Kitabı oku: «Theorien der Sozialen Arbeit»
Ernst Engelke, Stefan Borrmann, Christian Spatscheck
Theorien der Sozialen Arbeit
Eine Einführung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
7., überarbeitete und erweiterte Auflage 2018
Alle Rechte vorbehalten
© 2018, Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau
Umschlaggestaltung: Nathalie Kupfermann, Bollschweil
Druck: Franz X. Stückle, Druck und Verlag Ettenheim
ISBN Hardcover 978-3-7841-3072-9
ISBN Softcover 978-3-7841-3100-9
ISBN eBook 978-3-7841-3073-6
Inhalt
Vorwort zur 7. Auflage
Vorwort zur 6. Auflage
Vorwort zur 5. Auflage
Zur Einführung
Teil 1
Vom Armutsideal bis zum Bauen von Hütten der Liebe
Frühe Theorien der Sozialen Arbeit
Einleitung
1Gott und den Nächsten lieben
Thomas von Aquin (1224 – 1274)
2Arme unterstützen und durch Fordern fördern
Juan Luis Vives (1492 – 1540)
3Zur reinen Natur zurück
Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1778)
4Glück und Wohlstand für alle
Adam Smith (1723 – 1790)
5Für ein Leben in Armut erziehen
Johann Heinrich Pestalozzi (1746 – 1827)
6Das Entstehen von Armut verhindern
Thomas Robert Malthus (1766 – 1834)
7Hütten der Liebe bauen
Johann Hinrich Wichern (1808 – 1881)
Teil 2
Von der Gemeinschaftserziehung bis zur Behebung der Not
Theorien der Sozialen Arbeit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Einleitung
1In, durch und zur Gemeinschaft erziehen
Paul Natorp (1854 – 1924)
2Frieden und soziale Gerechtigkeit herstellen
Jane Addams (1860 – 1935)
3Bevormunden und leiten
Christian Jasper Klumker (1868 – 1942)
4Erziehen und Heilen
Alfred Adler (1870 – 1937)
5Frieden im Inneren und in der Welt gewinnen
Alice Salomon (1872 – 1948)
6Sich um gesellschaftlich notwendige Aufgaben kümmern
Gertrud Bäumer (1873 – 1954)
7Grundbedürfnisse befriedigen
Ilse von Arlt (1876 – 1960)
8Geistige Energien zur Behebung der Not wecken
Herman Nohl (1879 – 1960)
Teil 3
Von der sozial-rassistischen Auslese bis zum gelingenden Alltag
Theorien der Sozialen Arbeit in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Einleitung
1Sozial-rassistisch auslesen und ausschalten
Hans Muthesius (1885 – 1977)
2Persönlich fürsorgen
Hans Scherpner (1898 – 1959)
3Menschen in ihrer sozialen Umwelt entdecken und unterstützen
Carel Bailey Germain (1916 – 1995) und Alex Gitterman (* 1938)
4Anleiten, erwachsen zu werden
Klaus Mollenhauer (1928 – 1998)
5Engagierter Dialog
Marianne Hege (* 1931)
6Technologisch normalisieren
Lutz Rössner (1932 – 1995)
7Ausbeutung und Verelendung überwinden
Karam Khella (* 1934)
8Einen gelingenderen Alltag ermöglichen
Hans Thiersch (* 1935)
Teil 4
Vom menschengerechten Handeln bis zur Gerechtigkeit und dem guten Leben
Theorien der Sozialen Arbeit zu Beginn des 21. Jahrhunderts
Einleitung
1Menschengerecht handeln
Silvia Staub-Bernasconi (* 1936)
2Persönliche und gesellschaftliche Krisen bewältigen
Lothar Böhnisch (* 1944)
3Geschlechterverhältnisse, Soziale Arbeit und Care
Margrit Brückner (* 1946)
4Wissen und Können relationieren
Bernd Dewe (1950 – 2017) und Hans-Uwe Otto (* 1940)
