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Kitabı oku: «Tokeah», sayfa 10

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Zehntes Kapitel

Es war etwas in dem Benehmen des jungen Mannes während der letzten Auftritte gewesen, das rasch, vorschnell, ja herzlos genannt werden dürfte. Selbst beim reinsten Pflichtgefühl mochte es immerhin nicht vonnöten gewesen sein, die Eigenliebe der edlen Naturkinder so plötzlich, so tief zu verletzen. Der in seinem Gesichte ausgesprochene und dem Briten so eigentümliche Zug von schneidendem Hohne war im hohen Grade unedel, selbst wenn wir die ungestüme Zudringlichkeit der Indianerin zu seiner Entschuldigung gelten lassen wollen. Nichtsdestoweniger dürfte es schwer sein, den Jüngling leichthin zu verdammen oder rücksichtsloser Roheit zu beschuldigen. Es liegt nun einmal im britischen Charakter jener abstoßende starre Zug, der sich so gern isoliert, und scharf in sich selbst einzwängt, jener schroffe, unbeugsame, aristokratische Sinn, der sich selbst, und nur sich selbst im Auge hat. Wir würden ihn verdammen, diesen selbstsüchtigen Kaufmanns- und Aristokraten-Zwittersinn, der im ersten Augenblicke gewissermaßen aus dem Gesichte des Angeschauten herausmißt, ob er wohl näherer Berührung würdig sei, wenn er nicht eine so achtbare Grundlage und so große Dinge bewirkt hätte. Es liegt dieser Gefühllosigkeit eine Verstandesreife zum Grunde, die nur durch vielfältig überstandene Kämpfe und Gefahren, durch lange Anschauung, durch vielfältig angestellte Vergleiche zwischen Wirklichkeit und Täuschung, durch kräftig bewirktes Gelingen und erkämpften Genuß von positiven Rechten und Freiheiten erwuchs; ein Gefühl, das zur Selbstachtung geworden, ein bereits höherer, edlerer Nationalstolz, der sich nicht töricht sklavischer Weise auf gewonnene Schlachten und den Ruhm eines sogenannten Kriegshelden, sondern auf positives, selbst erworbenes Recht gründet, der bereits in die Klassen des Volkes gedrungen, und, ungeachtet des aristokratisch-kastischen Beigeschmacks, der sicherste Bürge fortschreitender Freiheit ist. Dieser positive Sinn ist es, dieses Festhalten der Stufe der gesellschaftlichen Leiter, sie mag nun hoch oder niedrig sein, welcher allein wahre Volksfreiheit möglich macht.

Der unangenehme Auftritt hatte übrigens die Verhältnisse, die sich seit den letzten Tagen zwischen den dreien angesponnen hatten, plötzlich zerrissen. Zwar fand er noch immer sein Mahl jeden Morgen hinter der Büffelhaut in seinem Stübchen; aber von der bereitwilligen Hand, die es hingesetzt, war keine Spur mehr zu sehen gewesen. Obgleich er diese Kälte selbst herbeigeführt, so hatte er doch nichts weniger als Ruhe gewonnen; im Gegenteil, er war nun rastlos und unstet, seine Hütte, das Dörfchen waren ihm zu enge geworden. Er war in dem Walde, in den Palmettofeldern umhergerannt, aber mit jedem Schritte, mit jeder Stunde war seine Miene düsterer, seine Unruhe größer geworden.

Es war in der letzten Nacht der zweiten Woche, die er bereits hier verlebt hatte. Seine trübe Phantasie hatte ihn aufgejagt von seinem Lager und in den Wald getrieben, wo er umhergeschweift war, bis die naßkalte Nachtluft und das gedehnte, gellende Gelächter der Eulen ihn zurückjagte. Eben kam er auf seine Hütte zugerannt, als eine weiße Gestalt hinter der Ecke hervortrat und hastig auf ihn zuschritt. Es war Rosa.

»Mein Bruder!« sprach sie, und ihre Stimme zitterte, »Canondah ist mit unsern Schwestern gegangen, den Wasservögeln Schlingen zu legen. Rosa ist zu ihrem Bruder geeilt.«

»Meine teuerste Schwester, dieser Besuch«, erwiderte der Jüngling stockend.

»Rosa weiß es von der Hütte des weißen Zwischenhändlers, daß sie ihren Bruder zur Nachtzeit nicht sehen sollte, aber sie liebt ihn sehr und muß ihm etwas sagen.«

»Doch, meine teure Rosa«, stockte er in immer steigender Verlegenheit.

