Kitabı oku: «Schlangen, Guillotinen und ein elektrischer Stuhl»

Yazı tipi:



www.hannibal-verlag.de

Widmung

Meinen beiden wunderbaren Töchtern gewidmet, die mich zum Schreiben des Buches drängten, und meiner wunderschönen Frau. Ihnen gehört meine wahre Liebe.


In liebevoller Erinnerung an Glen Buxton

1947–1997

Impressum

Die Autoren: Dennis Dunaway und Chris Hodenfield

Deutsche Erstausgabe 2016

Englische Originalausgabe by St. Martin’s Press, LLC

mit dem Titel

„Snakes! Guillotines! Electric Chairs! My Adventures in the Alice Cooper Group“

ISBN 978-1-250-04808-0

© 2015 by Dennis Dunaway und Chris Hodenfield

Dieses Werk wurde im Auftrag von St. Martin’s Press LLC durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen, vermittelt.

Coverfotos:

vorne © Michael Ochs Archives / Stringer / Getty Images

hinten © The Estate Of David Gahr / Getty Images

Umschlagdesign: © Rob Grom

Porträt von Glen Buxton S. 5 – Ingo Gierdal

Handgeschriebene Notiz, S. 351: Privatsammlung Dennis Dunaway

Text von „Black Juju“, S. 194: Mit freundlicher Genehmigung von Ezra Music

Lektorat: Dr. Matthias Auer

Übersetzung: Alan Tepper

Layout und Satz: Thomas Auer, www.buchsatz.com

Druck: CPI Books, Ebner & Spiegel GmbH, Ulm

© 2016 by Hannibal

Hannibal Verlag, ein Imprint der KOCH International GmbH, A-6604 Höfen

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ISBN 978-3-85445-603-2

Auch als Paperback erhältlich mit der ISBN 978-3-85445-602-5

Hinweis für den Leser:

Kein Teil dieses Buchs darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, digitale Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden. Der Autor hat sich mit größter Sorgfalt darum bemüht, nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen. Es kann jedoch keinerlei Gewähr dafür übernommen werden, dass die Informationen in diesem Buch vollständig, wirksam und zutreffend sind. Alle durch dieses Buch berührten Urheberrechte, sonstigen Schutzrechte und in diesem Buch erwähnten oder in Bezug genommenen Rechte hinsichtlich Eigennamen oder der Bezeichnung von Produkten und handelnden Personen stehen deren jeweiligen Inhabern zu.

Inhalt

Danksagungen

Prolog: Eröffnungs-Akkorde …

1. School’s In

2. Headliner und Guillotinen

3. Sunset Stripped

4. Pleite, am Ende und spacey

5. Topanga

6. „Eure Musik tötet die Petunien meiner Frau!“

7. Pretties For You – Das Unfall-Album

8. Alles klar im Jahr – 1969!

Bildstrecke

9. Blood, Sweat und Toledo

10. Die Farm der Freaks

11. Spinnenaugen

12. Love It To Death

13. Killer

14. Bowling in Hollywood

15. Hello, Dalí

16. Die Geburt der Billion Dollar Babies

17. Muscle Of Love

18. Trennung

19. Das kalte Zimmer

20. There’s no business – like no business

21. Die Hall of Fame

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Es erscheint mir oft wie ein früheres Leben, doch es war 1964, als die Idee, konzeptuelle Kunst und Musik zu vereinen, mein Teenager-Denken mit uneingeschränkter Leidenschaft und dem absoluten Willen zu dessen Umsetzung bestimmte. Das Konzept wurde zuerst vom Spaßfaktor dominiert, wodurch es leichter wurde, andere zum Mitmachen zu animieren. Das Samenkorn war gesät, es wuchs dann und führte zur Geburt von Alice Cooper. Vince Furnier, Glen Buxton, Michael Bruce, Neal Smith und meine Wenigkeit – nicht zu vergessen Charlie Carnal, Mike Allen und Cindy Smith Dunaway – leisteten die Pionierarbeit. Und mit der brillanten Hilfe von Shep Gordon, Joe Greenberg und Bob Ezrin wurde aus dem Traum Realität.