5Diversitätsbewusste und rassismuskritische Soziale Arbeit
Rudolf Leiprecht (* 1955) und Paul Mecheril (* 1962)
6Soziale Räume aneignen und Entwicklung gestalten
Ulrich Deinet (* 1959) und Christian Reutlinger (* 1971)
7Erkennen und Entscheiden zwischen Lebenswelt und Lebenslage
Björn Kraus (* 1969)
8Gerechtigkeit und das gute Leben
Dieter Röh (* 1971)
Zum Schluss
Literatur
Personenregister
Sachwortregister
Die Autoren
Vorwort zur 7. Auflage
Im Jahr 1992 veröffentlichte Ernst Engelke im Lambertus-Verlag das Buch „Soziale Arbeit als Wissenschaft“. Dieses verbreitete sich schnell und prägte die Debatten um die Wissenschaft Soziale Arbeit. In den folgenden Jahren entwickelte er das Buch zu den beiden Bänden „Theorien der Sozialen Arbeit“ (erstmals erschienen 1998) und „Die Wissenschaft Soziale Arbeit“ (erstmals erschienen 2004) weiter – und über 40.000 Ausgaben der Bücher wurden seitdem verkauft. Seit 2008 werden die beiden Bücher von uns als Autoren gemeinsam veröffentlicht und regelmäßig aktualisiert.
Für die nun vorliegende 7. Auflage war uns vor allem eine stärkere inhaltliche Aktualisierung wichtig. Der Theoriediskurs in der Sozialen Arbeit entwickelt sich erfreulicherweise stetig weiter, dabei wurden auch neue Theorieansätze ausgearbeitet und mittlerweile etabliert. Neben inhaltlichen Aktualisierungen haben wir deshalb vor allem die Auswahl der TheoretikerInnen verändert und diese mit fünf neuen Theorien deutlich erweitert. Dem aktuellen Stand des Theoriediskurses entsprechend haben wir dafür Margrit Brückner, Rudolf Leiprecht und Paul Mecheril, Ulrich Deinet und Christian Reutlinger, Björn Kraus sowie Dieter Röh als neue Autorinnen und Autoren mit aufgenommen.
Mit erweiterten Neuauflagen gehen immer auch nötige Begrenzungen des Umfangs einher. So haben wir uns entschieden, die sozialpolitischen Programmatiken von Otto von Bismarck in die historischen Einleitungen zu integrieren und ihn als eigenständigen Theoretiker in die aktuelle Auflage nicht mehr mit aufzunehmen.
Das Buch bildet nun 31 Theorien der Sozialen Arbeit ab, die in vier Teilen dargestellt werden. Weiterhin beginnen die vier Teile mit je einer kommentierenden zeithistorischen Einleitung. Ebenso haben wir die bisherigen internen Kategorien bei der Darstellung der Theorien aus den vorhergehenden Auflagen beibehalten.
Wir danken unseren Freundinnen, Freunden, Kolleginnen und Kollegen, die uns bei der Neubearbeitung inhaltlich und persönlich unterstützt haben. Nicht zuletzt danken wir Sabine Winkler und dem Lambertus-Verlag für ihre kontinuierliche, anregende, tatkräftige und ausdauernde Unterstützung.
Würzburg, Landshut, Bremen, im August 2018
Ernst Engelke, Stefan Borrmann, Christian Spatscheck
Vorwort zur 6. Auflage
Die Grundstruktur des Buches und die Auswahl der Theorien sind in der nun vorliegenden 6., überarbeiteten Auflage der „Theorien der Sozialen Arbeit“ beibehalten worden. Neben der Korrektur kleinerer Fehler haben wir vor allem neue Literatur ergänzt und die Theorien mit aktuellen Bezügen versehen.
