Kitabı oku: «Bewegungswissenschaft in 60 Minuten», sayfa 2
Als Bewegungswissenschaft des Sports wird eine mehr grundlagenorientierte, zunehmend an internationalen Forschungstendenzen ausgerichtete Herangehensweise an den Gegenstandsbereich bezeichnet, wohingegen die Bewegungslehre des Sports eine eher anwendungsorientierte Perspektive – insbesondere vor dem Hintergrund der im deutschen Sprachraum pädagogisch inspirierten Tradition der Sportwissenschaft – beschreibt.
In beiden Begrifflichkeiten finden sich unterschiedliche Zielsetzungen und Zugangsweisen zur Analyse sportlicher Bewegungen wieder. Diese erstrecken sich von einem auf sportpädagogisches Handeln orientierten, morphologischen Ansatz, über eine biomechanisch-physikalische Sichtweise, hin zu neurophysiologisch oder auch psychologisch geprägten Perspektiven auf den Bewegungsapparat, das Nerv-Muskelsystem und die zentralnervösen Prozesse der Bewegungssteuerung (Roth & Willimczik, 1999, S.9–19; Wollny, 2007, S.27–33).

2 Entstehung und Entwicklung der Bewegungswissenschaft
Die ersten Bewegungswissenschaftler im engeren Sinne, die sich explizit mit dem Phänomen der menschlichen Bewegung auseinandersetzten, waren zum Ende des 19. Jahrhunderts aktiv. Allerdings geht die bewegungswissenschaftliche Idee, die Bewegung des Menschen zu erklären, bis in die griechische Antike zurück. Eine umfassende Übersicht zur historischen Entwicklung von Bewegungslehre und Bewegungswissenschaft liefern beispielsweise Göhner (1992, S.13–23) sowie Mechling und Munzert (2003, S.19–53). An dieser Stelle wird daher nicht die komplette historische Entwicklung der Bewegungswissenschaft nachvollzogen, sondern für die heutige Situation der Bewegungswissenschaft entscheidende Aspekte herausgegriffen (Mechling & Munzert, 2003, S.26–42).
Ein erster Meilenstein für die Entstehung einer Bewegungswissenschaft ist die Entwicklung der präzisen Zeitmessung, maßgeblich beeinflusst durch den niederländischen Physiker und Mathematiker Huygens (1629–1695). Bewegung zu erfassen und zu verstehen, erfordert die Einbeziehung von Zeit als Bezugsgröße und die Messung der Zeit ermöglichte vielen Wissenschaftsdisziplinen, insbesondere auch der Astronomie, einen großen Entwicklungssprung. Der Zeitbezug bzw. die zeitliche Komponente ist bis in die heutige Epoche ein fundamentaler Eckpfeiler jeder Art von Bewegungsanalyse.
Ein weiterer Meilenstein wurde mit der Formulierung der Gesetze der klassischen Mechanik erreicht. Newton (1642–1726) leistete damit einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis für die Triebfeder der Bewegung von Körpern und den Antrieb unbelebter Materie in einem zunehmend mechanistischen Weltbild. Seine Erkenntnisse können als Basis für die Naturwissenschaft der Neuzeit angesehen werden. Eine solche Sichtweise wird bis heute im biomechanischen Ansatz der Bewegungswissenschaft gewählt.
Zur Zeit Newtons war jedoch weder im Bereich der Biologie noch der Medizin die Basis für die heutige Sichtweise menschlicher Bewegung gelegt. Beispielsweise wurde der Antrieb für belebte Organismen immer noch in metaphysischen Erklärungen, z.B. der Seele als Antrieb des Lebens und der Bewegung, gesucht. Physiologische Erklärungen ließen noch bis Ende des 18. Jahrhunderts auf sich warten. Tierexperimentelle Untersuchungen in dieser Zeit legten nahe, dass es eine grundsätzliche Erregbarkeit und Eigenaktivität von Geweben gibt und damit keine zentrale Antriebsinstanz für Bewegungen erforderlich sein müsse. Die im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts rasch voranschreitenden Erkenntnisse in der Physiologie und Neurophysiologie lassen erahnen, wieso die Bewegungswissenschaft insbesondere auch im internationalen Kontext bis heute eine starke physiologische Schwerpunktsetzung bekommen hat. Die Erkenntnisse zur Funktion des Gehirns, zur Innervation der Muskulatur oder aber auch zur messmethodischen Erfassung dieser elektrischen Potentiale stammen aus jener Zeit und eröffneten der Analyse menschlicher Bewegung völlig neue Wege.