Mein altes Leben wäre zu Ende gewesen, wenn mich Morbus Crohn hinweggerafft hätte. Ostern 1997 – während eines langen Krankenhausaufenthalts – schlich der Sensenmann um mein Bett. Doch da ergriff ein Gedanke von mir Besitz: Ich wollte dem Vorschlag einer meiner Töchter folgen und ein Buch schreiben. Für mich bedeutete das, um alles in der Welt die Operation zu überstehen. Den Löffel während der Niederschrift eines Buches abgeben, das darf man einfach nicht. Erneut hing ich einem kreativen Traum nach, den ich umsetzen wollte, und wieder einmal benötigte ich die Hilfe anderer.

Mein größter Dank gebührt meiner wunderschönen und talentierten Frau Cindy, die unser Leben in den richtigen Bahnen hielt, während ich die Tage mit Tippen verbrachte. Wenn meine Gedanken zu nahe am Sternenhimmel schweben, erdet sie mich wieder, und das mit Stil! Ich möchte mich zudem bei unseren Töchtern Renee und Chelsea für ihre übermäßig harte Arbeit bedanken, ihr Talent und die rückhaltlose Unterstützung.

Ewigen Dank schulde ich auch Sharyn Rosenblum und Dereck Walton, die wie ich an die Story glaubten und die mir das gute Gefühl des Willkommen-Seins in der aufregenden Literatur-Welt New Yorks vermittelten. Ich hatte mir bereits lange Zeit die Hacken nach einem Verlagsvertrag abgelaufen, als mich Sharyn mit ihrem ansteckenden Enthusiasmus Jim Fitzgerald vorstellte, dem Rockstar der Literaturagenten. Jim hatte schon Tausende von Offerten bekommen, doch er schenkte mir genügend Zeit zur Vorstellung meiner Idee. Mit seiner rauen und kratzigen Stimme, die Cindy an Glen Buxton erinnert, willigte er schließlich ein, sein Möglichstes zu versuchen.

Um das Manuskript in eine angenehm fließende Lektüre zu verwandeln, brauchte ich einen fähigen Autor. Es musste jemand mit genügend Einblick sein und zugleich ein Zeitzeuge, damit der Sprachstil der damaligen Ära gewahrt blieb. Chris Hodenfield war der erste Autor, der mir einfiel, und er stellte sich als die perfekte Wahl heraus.

Ich möchte mich bei David Cluett und Paul Brenton für die großzügige Hilfe bei den Fotos bedanken. Wir plagten uns mit Einbahnstraßen ab, Umwegen und Straßensperren, doch fanden auch einige seltene Schätze.

Am wichtigsten war ein geeigneter Verlag, und an dieser Stelle lief Jim Fitzgerald zu Hochform auf. Ein Autor kann sich keinen kenntnisreicheren und leidenschaftlicheren Lektor wünschen als Rob Kirkpatrick und kein grandioseres Expertenteam als das bei Thomas Dunne und St. Martin’s Press, darunter Jennifer Letwack, David Lott und Korrektorin Jenna Dolan.

Die kreativen Energien vieler kanalisierten sich, und wir alle verwirklichten schließlich diesen Traum.

D.D.


Auf mir lastet der Fluch eines lebhaften Erinnerungsvermögens. Mittlerweile ist es schon ein Running Gag geworden, wenn ich mit einigen befreundeten „Straßenkriegern“ zusammensitze, ihnen bei einer der überbordenden epischen Storys der Rock’n’Roll-Jahre zuhöre und dann dazwischenbrülle: „Nein, nein, nein, so ist das aber nicht passiert!“ Natürlich gibt es für meine Kumpels so einige Gründe für den „Gedächtnisverlust“. Wir jagten den Amüsements hinterher, und im Gruselkabinett der Späße hörte man so einige markerschütternde Schreie.

