Kitabı oku: «Der reitende Tod»

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Der reitende Tod

Abenteuerroman

Inhaltsverzeichnis

Der reitende Tod

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

Elftes Kapitel.

Zwölftes Kapitel.

Dreizehntes Kapitel.

Vierzehntes Kapitel.

Fünfzehntes Kapitel.

Sechzehntes Kapitel.

Siebenzehntes Kapitel.

Achtzehntes Kapitel.

Neunzehntes Kapitel.

Zwanzigstes Kapitel.

Einundzwanzigstes Kapitel.

Impressum

Erstes Kapitel.

Unruhig scharrten die Hufe der Pferde.

Lässig stand Alexandre d'Ordonez an sein Pferd gelehnt. Man merkte ihm nicht an, daß er ebenso ungeduldig war wie einige der Leute, die mehr oder weniger laut ihre Meinung darüber zum Ausdruck brachten.

Doch Alexandre wußte es besser als alle: die Ungeduld half nichts, man mußte warten. Sein Blick schweifte über das bunte Bild vor sich.

Wohl an die fünfzig Männer hielten dort. Einige standen in Gruppen und rauchten und diskutierten mehr oder weniger leise mit einander, andere hielten sich abseits und sahen stumm vor sich hin oder blinzelten in die Sonnenstrahlen; wieder andere hatten sich auf dem Boden ausgestreckt und nutzten den Aufenthalt zu einem schnellen Schlaf aus.

In achtungsvoller Entfernung standen die Männer des Dorfes, das sich hier armselig an den hohen, steil aufragenden Felsen schmiegte; doch sah man keine Frau unter ihnen, wie Alexandre höhnisch feststellte. Sein Blick streifte die Häuser. Häuser konnte man die armseligen Hütten eigentlich kaum nennen. – Hier war bestimmt auch mit dem besten Willen nichts zu holen!

Und doch hatte diese ärmliche, kleine Niederlassung einen Reiz für den Bandenführer: sie besaß eine winzig kleine Kirche, die, baufällig und halb verfallen, vielleicht der einzige Stolz dieser verhungerten Bauern war.

Das Land war schroff und gebirgig; kahle Felsen ragten hoch in den Himmel; nur wenige Felder lagen dazwischen, denen die Dörfler in zäher Arbeit das tägliche Brot abringen mochten.

Alexandre warf den Rest seiner Zigarette fort, um sich sofort eine neue anzustecken. Ungeduldig sah er nach der Uhr. Schon über eine halbe Stunde war verflossen, und Miguel de Silva kehrte immer noch nicht zurück.

Er stieß einen Seufzer aus; aber es nützte alles nichts, man mußte sich eben in Geduld fassen!

Alexandre wußte genau, wie es kommen würde: Nachdem Miguel in der Kirche seine Andacht beendet, würde er still und ›erleuchtet‹, wie es seine Leute nannten, heraustreten, um sich dann diesen Armen gegenüber als Wohltäter zu erweisen. Und das alles nur, um sein Gewissen zu erleichtern, vermutete Alexandre.

So ging es immer, wenn sie auf ihren Streifzügen ein solches Dorf trafen. Sie mochten es noch so eilig haben, eine Sache konnte ihnen dadurch aus der Nase gehen, und doch versäumte Miguel es nicht, vom Pferde zu steigen und in die Kirche zu gehen; und zwar allein. – Es war ausdrücklicher Befehl, daß ihm niemand folgen und ihn stören dürfte; und dieser Befehl war auch noch von niemandem übertreten worden. – Miguel de Silva wollte allein bleiben; also blieb er allein.

Diese Gewohnheit hatte Miguel in den Augen der ärmsten Bevölkerung des Landes in ihren Erzählungen zu einem frommen Manne gestempelt; und da er hinterher den Armen, in deren Kirche er gebetet, immer reichlich gab und half, so kannte man seinen Namen in ihren Hütten nicht als den eines Räubers und grausamen Bandenführers, sondern man pries ihn oft geradezu als gütigen Helfer.