Anhand der ausgewählten TheoretikerInnen werden systematische Rückblicke auf die reiche und vielfältige Theoriegeschichte Sozialer Arbeit möglich. Die exemplarisch ausgewählten TheoretikerInnen bilden einen Zeitraum von fast 1000 Jahren ab. Dabei sind bewusst VertreterInnen der Traditionslinien von Sozialarbeit und Sozialpädagogik dargestellt worden.
Wir danken dem Lambertus-Verlag mit seiner Lektorin Sabine Winkler und nicht zuletzt den LeserInnen und KollegInnen, die das Buch nun seit vielen Jahren nutzen und in seinem Werden aktiv begleiten, für die wertvolle Unterstützung.
Würzburg, Landshut, Bremen, im Januar 2014
Ernst Engelke, Stefan Borrmann, Christian Spatscheck
Vorwort zur 5. Auflage
Aus dem 1992 im Lambertus-Verlag erschienenen Buch „Soziale Arbeit als Wissenschaft. Eine Orientierung“ sind mittlerweile zwei verschiedene, aber aufeinander bezogene Bücher geworden. 1998 erschien „Theorien der Sozialen Arbeit. Eine Einführung“ und 2003 „Die Wissenschaft Soziale Arbeit. Werdegang und Grundlagen.“ Beide Bücher wurden wegen der hohe Nachfrage seitdem mehrfach aufgelegt.
Seit der Erstveröffentlichung der „Theorien der Sozialen Arbeit. Eine Einführung“ 1998 sind nunmehr zehn Jahre vergangen. In diesen zehn Jahren wurde die Theorie-Diskussion in der Sozialen Arbeit kontinuierlich weitergeführt. Bestehende Theorien der Sozialen Arbeit wurden weiterentwickelt, neue Theorien der Sozialen Arbeit formuliert und alte Theorien der Sozialen Arbeit neu entdeckt. Daher lag es nahe, das Buch zu überarbeiten, die Auswahl und Zusammenstellung der Theorien sowie ihre Darstellung zu überprüfen und die zahlreichen Korrektur- und Ergänzungswünsche, die von Leserinnen und Lesern mitgeteilt worden sind, zu bedenken und bei der Neubearbeitung zu berücksichtigen.
Eine erste wichtige Veränderung der vorliegenden Neuauflage besteht darin, dass wir nun zu dritt das Buch überarbeitet und erweitert haben und dass wir auch gemeinsam als Autoren erscheinen. Wenn man so will, dann haben hier zwei Generationen aus der scientific community der Sozialen Arbeit zusammengearbeitet und geben das Buch als gemeinsames Werk heraus.
Die zweite wichtige Veränderung besteht in einer veränderten Auswahl der Theorien. Ausschlaggebend für die Veränderungen waren Kritiken und Anregungen aus dem Leserkreis. So wurden zwei Theorien der Sozialen Arbeit aus den vorhergehenden Auflagen herausgenommen, und zwar die Theorien von Wolf Rainer Wendt und Michael Winkler. Beide Theorien haben nach Meinung vieler Leserinnen und Leser und auch nach unserer Meinung nicht mehr die Bedeutung im wissenschaftlichen Diskurs der Sozialen Arbeit, wie sie sie vor zehn Jahren gehabt haben. Im Gegenzug haben wir fünf neue Autorinnen und Autoren aufgenommen – dies sind Johann Hinrich Wichern, Carel Bailey Germain/Alex Gitterman, Marianne Hege, Bernd Dewe/Hans-Uwe Otto und Lothar Böhnisch. Somit umfasst unsere Zusammenstellung nun 27 Theorien, die in drei Teilen mit je neun Theorien vorgestellt werden.
Ergänzt haben wir die Darstellungen mit einem Foto der Autorinnen und Autoren.
Ansonsten sind der Aufbau des Buches und auch die Kategorien bei der Darstellung so wie in den vorhergehenden Auflagen beibehalten worden.