»Die Nachtluft ist kalt«, sprach sie. »Komm und laß uns in die Hütte treten, die Winde sind verräterische Boten unsrer Worte.« Sie schlüpfte durch die Büffelhaut, schloß diese sorgfältig an den Türbalken, zog dann ein Gefäß mit Kohlen aus einem Körbchen und zündete eine Kienfackel an, die sie zwischen die Balken steckte; dann trat sie zur Türe und winkte ihm, sich auf seinem Ruhebette niederzulassen.

»Mein Bruder ist seiner Schwester böse,« sprach sie, »Canondah hat ihm Kummer gemacht.«

»Nein, meine Teure; ich bin dir nicht böse. Wäre es möglich, das mir angebotene Glück sollte —« er stockte. Sie ließ ihn nicht ausreden.

»Canondah«, sprach sie mit sanfter Stimme, »ist gut, sehr gut, sie ist die Mutter der roten Töchter, aber sie hat nicht in den Busen der weißen Rosa gesehen, sie hat auch ihren Bruder nicht verstanden.«

»Ja, wohl nicht«, versetzte er.

»Sie hat die Wangen Rosas mit Schamröte überzogen, mein Bruder! Deine Schwester!« fuhr sie mit erhöhter, etwas festerer Stimme fort, »liebt dich sehr, aber sie liebt dich nicht, wie Canondah es meint, sie liebt dich wie einen weißen Bruder.« Das Auge des jungen Mannes zuckte ein wenig; er sah sie gespannt an.

»Mein Bruder,« fuhr sie in wehmutsvollem Tone fort, »Rosa würde die Hälfte ihrer Tage gerne dahin geben, wenn sie eine weiße Schwester, einen weißen Bruder hätte. Sie wollte gerne seine Magd sein und seine Jagdtasche füllen und sein Jagdhemde nähen und seine Kornfelder besäen, obwohl die Squaws ihrer zarten Hände spotten. Mein Bruder! Rosa hat keine Schwester, der sie ihren Busen öffnen könnte. Rosa muß mit sich selbst reden oder den Vögeln des Himmels ihre Freude und ihren Schmerz mitteilen.« »Und du bist dann auch, unglückliches Mädchen, eine Gefangene?« fragte er mit bebender Stimme.

»Nein, mein Bruder,« erwiderte sie, »Rosa ist keine Gefangene. Die Squaws lieben sie. Canondah ist ihr eine Mutter. Aber, mein Bruder,« und sie brach in einen Tränenstrom aus, »sie sind rot und Rosas Farbe ist weiß. In ihrem Herzen spricht es anders als in dem meinigen. Sie verstehen die arme Rosa nicht, die verlassen, einsam steht.«

Der Blick, die Worte, die klopfende Brust, das trostlose Wesen des Mädchens, das nun so sichtlich ihm, dem weißen Bruder, ihren Jammer zu eröffnen sich gedrungen fühlte, hatten ihm durch die Seele gebohrt. Er starrte sie eine Weile mit bekümmerten Blicken an und sprang dann auf sie zu.

»Unglückliches, verlassenes Mädchen, du arme Rosa in der Wildnis!«

»Mein Bruder«, sprach sie mit tränenschweren Augen, »ist also der armen Rosa nicht böse?«

»Böse, teures Mädchen! Wer könnte einem solchen Engel böse sein? Gebiete, befehle, mein Leben steht dir zu Diensten. Komm, fliehe mit mir.«

»Fliehen«, sprach sie, das Köpfchen schüttelnd, »und Canondah verlassen, die ihr eine Mutter war? Es würde ihr das Herz brechen. Nein, Rosa darf nicht, kann nicht fliehen. Es hat ja der alte Miko für sie gejagt, sie ist sein Eigentum. Aber kann mein Bruder nicht bleiben? Muß er von hinnen?«

»Ich muß, oder ich bin verloren«, sprach er mit dumpfer Stimme. Sie blickte mit tränendem Auge zum Himmel, – »Rosa«, flüsterte sie, »weiß es – ja, sie weiß es«, sprach sie zu sich selbst. »Und sie ist nun hierhergeeilt zu ihrem Bruder, es hätte ihr sonst das Herz zerrissen. Sie hat es nicht mehr aushalten können. Sie mußte zu ihm, damit er nicht glaube, daß sie es ist, die ihn gefangen hält. Sie hat«, flüsterte sie leise, »gebeten, sie hat geweint, sie hat sich auf die Knie vor Canondah geworfen; Canondah will nicht. O sie ist gut, sehr gut, sie ist der Trost Rosas; aber sie fürchtet sich vor dem Miko und den Ihrigen.« Das Mädchen schauerte sichtlich zusammen, als sie diese Worte sprach. »Der Miko«, fuhr sie geheimnisvoll fort, »hat geschworen, jeden Yankee zu töten, der ihm in seinem Wigwam nachspäht.«

»Aber ich bin kein Yankee«, erwiderte der Jüngling mit einiger Heftigkeit.