Wenn auch Alexandre diesen Widerspruch in Miguels Art und Wesen nicht verstand, so äußerte er doch kein Wort darüber zu ihm; hatte die Sache doch auch schon ihre guten Seiten gezeitigt.

Mehr als einer von den Leuten der Bande, die bei einer Verfolgung abgetrieben waren, hatten dadurch ihr Leben retten können, daß sie ein Dorf erreichten, durch das Miguel einmal gekommen war und es geschont hatte. Diese Dankbaren boten ihnen dann Unterschlupf und Versteck.

Wie anders aber sah die Szene aus, wenn sie auf ihren Streifzügen auf ein reiches Dorf trafen!

Kein Stein blieb dann auf dem anderen. Es war, als ob Miguel sich in seinem Haß gegen die Reichen austoben müßte. Kein einziger Mann blieb am Leben; und für die Frauen, die Miguel allerdings seinen Leuten überließ, wäre es auch besser gewesen, sie wären mit ihren Männern gestorben.

Niemals beteiligte sich Miguel persönlich an solchen Orgien; stumm sah er ihnen nur von ferne zu; höchstens rief er hier und da seinen Leuten ein aufhetzendes Wort zu. Oft beobachtete ihn Alexandre heimlich und fragte sich, was wohl in solchen Augenblicken in Miguels Seele vorgehen mochte. Gespenstisch leuchteten Miguels Augen; ein harter, grausamer Zug lag um seinem Mund; seine starke Gestalt straffte sich, und es war, als wüchse er noch, der sie alle schon um Haupteslänge überragte.

Wie lange Miguel de Silva dieses Leben schon führte, wußte Alexandre nicht; er selbst war schon elf Jahre bei Miguels Bande.

Wieder steckte sich Alexandre eine Zigarette an der aufgerauchten an. Noch hatte sich die Situation in nichts geändert; alles geduldete sich in nervöser Erwartung.

*

In der Stille der engen, kleinen Kirche kniete unterdessen ein betender Mann vor dem Altar. Seine Augen sahen zu dem alten und schlecht gemalten Muttergottesbild auf, das das einzige Schmuckstück dieser ärmlichen Kirche außer einigen dicken Kerzen und alten Rosenkranzsträuchern war.

Tief war der Mann in seiner Andacht versunken, und so überhörte er auch den leichten Schritt, mit dem ein junges Weib in die Kirche trat. Beim Anblick des Andächtigen stockte ihr Fuß; ein spöttisches Lächeln huschte über ihr Gesicht, um dann einem sinnenden Ausdruck zu weichen.

Sie blieb beobachtend an einer der vier kleinen Säulen stehen, die das Innere der Kirche trugen. In der Hand hielt sie eine Blume, die sie spielend bald an den Mund, bald an die Wange hielt, während ihre Augen den knieenden Mann nicht losließen.

Sie war eine schöne Frau, Ende der Zwanzig. Ihre Kleidung bestand aus einer bunten Bluse und einem dunklen Rock. Jetzt zog sie aus ihrer Bluse einen kleinen, halb blinden Spiegel heraus, in dem sie sich aufmerksam betrachtete: dabei fuhr ihre Hand ordnend über ihr schwarzes, glänzendes Haar.

Mercedes liebte ihr Spiegelbild und hatte sich stets mit natürlicher, ehrgeiziger Eitelkeit betrachtet. Dieses Mal, als sie so in den Spiegel sah, war noch ein anderer Grund in ihrem Herzen; sie hatte das Verlangen, schön zu sein und wollte in den Augen dieses Mannes dort am Altar schön erscheinen, dieses Mannes, dessen Ruf die weiten, wilden Gebirge überquert hatte, dieses Mannes, der den Armen ein Freund und den Reichen ein Hasser und blutiger Feind war.

Plötzlich fuhr Mercedes zusammen; der Mann dort vorn hatte eine Bewegung gemacht. Schnell steckte sie den kleinen Spiegel fort; ihre Augen schlossen sich zu einem Spalt und folgten jeder seiner Bewegungen.