Parallel dazu wurde mit der Perfektionierung der Fotografie ein geradezu ideales Werkzeug zur Bewegungsanalyse geschaffen. Die insbesondere auch für den deutschsprachigen Raum charakteristische Hinwendung zur Bewegungslehre der Leibesübungen war maßgeblich von bildlichen Darstellungen der Bewegungen inspiriert und getragen. Die Visualisierung von Bewegungsidealen, Technikleitbildern und Übungsreihen ist bis heute ein essenzieller Bestandteil einer pädagogisch orientierten Bewegungslehre des Sports. Die bildgebenden Verfahren haben jedoch in ebensolcher Weise eine biomechanische und mechanistische Sichtweise menschlicher Bewegung vorangetrieben. Die biomechanische Bewegungsanalyse profitiert heute wohl am meisten vom technischen Fortschritt der bildgebenden Verfahren, der sich mittlerweile in digitalen Bilderfassungssystemen mit atemberaubender Bildfrequenz von mehreren Tausend Bildern pro Sekunde manifestiert hat.
Eine der für die Entwicklung der Bewegungswissenschaft im 20.Jahrhundert bedeutendsten Persönlichkeiten ist der russische Biomechaniker und Physiologe Bernstein (1896–1966). Er integrierte die anatomisch-physiologischen, biomechanisch-physikalischen und psychologischen Erkenntnisse seiner Zeit in eine bewegungswissenschaftliche Betrachtung der Koordination menschlicher Bewegung. Dies wird umso deutlicher, als dass er als Pionier der Anwendung des systemdynamischen Ansatzes auf menschliche Bewegungen gesehen werden kann. Seine Erkenntnis, dass Variabilität und Schwankung biologischer Systeme keine Fehler oder unerwünschte Erscheinungen sind, sondern elementare Eigenschaften der Anpassungsfähigkeit von Organismen an ihre Umwelt darstellen, ist heute womöglich aktueller als je zuvor.
Bei aller Begeisterung über den erreichten Fortschritt existieren auch Schattenseiten dieser Entwicklung. Wenn man sich die methodologische Genese der Bewegungswissenschaft vor Augen führt, erkennt man – wie in anderen Humanwissenschaften auch – eine über den Verlauf des 20. Jahrhunderts hinweg beschleunigte Entwicklung hin zur experimentellen Forschung und der Generierung immer größerer Datenmengen in kurzer Zeit, nicht zuletzt getrieben durch eine Vielzahl neuartiger und finanziell erschwinglicher Datenerhebungs- und Verarbeitungsmethoden, insbesondere auch durch die Methode der Computersimulation (Gramelsberger, 2010, S.39–102). Die durch Mess- und Computertechnologie heute schnell und kostengünstig zu generierende Datenflut hat keinesfalls zu einem gleichsam beschleunigten Erkenntnisgewinn geführt. Sie schürt vielmehr die Gefahr, sich auf der Suche nach ursächlichen Erklärungen für die bewegungswissenschaftlichen Phänomene des Sports im Nebel statistischer Signifikanz und falsch interpretierter Daten zu verlieren. Diese Gefahr besteht nicht nur in der Bewegungswissenschaft, sondern in vielen anderen, empirisch geprägten Wissenschaftsdisziplinen gleichermaßen (Ziliak & McCloskey, 2012, S.62–164; Peng, 2009; Guilak, 2017). Das Gebot der Stunde scheint deshalb auch in der Bewegungswissenschaft eine Rückbesinnung auf elementare theoretische Grundpositionen und deren systematische Weiterentwicklung zu sein. Nicht allein die Menge der durchgeführten Untersuchungen und erhobenen Daten ist entscheidend für den Erkenntnisgewinn, sondern deren wohl durchdachtes theoretisches Fundament. Erkenntnisgewinn lässt sich wohl am ehesten durch Methodenpluralismus, systematische experimentelle Wiederholung und einen im Sinne Mertons praktizierten, gesunden organisierten Skeptizismus über die ermittelten Resultate erreichen (Merton, 1985, S.94). Das Konzept der Open Science stellt insbesondere auch für die Bewegungswissenschaft einen interessanten Ansatz dar, derartigen Zielen gerecht werden zu können.
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