Sie schüttelte das Köpfchen. »Rosa würde dir gern glauben; aber sie kennt dich weniger als Canondah, und meine Schwester ist klug und hat nie eine Lüge gesagt. Rosa muß auch ihr glauben.«

»Unseliger Irrtum!« rief er.

»Nicht alle Yankees sind Späher,« versetzte sie, »und du sollst nicht für das Böse büßen, das deine Brüder dem Miko getan.«

»Ich bin aber kein Yankee,« versetzte er unwillig, »so wahr ich lebe. Glaube mir doch, teure Schwester.«

»Warum will mein Bruder denn nicht den Miko erwarten?«

»Weil dieser mich gewiß dem Seeräuber aufopfern würde. Doch an meinem Leben liegt wenig; aber mein Eid gebietet, meine Ehre fordert, daß ich so bald als möglich von euch scheide.«

Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Mein Bruder«, sprach sie, »muß sich selbst und sein Volk kennen. Wenn er die arme Rosa täuscht – so hat er ihrem Weh vielleicht früher ein Ende gemacht«, setzte sie leiser hinzu. »Lebe wohl!« Sie verlöschte die Fackel und verschwand zwischen der Öffnung. Das Mädchen war wie ein Traumbild gekommen und wieder verschwunden. Die ganze Nacht stand das edle Gesicht vor seiner Phantasie und noch den Morgen konnte er es nicht aus dem Sinne bringen. Was hatte ihr geheimnisvoller Besuch zu bedeuten?

Es war ein schwacher Hoffnungsstrahl; aber was vermochte sie, die selbst Gefangene war und mit dem Mißtrauen der Indianer so gut wie er zu kämpfen hatte? Von diesem Mißtrauen hatte er während der letzten vier Tage nur zu deutliche Beweise erhalten. Die Squaws waren beinahe jedem seiner Schritte gefolgt, und sie und die jungen Wilden hatten es an Ausbrüchen ihres gehässigen, feindseligen Wesens nicht fehlen lassen. Von mehreren Seiten her war ihm das drohende Wort Yankee zugerufen worden. Die Kanus waren von ihrem Ankerplatze verschwunden, und auf seinen Irrfahrten im Walde hatte ihn die junge Brut nie aus den Augen gelassen, und ein gellendes höhnendes Gelächter erschallte jedesmal, sobald er unverrichteter Sache aus dem Dickicht herauskam, in das er kaum fünfzig Schritte einzudringen vermocht hatte. Die letzten Worte der Indianerin waren ihm nun deutlich geworden. Er hatte wirklich während der letzten vier Tage Versuche gemacht, aus dem Walde zu entkommen. Nun war ihm die Gewißheit, daß er Gefangener sei.

Eine andere schlaflose Nacht war hereingebrochen. Er lag auf seinem Lager mit Unruhe und schweren Träumen kämpfend, als abermals Rosa in sein Stübchen trat, eine Kienfackel, in deren Spalte eine Kohle steckte, in der Hand. Sie blies sie rasch zur lodernden Flamme an und trat schnell zu ihm.

»Erwache, erwache, mein Bruder!« rief sie freudig und froh, und eine fieberische Röte leuchtete auf ihren Wangen. »Erwache, Canondah wird sogleich hier sein.«

»Was ist›s, teures Mädchen?« rief er, von seinem Lager aufspringend.

»Canondah wird es dir sagen«, rief sie, und die Tränen drangen ihr in die Augen.

Ihre Stimme, ihr ganzes Wesen zeugte von einer Aufregung, einer Leidenschaftlichkeit, die etwas Wahnsinnartiges hatte.

»Um Gottes willen, Rosa, was ist›s, das dich so außer Fassung gebracht hat?«

»Canondah,« sprach das Mädchen, »o, mein Bruder darf nun nicht mehr fürchten, er wird —«

»Höre, mein Bruder!« sprach die Indianerin, die rasch zur Türe hereingetreten war, ihre starren, leblosen Augen auf ihn richtend. »Höre,« sprach sie mit zagend stockender Stimme und einer Feierlichkeit, die ihr etwas Schreckhaftes gab, »Canondah will tun für ihren Bruder, was das Auge ihres Vaters und ihres Volkes trüben wird; denn sie liebt die weiße Rose sehr, und sie kann ihre Tränen nicht länger mehr anschauen. Sie will ihrem Bruder den Pfad zeigen, der über den Sumpf führt und will ihn über den Fluß rudern. Will mein Bruder bei dem großen Geiste, den sein und ihr Volk anruft, versprechen, daß er nie seinem Volke, unsern weißen Feinden, den Yankees, verraten will, wo er gewesen und was seine Augen gesehen? Will er versprechen, daß er ihnen nicht den Pfad zeigen will, der zu den Wigwams der roten Männer führt?«

