Kitabı oku: «Sternenstaub», sayfa 3

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Es ist eine Schreckensvision, morgens aufzuwachen und festzustellen, dass man die Person, die neben einem liegt, geistlos und banal findet. Ich wünsche es niemandem! Hingegen ist es ein wundervolles Gefühl, wenn man in das Gesicht eines Menschen blicken kann, der einem schon etliche Wow’s entlockt hat. Geist ist eben schon geil!

LASST SIE SCHREIEN!

Ich staune stets, welche neuen sinn- und herzentleerten Trends in Sachen Kinderbetreuung aufkommen. Einst war es das künstliche Stillen, das von der Pharmalobby gepusht wurde. Man wollte den Müttern weismachen, dass der Pulvermix aus dem Shoppen gesünder sei als die natürliche Muttermilch. Das Resultat waren bleiche Kinder mit schwachem Immunsystem und viele Kinderkrankheiten. Dann kam das blindgläubige Durchimpfen aller Kleinkinder. Die Folgen davon kann heute ein Heer von angeschlagenen Erwachsenen ausbaden. Das Thema Impfschäden wird gerne verschwiegen oder verharmlost und die Nadelapostel wünschen sich insgeheim schon die Fledermausgrippe – die nächste Pseudopandemie! Und nun der letzte Schrei: Frischgebackene Eltern werden mit der völlig absurden Ferbermethode verwirrt und verunsichert. Dieses System, erstmals in den Kinderschlaflabors vom amerikanischen Doc Ferber entwickelt und von seinen europäischen Adepten Dr. Kast-Zahn (nomen est omen) und Dr. Morgenroth in die Welt hinausgetragen, propagiert leider kein schönes, erbauendes Morgenrot, sondern eher tiefste Nacht im Erziehungsdschungel.

Ein Schlaftraining ist eine verhaltenstherapeutische Massnahme zur Konditionierung und entstammt der Tierdressur. Das Ziel ist es, dass ein Baby oder Kleinkind »lernt«, ohne fremde Hilfe ein- und durchzuschlafen. Es wird abends allein in sein Bettchen gelegt. Die Eltern dürfens, wenn es schreit, für jeweils zwei Minuten zu ihrem Kind gehen, sollen es aber nicht mehr aus seinem Bett herausnehmen. Diese Behandlung wird so lange durchgeführt, bis das Kind schläft. Der Begründer selbst verkündete, dass seine Methode der letzte Ausweg sein soll, bevor: »Eltern ihr Kind aus dem Fenster werfen.« Meine Herznerven!

Ich halte es für völlig unmöglich, dass ein Säugling, der eben aus dem wohlig warmen Mutterbauchparadies katapultiert wurde, seine Eltern mit Absicht schikaniert. Der ist einfach neu auf der Welt und vermisst die Geborgenheit seiner vertrauten Umgebung und die Geräusche des Mutterleibes. Plötzlich klingt alles anders, es ist gleissend hell, man hat so komisches Stoffzeug am Leib, spürt sich selber kaum mehr und die Liegeposition ist auch ungewohnt. Also, wenn ich mir das so überlege – das ist doch zum Schreien! Dass Mama ihr Baby an sich nimmt, hat wohl weniger mit Verwöhnen zu tun als mit einem gesunden mütterlichen Instinkt.

Verwöhnt werden Kinder mit Schokolade und Zivilisationsgütern, aber doch nicht mit Zuneigung! Jede Affenmutter trägt ihr Kleines herum – wer käme auf den Gedanken, ihr das Kindlein zu entreissen? Der Tierschutz würde intervenieren. Vor den Menschen jedoch macht kein Irrwitz halt …

So kommt es wohl, dass der Schlafratgeber »Jedes Kind kann schlafen lernen« es in die Top Ten der Ratgeberliteratur geschafft hat und das »Training« von unzähligen Eltern auf eigene Faust durchgeführt wird. Viele dieser Eltern schaffen es zum Glück dann doch nicht, ihr Kind mehrere Nächte lang schreiend sich selbst zu überlassen. Denn stur ferberisierte Kinder reagieren oft mit Entwicklungsstörungen und Panik auf die Vernachlässigung seitens ihrer Bezugspersonen, welche danach häufig erneut Fachpersonen um Rat und Unterstützung ersuchen. Versuchswillige Eltern berichten kurzfristig ab und zu von »Erfolgen«. Längerfristig ist die Tendenz zu Rückfällen jedoch auffallend gross. Die Folgen des Schlafdrills sind unter anderem Trennungsangst, verstärkte Schlafprobleme, Essstörungen, ungewolltes Abstillen, übertriebene Anhänglichkeit, Apathie oder aggressives Verhalten. Die Eltern leiden zudem oft lange unter Schuld- und Versagensgefühlen.

