Kitabı oku: «Frauenrechte sind Menschenrechte - weltweit», sayfa 2
■ Peking, die 4. Weltfrauenkonferenz
Weltfrauenkonferenzen sollten in allen UN-Kontinenten stattfinden. Das war eine Verabredung. Die Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 war eine politische Herausforderung. Das chinesische Regime galt als autoritär und ideologisch festgelegt, die Unterdrückung von Menschenrechten war bewiesen. Nach dem Motto «Wandel durch Annäherung» gelang der Spagat, sowohl die Regierungskonferenz wie die Treffen der Zivilgesellschaft in China stattfinden zu lassen. Frauenpolitisch gelang auf dieser Weltfrauenkonferenz ein Durchbruch. Die Aktionsplattform von Peking verdient ihren Ruf als visionäre Handlungsanweisung an Regierungen, weil es Stillstand in der internationalen Gleichstellungspolitik gab und weil sich angesichts der Frauenbewegungen und ihrer Unterstützung weltweit weder die sogenannten Großmächte noch die fundamentalistisch orientierten Kreise in Religionen oder Ideologien zu Angriffen auf Frauenrechte trauten. Damals konnte die internationale Zivilgesellschaft die Regierungen noch unter Druck setzen, weil Gleichstellung ein politisches Profilierungs- und Wahlkampfthema war.
■ Meilenstein Kairo 1994
Ohne die Weltbevölkerungskonferenz 1994 in Kairo, wäre der Erfolg der Konferenz von Peking kein Durchbruch geworden. Gegen die Widerstände von den USA, den arabischen Staaten und dem Vatikan wurde der universale Zugang von Frauen auf reproduktive Gesundheit und reproduktive Rechte durchgesetzt. Damit zählt die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen zum Erfolgskanon der Weltfrauenkonferenz. Die Konferenz stellt fest, dass menschliche Sexualität und Geschlechterverhältnisse eng miteinander verbunden sind und sich zusammen auf die Fähigkeit von Männern und Frauen, sexuelle Gesundheit zu erreichen, aufrecht zu halten und ihr reproduktives Leben zu verwalten auswirken. Gleiche Beziehungen erfordern gegenseitigen Respekt und die Bereitschaft, Folgen der sexuellen Freiheit zu übernehmen. In vielen Ländern haben schädliche Praktiken zur Kontrolle der Sexualität von Frauen, zu großem Leid und Menschenrechtsverletzungen geführt, wie zum Beispiel die weibliche Genitalverstümmelung.
Reproduktive Gesundheit, so die Erklärung von Kairo, verbürgt das Recht von Männern und Frauen zum Zugang zu sicheren, wirksamen, erschwinglichen und akzeptablen Methoden der Familienplanung ihrer Wahl. Reproduktive Rechte umfassen Menschenrechte, die in internationalen Menschenrechtsdokumenten der Vereinten Nationen anerkannt sind. Es gibt daher das Recht Entscheidungen für Reproduktion frei von Diskriminierung, Zwang und Gewalt zu treffen. Alle Staaten werden aufgefordert die reproduktive Gesundheit über das primäre Gesundheitssystem zugänglich zu machen. Auch der Schwangerschaftsabbruch wird aus Gründen der Gesundheitsfürsorge genannt, weil er professionell dort durchgeführt werden soll, wo er nicht verboten ist. Information, Beratung und Dienstleistungen sollen auch jugendlichen und erwachsenen Männern zugänglich gemacht werden. Familienplanungsprogramme sind von wesentlicher Bedeutung.