»Gewiß!« rief der Brite, »ich verspreche es auf das heiligste.«

»Dann nimm diese Kleider«, sprach sie, ihm einen indianischen Anzug reichend. »Diese«, auf die seinigen deutend, »würden bald von Dornen zerrissen sein. Der Fußtritt, den die Mokassins einprägen, ist sehr sanft, und in wenig Sonnen, wenn unser Volk zurückkehrt, werden sie es nicht mehr sehen. Hier ist rote Farbe,« fuhr sie fort, »unsere Männer werden dir nachsetzen, und vielleicht mag es sie auf eine falsche Spur leiten. Sei schnell.« Der junge Mann stand noch immer seiner selbst unbewußt.

»Ums Himmels willen sei schnell«, flüsterte ihm Rosa in der Türe zu. »Die Wasservögel fangen an zu schreien, es ist hohe Zeit.«

Beide Mädchen traten vor die Türe. Er schlüpfte mechanisch in das Hirschfellwams, warf das Jagdhemde über sich und war eben mit dem Gürtelhemde beschäftigt, als die Indianerin eintrat. Sie half ihm, band die Mokassins an seine Füße und schlang den Wampumgürtel um seinen Leib.

»Hier ist eine Wolldecke«, sprach sie, eine solche über ihn werfend. »Hier eine Jagdtasche mit Pulver und Blei, hier eine andere mit Kuchen und Wildbret, und dieses Gewehr wird Wasservögel töten und mit diesen«, ihm Stein, Stahl und Schwamm reichend, »wird mein Bruder Feuer machen, um die Vögel zu rösten.« Sie hing jedes Stück um ihn mit einer Sorgfalt, die sonderbar mit ihrem beinahe leblosen Erstarren abstach.

»Mein Bruder,« sprach Rosa, deren Wesen sich nun plötzlich in Würde und feierlichen Ernst verwandelt hatte, »lebe wohl, und wenn du einst eine glücklichere Schwester siehst, dann sage ihr von Rosen, und sie wird eine Träne ihrer Schwester weinen.«

Der Jüngling stand noch immer seiner selbst unbewußt. Plötzlich rannte er zur Türe und umschlang das schöne Mädchen. Sie wand sich aus seinen Armen und sank hilflos ohnmächtig auf die Erde nieder. Die Indianerin sprang hinzu, hob sie vom Boden und, sie zum Lager tragend, drückte sie einen Kuß auf ihre Wangen; dann faßte sie den Jüngling bei der Hand und eilte mit ihm aus der Hütte. Sie glitt durch die Laube, stahl sich durch Hecken und Gebüsche und eilte an den Hütten vorbei, so schnell, so leise, daß ihm der Atem und das Sehen verging. Gleich einer dunstigen Nachtgestalt schwebte sie vor ihm im dunkeln Sternenglanze und durch den düstern Nebel ohne Ruhe, ohne Rast, bis sie den dunkeln Wald betreten hatte. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihrer Brust. Sie sprach jedoch kein Wort und eilte schnell ins Innere. Es war finstre Nacht im tiefen Walde. Kein Laut war zu hören, kein Lichtstrahl zu sehen. Immer tiefer in den Wald rannte sie. Nun ertönte ein lautes Getöse, wie das entfernte Gemurmel eines herannahenden drohenden Haufens.

»Wir sind entdeckt,« rief der Jüngling, »die Eurigen sind uns auf der Spur.«

»Nein,« sprach die Indianerin im tiefen Tone, »es sind die Bullfrösche.« Das Gebrüll wurde schauerlicher und schauerlicher. Sie näherte sich dem Sumpfe, der unter ihren Füßen zu beben schien im fürchterlichen Gebrülle dieser Tiere, zwischen welchem dann und wann das dumpfe Stöhnen eines noch nicht ganz erstarrten Alligators sich hören ließ.

»Nun halte dich dicht an mich«, sprach die Indianerin, nachdem sie beinahe eine Stunde gerannt waren.