Wir danken unseren Freundinnen, Freunden, Kolleginnen und Kollegen, die uns bei der Neubearbeitung unterstützt haben. Nicht zuletzt danken wir Sabine Winkler und dem Lambertus-Verlag für die anregende, tatkräftige und ausdauernde Unterstützung.
Würzburg, Landshut und Bremen, im Januar 2008
Ernst Engelke, Stefan Borrmann und Christian Spatscheck
Zur Einführung
Die Kenntnis wissenschaftlicher Theorien der Sozialen Arbeit gehört genauso zum Selbstverständnis und zur Grundlage professionellen Handelns von SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen wie die Reflexion der eigenen Praxis anhand dieser Theorien. Außerdem wird heute nicht nur von KlientInnen, sondern auch von Kostenträgern erwartet, dass SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen ihr Handeln mit wissenschaftlichen Theorien begründen können. In der Wissenschaft Soziale Arbeit1 gibt es wie in allen anderen Wissenschaften zahlreiche verschiedene Konzepte, Modelle und Theorien. In diesem Buch stellen wir Theorien vor, die unserer Auffassung nach für die heutige Soziale Arbeit relevant sind.
1 Theoriediskussion und Theoriebildung in der Sozialen Arbeit
In der Scientific Community sind die Auffassungen darüber kontrovers, welche Kriterien Theorien generell erfüllen müssen, damit sie als wissenschaftliche Theorien anerkannt werden können. Für die Soziale Arbeit kommt noch hinzu, dass allein schon der Inhalt des Begriffs „Soziale Arbeit“ sehr verschieden definiert werden kann und auch definiert wird. Spricht man nämlich von „Sozialer Arbeit“, dann kann damit Armenpflege, Caritas, Diakonie, Fürsorge, Jugendhilfe, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Wohlfahrt usw. gemeint sein. „Soziale Arbeit“ ist ein über 100 Jahre alter Klammerbegriff für Tätigkeiten wie „aktivieren“, „anleiten“, „ausgrenzen“, „ausmerzen“, „ausschalten“, „austauschen“, „befrieden“, „belehren“, „beraten“, „bevormunden“, „binden“, „deuten“, „disziplinieren“, „emanzipieren“, „entwickeln“, „ermutigen“, „erziehen“, „fördern“, „fürsorgen“, „fürsprechen“, „helfen“, „kontrollieren“, „leiten“, „lehren“, „lieben“, „normalisieren“, „pflegen“, „rekonstruieren“, „rehabilitieren“, „resozialisieren“, „selektieren“, „sozialisieren“, „unterstützen“, „versichern“, „versorgen“, „verstehen“, „verwahren“, „züchten“ usw. Diese begriffliche Offenheit ist weder für die konkret-praktische noch für die theoretisch-wissenschaftliche Seite der Sozialen Arbeit als Profession besonders förderlich. In anderen Wissenschaften, selbst in klassischen, gibt es ähnliche offene Felder, auch wenn sie in der Regel selten ausdrücklich thematisiert werden, wie zum Beispiel in der Psychologie und der Soziologie (vgl. Engelke/Spatscheck/Borrmann 2016, 233 ff.).
Im deutschen Sprachraum hat diese Vielfalt daher zu mannigfaltigen Definitionen der Sozialen Arbeit und ihres Gegenstandsbereichs geführt (vgl. Klüsche 1999; Otto/Thiersch 2011; Thole 2012; Erath/Balkow 2016; Hammerschmidt/Aner/Weber 2017 u. a.). Welche Definition soll nun gelten? Welche Kriterien sollen bei der Entscheidung für eine Definition angewandt werden? Die Definition soll nach unserer Auffassung von möglichst vielen Mitgliedern der Scientific Community der Sozialen Arbeit in Deutschland und auch international anerkannt sein. Nur so kann sie ein weites Dach, unter dem möglichst viele Theorien versammelt werden können, sein. Wir orientieren uns deshalb an der Definition der Sozialen Arbeit, die von der International Federation of Social Workers (IFSW) im Jahr 2000 in Montreal/Kanada beschlossen wurde. Unserer Meinung nach beschreibt diese Definition sehr viel präziser, was Soziale Arbeit ist, als die im Jahre 2014 beschlossene „Global Definition of Social Work“:
„The social work profession promotes social change, problem solving in human relationships and the empowerment and liberation of people to enhance well-being. Utilising theories of human behaviour and social systems, social work intervenes at the points where people interact with their environments. Principles of human rights and social justice are fundamental to social work“ (vgl. http://ifsw.org/policies/definition-of-social-work/).