Langsam erhob sich Miguel de Silva aus seiner knieenden Stellung. – Er war ein Mann, der auf den ersten Blick auffiel, von überragender Größe, und jede seiner Bewegungen verrieten Kraft und die Gewalt, die er über seine Muskeln besaß.

Noch hing sein Blick träumend an der Mutter Gottes; als er sich nun langsam umdrehte, um die Kirche zu verlassen, war noch etwas von diesem verträumten, weltfernen Ausdruck in seinen dunklen Augen.

Er hatte ein hageres, sonnengebräuntes Gesicht, ein kleiner, schwarzer Schnurrbart lag schmal über seinen Lippen. Bunt, sehr bunt war seine Kleidung. Ein breiter Patronengürtel lag um seine Hüften – tief hingen zu beiden Seiten zwei Revolver, die bei jedem Schritt leicht gegen seine Schenkel stießen.

Mit brennenden Augen nahm Mercedes dieses Urbild eines gesunden, kräftigen, selbstbewußten Mannes in sich auf. Keinen Augenblick überfiel sie Furcht; ebenso furchtlos und selbstbewußt wie er, war auch ihr Charakter.

Jetzt hatten ihn seine Schritte in ihre Nähe gebracht, plötzlich gewahrte er die Gestalt, die lässig an einer Säule lehnte.

Eine zornige Glutwelle schoß in sein Gesicht, seine Augen blitzten auf; ein großer Schritt brachte ihn vor ihr zu stehen.

Man sah ihm an, daß er im Begriff war, hochzufahren, als sein Blick ihre schwarzen, voll zu ihm aufgeschlagenen Augen traf. Miguel de Silva stutzte, seine Augen blieben in den ihren ruhen.

Minutenlang blieben sie so einander gegenüber stehen. Trunken ging Miguels Blick über Mercedes hin. Noch nie hatte er ein so schönes, rassiges Weib gesehen.

Ruhig hielt Mercedes seiner Musterung stand. »Senhora!« dunkel klang seine männliche Stimme. »Wußtet Ihr, daß es in meinen Augen ein Verbrechen ist, mich in einer Kirche zu stören?«

Ein kleines, helles Lachen ließ Miguel verwundert aufsehen. Eine spöttische Stimme antwortete ihm.

»Nein, das wußte ich nicht!« Mercedes wechselte ihre Stellung; sie lehnte den Kopf an die Säule und kreuzte ihre Arme, dabei spielte ihre schlanke, gepflegte Hand herausfordernd mit der Blume.

»Was kostet es denn, Miguel de Silva, den großen Bandenführer belauscht zu haben?«

Erstaunt sah Miguel die Frau an. Eine solche Sprache war er seit langem nicht mehr gewohnt; ihn floh jede Frau angstvoll und entsetzt.

»Was das kostet?« fragte er gedehnt, um dann schnell zu fragen: »Kamt Ihr zufällig in die Kirche, oder –?«

»Es war kein Zufall, Miguel de Silva. Mich trieb die Neugier; ich wollte wissen, was ein Miguel de Silva in einer Kirche tut. Ich finde, Ihr könntet Eure Zeit besser ausnützen, als hier zu beten.«

»Besser –?!« fragte Miguel. Die Frau setzte ihn in ein immer größeres Erstaunen.

»Ja! Draußen stehen Eure Leute und warten ungeduldig auf Euch. Die Tatenlust sprüht ihnen aus den Augen; frisch und ausgeruht sind sie; der Tag könnte besser ausgenutzt werden! Miguel de Silva soll sie zu Abenteuern und Erfolg führen, damit sie spüren, was für eine Lust ein freies Leben ist! – Doch, es heißt geduldig in der Sonne stehen und zu warten, denn ... Miguel de Silva, der große, gefürchtete Bandenführer ... betet!«

Ein perlendes Auflachen folgte den Worten.

Mit steigendem Interesse und Verwunderung war Miguel ihrer Rede gefolgt. Er fühlte, wie er durch ihre Worte und Stimme unter einen Bann geriet, der ihn eigenartig bezauberte.