Wie gesagt, ich finde es einleuchtend, dass ein Säugling permanent Kontakt zu seiner Bezugsperson braucht. Sein Bedürfnis nach Nähe, Wärme, Sicher- und Geborgenheit ist auch nicht nur tagsüber vorhanden. Gerade nachts wird durch die bedrohliche Stille und Dunkelheit dieses Bedürfnis noch stärker. Ein Säugling muss seine Mutter anfänglich spüren oder wenigstens hören können; es reicht nicht, wenn sie sich im Nebenraum befindet. Er versteht noch nicht, dass etwas auch existiert, wenn es nicht sicht- oder spürbar ist. Wer jemals einen kleinen Welpen bei sich aufgenommen hat, weiss, dass auch er in den ersten Tagen und Wochen anfängt zu winseln, sobald sein Mensch nur in der Dusche verschwindet. Was wollen wir also von unserem Baby verlangen?

Es braucht eine Zeit des intensiven Gebens, bis das Kindlein die Fähigkeit entwickelt hat, angstfrei auf das Alleingelassenwerden zu reagieren. Für den Aufbau der Bindungsfähigkeit und die komplette psychosoziale Entwicklung des Kindes ist es von grosser Wichtigkeit, dass seine Nächsten feinfühlig und zuverlässig auf seine Kommunikationsversuche reagieren und auf seine Bedürfnisse eingehen. Dafür aber wird es umso mehr zurückgeben, sobald es in der Lage ist, einen anzulächeln – und wenn es seine winzigen Händchen im bedingungslosen Vertrauen nach uns ausstreckt und dazu vergnügt quietscht und gluckst, ist aller Schlafverzicht vergessen!

Tragischerweise lernt das Kind jedoch mit dem Schlaftraining etwas ganz anderes: Ich bin allein, unwichtig und werde im Stich gelassen! Seine Kommunikationsversuche werden ignoriert, seine Bedürfnisse nicht ernst genommen und erfüllt. Frustriert und erschöpft schläft es ein. Das Vertrauen in seine Bezugspersonen kann nicht wachsen. Ein grosser Teil der erwachsenen westlichen Bevölkerung (in der Schweiz ein Drittel!) leidet unter psychischen Erkrankungen – vor allem Angststörungen und Depressionen. Viele der Betroffenen haben wenig Zugang zu ihren Gefühlen und sind daher unfähig, Bedürfnisse zu äussern. Unterdessen sehen Experten eindeutige Zusammenhänge zwischen frühkindlichen Erziehungsmethoden und späteren psychosozialen und physiologischen Störungen.

Das müsste nicht sein. Man muss es wissen und respektieren: Die ersten Jahre mit Kindern sind des Nachts oft erschöpfend und grenzwertig. Der grosse und wertvolle Einsatz, vor allem derjenige der Mütter, ist letztlich ein nachhaltiger Dienst an der Gesellschaft und gar nicht hoch genug einzuschätzen. Oder mit Christian Morgensterns Worten: Die beste Erziehungsmethode für ein Kind ist immer noch, ihm eine gute Mutter zu verschaffen.

DAS SPIEL

Spätestens als ich realisierte, dass es die freien wilden Indianer nicht mehr gab, wollte ich Fussballer werden. Das war mein grosser Wunsch als kleiner Bub und dafür lebte ich. Ein paar Jahre später suchte mich die Erkenntnis heim, dass dies einer meiner unerfüllten Träume bleiben würde. Weder hatte ich genug Kondition und Härte, um bei den Profis des FC Solothurn zu bestehen, noch gefiel mir das rohe, oft nur leistungsbezogene grobe Schimpf- und-Fluch-Klima. Dieses Erfolgsgehabe wurde mir zuwider. Die Freude am Spiel war dahin. Damals wurde das zwischenmenschliche soziale Element im Fussball nicht so gefördert wie heute. Meine Trainer verstanden nichts von Psychologie oder positiver Motivation. Ich wechselte mich also selbst aus und suchte mein Glück im Rock ’n’ Roll. Trotzdem blieb der Fussball für mich bis heute die wichtigste Nebensache der Welt und die Sommer ohne EM oder WM werden zur Durststrecke.

