenen Wirtschaftsgebäuden. Das Ganze zeugte ebensosehr vom feinen Geschmack wie Reichtum des Besitzers.

»Wo sind wir?« fragte Lassalle, ungewiß, ob wir näher sollten oder nicht.

Wir wußten uns beide nicht die seltsamen Empfindungen zu erklären. Die Hütte eines Akadiers wäre uns lieber gewesen. Lassalle summte das Lied Favarts »L‘amour, l‘amour«. Endlich stiegen wir von unseren Pferden und zogen sie am Zügel hinter uns drein der Brücke zu. Sie bestand aus mehreren dicken Zypressenstämmen, die beide Ufer verbanden und wieder mit kürzeren Querbalken und Pfosten belegt waren, so daß Wagen recht gut darüber fahren konnten. Statt der Geländer waren Mangrovenzweige an beiden Seiten zu einem dichten Flechtwerk verbunden, um gegen ein Hinabfallen zu schützen.

Wir hatten noch keine drei Schritte auf der Brücke getan, als ein abermaliges Gelächter sich dicht unter uns aus dem Wasser hören ließ. Zugleich fuhren zwei Wasserstrahlen von links und rechts über unseren Köpfen zusammen. Wir schauten einander an.

Abermals lautes Gelächter, Geplätscher! Zwei, vier, sechs weiße Arme streckten sich nicht weit von uns aus dem Wasser heraus, über unsere Köpfe schnellten abermals zwei Strahlen des flüssigen Elements, und zwar in einer Fülle, die einer Traufe glich. Aus dem Wasserspiegel tauchte ein Najadenkopf auf, ein Nacken folgte, ein Busen, wie aus karrarischem Marmor gemeißelt, von einem schneeweißen Batisthemdchen bedeckt. Dann ein zweiter, dritter Kopf, Nacken, Busen, drei Mädchengestalten erhoben sich im Wasser, schienen zu stehen. Sie riefen einer vierten schwarzen, zugleich erschallte das Knacken von Kastagnetten unter der Brücke, begleitet vom Gesang zweier weiblicher Stimmen. Die vier Mädchen reichten sich die eine Hand, und während sie mit der anderen ruderten, traten sie zugleich mit den Füßen das Wasser und führten zu unserem Staunen eine Quadrille durch, wie wir sie schöner, und buchstäblich gesagt, schwimmender nie gesehen hatten.

»Mein Gott, wo sind wir?« fragte Lassalle mich beklommen.

Ein starkes Rollen des Donners unterbrach Gesang und Tanz. Eine der Veranda-Blenden öffnete sich, und ein weiblicher Kopf schaute heraus.

»Aspi, Leontine, Zoe! Genug des Badens! Die Bö! Hört ihr sie?«

»Ben, Maman!« lachten die drei Mädchen.

Wir standen hinter dem Mangrovengeländer, ungesehen von den Mädchen. Aber die Dame hatte uns entdeckt, sie rief uns fröhlich zu.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
460 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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