»Senhora,« erwiderte er ihr nach einer kleinen Pause, in der ihre Worte in ihm nachklangen, »ich bewundere Euren Mut! – habt Ihr keine Angst vor mir?«

Lauernd klang die Frage, aber auch Ängstlichkeit zitterte durch sie hindurch.

»Angst –?« Mercedes schüttelte heftig den Kopf. »Seid Ihr nicht ein Mann, Miguel de Silva, und ich eine Frau?«

Wie angewurzelt stand Miguel und verschlang die Frau vor sich mit seinen Blicken.

»So fürchtet Ihr Euch nicht vor Miguel de Silva?« fragte er atemlos.

»Aber nein!« klang sorglos die Erwiderung.

»Ich bewundere Euch, und mein sehnlichster Wunsch, Euch kennen zu lernen, ist heute in Erfüllung gegangen.«

»Ihr stammt aus diesem Ort hier, dessen Namen ich nicht weiß, und der vielleicht nicht einmal einen besitzt?«

»Ich lebe hier!« antwortete Mercedes. Damit ließ sie sich auf eine kleine Stufe nieder. Miguel nahm neben ihr Platz.

»Vor Jahren kam auf einem staubbedeckten Pferde ein Mann in diese Siedlung geritten« erzählte sie. Ihre Augen hingen am Altar; doch entging es ihr nicht, daß sein Blick sie nicht einen Augenblick freiließ. »Es stellte sich heraus, daß er durch drei Schüsse schwer verwundet war. Bei ihm befand sich ein kleines, dreijähriges Mädchen, das er vor sich im Sattel gehabt hatte. Er wollte hier wohl nur kurz rasten, doch er stand nicht wieder auf. Drei Tage dauerte sein Kampf mit dem Tode; aber er unterlag. Man begrub ihn; das Kind blieb hier. Wo viele hungerten, konnte auch noch ein anderes Kind mithungern. –

»Das ist alles, Miguel de Silva, was ich von meiner Herkunft weiß.«

»Ihr seid unverheiratet?«

Ein verächtliches Lächeln lag um ihren vollen, lebensbejahenden Mund.

»Glaubt Ihr, daß ich meine Schönheit einem Hungerleider schenke?« Sie reckte ihre weißen Arme über ihren Kopf und dehnte sich wollüstig.

»Ich warte!« sagte sie halb singend und ihr Blick ging über ihn hin.

»Worauf?« stieß Miguel erregt hervor.

»Auf den Mann, der mich hier hinausführt zum Leben!« kam schnell ihre Antwort.

»Was nennt Ihr Leben, Senhora –?«

»Mercedes!« sie nannte ihren Namen.

»Sprecht, was nennt Ihr Leben, Mercedes?«

Ein sinnender Ausdruck stieg in ihre Augen.

»Leben – Miguel de Silva, ist Erleben, seine Kräfte rühren, Geld, Schmuck haben und sich jeden Wunsch erfüllen können.«

»Und wer wird Euch das bieten können?«

»Der richtige Mann für mich!« scholl es ihm triumphierend entgegen. »Den ich dafür lieben könnte, dem ich Kameradin wäre, und mit dem ich leben und sterben würde!

»Ich bin nicht so zart, wie ich aussehe, Miguel de Silva. Von klein auf an wußte ich, daß mein Leben hier nicht enden würde; und so habe ich mich schon zeitig auf ein anderes Leben vorbereitet. Ich reite ausdauernder als mancher Mann, ich schieße mit zwei Revolvern zu gleicher Zeit, und meine Kugel sitzt, wohin ich sie haben will. – Man verstand hier oft mein Tun nicht und schüttelte darüber den Kopf, aber man ließ das Kind gewähren; denn wer wußte, ob es nicht ein Erbteil meiner unbekannten Erzeuger war, was sich bei mir als Talent ausbildete.