Unlängst hatte ich Ivan Ergić, das frühere Ausnahmetalent von Juventus Turin und FC Basel in meiner Radiotalkshow. Es war ein Highlight. Er öffnete sich komplett und sprach auch über die dunklen, schwierigen Seiten des Spitzensportes und seine Depressionen. Das war beeindruckend und unüblich in einem Geschäft, wo einzig Stärke und Sieg Trumpf sind. Ivan war nach der Sendung völlig happy und fuhr mich, trotz Umweg, nach Hause. Am anderen Tag bekam ich einen Anruf, ob ich zum Spiel kommen wolle. Der FC Basel hatte eine Freundschaftspartie in Hometown Solothurn, wo ich einst mein Fussballabenteuer abbrechen musste. Ich staunte, da ich von unserem FCS noch nie eine Einladung bekam, ausser wenn es darum ging, einen Matchball zu finanzieren. So zögerte ich nicht lange, packte meine Tochter gleich mit ein und ging mit leicht erhöhtem Pulsschlag an die alte Stätte des Grauens, auf den Acker der broken dreams.

Ivan holte mich direkt in die Spielerkabine und die Jungs begrüssten den Rocker herzlich. Degen und Zubi outeten sich als Ur-Krokusfans und gaben Vollgas. Die Krönung bot dann Cheftrainer Christian Gross: »Herren, wir haben heute einen Ehrengast … Er wird auf der Spielerbank Platz nehmen, der Transfer steht fast zu hundert Prozent fest, also spielt gut!« Dann ging’s ab. Es war göttlich, einmal aus dieser Nahperspektive einen Match erleben zu dürfen. Voll dabei, mitten in der Action, Schweiss und Rasen hautnah. Auch mein Tochterkind machte grosse Augen und rückte etwas näher an mich heran als sonst. Die schönsten neunzig Minuten des Jahres – das Wunder von Solothurn – nahmen ihren Lauf. Als mir der Chefmasseur noch sagte, dass diese Ehre noch niemandem in der Ära Gross widerfahren sei, war ich vollends von den Socken.

Trotzdem betrachtete ich dieses Spiel weder als Baselnoch als Solothurnfan. Mein liebster Grossvater selig hat mir schon als kleiner Junge auf die Frage »Wem hilfst du?«, die wichtige Botschaft vermittelt: »Die bessere Mannschaft soll gewinnen, am schönen Fussball wollen wir uns erfreuen.« An diesem Abend war das Basel. Obwohl sich Solothurn, wie wohl alle Gegner des FC Basel, kräftig ins Zeug legte. Als das ganze Happening vorbei war, bedankte ich mich, ging noch mal an die frische Luft und beantwortete die vielen Fragen meiner Tochter. Auf dem leeren Platz unter dem dunklen Abendhimmel sinnierte ich später: Eigentlich war es schon gut, wie es bei mir gekommen ist. Durch eine Niederlage, ein Scheitern, half mir das Leben auf den rechten Weg, hin zur Musik. Und all zu weit entfernt vom Spiel meines Herzens bin ich mit meinem Job als Coach und Musikspieler ja nicht.

Rock ’n’ Roller lieben Fussball und die Fussballer, die ich kenne, lieben Rockmusik. Tatsächlich gibt es viele Parallelen zwischen diesen scheinbar komplett verschiedenen Welten. Kein Spiel, kein Konzert ist gleich. Jedes Mal werden die Karten neu gemischt und die Sterne stehen anders. Die Tagesform ist entscheidend. Beides sind Spielgärten, kleine Inseln des Glücks in unserer hektischen Zeit. Eine Befreiung von der reinen Vernunft. Rock ’n’ Roll und Fussball trägt man im Herzen und im Bauch, nicht als Gesinnung. Regie führen Leidenschaft, Feuer und Drama. Beides sind Mannschaftsspiele, die dem Entertainment dienen, mit allen Höhen und Tiefen von Gruppenunternehmungen. Aus Individuen muss ein Kollektiv geformt werden. Das ist stets eine Herausforderung und Streitereien sind an der Tagesordnung. Fussballer wie Rock ’n’ Roller inszenieren gelegentlich ein gewaltiges Theater und erleben oft den grossen Kater. Sie werden von Frauen angehimmelt, umschwärmt und überschätzt. Im Match wie auf der Bühne ist das Publikum der »12te Mann«. Die Protagonisten reisen viel in der Welt herum, geben alles, feiern wilde Feste, kennen die grosse Leere und wissen plötzlich nicht mehr, wo ihr Zuhause ist. Beide zielen auf den ultimativen Score, den absoluten Hit, den grossen Erfolg.