Während der Tage als Teilnehmer eines Kunstkurses verpasste mir Alice den Spitznamen Dr. Dreary. Der Grund dafür lag in der Gewohnheit, mich in meinen Gedanken zu verlieren. Was aber die Konzeptualisierung diverser Projekte anbelangte – da agierten wir beide wie wahnsinnig gewordene Fanatiker. Die Kunst war unsere wahre Berufung, und sie gründete in der Gewohnheit, Menschen zu beobachten. Ein Künstler erkennt Zusammenhänge, die anderen verborgen bleiben. Ich begann also penibel Notizbücher mit meinen Träumereien sowie Tagebücher zu führen. Sogar während der turbulenten Jahre schrieb ich immerzu Briefe nach Hause. Während die künstlerischen Projekte raketengleich in bizarre Gefilde schossen, bedeuteten mir die exakten Aufzeichnungen meiner Erinnerungen sehr viel.

Als Teenager packte mich die Idee, die schrägen Fantasien und Kreationen meiner Kunstwelt auf eine Rockband zu übertragen. Mein bester Freund teilte den Enthusiasmus dieses Ansatzes, woraufhin wir andere zum Mitmachen überredeten. Einige verstanden es sofort, manche jedoch wollten uns eins in die Fresse hauen. Dennoch handelten wir wie Getriebene, die ihre Vorstellung mit der ganzen Welt zu teilen beabsichtigten.

Unser kollektiver Traum wurde Wirklichkeit. Das ist die Essenz von Alice Cooper.

Möglicherweise möchten Sie etwas über Ihren Helden Alice Cooper erfahren oder über die Ungerechtigkeiten, die der ursprünglichen Gruppe widerfuhren. Ich schreibe dieses Buch, weil ich stolz bin auf das, was meine engsten Freunde und ich erreicht haben. Schuldzuweisungen jedweder Art sind unbedeutend. Schuldzuweisungen verdrängen nicht die Erinnerungen daran, wie verdammt großartig das schnelle Leben eines Rock’n’Rollers in den Sechzigern und Siebzigern war.

Legt die Tragödie auf Eis. Wir hatten Spaß – und das zum Quadrat!

Als Rockstar diese Ära überlebt zu haben, stellt ein unglaubliches Wunder dar. Entscheidungen wurden getroffen, während wir durch den tiefen Weltraum donnerten, ständig in gefährliche Meteoritenhagel eintauchten und uns aus ihnen retten konnten. Gab es Fehlentscheidungen? Jeder trug dazu bei, und einiges wirkte sich stärker aus als anderes. Möchten Sie mehr erfahren? Ja, ich bin hier, um Ihnen die Geschichte zu erzählen, so wie ich mich daran erinnere.

Und ich erinnere mich genau daran. Einige Ereignisse dieser Erzählung wurden zusammengefasst, und auch die Abfolge mag leicht überformt sein. Aber sie nähert sich der Realität so nahe an, wie es mir möglich war. Falls Sie ein Fan der Alice Cooper Group sind, erinnern Sie sich vielleicht an ein in kreischendes Rot getauchtes Bild, das Alice am Galgen baumelnd zeigt, während wir dem Publikum „Killer“ in die Ohren prügelten. Unsere Spezialität lag in der Kreation greller bildintensiver Shows, um den Zuschauer sozusagen auf den Gehsteig zu befördern, wo er, sich um die eigene Achse drehend, dann hin- und hertaumelte. [Dennis Dunaway nutzt gelegentlich die Schreibweise Alice Cooper Group, um explizit auf die Band, bestehend aus fünf Mitgliedern, hinzuweisen. In den späten Sechzigern/frühen Siebzigern galt jedoch Alice Cooper als korrekter und offizieller Bandname, A.T.]

Manchmal schien ein unheilvolles Schicksal nur auf uns zu warten. Das passiert, wenn man in Strafvollzugsanstalten, auf Luftwaffenstützpunkten oder in Cowboy-Kaschemmen mit einem außergewöhnlich hohen „Feindseligkeits-Faktor“ spielt. Wir mochten Auftritte in den Fressbuden der einfachen Leute, doch gelegentlich schien das Publikum nur darauf zu warten, uns eine Rasierklinge durchs Gesicht zu ziehen.