Ihre Schritte wurden nun äußerst behutsam. Sie streckte einen Fuß vorwärts, zog ihn wieder zurück, trippelte eine Strecke weiter und versuchte den Grund auf dieselbe Weise. Wieder kam sie zurück und kauerte sich dann auf die Erde nieder, von der sie Haufen von Gras und Lehm weghob.

»Wir sind auf den Stämmen, die die Unsrigen über den Sumpf gelegt haben. Halte dich nun am Zipfel meines Kleides.« Er faßte den Zipfel und beide schritten weiter.

»Fasse mich mehr«, rief die Indianerin, »und habe acht, ein falscher Schritt begräbt dich für immer im Schlamme.«

Sie waren endlich über den Sumpf.

»Wirf deine Wolldecke über den Kopf«, sprach sie, als sie am jenseitigen Rande des Sumpfes angekommen waren. »Der Wald auf dieser Seite ist voll von Dornen. Tritt in meine Fußstapfen; der Schlangen sind hier viele, und ihr Stachel ist tödlich. Bücke dein Haupt, oder die Dornen werden dir dein Gehirn aufreißen.«

»Was ist das?« schrie der Jüngling, der fortschreitend plötzlich fühlte, daß ihm seine Wolldecke vom Leibe gerissen wurde.

Seine Führerin trat zurück. »Es ist der große Dorn; mein Bruder muß sein Haupt neigen und seine Jagdtasche über Brust und Kopf halten, sonst werden ihn die Dornen durchbohren.«

Sie löste seine Decke vom Dorne und schritt weiter. Sie waren nun am Ufer des Sabine angelangt. Ohne einen Augenblick zu verlieren, sprang die Indianerin auf eine hohle Eiche zu.

»Mein Bruder«, sprach sie, »muß mir helfen das Kanu ins Wasser schieben.«

Beide nahmen das leichte Schiffchen und trugen es ohne Mühe ans Ufer hinab. Ein Stoß brachte es auf das Wasser. Sie nahm nun die Ruder und bat den Briten, still zu sitzen. Der Ruderschlag störte Hunderte von Schwänen, wilden Gänsen, Kranichen und Enten auf, die der ungewohnte Lärm in alle Richtungen über ihre Köpfe hinschwirren machte. Das Kanu glitt jedoch durch die Fluten, leicht wie eine Feder, dem Floßtiere nicht unähnlich. In wenigen Minuten hatten sie das östliche Ufer erreicht. Als sie ans Land gestiegen, nahm die Indianerin die Hand des Briten.

»Mein Bruder muß nun seine Ohren öffnen, er darf kein Wort seiner Schwester auf den Boden fallen lassen. Sieh, die Wiesen auf dieser Seite des Wassers sind leer, und der Bäume sind nur wenige. Mein Bruder muß zuerst dem Ufer dieses Flusses entlang aufwärts gehen, bis die Sonne sich neigt, und bis die Nacht vorüber ist, dann mag er sein Antlitz der aufgehenden Sonne zuwenden und dem Winde, der rauh und kalt ihm ins Gesicht bläst. Weiß mein Bruder, von welcher Himmelsgegend der Wind heult? Die Bäume werden es ihm sagen; sie sind rauh auf der Seite, wo sie angeblasen werden. Der Sümpfe sind nicht viele. Wenn mein Bruder aber zu einem kommt, muß er wissen, die zu täuschen, die vielleicht ihm folgen werden.« Sie hielt inne, als ob sie eine Antwort erwartete. Der junge Mann schien jedoch in Gedanken verloren.

»Meines Bruders Pfad«, sprach sie, »muß gekrümmt sein.« Wieder hielt sie inne, und dann sprach sie mit einer Stimme, deren sanft melodischer Ton das Innerste durchbebte. »Mein Bruder ist nun frei, und sein Pfad liegt offen vor ihm. Wenn er in die Wigwams seines Volkes kommt, dann mag er den weißen Mädchen zulispeln, daß die Töchter der roten Männer nicht weniger großmütig sind, als die der weißen. Möge mein Bruder nie vergessen, was die weiße Rose und ein rotes Mädchen getan haben, um seinen Pfad zu öffnen. Es wird vielleicht den Tomahawk ihres Vaters in ihrem Gehirne begraben«, flüsterte sie mit hohler, beinahe geisterartiger Stimme.