»Zweimal ist mir meine ›Selbstausbildung‹ schon zu gute gekommen; denn auf mich allein gestellt, mußte ich zu stürmisch gewordene Verehrer in Schach halten. Einer büßte seine Begierde mit dem Leben, der andere ging in die Fremde. Leider – hätte er mir ein Wort darüber gesagt, vielleicht wäre ich mit ihm gezogen.«

Mercedes schwieg; heiser klang Miguel de Silvas Stimme, als er nach einem Räuspern sagte: »Ihr seid schön, Mercedes, eine begehrenswertere Frau sah ich nie. Ich wünschte, Ihr wäret mein und liebtet mich. – Wäre Miguel de Silva der richtige Mann für Euch?«

Ein leises, aufschluchzendes Lachen antwortete ihm: »Wollt Ihr mich als Beute mitnehmen, Senhor?«

Miguel sprang auf, so erregte ihn dieses Lachen.

Auch Mercedes erhob sich und stand nun vor ihm.

»Könntet Ihr ein so anstrengendes Leben an meiner Seite führen, Mercedes? Immer nur für mich da sein, nur unter Männern leben?« Stürmisch klangen seine Fragen.

»Ja, Miguel de Silva!« klar und fest kam die Antwort über ihre Lippen.

In dem blassen, dämmerigen Licht der Kirche blickte Miguel auf das Mädchen herab. Sie war in seine ausgebreiteten Arme gesunken, lag an seiner Brust und klammerte sich an ihn.

Er fühlte die Weichheit und Wärme ihres Körpers und das schnelle Wogen ihrer Brust. Er sah die anmutigen Linien ihrer Gestalt.

Ein Weib lag in seinen Armen! Und er preßte sie eng, immer enger an sich. Er, der jahrelang allein gewesen, ohne Frau, würde nun nie wieder allein zu sein brauchen. Wie ein Schlag ging dieser Gedanke durch seinen Körper.

Ein Sturm hob sich in seiner Brust – aufdämmerndes Entzücken, Hoffnung, Macht, Glück und Freiheit und die Gewalt des Verlangens.

Mit einem triumphierenden Jubellaut hob er sie auf und trug sie hinaus.

Mercedes schmiegte sich ganz fest an ihn; sie verbarg ihre vor Befriedigung blitzenden Augen. Sie fühlte, dieser Mann gehörte ihr, wie sie es sich gewünscht hatte. Nun lag es nur an ihr, ihre Macht und ihren Einfluß auf ihn stetig wachsen zu lassen.

Bei den wartenden Leuten de Silvas entstand eine Bewegung; alle sahen ihren Führer auf sich zu eilen. Auf seinen Armen trug er eine Frau; alles starrte auf den Näherkommenden.

Alexandre d'Ordonez warf seine Zigarette in weitem Bogen fort und ging Miguel entgegen. Sein fragender Blick begegnete dem glücklichen Lachen Miguels.

Sachte ließ er Mercedes zu Boden gleiten. Ein Aufatmen ging durch die staunenden Männer. Cavalheiros, die sie waren, nahmen alle ihre Sombreros ab; ein anmutiges Kopfnicken von Mercedes dankte ihnen.

Eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft stand vor Mercedes. Zum größten Teile Portugiesen und Mexikaner, gab es auch Desperados aller Herren Länder unter ihnen.

Jeder von ihnen hatte seine Geschichte; aber außer Miguel wußte kaum einer mehr als den Namen des anderen, und, ob dieser immer der richtige war, war auch noch unbestimmt.

»Alexandre –« redete Miguel de Silva seinen Unterführer an, und klar und herrisch klang seine Stimme, »Jungen,« wandte er sich an seine Leute, »hier stelle ich Euch Eure Herrin Mercedes vor!«

Ein murmelndes Erstaunen lief durch die Reihen der Männer. Die Erregung brachte auch die Bewohner der Siedlung näher.

»Und nun laßt uns feiern, wie wir es noch niemals getan!« Jubelnd klang Miguels Stimme.

Da trat plötzlich Mercedes an ihn heran; leicht lag ihre kleine Hand auf seinem Arm.