Die einen kriegen dann die grossen Pokale – die anderen glänzende Goldscheiben. Wieder andere geben sich mit der Freude am Spiel und ein paar blauen Flecken zufrieden. Und genau darum geht es in der Musik wie im Sport. Nicht nur um Drill, Transpiration und Sieg, sondern vor allem um die Freude, die Kunst und die Leichtigkeit des Spiels. Was gibt es Schöneres und Nährenderes als ein vertieftes Spiel? Sei es als Kind oder als Erwachsener. Geben wir uns diese Freiheit, leben wir sie, so oft und so lange wir können! Sie kostet wenig und tut saumässig gut.

VON ZEILEN GESCHLAGEN

»Baby, schlag mich noch einmal!«, bettelte sich Britney Spears einst durch die Hitparaden. Ich würde allerdings lieber um Gnade bitten, wenn ich die Zeitungen lese: Schlag um Schlag dreschen die Zeilen über Gewaltvorkommnisse auf mich ein.

So soll eine Frau ihr Kind gleich nach der Geburt acht Jahre lang in ein Zimmer eingeschlossen haben. Die Polizei befreite das schmutzige Zombiekind, das kaum sprechen konnte und noch nie in der freien Natur war. Die Eltern, ein Bauernpaar, laufen offenbar frei herum. Derweil wird in Schweden eine Mutter in zweiter Instanz zu lebenslanger Haft verurteilt, weil sie die zwei Kleinkinder ihrer Nebenbuhlerin mit dem Hammer erschlagen hat. Weiter lese ich, dass in Pakistan die Scharia wieder an Einfluss gewinnt und Frauen gesteinigt werden oder Gliedmassen abgehackt bekommen. Adel Abdessemed, ein Künstler aus New York, filmt, wie Tiere mit einem Hammer erschlagen werden und präsentiert diese Videosequenzen auf Ausstellungen in der ganzen Welt. Ferner will eine junge Schweizer Verkäuferin nicht bemerkt haben, dass sie schwanger war, und so gebar sie bei einem Bad in der Emme ihr Kind. Es wurde weggeschwemmt und Tage später in der Kompostieranlage tot aufgefunden.

Aus den gelesenen Zeilen erstellt mein Kopf Bildli, ob ich will oder nicht. Ich sehe Menschen hinter den Buchstaben. Leidende und Austeilende. Das ist je nach Tagesform beinharte Kost für mein Gemüt, die ich mir im Grunde gar nicht antun möchte. Allerdings leide ich unter einem untherapierbaren Heilewelt-Fluchtreflex, der mich immer wieder ins Schlachtfeld der Schauerrealitäten zurückführt. Ich will damit nicht sagen, dass mich das Böse und Dunkle anzieht, das nicht, aber es gehört eben auch zum Leben. Ich schwanke zwischen Wut, Trauer, Ohnmacht und Abscheu, während andere vielleicht gerade zufrieden golfen, jassen oder dem Schlager und den Jodelliedern der schönen heilen Welt lauschen.

Die Medien befinden sich mit der Berichterstattung in einem Zweispalt. Es wird erwartet, dass der Nachrichtenapparat schonungslos ans Tageslicht befördert, was krummläuft. Allerdings ist es für die Journalisten ein ewiger Eiertanz, sich tagtäglich unter Zeitdruck entscheiden zu müssen, was sich in den Dienst der Informationspflicht stellen lässt und was für die Leserschaft bei der täglichen Zeitungs- und Onlinelektüre bei Kaffee und Gipfeli verkraftbar ist, wo werden die Grenzen überschritten? Es braucht eine gewaltige Portion Feingefühl, damit eine Meldung beim Konsumenten nicht das Gefühl von Skandalgeilheit und Voyeurismus aufkommen lässt und trotzdem nicht beschönigt, wo es nichts zu beschönigen gibt. In gewissen Boulevard-Medien ist vieles längst zu einer Piepshow in Sachen Sex, Gewalt und Elend verkommen, das nur noch ein Gefühl von Resignation und Ekel hinterlässt.