»Canondah!« rief der Jüngling in starrem Entsetzen. »Um Gottes willen, Canondah! was ist dies? Was meinst du damit? Droht meine Flucht dir mit Gefahr? Nein, nimmer soll es das – ich will zurück. Ich will den Miko erwarten und den Seeräuber.«

Aber das Mädchen hatte seine Hand fahren lassen und war das Ufer hinabgeflohen. Er rannte ihr nach, aber sie war bereits im Kanu, das leicht und schnell über den Wasserspiegel hinflog. Ein dumpfes Lebewohl tönte noch herüber durch den Nebelschleier, und dann waren nur noch einzelne Ruderschläge zu hören. Er rief sie bei ihrem Namen; sie gab keine Antwort. Er beschwor sie, ihn mitzunehmen; aber auch der letzte Wellenschlag war nun verklungen. Nichts als die gellenden Töne der Wasservögel waren noch zu hören.

Elftes Kapitel

Jener abenteuerliche Geist, der die anglo-normännische Nation vor allen übrigen Völkern so sehr auszeichnet und sie seit Jahrhunderten in die entferntesten Zonen getrieben, rastlos und nimmer ruhend, trotzig und geschmeidig, habsüchtig und großmütig, die ganze Erde mit ihrem kaufmännisch erobernden Netze überspannend; dieser abenteuerlich kühne und verschlagene Geist hat sich in mehr als vollem Maße auf die Abkömmlinge dieser Nation vererbt, die die ausgedehnten Strecken zwischen dem Mississippi und dem atlantischen Meere bewohnen. Beinahe scheint es, als ob die Vorsehung den sinnvollen Yankee zugleich dazu bestimmt hätte, den Samen der Freiheit gleich Zugvögeln über die ganze Erde zu verbreiten und so die Habsucht zu veredeln, die seinem waghalsigen Spiele zum Grunde liegt.

Es ist leicht zu erachten, daß ein so rastloser Unternehmungsgeist eine so herrliche Gelegenheit, als ihm die Erwerbung von Louisiana so ganz in der Nähe darbot, nicht unbenutzt lassen werde. Und wirklich war die Umwälzung, die dieser Erwerb im Innern der Staaten zur Folge hatte, von einer zweiten Revolution wenig oder nicht verschieden, und die Züge der tausend Abenteurer, die zu Fuß und zu Pferd, zu Wagen und in Fahrzeugen aller Art, auf allen Pfaden und Strömen dem neuen Kanaan zueilten, kamen mit der Auswanderung der Israeliten auch darin überein, daß beide ihren zeitlichen Vorteil hinter höhern Tendenzen geschickt zu verbergen wußten.

Es waren nun bereits mehr als zehn Jahre verflossen, seitdem dieser ungeheure Landstrich mit den Staaten vereinigt worden war. Dieser Zeitraum ungestörten und vollen Besitzes, sollte man gedacht haben, würde allmählich den Wanderungen ein Ziel gesetzt, und die genauere Kenntnis des Landes jene sanguinischen Erwartungen enttäuscht haben, denen sich Tausende überlassen hatten, ihre liegende Habe aufgebend und mit ihrer fahrenden dem neuen Lande zueilend.

Allein so tief ist das unruhige Wanderleben ins Wesen der Yankee verwoben, daß die tausend gescheiterten Versuche nur dazu dienten, es desto mehr anzufachen. Der nach der Vereinigung plötzlich, gleich einem reißenden Strome dem Mississippi zugeeilte Schwarm von Müßiggängern und mittellosen Abenteurern war nun zwar verstoben; aber die Nachzügler hörten deshalb nicht auf, nur mit dem Unterschiede, daß sie, durch Erfahrung gewitzigt, das in der Tiefe des Bodens suchten, was jene auf der Oberfläche zu finden glaubten, und, weniger sanguinisch, sich mit der nördlichen Hälfte des Staates begnügten, während jene den Süden gewählt und da großenteils den Fiebertod gefunden. Es war ein kräftiger Schlag, der nun nachgefolgt war, um das in Besitz zu nehmen, was, nach ihrer Meinung, mit ihrem Gelde gekauft worden war. Hunderte, ja Tausende wanderten jährlich aus dem fernen Osten in langen Zügen von Männern, Weibern, Kindern und Sklaven, um sich einen kräftigern Boden und eine offenere Handelsstraße zu suchen; die Wälder ertönten von den Schlägen der Äxte und der Donnerstimme des Hinterwäldlers, und Städtchen und Pflanzungen entsproßten dem üppigen Boden, so schnell und so zahlreich, als wenn sie wie die Pilze über Nacht aus demselben geschossen wären. In die wildesten und entferntesten Gegenden, die noch nie ein menschlicher Fußtritt, den des indianischen Jägers ausgenommen, betreten, und Hunderte von Meilen von jeder Wohnung entfernt, waren sie gedrungen, ihre Familien und Habe auf bedeckten Booten nachschleppend, die sie mit unsäglicher Mühe die Ströme hinaufzogen, welche sich auf der westlichen Seite in den Mississippi ergießen. So war bereits zu dieser Zeit der Grund zu vielen gegenwärtig bedeutenden Städten Louisianas gelegt, und wenn man den Scharfblick bewundert, mit denen diese großenteils schlichten Landbewohner die Lagen ihrer Städte gewählt hatten, so kann man dem wahrhaft ungeheuern Unternehmungsgeist und der Standhaftigkeit, die sich jahrelang in eine Wildnis verbannen konnte, um sich durch eigene Kraft eine bessere Existenz zu gründen, nicht zu viele Gerechtigkeit widerfahren lassen.