Für die IFSW bezieht sich Soziale Arbeit in ihren verschiedenen Formen auf die vielfältigen und komplexen Beziehungen zwischen Menschen und ihrer Umwelt. Ziel der Sozialen Arbeit ist es, Menschen zu befähigen, ihr gesamtes Potenzial zu entwickeln, ihr Leben zu bereichern und sozialen Dysfunktionen vorzubeugen. Soziale Arbeit ist auf Problemlösung und Veränderung ausgerichtet. In diesem Sinne sind SozialarbeiterInnen AnwältInnen für soziales Leben sowohl in der Gesellschaft als auch im Leben von Individuen, Familien und Gemeinwesen. Soziale Arbeit ist ein Netzwerk von Werten, Theorien und Praxis.
Die professionellen Methoden der Sozialen Arbeit basieren – nach Auffassung der IFSW – auf der systematisierten Sammlung von empirisch begründetem, aus Forschung und Praxisevaluation gewonnenem Wissen sowie aus lokalem und kontextspezifischem Wissen. Es wird die Komplexität von Interaktionen zwischen Menschen und ihrer Umwelt anerkannt sowie die Fähigkeit der Menschen, sowohl davon beeinflusst zu werden als auch selbst die vielfältigen biopsychosozialen Umweltfaktoren zu beeinflussen. Die professionelle Soziale Arbeit greift auf Theorien über menschliche Entwicklung, menschliches Verhalten und soziale Systeme zurück, um komplexe Situationen zu analysieren und individuelle, organisatorische, soziale und kulturelle Veränderungen zu fördern (vgl. a. a. O.).
Die Soziale Arbeit kann national und international auf eine lange Tradition der Theorieentwicklung zurückblicken und verfügt über Erkenntnismethoden und Wissensbestände, die in Praxis und Lehre/Ausbildung der Sozialen Arbeit genutzt werden (vgl. Müller 1988a,b; Soydan 1999; National Association of Social Workers 1995a,b,c; 1997; Hering/Münchmeier 2007; Wendt 2008a,b; Payne 2014 u. a.). Historisch wie auch wissenschaftstheoretisch gesehen ist die Soziale Arbeit – wie alle Wissenschaften – keine autonome, sondern eine relativ autonome Wissenschaft. Wenn wir davon sprechen, dass die Soziale Arbeit als Wissenschaft relativ selbstständig ist, dann meinen wir damit, dass sie in ihrem Werdegang mit anderen Wissenschaften eng verbunden und auch inhaltlich mit anderen Wissenschaften verschränkt ist, insbesondere mit den Human-, Sozial-, Rechts- und Geisteswissenschaften (vgl. Engelke/Spatscheck/Borrmann 2016, 176–180). Der Begriff „relativ“ ist hier also nicht als Abwertung zu verstehen, sondern hebt die Verbundenheit (relation) der Wissenschaften miteinander hervor. International ist es selbstverständlich, dass auch die klassischen Naturwissenschaften in diesem Sinne als relativ autonom angesehen werden (vgl. Mayr 1997). Hinsichtlich bestimmter Fragestellungen und ihrer Behandlung zeigen die Sozialwissenschaften sowohl untereinander als auch mit den Geisteswissenschaften enge Verknüpfungen und Gemeinsamkeiten. So werden zum Beispiel in den Geistes- und Sozialwissenschaften dieselben Personen und Werke der griechischen Philosophie als Gründer beziehungsweise als Wurzeln ihres „Stammbaums“ genannt. Sokrates, Platon und Aristoteles werden als Urväter