Gibt es wirklich kein angeborenes kollektives Gerechtigkeitsempfinden? Wie stecken Menschen, deren Kinder ohne Betäubung mit Glasscherben oder rostigen Rasierklingen an ihren Genitalien verstümmelt werden, die Schreie ihrer Kinder weg? Andere Menschen, andere Länder, härtere Sitten … Aber in deren Brust befindet sich doch auch ein Herz?! Warum vermögen sie nicht die Notbremse zu ziehen, wenn es um ihr eigenes Kind geht? Sind ihnen Mitgefühl und Barmherzigkeit abhandengekommen? Gerne würde ich vermuten, dass der Mensch über ein natürliches Mass an Nächstenliebe verfügt. Aber es scheint eine zunehmende Gattung Menschen zu geben, die selber nie in den Genuss davon gekommen ist und sie scheinbar auch nicht kennt. Wie sonst sind solche Grausamkeiten zu erklären? Manchmal staune ich zwar, wie hart manche Menschen im Nehmen sind. Es gibt Beispiele von Frauen und Männern, denen unbeschreibliches Leid zugefügt wurde und die trotzdem in ihrem Seelenkern heil, friedfertig und sogar fröhlich geblieben sind. Dann wieder hört man von Jugendlichen, denen es, natürlich nur oberflächlich betrachtet, an nichts gemangelt hat in ihrem bisherigen Leben und die sich trotzdem zu wandelnden Bestien entwickelt haben. Es gibt Menschen, die können trotz der Absenz von Liebe und in widerlichem Umfeld die Kurve irgendwie kriegen – andere zerbrechen daran und schlagen zurück.

Das Böse ist unter uns und nicht kleinzukriegen. Meine Hoffnung auf eine gewisse Linderung liegt beim Nachwuchs. Die Zukunft liegt in ihrer Hand und damit in unserer. Wir leben es vor, wie man Böses tun oder Gutes unterlassen kann – und umgekehrt. Also sollten wir unternehmen, was in unserer Einflusskraft liegt, damit wir keine lieblose, abgebrühte und wegschauende Gesellschaft züchten. Toleranz hört da auf, wo Macht und Gefühlskälte gewaltsam ausgespielt werden. Jede Kultur, die mit der Devise »Schlagen und schlagen lassen« lebt, ist entschieden abzulehnen.

Ich will jetzt nicht grübeln, an welcher Sorte von Schlägen die adrette Britney sich zu erquicken pflegt. Denn ich gehe davon aus, dass in ihren Kreisen das grosse Wort NEIN respektiert wird. Dieser Zustand scheint auf unserer Welt auch im dritten Jahrtausend noch ein riesiges Privileg zu sein. Leider.

KEBAB U KE MAM

Das ist doch crazy! Die eine Hälfte der Welt ist permanent am Hungern – die andere frisst Designermüll oder ist auf irgendeiner bescheuerten Diät! Trotz des grossen Biotamtams: Fastfood und Zucker sind unaufhaltsam auf dem Vormarsch und es ist beinahe ein Kunststück, im kulinarischen Dschungel den Fallgruben auszuweichen. Wie gefährlich Zucker und künstliche Süssstoffe sind, erleben wir bei den Kindern. Viel zu oft, viel zu früh! Babys haben von Natur aus noch kein Bedürfnis nach Süssem. Es fängt mit der Mitesserei an. Wie die Grossen, so die Kleinen. Erst einmal darauf abgerichtet, wollen sie nur noch Süsses, und plötzlich ist alles, was nicht nach Dessert schmeckt, verpönt. Man züchtet ihnen sozusagen eine süsse Zunge an und geht das Risiko ein, dass sie die Freude an den einfachen, frischen, ungekünstelten Geschmäcken verlieren. Überall wird mit künstlichen Aromen nachgeholfen. Nelken-, Rosen- und Grasgeruch, gemischt mit einem leichten Schuss Nagellackentfernerduft, und fertig ist das kräftige Bananenaroma. Bon Appetit! Dafür sperrt der von der Industrie und vom Steuerzahler gemästete Heilmittel-Rottweiler Swissmedic das gänzlich natürliche, altbewährte pflanzliche Süssmittel Stevia für den freien Markt. Das verstehen die Geier!

Man hat festgestellt, dass viele Menschen der Kebab-uke-mam-Generation natürliche Nahrungsmittel nicht mehr geniessen können, weil sie ihnen zu fad erscheinen. Zucker und Fette sind Geschmacksverstärker. Täglich sehe ich dieses Bild: Die Kleinen hocken im Kindswagen und nuckeln den ganzen Tag am Eistee- oder Sirupgütterli. Oft haben sie schon vor dem Schuleintritt schwarze Stummel im Mund. Das müsste nicht sein, aber nicht nur Ausländer Mums and Dads verwechseln mütterliche Güte und Fürsorge häufig mit der süssen Verwöhnung. Mir fällt auf, dass viele Schweizer Eltern, selber der Fluortäfeligeneration entstammend, vergessen haben, dass die Zähne geschont werden müssen. Man ist wieder nachlässig geworden.