■ Peking 1995 nicht zum Mahnmal verkommen lassen
Peking 1995 ist kein Vermächtnis. Die Aktionsplattform ist der Dorn in der Rose, der Stachel in jeder nationalen Gleichstellungspolitik, die so unbefriedigend läuft, dass weltweit die Frauen nach Untersuchungen vom Weltwirtschaftsforum 2020 noch weitere 100 Jahre auf Gleichstellung warten müssen. Das kann die Frauenbewegung nicht zulassen. Schließlich hindern weiterhin weltweit existierende Geschlechterstereotype und diskriminierende Normen sowie Verhaltensmuster Geschlechtergerechtigkeit. Der Mangel an Teilhabe der Frauen an politischer und wirtschaftlicher Macht verhindert den Respekt vor und den Schutz von FrauenMenschenrechten. Geschlechtergerechtigkeit ist weltweit durch den zunehmenden Autoritarismus, den Mangel an Demokratie, den Rechtsextremismus, die Diskriminierung der Frau und den Widerstand gegen die Rechte der Frau, vor allem in ihrem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, bedroht. Es fehlt zunehmend mehr an gleichstellungspolitischen Institutionen und an der Finanzierung von Geschlechtergerechtigkeit institutionell und personell. In keinem gesellschaftlichen Bereich reicht die Sensibilität für Diskriminierung als Menschenrechtsverletzung aus.
Die Aktionsplattform von Peking 1995 kennt zwölf kritische Problembereiche, in denen nach Auffassung der Weltfrauenkonferenz vorrangiger Handlungsbedarf besteht. Vorrangige Handlungsfelder sind: Frauen und Armut, Bildung und Ausbildung von Frauen, Frauen und Gesundheit, Gewalt gegen Frauen, Frauen und bewaffnete Konflikte, Frauen und Wirtschaft, Frauen in Macht- und Entscheidungspositionen, Institutionelle Mechanismen zur Förderung der Frau, Menschenrechte der Frauen, Frauen und die Medien, Frauen und Umwelt und Mädchen.
Die Aktionsplattform von Peking hat einfache und visionäre Vorstellungen, wie eine Welt der geteilten Verantwortung für beide Geschlechter aussehen soll. Im Rückblick begeistern sich Frauenaktivistinnen immer noch. Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu erinnert: «Das aufregendste in Peking war die enorme Vorbereitung der Frauen. Vor der Konferenz haben wir an einer starken, inhaltlich sehr unterschiedlichen Agenda gearbeitet, in der die Forderung nach der Gleichstellung der Geschlechter, nicht nur eine Forderung und Erklärung war, sondern eine Maßnahme zum Nutzen der Frauen, um sie in die nachhaltige Entwicklung einzubeziehen, zur Lösung aller Konflikte, mit denen Frauen konfrontiert sind, und zur Beendigung der Gewalt. Es war eine beispiellose Versammlung von Frauen, die ihre Stimme erhoben.» Die liberianische Jugendaktivistin June Wutoh stellt fest: «Die Konferenz in Peking hat uns das Gefühl gegeben, das wir mehr tun, die Dinge relativieren und mehr Maßnahmen fordern müssen. Die Atmosphäre auf der Konferenz war aufregend … Nach der Konferenz habe ich beschlossen, mich auf Aktivismus und Anwaltschaft für die Rechte von Kindern und Frauen zu spezialisieren.» Die bolivianische Frauenaktivistin Diana Urioste hat die Eröffnung der Weltfrauenkonferenz von 1995 auch 2020 noch eindrücklich vor Augen: «Dank der Pekingkonferenz wurde Gewalt gegen Frauen sichtbar. Heute ist es nötig die Selbstbestimmung über den weiblichen Körper weltweit durchzusetzen und für sexuelle und reproduktive Rechte von Frauen zu kämpfen.» Allerdings sind die weltweiten Fortschritte langsam und uneinheitlich Die Ziele sind bis heute nur teilweise erfüllt. Wenige Regierungen wie die nordischen Staaten investieren kontinuierlich in die Gleichstellung der Geschlechter. Auch Frauenorganisationen werden unzureichend unterstützt. Befremdend sind die geringen Fortschritte zu Gleichstellungsstrategien wie Gender Mainstreaming, Gender Budgeting, Quoten und paritätischen Teilhabeforderungen.