Und dann war da noch São Paulo – ein Konzert, das sich in meine Erinnerung eingefressen hat, und dies nicht nur, weil es unser letzter gemeinsamer Gig sein sollte. Gigantisch. Man erwartet keine 158.000 Zuschauer unter dem Dach eines einzigen Veranstaltungsortes. Laut Guinness-Buch der Rekorde war es das größte Konzert, das jemals in einer Halle stattfand. Ich weiß zumindest eins: Als ich durch den Vorhang auf die Menge blickte, überkam mich der Eindruck, ich sähe die Milchstraße.

Für die Alice Cooper Group war Realität ein Fremdwort. Wir unternahmen alles Erdenkliche, um das Reale bis zum Letzten auszureizen, zu überschreiten und es – wie in einem Zerrspiegel – zu manipulieren. Schon von den frühesten Tagen an hatten wir die Tatsache zu akzeptieren, dass uns die Fans auf eine besondere Art huldigten – indem sie selbst total durchknallten.

Was das Konzert in São Paulo anbelangte: Man gewann schnell den Eindruck, dass jeder Freak der südlichen Hemisphäre aufgelaufen war, um eine spezielle Portion des brasilianischen Wahnsinns aufzutischen. All die abgewrackten und aufgedonnerten Zuschauer vermittelten uns ein vertrautes Gefühl, doch unglücklicherweise herrschte eine beklemmende und einschüchternde Atmosphäre.

Zuerst hatte uns die Polizei an den Rand der Verzweiflung gebracht. Brasilien befand sich noch in den Klauen einer Militärdiktatur, und die Cops freuten sich, uns ihre Macht und Durchsetzungsfähigkeit zu demonstrieren. Für den Soundcheck am Nachmittag pferchte man die Musiker in Militärfahrzeuge, die sich den Weg durch die Menge ohne Rücksicht auf Verluste bahnten. Wir waren sicher, dass sie einen der Jugendlichen ummähen würden, woraufhin Alice den Mann am Lenkrad anbettelte, er solle doch bitte langsamer fahren, doch dieser brüllte nur etwas auf Portugiesisch, lachte und legte noch einen Zahn zu.

An dem Abend schauten wir in den Zuschauerraum, und da standen sie in der ersten Reihe – mit verkrampften Händen Automatikgewehre haltend. Sie wirkten so angespannt wie Meth-User, dieselben Cops vom Nachmittag, doch nun mit nervösen Fingern. Und ausgerechnet die sollten uns schützen!

Abgesehen von den Bullen schwebte ein befremdlicher emotionaler Druck über der Band. Wir redeten nicht darüber, denn das war ganz und gar nicht unser Stil. Doch man spürte es, ein Gefühl, als habe man die Kontrolle über einen Traum verloren. Wir hatten die mächtige Lokomotive konstruiert, und nun versagten die Bremsen, die Räder fielen ab – und vor uns lag eine in sich zusammengestürzte Bücke …

Ich schaute in Richtung Michael Bruce. Er warf mir einen angenervten Blick zu, der auszudrücken schien: „Kannst du das hier glauben?“ Die Gitarre hing über seiner Schulter, während er mit dem freien Arm eine vereinnahmende Brasilianerin von der Vorband an sich drückte. Auf der Jagd nach den Schönheiten der Frauenwelt war er unermüdlich. Im Privatleben begab er sich immer auf eine neue Eroberungsreise, doch auf der Bühne zeigte er sich so zuverlässig wie ein bulliger Mack-Truck. Dennoch verriet sein verbissener Gesichtsausdruck für mich einen Hauch von Enttäuschung. Überall spielten wir vor ausverkauften Häusern, hatten ein Nummer-1-Album veröffentlicht und freuten uns über Storys in Magazinen, die uns als die Band mit dem höchsten Brutto-Umsatz weltweit feierten – höher als derjenige der Stones und von Led Zeppelin! Doch Moment mal, wo waren denn die Schecks? Kein Wunder, dass Michael so verärgert aussah.