Schnellfutter ist nicht nur wegen des fragwürdigen Nährwertes auf Dauer ungesund, es ist auch ein mächtiger Ritenkiller. Klar ist es nicht immer möglich, miteinander zu essen, aber das Familienritual des gemeinsamen Zusammenkommens bei Tisch ist etwas sehr Wichtiges. Tischgespräche sind in einer Familie die Gelegenheit, Kommunikation und Gemeinschaftssinn zu üben. Essenszeit ist auch die Zeit, um aneinander teilzunehmen. Ich bedaure, dass es zunehmend viele Familien gibt, bei denen einfach jeder irgendetwas aus dem Kühlschrank fischt und sich damit vor den Flimmerkasten knallt. Oder wo die Mutter sich alle Mühe gibt, gut und abwechslungsreich zu kochen und dies nicht mal mit einem kurzen Boxenstop oder einem lieben Dankeschön gewürdigt wird. Dabei ist der gedeckte Tisch ein Geschenk.

Kindergärtnerinnen und Lehrkräfte wissen, wie unmittelbar sich die Ernährung auf Verfassung und Gesundheit von Kindern auswirkt. Kommt eines der Kleinen morgens durchsichtig und schlapp herein, dann kann man fast sicher sein, dass es kein Frühstück eingenommen hat. Viele

Erwachsene essen morgens selbst nichts und bevorzugen es, eine halbe Stunde länger im Nest zu liegen. Kinder aber haben keinen grossen Speicher. Sie brauchen häufiger etwas, dafür in kleineren Portionen. Die Kleinen sind auch nicht in der Lage, sich durch Kaffeegenuss und Zusammenreissen bis zur Pause durchzumogeln, ohne dass es auffällt, dass sie völlig aufnahmeunfähig sind. Wie schwierig es ist, den nachlässigen Eltern beizubringen, dass sie Vorbild sein sollten und dass ihr ungenügend ernährtes Kind es auch schwerer beim Lernen hat, und wie oft der Satz: »Gmües u Frücht het’s nid gärn« neben dem »Was geht Sie das eigentlich an?«, fällt, kann ich mir lebhaft vorstellen. Der Trend, dass viele Kinder kaum mehr wissen, woher Milch, Eier und Käse kommen, verstärkt sich. Da lobe ich mir Jamie Oliver, der in den Schulen oder bei Eltern in England zu frittiertem Schrottfood und seinen Folgen Klartext redet. Auch wenn die weissen 13-Stern-à-la-minute-Kochgötter ihn in die Pfanne hauen – von mir bekommt er ein ganzes Sternenuniversum.

Kinder sollte man miteinbeziehen, schon die Kleinsten können auf einem Stuhl stehend mithelfen. Das Kochen dauert dann halt etwas länger und vielleicht gibt es eine Sauerei, macht aber die Ernährungsfrage interessanter. Wer eigenhändig gekocht hat, möchte auch, dass es geschätzt wird. Kinder lieben es, selber Früchte und Gemüse zu ziehen – und wenn’s nur Cherrytomätli sind oder ein Kresseigeli auf dem Balkon. Natürlicherweise beobachten sie gerne, wie etwas wächst. »Food-miles-Nahrungsmittel«, also solche, die aus fremden Ländern angekarrt und eingeflogen werden, sollten wir hingegen nicht nur wegen der Fruchtfliegen sparsam verwenden. Das Gute liegt ja so nah!

Der Mensch beteuert ununterbrochen die Liebe zur Natur. Das gilt als chic – besonders beim Homo Urbanisationis, der vielleicht ab und zu mal bei schönem Wetter eine Runde durch den Stadtwald joggt. Dabei hat er oft herzlich wenig Ahnung davon, wie weit er von ihr entfernt ist. Obwohl sie es ist, die uns seit jeher den Tisch deckt. Und sie wird es auch bleiben.

BITTE EINMISCHEN!

Im weissen Bademantel trat ich in Aktion – leider nicht nach einem Konzert wie Udo Jürgens, sondern nach einer schockierenden Szene, die ich, frisch aus dem Bad kommend, an meinem Fenster verfolgte. Eine russische Nachbarin war auf dem Weg zur Krippe gerade im Begriff, ihr eigenes Kind mit Tritten in den Bauch spitalsreif zu schlagen. Ich zögerte keine Sekunde und sprang auf die nahe Strasse, um ihr Einhalt zu gebieten. Es war unglaublich: Das Kind schrie und sie schnauzte mich an, ich solle gefälligst verschwinden, dies sei nicht meine Sache! Ich entgegnete ihr, dass ich dies aber zu meiner Sache mache, hob das Kind vom Boden auf, verlangte Name und Adresse der Mutter bei der Krippe und meldete den Vorfall der Fürsorge. Dort war sie natürlich kein unbeschriebenes Blatt.