Wir haben den Miko mit seinen Kriegern und Männern am Ufer des Natchez in dem Augenblicke verlassen, wo sie in ihre Kanus eingestiegen waren. In diesen waren sie eine geraume Strecke den Fluß aufwärts gefahren. Da wo der Natchez, sich gegen Westen wendend, beinahe einen Winkel bildet, hatten sie ihre Fahrzeuge verlassen und sich, nachdem sie nochmals eine ernste Beratschlagung gehalten, in drei Haufen abgeteilt und in verschiedenen Richtungen getrennt. Die Beratschlagung war durch eine ernstliche Einschärfung des Miko an seine jungen Männer beschlossen worden, die darauf hinausging, sie strenge vor jeder Jagdgebietsverletzung zu warnen. Diese Warnung war um so weniger überflüssig, als der wilde Sinn der Jüngeren häufig eine Art Ehre darin fand, jene fingierten Grenzlinien zu überschreiten, welche die verschiedenen Stämme sich zu ihren Jagdrevieren festgesetzt hatten, und die so jene immerwährenden Kriege veranlaßten, die beinahe stets wegen solcher Jagdgebietsverletzungen ausgebrochen waren. Im gegenwärtigen Falle war Vorsicht um so nötiger, als das Völkchen, erst vor wenigen Jahren angekommen, auf eigenes Jagdrevier weder durch innere Stärke, noch verjährten Besitz Anspruch machen konnte und auf jeder Seite an mächtige Nachbarn stieß. Die büffelreichen Hochebenen von Texas, Sonora und Santa Fé waren nämlich von den Cumanchees seit undenklichen Zeiten angesprochen; in den zwischen den Ozarkgebirgen und dem Arkansas gelegenen großen Landstrich teilten sich die Osagen und die Pawneese des Toyaskstammes; die jenseits des Sabine gelegenen Hochebenen waren von den schwächern Stämmen der Sabiner und Coshattaes besessen, die zwar keinen kräftigen Einspruch wagen durften, die aber, eben weil sie hilflos ganz von der Jagd abhingen, geschont werden mußten. So blieb unsern Indianern bloß der lange und sich allmählich erweiternde Gürtel zwischen dem Sabine und Natchez und dem Ouachitta und Redriver übrig und ein schmälerer, der von dem letztern Flusse ins Innere Louisianas führt: ein Landstrich, der, obwohl er ganz füglich die Bevölkerung eines der kleinern europäischen Königreiche hatte fassen können, den Indianern selbst sehr beschränkt vorkommen mochte.

Der Häuptling hatte mit etwa zwanzig der bewährtesten Krieger den schmalen Strich gewählt, der sich zwischen dem Arkansas und Redriver herabzieht. Bereits waren zwei Wochen seit der Trennung verstrichen, während welcher er auf seinem Zuge die Wälder und Ebenen durchzogen, die sich oberhalb dem Natchitoches gegen den letzterwähnten Fluß herabsenken. Er saß nun soeben im Kreise der Seinigen am Abhange eines Felsens, nahe bei einer Salzquelle, an der er den Morgen auf dem Anstand gelauert und allem Anschein nach eine treffliche Beute erjagt hatte. Fünf alte Krieger lagen neben ihm vor einem Feuer, über dem ein Kessel hing, der ihr Mahl enthielt. Um ein zweites waren Pfähle in die Erde getrieben, über denen Querhölzer sich kreuzten, auf denen Hirschkeulen und Vorderschenkel zum Trocknen hingen. Fünf bis sechs jüngere Wilde waren mit dem Ausweiden der Tiere beschäftigt, denen sie die Haut abzogen, die Vorderschenkel und Keulen abschnitten, welche sie nacheinander an die Hölzer hingen. Zahllose Raubvögel, vom Geruche angezogen, schossen jeden Augenblick aus der Höhe herab, so wie einer der übrigen Teile von ihnen auf die Seite geworfen wurde.