Schwächen in der Umsetzung der Pekinger Aktionsplattform zeigen sich nach wie vor. Die Gründe liegen nicht in der fehlenden Zustimmung zu den Gleichstellungsnormen, sondern in unzureichender Umsetzung und Finanzierung. Die Gleichheit vor dem Gesetz wird in der Praxis häufig durch eine mangelnde Unterstützung durch den Staat, institutionelle Hindernisse und Zugang zu materiellen Ressourcen untergraben. So kommt es weiterhin zur Feminisierung von Gewalt, Armut und prekärer Beschäftigung sowie Sorgearbeit. Von Ausgrenzung, Gewalt und Diskriminierung sind dabei vorwiegend Frauen aus Armutsgebieten betroffen.
Die jährlichen Bilanzen der Frauenrechtskommission (CSW) zeigen immer wieder: Es gibt weltweit Fortschritte in der Umsetzung der Aktionsplattform von Peking. Sie sind aber uneinheitlich und langsam, gar zögerlich. Dramatisch sind die weiterhin bestehenden diskriminierenden Geschlechternormen und die vorherrschenden Geschlechterstereotype. Gewalt gegen Frauen bleibt weltweit auch deswegen eine Herausforderung für Regierungen und Institutionen. Sowohl Sanktionen wie Prävention und Rechtsvorschriften zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen haben an dem traurigen Zustand nichts geändert, dass jede vierte Frau weltweit bereits einmal Gewalt ausgesetzt war. Alle UN-Staaten werden zu Maßnahmen aufgefordert, Gewalt gegen Frauen zu verhindern, Gewalt zu beseitigen, präventiv tätig zu werden und Frauenhandel abzuschaffen. Es gibt inzwischen viele Strafgesetze, nationale Aktionspläne und die Europaratskonvention gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Die Istanbul-Konvention ist ein wichtiges Beispiel für die Durchsetzungskraft der Zivilgesellschaft: Nein heißt Nein!
Die damalige UN-Generalsekretärin für die Weltfrauenkonferenz 1995, Gertrude Mongella aus Tansania, schlug besondere Maßnahmen vor, um gleichstellungspolitische Fortschritte zu erzielen. Gebraucht werden der Wandel von diskriminierenden gesellschaftlichen Normen und Geschlechterstereotypen, der Wandel der Wirtschaft zugunsten der Gleichstellung der Geschlechter und der nachhaltigen Entwicklung, die gleichberechtigte Partizipation der Frauen an allen Entscheidungsprozessen, die Verwirklichung der Menschenrechte von Frauen und deutlich gesteigerte kontrollierbare Investitionen in die Geschlechtergleichstellung. In Addis Abeba auf dem Peking+25-Gipfel der afrikanischen Staaten 2020 forderte sie erneut die Einlösung ein.
■ Peking +25 Jahre: Weiterkommen wäre möglich gewesen
Eine Bewertung der Umsetzung von der Aktionsplattform von Peking durch den UN-Generalsekretär 2019 lohnt und kann ein Blick in die Zukunft werden, wenn die konkreten Umsetzungsfortschritte endlich erfolgen, zu denen Regierungen verpflichtet sind. 2015 übernahm die UN-Agenda 2030 zu nachhaltiger Entwicklung die wichtigen Forderungen der Aktionsplattform von Peking und muss sie bis 2030 einlösen. 2020 verpflichten sich die UN-Staats- und Regierungschefs erneut zur beschleunigten umfassenden Umsetzung in ihren Staaten.
Die Bilanz von 25 Jahre Peking 1995 ist gemischt. In den unterschiedlichen Handlungsfeldern sind Frauen Gewinnerinnen oder Verliererinnen. Es geht um keinen Wettbewerb. Schließlich sollen alle Frauen gleichgestellt werden. So setzen Weltregionen wie die Europäische Union zu Recht auf die Bekämpfung von Frauenarmut, weil mehr Frauen als Männer von Armut bedroht sind oder in Armut leben. Die meisten armen Frauen leben in ländlichen Gebieten. Armut wird als mehrdimensionales Problem begriffen. Armut wird nicht allein als Einkommensarmut verstanden, sondern auch als Ressourcenarmut. Es geht um den gleichen Zugang zu Ressourcen aller Art wie Kredite, Eigentum, Wasser, Wissen und die Berücksichtigung der Frauenfrage bei allen makroökonomischen Strategien. Diese Forderung übernimmt Ziel 5 der UN-Agenda 2030, auch in den Unterzielen.