Kaum eine Woche vergeht, in der die Presse nicht über schockierende Übergriffe und Misshandlungen berichtet. Vor Kurzem lasen wir von diesem Sektenfreak und seiner Partnerin, die seine Kinder im Namen Gottes auf das Übelste misshandelten, bis eines zu Tode kam. Dann vom serbokroatischen Jungrowdie, der den dreijährigen Buben Cain wiederholt malträtierte und ihn schliesslich mit einem Besenstiel erschlug. Oder vom kaltblütigen Amokjüngling, der einem Schwinger und Familienvater die Kehle aufschnitt. Der Missbrauch von mindestens 122 Behinderten durch einen »gut ausgewiesenen, sympathischen« Sozialtherapeuten ist ein weiterer Skandal. Man reibt sich die Augen. Wie konnte so etwas fast drei Jahrzehnte lang unentdeckt bleiben? Ein komplettes Versagen, eine unentschuldbare Schlendrian-Wegschau-Posse der Beteiligten und Verantwortlichen. Es nimmt kein Ende und ein Gefühl der Ohnmacht macht sich in mir breit. Trotz allem Fortschritt, allem Wissen und aller Intelligenzia bricht das Kranke und Brutale im Menschen durch. Vor allem bei jenen, die in gewissen Ländern eine andere Auffassung von Gewalt anerzogen bekamen, weil Krieg, Korruption und Tod täglich voll präsent waren. Für mich ist es schlicht einleuchtend, dass ein Wesen – egal ob Mensch oder Tier –, das mit der nackten Gewalt vor Augen aufgewachsen ist, eine ungezwungene Einstellung zu ihr entwickelt. Besserung ist leider nicht in Sicht.

Es erstaunt uns aber, wie schnell ein Täter oft freikommen oder steuerfrei auf unsere Kosten in einer Viersterneanstalt logieren kann. Unser Strafgesetz ist mangelhaft und die Umsetzung zuweilen ein Joke! Die Gesetzesverdreher sind in ihrem Element und schaffen es, Opfer- und Täterrolle zu vertauschen. In den oben genannten Fällen gab es längst Mitwisser auf Amtsebene. Die Peiniger prahlten sogar in der Öffentlichkeit mit ihren jenseitigen Haltungs- und Erziehungsmethoden. Warum wurde nichts unternommen? Kann ein Klima der Angst so gross werden, dass man schicksalsergeben die Achseln zuckt und wegschaut?! Ich kann es mir nur so erklären: Unter den Tisch wischen ist einfacher – sich einem Grobian in den Weg zu stellen, braucht eine riesige Portion an Zivilcourage und Entschlossenheit. Einmischen ist unangenehm und lästig und man kann schnell selbst zum Opfer oder Buhmann werden. So erging es auch den beiden Angestellten des Zürcher Sozialamtes, die intern ständig überhört oder belächelt wurden, bis sie schliesslich die unglaublichen Missstände im Staatsbetrieb aufdeckten und publik machten. Daraufhin wurden sie von selbstgerechten Alibichefs, die zum Teil heute noch im Amt sind, mies- und schlechtgeredet und verloren ihren Job. Obendrauf wurden die beiden mutigen Frauen vom kantonalen Obergericht schuldig gesprochen – eine bodenlose Frechheit dieser Heuchlerinstanzen. Für mich unfassbar. Man darf ruhig mal das Buch »Störfall im Sozialamt« lesen, da bleibt einem schlicht die Spucke weg.