Die Mimik von Glen Buxton, dem zweiten Gitarristen, schien sich schon seit einem Jahr nicht geändert zu haben – es war ein teilnahmsloses Starren, das sich in der Ferne verlor und Unheil ankündigte. Glen hatte als Erster erkannt, dass etwas in der Gruppe nicht stimmte. Seine Reaktion darauf: Verdrängung durch Partys. In Brasilien tischte man ihm unverschnittenes Zeug auf dem Silbertablett auf. Erst zwei Tage zuvor hatte ich ihn durch den Flur des Copacabana kriechen sehen, abgeschossen in einer Welt, fernab und verschwommen.

Das Buch ist Glen gewidmet, sicherlich eines dieser unschätzbaren Originale, die man nur selten im Leben trifft. Er musste einen Raum bloß betreten, und schon machte er Witze am laufenden Band, die jeden wegfegten. Das erwartete man von ihm. Als Musiker konnten wir damit rechnen, dass er brettharte Gitarren-Parts ablieferte, die von weit entfernten Planeten stammten. Doch nun war Glen mehr daran interessiert, sich dem eigenen Schicksal auszuliefern.

Über ihm thronte Neal Smith, unser extravaganter Drummer, ein goldener Gott. Nein, „Gold“ reicht hier nicht zur Beschreibung – er war der Platin-Gott, der uns unterhielt und dazu antrieb, ein immer noch höheres und explosiveres Level zu erreichen. Zwischen mir und Neal bestand eine enge Verbindung, und das nicht nur, weil ich mit seiner Schwester schlief. Sein Schlagzeug und mein Bass waren zu einer untrennbaren und mysteriösen Einheit verschmolzen, die weit über das hinausging, was man landläufig als Rhythmus-Sektion beschreibt. Meine Basslinien fütterten den minimalistischen und ursprünglichen Drumbeat. Wir schlossen uns eng zusammen und erzeugten dabei mehr Donner als eine Bomberflotte am Himmel.

Und dann war da Alice, der Comedian und Philosoph, der fürsorgliche Predigersohn, der auf der Bühne in seine Rolle als Verkörperung des Bösen schlüpfte. An diesem Abend in Brasilien hatte er gute Laune, obwohl er ängstlicher als sonst erschien. Vielleicht lag es an der unheilvollen Stimmung? Er war nicht sonderlich besoffen, doch man roch eine Bier-Fahne. Das Gesicht war vom dick aufgetragenen Augen-Make-up verdunkelt. Alice trug sein Leder-Outfit sowie den gefärbten Hodenschutz und wirbelte mit dem Schwert durch die Luft, scheinbar zu allem bereit.

Die brüderliche Harmonie zwischen Alice und mir hatte erst kürzlich einen Knacks bekommen. Allerdings zeigte sich die Anspannung innerhalb der Band niemals auf der Bühne. Waren wir erst mal draußen, stimmte alles. Ein Jahrzehnt lang liebten wir die Musik über alles, und sie war nun unser letzter Zufluchtsort geworden.

In São Paulo spielten wir ohne den großen Bühnenaufbau. Alles beschränkte sich auf die Musiker und die Musik. Wie in alten Zeiten waren wir wieder eine Rockband, am zufriedensten in einer rauen, aggressiven und zähnefletschenden Stimmung.

Wir rannten auf die Bühne und kreierten einen infernalischen Klang-Orkan. Natürlich hätte niemand ahnen können, dass es die letzte Show sein würde. Doch uns überkam das leidenschaftliche Fieber eines ehemals verliebten Pärchens, das gemeinsam ausgeht, es noch einmal versucht, sich dann einen Abschiedskuss gibt, wobei jeder mit zitternder Stimme haucht: „Bitte vergiss mich jetzt nicht.“

Hey, ich kenne diese Typen seit der Highschool. Wir haben seit der Zeit als schlaksige Teenager aufs Engste zusammengelebt – Wange an Unterkiefer, Unterkiefer an Achselhöhle –, in billigen Absteigen und geräumigen Häusern, kannten all unsere verborgenen und dunklen Geheimnisse. Einige Jahre vor dem Konzert, wir teilten uns damals ein Farmhaus in Michigan, bemerkte ich ein ständig wiederkehrendes Phänomen. Wenn einer von uns in ein leeres Zimmer ging und sich auf die Couch setzte, kam schon bald ein weiterer, dann der nächste, gefolgt vom übernächsten. Das glich einer organischen Maschine, die nur läuft, wenn alle Teile im Einklang miteinander sind.