Nicht-diskriminierende Bildung auf allen Ebenen und in allen Formen wird für Frauen als Menschenrecht gesehen. Es trägt dazu bei, Menschen die gleichen Chancen zu gewährleisten, ihre Potenziale zu entwickeln, das Analphabetentum abzuschaffen und ein nichtdiskriminierendes Bildungs- und Ausbildungswesen zu entwickeln. Trotz beeindruckender quantitativer Erfolge in der Mädchenbildung bleiben geschlechterbedingte Zugangshindernisse wie Menstruation und Schulgeld, die zu Schulausfallzeiten bei Mädchen führen, statistisch weitgehend nicht erfasst. Es bleibt überdies bei der Tatsache, dass 60 % aller Analphabeten Frauen sind und hiergegen wenig unternommen wird. Der Schutz der Rechte von Mädchen und ihre Teilhabe am wirtschaftlichen, sozialen und politischen Leben wird für alle Aktionsbereiche betont. Ihre besondere Verletzlichkeit wird durch den eigenen Forderungsteil herausgestellt, weil Mädchen die Zukunft sind und ihre Schutzlosigkeit zu einer besonderen Mädchenförderung in Bildung, Gesundheit, Ernährung, Erwerbsarbeit und Gewaltverhinderung verpflichtet. Das gilt heute insbesondere auch für Digitalisierungsbildung.
Frauen wird wie Männern das Recht auf körperliche, geistige und soziale Gesundheit versprochen sowie ein Höchstmaß an Information. Gleichzeitig betont das Aktionsprogramm besondere Vorsorgeprogramme für Frauen sowie den Schutz sexueller und reproduktiver Gesundheit wie sie bereits von der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo 1994 gefordert worden ist. Nach Angaben des Weltwirtschaftsforums sind die Fortschritte in Richtung gleichberechtigte Gesundheitslage sehr groß. Allerdings bleiben Herausforderungen bei der reproduktiven Gesundheit und den reproduktiven Rechten der Frauen. Nur 50 % der Frauen im südlichen Afrika können über Verhütungsmittel und Kinderzahl bestimmen.
Die UN-Sicherheitsrats-Resolution 1325 aus dem Jahr 2000 und die mit ihr verbundenen späteren Resolutionen unterstreichen wie die Aktionsplattform die besondere Verwundbarkeit der Frau in bewaffneten Konflikten durch Massenvergewaltigung und Versklavung, aber auch ihre besondere Rolle bei Friedensverhandlungen und fordert ihre gleichberechtigte Partizipation an Konfliktlösungen. Allerdings bleiben die UN-Entscheidungsstrukturen zur Konfliktbewältigung trotz eindeutiger Erfolge von Frauen als Friedensstifterinnen z. B. im Fall der Großen Seen in Afrika männerdominiert.
Das Economic Empowerment von Frauen als Zielgröße hat in der Aktionsplattform ihren Ursprung. Es geht um die Stärkung der Rechte und die ökonomische Unabhängigkeit der Frauen, die Überwindung von Beschäftigungsverboten, von Lohndiskriminierung, von ungleichen schlechteren Arbeitsbedingungen und die Durchsetzung von Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die UN-Agenda 2030 nimmt diese Ziele von Peking auf. Diese Strategie wiederholt die G-20-Strategie von Brisbane mit dem Ziel, die Frauenerwerbstätigkeit um 25 % zu erhöhen, um ein höheres Wirtschaftswachstum zu erzielen. Dabei muss es um gute Arbeit für Frauen gehen, die gleiche und gleichwertige Bedingungen in der Arbeitswelt zur Voraussetzung hat – von der Lohngleichheit bis zu den Arbeitsbedingungen. Selbst in der Europäische Union ist das Lohngefälle mit durchschnittlich 16 % weiterhin zu hoch.