Auf Behörden und Funktionäre kann man sich blind verlassen, wenn es um fragwürdige Gesetze, Kosten und bürokratische Schikane geht. In den oben genannten Angelegenheiten aber werden viele allein gelassen und wir müssen selbst beherzt eingreifen. Es will mir nicht in den Kopf, weshalb die Schweiz nicht längst ein Missbrauchsund Vergewaltigungsregister führt, wie es in anderen Ländern gang und gäbe ist. Damit würden nicht alle Probleme behoben sein, aber wir hätten deutlich mehr Transparenz und Gewissheit. Angesichts solcher Verbrechen den Datenschutzblues und das Menschenwürdelied zu trällern, scheint mir abartig! Von wessen Würde sprechen wir denn? Schauspieler Till Schweiger spricht erfrischend Klartext: »Wer sich in dieser Sache gegen eine Meldepflicht wehrt, ist schlicht dumm oder naiv. Viele denken, es passiert im Fernsehen, es passiert im Kino, es passiert den anderen, aber sicher nicht mir. Ein fataler Irrglaube. Und das hat auch rein gar nix mit Populismus zu tun. Ein Vergewaltiger, Mörder und Kinderschänder hat das Recht auf Geheimhaltung seiner Taten verwirkt. Ende der Diskussion!«

Jawohl. Wir müssen dringend lernen, Wahrheiten auszusprechen, auch wenn sie wehtun. Und die Zuständigen in Bern sollten die rosa Gutmenschenbrille ablegen und erkennen, dass nicht nur das edle, nette und liebe, sondern auch das böse und hinterhältige Element unter uns weilt. Natürlich ist jeder Täter auch ein Opfer, hat seine Leidensgeschichte, benötigt Therapien und vieles mehr. Blosses Verdammen und Richten ist zu einfach. Trotzdem müssen griffige niederschwellige Massnahmen her. Jeder von uns hat ein Recht auf unbedingten Schutz, dem müssen Papa und Mama Staat höchste Priorität einräumen! Nicht immer ist rechtzeitig ein Bademantelrocker oder Schutzengel zur Stelle …

SUMMER OF LOVE

1967! Lange ist es her – wie ein Flügelschlag kommt es mir heute vor. Ich stand damals in Neuenburg kurz vor der Matura und lebte in einer kleinen Dachkammer, wo die Pensionsmutter permanente Sittenpolizistin spielte. An meiner Wand hing der Spruch Wir sind diejenigen, vor denen uns unsere Eltern gewarnt haben. Ich fand’s cool, dass sich dieser Spruch langsam aber sicher zu verwirklichen begann. Der Summer of love, der eine Art Amtsantritt als neuer Mensch für mich darstellte, begann mit dem blauen Brief an die Eltern. Die klare Message war: Am Ende des Semesters gibt der Pseudostudent von Rohr das Besteck ab. Ende, fertig, aus und Schluss mit dem programmierten Leerlauf, dem sich selbst nützlich machen und dem blinden Glauben an den seelenlosen, technokratischen Fortschritt. Ich wollte mich selbst verwirklichen und mich wenigstens teilweise wieder erkennen in dem, was ich tat. Der endgültige Sprung ins selbstbestimmte Leben und in die Gemeinschaft der Musiker war angesagt. Hörte ich mir an, was die neuen Bands aus ihren Instrumenten und ihren Stimmen herausholten, wusste ich kristallklar: Das war meine Welt und sonst gar nichts! Ich stand komplett unter Strom. Was sich heute vielleicht unspektakulär oder als Modelaune anhört, war damals eine Revolution.

Was war passiert? Viele junge Menschen hatten in jener grauen Zeit, wo die obersten Kragenknöpfe noch geschlossen getragen wurden, genug von der uniformierten, heuchlerischen und unauffälligen Schaffä-Schaffä-Häusle-Bauä-Mentalität und natürlich auch von der Kriegerei. Wir wollten unsere eigene Version der Lebenssoap durchwandeln. Angepasst sein und »du sollst dich so und so«verhalten war out – »Come on baby light my fire« von den Doors in. Wir lebten zwar nicht im warmen California, aber wussten genau, was gemeint war. »Ja, wo kämen wir denn da hin, wenn alle so denken und leben würden?«, war der Nonstop-Rap der Angepassten. In meinem tiefen Inneren wusste ich, dass diese Aussage unwahr und grotesk war. Es würden nie alle so fühlen wie wir. Durch gesellschaftskritische Bücher, gewagte Beat-Texte und Undergroundinformationen wagten wir die Antithese und begannen, an der Glaubwürdigkeit der Eltern und den herkömmlichen Wertvorstellungen zu zweifeln. Denn unterdessen hatte der Fernseher die guten Stuben erobert, und obwohl die Farben darin noch fehlten, war doch deutlich zu erkennen, dass andernorts die Welt skrupellos in Schutt und Asche gelegt wurde oder der kalte Krieg tobte. Die Frauen wurden hierzulande vom Staat auf politischer Ebene immer noch ignoriert, und wer halblange Haare oder farbige Socken trug, wurde wie ein Mensch dritter Klasse behandelt.

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