Solch eine Nähe kann natürlich auch zu viel werden. Als wir in São Paulo aufschlugen, war unsere 24-stündige Party von Verantwortlichkeiten gegenüber einer viel größeren Maschine belastet.

Es hatte sich alles zu einer nervenzehrenden Halluzination entwickelt. Natürlich gab es zahlreiche Freuden und Annehmlichkeiten. Das will ich gar nicht abstreiten. Zum Gefühl, auf einer Bühne zu stehen, zu diesem Mix aus euphorischer Liebe und fordernder Ekstase gibt es nichts Vergleichbares an Lebenskraft. Zu deinen Füßen landen Feuerwerkskörper, Liebeskettchen und überschäumende Bierdosen.

Die Flut kommt auf dich zu und zieht dich auf den Ozean hinaus.

Fünf junge Kerle aus der Highschool, die auf schnelle Autos standen, sprangen in den superheißen Schlitten Rock’n’Roll und fielen wieder raus. Ich werde unseren Traum mit Ihnen teilen. Doch wie bei jedem Traum fällt die Logik in sich zusammen – ähnlich einem Marshall-Verstärker, der in die Luft geht.

Die Alice Cooper Group mochte harte Arbeit. Wir schrieben ständig Songs, brachten Album nach Album auf den Markt und dachten uns Bühnenshows aus.

Während einer Tournee gingen wir in eine Arena und verwandelten den nachmittäglichen Soundcheck in eine zweistündige Probe. Wir standen darauf, so verdammt gut zu sein, mochten es, das Publikum beim totalen Ausklinken zu beobachten. Fünf Musiker wurden zu einer Einheit zusammengeschweißt und waren so stark wie ein waschechter Hafenarbeiter.

Michael Bruce bemerkte mal, dass die frühe Band wie meine eigene Band wirkte. Nett von ihm, das zu erwähnen, doch es ist wichtig, dass Sie uns als fünf Musiker betrachten. Der Mann, den man nun als Alice Cooper kennt, kann nur im Kontext des ersten und wichtigsten Konzepts gebührend wahrgenommen werden: als Mitglied einer Gruppe namens Alice Cooper. Er hat sich seinen heutigen Status als berühmter Solokünstler völlig verdient, doch auch wir als Band erreichten viel.

Natürlich nannte man ihn nicht immer schon Alice. Als ich ihm damals in Phoenix begegnete, hieß er Vince, eine Kurzform des vollständigen Namens Vincent Damon Furnier. Während ich die Geschichte der Gruppe erzähle, werde ich ihn im ersten Drittel des Buches Vince nennen.

Ja, er war Vince und ist es manchmal immer noch. Während eines Treffens, das kürzlich stattgefunden hat, nannte ich ihn automatisch bei seinem alten Namen. Er kam gerade mit vor Aufregung gerötetem Kopf von der Bühne und stank nach Schweiß. Doch innerhalb von nur wenigen Sekunden – nachdem man sich hingesetzt hatte – waren wir dann wieder die beiden jungen Kerle aus Arizona, die gemütlich in einem alten Ford Falcon hockten, eine Tüte Tacos in der Hand, und sich wünschten, endlich bei einer der unerreichbaren Frauen zu landen.

Wenn ich ihn Vince nenne, denke ich an den Jungen, der an meinem Küchentisch saß oder nur mit einem um die Hüften geschlungenen Handtuch im Haus herumspazierte.

Manchmal glich unser Leben dem Warnhinweis der Autoritäten: Wenn Teenager miteinander abhängen, können daraus schnell große Schwierigkeiten entstehen! Unsere Geschichte beginnt mit einer einfachen Tatsache: Vince und ich hingen oft zusammen ab – und dann geschah immer so Einiges …