Offen bleibt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie ist entscheidend für die gleichberechtigte Teilnahme der Frauen und Männer am Erwerbsleben. Fast die Hälfte der UN-Staaten kennt inzwischen spezifische Maßnahmen. Die Herausforderungen der Sorgewirtschaft (care economy) sind von den meisten Regierungen nicht begriffen oder werden wegen der finanziellen Implikationen immer wieder an den Rand geschoben. Die Covid-19-Pandemie verdeutlichte diese Herausforderung. Bezahlbare qualitativ hochwertige öffentliche Infrastrukturen für Kinderbetreuung oder im Pflegebereich sind alternativlos.
Die gleichberechtigte Partizipation der Frau in allen Entscheidungspositionen in Politik und Wirtschaft war ein zentrales Anliegen der Pekinger Aktionsplattform. Es geht um Gerechtigkeit und Demokratie sowie um die Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse von Frauen. Die Regierungen werden zum Handeln aufgefordert. 30-prozentige Quoten werden als Mindestgröße diskutiert. Die Ohnmacht der Frauen in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen will auch Ziel 5 der UN-Agenda 2030 überwinden. Frauen sind immer noch nicht paritätisch beteiligt. Angesichts von einem Frauenanteil von 25 % der Abgeordneten weltweit und der verschwindend geringen Zahl von Staats- und Regierungschefinnen sowie Bürgermeisterinnen 2020 gibt es hier einen dringenden Handlungsbedarf. Nicht einmal 5 % der Bürgermeister weltweit sind Frauen. Verbessert hat sich der Frauenanteil in wichtigen Positionen der Verwaltung, der Dritten Gewalt, der Zentralbanken und anderer Institutionen. Allerdings gibt es regional gesehen erhebliche Unterschiede.
Wegweisend waren die Beschlüsse zur Integration der Gleichstellung in nationales Recht. In allen öffentlichen Programmen und Maßnahmen, zum Gender Mainstreaming in öffentlichen Entscheidungsbereichen, zur Schaffung von Gleichstellungsbehörden sowie zur Verpflichtung der Staaten auf geschlechtsspezifische Datenerhebung und Datenanalyse. In den ersten Jahren nach Peking wurden viele gleichstellungspolitische Institutionen aufgebaut wie Frauenministerien, Gleichstellungsstellen bei den Regierungen, Gleichstellungsinstitutionen und -kommissionen oder Ombudsstellen. 2020 ist von den institutionellen Mechanismen zur Förderung der Frau wenig geblieben. Vor allem wurden im Zeichen von Sparmaßnahmen überall Personal- und Finanzmittel gekürzt, ohne die Strukturen und Ressourcen zur Gleichstellung weder erhalten noch gestärkt werden können. 80 % der UN-Staaten haben äußerst bescheidene nationale Gleichstellungspläne, die auch zur Umsetzung der UN-Agenda 2030 eingesetzt werden. Die Europäische Union und auch Deutschland haben 2020 immerhin erstmals eine ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie beschlossen.
Die universale und unveräußerliche Menschenwürde und die damit verbundenen Menschenrechte von Frauen sind Grundlagen für die Geschlechtergerechtigkeit. Die UN-Staaten müssen die Menschenrechte der Frauen respektieren, schützen und die Frauenrechtskonvention zur Bekämpfung jeglicher Diskriminierung von Frauen nutzen. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag verurteilt zu Recht Vergewaltigungen von Frauen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das allein hilft Frauen nicht. Alle Staaten müssen die Menschenrechte von Frauen mehr respektieren als bisher und Verletzungen hart sanktionieren. Das gilt vor allem für Staaten, in denen Geschlechterstereotype aus religiösen, kulturellen oder ideologischen Gründen Frauendiskriminierung legitimieren. Wichtig ist der gleichberechtigte Zugang zur Justiz, um Gerechtigkeit zugunsten von Frauen durchzusetzen. Nicht einmal 40 % der vergewaltigten Frauen weltweit haben die Chance, ihren Fall zur Anklage zu bringen. Den Medien wird eine besondere Rolle zur Bekämpfung von Geschlechterstereotypen, geschlechterspezifischen Traditionen und Vorurteilen eingeräumt. Deswegen fordert die Aktionsplattform zu Recht die Mitwirkung von Frauen und die klischeefreie Darstellung von Frauen in den Medien. Davon ist die Gesellschaft weltweit Meilen entfernt.