Das gewöhnliche tiefe Stillschweigen war auch hier bemerklich: nur zuweilen waren einige kurze Sätze zu hören. Der Miko, in tiefes Nachdenken versunken, schien an dieser Unterhaltung, die zeitweilig zwischen seinen Männern stattfand, keinen Anteil zu nehmen oder höchstens den eines uninteressierten Zuhörers. Diese Unterhaltung bestand in abgerissenen Ausrufungen oder kurzen Sentenzen, die ebenso schnell ausgestoßen, als wegen Mangels an Ideenverbindung wieder abgebrochen wurden.

»Wineachi«, sprach der dem Miko zunächstliegende Wilde, »ist schon lange auf dem Späherpfade.«

»Sein Auge ist das der Nachteule geworden«; erwiderte der Nächstliegende nach einer Weile.

»Die Elente haben sich nach den obern Salzquellen gezogen«; sprach ein dritter. Wieder eine lange Pause.

»Mi-li-mach muß an der untern Quelle die Hirsche getroffen haben«; sprach ein vierter.

»Hugh, Yankee!« ertönte es von den Lippen der Jüngern, die soeben eines der getöteten Tiere anfaßten, um es auszuweiden. Sämtliche Indianer wandten sich gegen die zwei Wilden, deren Augen durch die Geweihe eines Hirsches dringen zu wollen schienen. Der alte Mann erwachte plötzlich; er richtete seinen kühn durchdringenden Blick auf die jungen Männer, die, so wie sie das bemerkten, ihm das Tier zuschleppten und es vor ihn hinlegten. Sorgfältig untersuchte er den Kopf des Tieres. Es war allem Anschein nach keine Spur einer Verletzung vorhanden; aber dicht am Stocke des einen Geweihes war eine leichte Reibung zu sehen, die von einer Kugel herrühren konnte. »Die Yankees«, sprach er, »haben hier gejagt; sie sind keine halbe Sonne von dem Orte, wo die Männer der Oconees ruhen.«

Ein zweites »Hugh!« ertönte von aller Munde.

»Meine jungen Männer müssen warten, bis Mi-li-mach kommt«, sprach er, auf das Tier deutend, und legte sich wieder, ohne ein Wort weiter zu sagen, in seine vorige Stellung. Auf einmal ballte er seine Faust, und seinen Daumen vor die Lippen haltend, stieß er einen langen durchdringenden Pfiff aus.

Wieder erfolgte eine lange Pause.

»Das ist die Kugel eines Yankee«; nahm der erste Wilde wieder das Wort.

»Das Auge war gut, aber das Feuergewehr war kurz«; sprach der zweite. Eine geraume Zeit war wieder verflossen, ohne daß eine Bemerkung weiter gehört worden war. Durch das Gebüsch kam trottend ein Wilder auf die Gruppe zu und lagerte sich, ohne ein Wort zu sprechen, neben seinen Gefährten.

»Haben die Männer der Oconees an der untern Salzquelle Hirsche gefunden?« fragte nach einiger Zeit der Miko.

»Sie haben«; war die Antwort.

»Gut«; erwiderte der Miko.

»Will mein Sohn«, sprach er nach einer Pause, auf den getöteten Hirsch deutend, »dem Miko sagen, wo der Yankee ihn gefehlt.« Der Indianer sprang auf, kauerte sich vor dem Tiere nieder und betrachtete aufmerksam das leicht verletzte Geweih.

»Es ist nicht zwei Sonnen, daß die Kugel geschossen,« sprach der Miko, »die Läufe sind nicht geschwollen, und der Schweiß ist noch im Rücken.«

»Vielleicht die Kugeln der Krieger mit den langen Messern«; sprach der ihm Zunächstliegende.

»Kennt mein Bruder das Blei der Yankees so wenig?« sprach der Häuptling; »es ist die kleine Kugel eines Yankee, der in die Wälder gezogen. Mi-li-mach wird seine Spur finden.«

Der Indianer hieb nun mit seinem Messer die Gelenke des Tieres ab, und einen Vorder- und Hinterlauf in seine Tasche steckend, fragte er: »Welcher unsrer Brüder hat seinen Pfeil verloren?« Einer der Jüngern sprang herbei, und die beiden trabten nun tiefer in den Wald. Zwei Stunden mochten auf diese Weise verlaufen sein. Die Wilden hielten soeben ihr Mahl, als ein durchdringendes Pfeifen gehört wurde. Sie horchten hoch auf. Nicht lange, so wurde dieses Pfeifen wiederholt, doch in einer von der vorigen ganz verschiedenen Tonleiter. »Es ist Mi-li-mach,« sprach der Miko; »er hat die Spur vieler Weißen.«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
590 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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