»Nein, Miguel; erst die Arbeit, dann das Vergnügen! Wann war Euer letzter, ergebnisvoller Streifzug?«

Ein Schatten huschte über Miguel de Silvas Gesicht. Ohne seine Antwort abzuwarten, fuhr Mercedes fort: »Hier ist nichts für Dich und Deine Leute zu holen, nicht einmal etwas zum Feiern gibt es hier. Du wirst nichts in ihren Häusern finden, nicht einmal für Geld,« wehrte Mercedes seinen Einwurf schon im voraus fühlend, ab. »Aber – ich weiß in dieser Gegend genau Bescheid. Nicht weit entfernt von hier,« ihre Stimme sank zum Flüstern herab »liegen versteckt, daß sie kein Fremder finden kann, reiche Fazendas. Dorthin will ich Dich und Deine Leute führen.«

Sie sah eine unmutsvolle Falte zwischen seinen Brauen. Miguel wollte den Tag – diese Stunde feiern. Doch dies lag nicht in Mercedes Sinn; brennender Ehrgeiz trieb sie vorwärts, hier an diesem Ort war sie jahrelang gewesen, und sie besaß nur den einen Wunsch, die Armut so schnell wie möglich hinter sich zu lassen.

»Einige Leute von diesen Fazendas stellten mir nach, Miguel,« hetzte sie, und nun sah sie seine Augen, aufblitzen. »Für mich hatten sie etwas übrig, doch hier –« sie wies zu den Bewohnern ihres Adoptivdorfes »für die Armen gaben sie nichts, hart ist ihr Herz in ihrem Reichtum geworden.«

Mit dem Instinkt der Frau erfaßte sie Miguels verwundbare Stelle. Herrisch richtete er sich auf.

»Vorwärts, Jungen!« rief er. »Hier, Eure neue Herrin wird Euch führen, und sie verspricht Euch, daß es sich für Euch lohnen soll, ihr zu folgen! – Alles, was wir in den nächsten Tagen erbeuten, gehört ausschließlich Euch. Ich bin glücklich, und auch Ihr sollt an meinem Glück teilhaben!«

Miguel sah nicht den harten Schein in Mercedes Augen, der bei seinen Worten darin aufleuchtete. Seine Großzügigkeit fand keinen Widerhall bei ihr; doch äußerte sie nichts dazu.

Auf eine Bitte von ihr blieben die Männer noch halten; sie aber jagte allein ins Dorf.

Inzwischen trat Miguel de Silva zu den verschüchtert dastehenden Männern der Siedlung. Er zog eine gefüllte Geldtasche und verteilte sie unter den Dankenden. Er mußte ihnen seine Hände entziehen, die sie ihm küssen wollten. Er wehrte sie ab; dabei wiederholte er immer wieder, daß er ihnen dankbar sei, daß sie ein solches Kleinod aufgezogen hätten, das er sich jetzt aus ihrer Mitte geholt!

Unter seinen Leuten wurden die letzten erlebten Minuten je nach Temperament besprochen. Manche hegten Zweifel und meinten, daß es nicht gut ausgehen könnte, eine Frau in ihrer Mitte zu haben. Doch laut wagte keiner eine Behauptung zu äußern, dazu war der Respekt vor Miguel zu groß.

Nach kurzer Zeit kam Mercedes zurück. Sie trug nur ein kurzes mexikanisches Reitkleid und hatte feste, lange Stiefel an ihren Füßen. In ihrer Hand trug sie ein leichtes Bündel Kleider. Hinter ihr trabte ein gezäumtes Pferd.

»Fertig!« rief sie Miguel zu, der sie mit einem Jubellaut auf ihr Pferd hob.

Alle folgten nun und warfen sich auf ihre Pferde. Ein kurzes Winken von Mercedes an die Zurückbleibenden, und neben Miguel de Silva, an der Spitze der Männer reitend, setzte sie ihr Pferd in Trab, und fort ging der Ritt, den Mercedes zum ersten Male anführte, brennend vor Ehrgeiz und Abenteuerlust!

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