Aufbauend auf der Weltumweltkonferenz von Rio 1972 sind erste Schritte unternommen worden sind, um die Umwelt- und Geschlechterperspektive zu verbinden. Es wird die volle Partizipation der Frauen an umweltpolitischen und nachhaltigen Entscheidungen gefordert. Frauen werden als wichtige Akteurinnen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung gesehen. Es geht auch um die Auswirkungen von Umwelt- und Klimaschäden auf die Frauen. Heute müssen nicht nur die Auswirkungen von Entwicklungs- und Umweltpolitik auf Frauen, sondern vor allem das Klima thematisiert werden. Frauen sind von Klimakatastrophen am meisten betroffen, vor allem in Afrika und Südasien.
■ Versprochen – nicht gehalten
2020, 25 Jahre später, hält sich der Frauenzorn über die nicht eingelösten Versprechen der Weltfrauenkonferenzen und der folgenden UN-Generalversammlungen in Grenzen. Die von den UN 2020 vorgelegten Umsetzungserfolge sind nicht beachtlich: Fast alle UN-Staaten haben die Gleichstellung der Geschlechter in ihren Verfassungen verankert. 278 Gesetze oder Rechtsreformen wurden verabschiedet, um die Gleichstellung zu fördern. Mehr Mädchen als je zuvor gehen zur Schule. Die Müttersterblichkeit ist um 38 % (2000 bis 2017) gesunken.
Viel zu tun gibt es nach dem Bericht des UN-Generalsekretärs zur Umsetzung der Aktionsplattform von Peking vom 13. Dezember 2019 für alle Akteur:innen, um die Aktionsplattform in gesellschaftliche Wirklichkeit umzusetzen und damit die strukturelle soziale Diskriminierung der Frau zu beseitigen: Nur 10 % der Regierungschefs sind weiblich, nur 25 % der Abgeordneten weltweit sind Frauen. Das Risiko absoluter Armut ist für Frauen 25-mal höher als für Männer und damit überproportional hoch. Frauen leisten dreimal so viele Stunden unbezahlter Sorge- und Hausarbeit wie Männer. In der Arbeitswelt beträgt die Genderlücke bei Beschäftigung seit den 1990er-Jahren 31 %, beim Lohn 16 % und nur eine von vier Managern ist eine Frau. 31 % der jungen Frauen haben 2020 weder einen Schul-, Studien-, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz (Männer: 14 %). Nur 14 % der Landtitel sind in Frauenhand. Enttäuschend ist es auch, dass sich die bessere Bildung der Frauen nicht positiv auf Geschlechtervorurteile und Geschlechtergleichstellung in Arbeitswelt und Gesellschaft auswirken.
Dramatisch bleibt häusliche Gewalt gegen Frauen, die während der Covid-19-Pandemie zugenommen hat und weltweit Frauen trifft. Gewalt gegen Frauen in jeglicher Form ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Verbrechen. Weniger als 40 % der Frauen haben Zugang zu Gerichten, um Gewaltverbrechen anzuklagen.
Viel zu wenig beachtet weltweit wird die lila Lücke. Diskriminierende Normen und Geschlechterstereotype behindern alle Frauen in der Weltgesellschaft. Die Influencerin ist wie das Modell, die Kassiererin, die Pflegekraft oder die Professorin Jagdobjekt und nicht frei von männlicher Geringschätzung. Diskriminierung kann schon in der Geringschätzung der Frau oder in der Missachtung von einem erhöhten Schutzbedürfnis der Frau sein. Alle UN-Staaten, so klagt der UN-Generalsekretär, investieren zu wenig in Gleichstellung und Anti-Diskriminierung. Das ist umso ärgerlicher, weil sich die heute existierenden Ungleichheiten und Diskriminierungen schon im Protestkanon der Ersten und Zweiten Frauenbewegung fanden und auf allen Weltfrauenkonferenzen angeprangert worden sind.