beispielsweise der Philosophie (vgl. Störig 2016; u. a.), der Pädagogik (vgl. Reble 2009 u. a.), der Psychologie (vgl. Pongratz 1967 u. a.) und auch der Physik (vgl. Meÿenn 1997) angeführt. Das kann aber doch nur heißen: Jede dieser genannten Wissenschaften hat offene Grenzen und muss damit leben, dass sie sich von anderen Wissenschaften nicht trennscharf abgrenzen lässt. In jeder Wissenschaftsdisziplin gibt es außerdem pluriforme, heterogene und miteinander unvereinbare Auffassungen und Theorien – auch über ihr eigenes „Proprium“. Es muss deshalb nicht verwundern, dass die Auffassungen darüber und die Bewertungskriterien dafür, was Wissenschaft und was eine wissenschaftliche Theorie ist, auch innerhalb einzelner Wissenschaften verschieden sind und kontrovers diskutiert werden. Herkömmliche Wissenschaftssystematiken mit eindeutig markierbaren Abgrenzungen und Hierarchien sind daher äußerst fragwürdig (vgl. Wissenschaftsrat 2000). In diesem Sinne ist jede Wissenschaft relativ selbstständig und mit anderen Wissenschaften vielfach vernetzt und somit interdependent. Soziale Arbeit arbeitet als eine relativ selbstständige Wissenschaft mit anderen relativ selbstständigen Wissenschaften im Sinne gleichwertiger Partner zusammen, um der Entstehung sozialer Probleme vorzubeugen und bestehende soziale Probleme zu lösen oder zumindest zur Bewältigung dieser beizutragen. International bilden Wissenschaft, Praxis und Ausbildung zusammen eine Profession. In Deutschland ist das bei der Sozialen Arbeit nicht üblich, vielmehr werden die Praxis als Profession und die Wissenschaft als Disziplin voneinander getrennt oder einander gegenübergestellt (vgl. Thole 2012 u. a.). Wir folgen dem internationalen Vorgehen und für uns besteht die Profession Soziale Arbeit aus Wissenschaft, Praxis und Ausbildung (vgl. Engelke/Spatscheck/Borrmann 2016, 204 ff.).
Die Soziale Arbeit als Wissenschaft existiert bereits seit Jahrhunderten in unterschiedlichen Gestalten (vgl. Soydan 1999 u. a.). Dabei sind in der jeweiligen Zeit recht unterschiedliche Sichtweisen und Ursachenanalysen der sozialen Probleme und verschiedene Handlungsstrategien zu deren Bewältigung erarbeitet und oft auch in der Praxis umgesetzt worden. Für die wissenschaftliche Durchdringung wie auch für die Lösung gegenwärtiger sozialer Probleme können die Lösungen früherer Generationen fruchtbringend herangezogen werden. Häufig belehrt uns die Geschichte nämlich über die Folgen bestimmter Sichtweisen und Handlungsstrategien; sie können uns heute als Warnung vor oder auch als Ermutigung für bestimmte Lösungswege dienen. Aus diesem Grunde berücksichtigen wir Theorien, die immer noch von Bedeutung sind, vom späten Mittelalter bis in die Gegenwart. Bei genauer Betrachtung zeigt es sich nämlich, dass die sozialen Probleme und die Ansätze, diese Probleme zu lösen, sich häufig über Jahrhunderte hinweg gleichen. Als Beispiel nennen wir den Umgang der Stadtverwaltungen im Mittelalter mit BettlerInnen und den Umgang der Länder mit Flüchtlingen und AsylbewerberInnen heute.