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2. Grundsatz des freien Mandats, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG

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Der Abgeordnete ist in seiner Mandatsausübung an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen: Er übt ein unabhängiges, freies Mandat aus. Das freie Mandat ist ein Angelpunkt einer demokratisch-parlamentarischen Verfassung, ein notwendiges Strukturelement und Kernstück der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie.[36] Das freie Mandat gehört zu den klassischen Elementen des parlamentarischen Systems. Es blickt, wie auch die Bezeichnung der Abgeordneten als Vertreter des ganzen Volkes, auf eine lange verfassungsrechtliche Geschichte bis zur Französischen Revolution zurück. Bereits § 96 der Paulskirchenverfassung und die folgenden Verfassungen statuierten das freie Mandat.

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Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ist sprachlich sehr knapp gehalten. Er gibt nur das Nichtgebundensein an Aufträge und Weisungen (Instruktionsfreiheit) und die alleinige Gewissensunterworfenheit vor. Die Begriffe „Aufträge“ und „Weisungen“ sind nicht zu unterscheiden, sondern als Tautologie anzusehen.[37] Sie schützen vor allen denkbaren Fällen einer äußeren Einflussnahme, jeglicher Art und Herkunft.[38] Denn „nur die rechtlich freie Entscheidung fördert das Denken in Alternativen, öffnet die Aufmerksamkeit für die Vielfalt der Interessen und ermöglicht deren Ausgleich“.[39] Zur Instruktionsfreiheit tritt als verstärkendes Element[40] die Formulierung „und nur ihrem Gewissen unterworfen“ hinzu. Die Gewissensunterworfenheit ist Teil des freien Mandats. Der Begriff „Gewissen“ in Art. 38 Abs. 1 S. 2 entspricht nicht dem durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Gewissen.[41] Er meint vielmehr die politische, durch Abwägung gewonnene Überzeugung des Abgeordneten.[42] Mit anderen Worten: Der Abgeordnete hat das „Letztentscheidungsrecht“, wie er sich verhält.

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Jeder Abgeordnete soll zusammen mit den anderen Parlamentsmitgliedern nach dem Willen der Verfassung Mehrheitsentscheidungen zustande bringen, was ein Mindestmaß an politischer Beweglichkeit, an Kooperationswillen und Kompromissbereitschaft voraussetzt.[43] Das Gemeinwohl ist ohnehin nicht vorgegeben,[44] sondern eine je nach politisch-ethischer Auffassung oder Interesse verschiedene Größe, das sich prozedural bildet. Frei von Sonderinteressen, aber auch von den Einflüssen seiner Biographie und seiner Lebensumstände, seiner Partei, der Bürger seines Wahlkreises oder anderer Interessengruppen kann (und muss) ein Parlamentarier nicht sein. Er soll es auch nicht sein, wenn er seine dem Mandat entspringende Aufgabe, sich mit dem Wahlvolk „rückzukoppeln“[45] und dessen Meinungen und Wünsche in den politischen Prozess einfließen zu lassen (s. Rn. 15, 17), wahrnehmen möchte. Gerade der parlamentarische Prozess ist für verschiedene Einflüsse und im Ergebnis offen.[46]

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Weil der Abgeordnete in Bezug auf sein Mandat keinen privat- oder öffentlich-rechtlichen Bindungen („Aufträgen und Weisungen“) unterworfen werden darf, ist jeder Versuch einer rechtlichen Bindung eines Mandatsträgers (gewissermaßen ein „Vertrag über die Mandatsausübung“) gemäß § 134 BGB nichtig.[47] Ob ein Abgeordneter sich verpflichten möchte oder nicht, ist belanglos. Alle mandatsbezogenen Absprachen mit Dritten (über das Abstimmungsverhalten etc.) sind unwirksam.

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Lösung Fall 2 (Rn. 134):

Eine solche Vereinbarung, wie sie die KPD-Fraktion und ihre Miglieder trafen, ist (jedenfalls) nach heutigem Recht verfassungswidrig und gemäß § 134 BGB nichtig.[48] Denn sie überlässt es der Fraktionsführung, über das Mandat zu verfügen. Die Mandatsfreiheit der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG wird dadurch unzulässig eingeschränkt. Es steht nämlich zu befürchten, dass sie nicht mehr ihrem Gewissen, sondern den Vorgaben und Meinungen der Partei folgen, um ihr Mandat nicht zu verlieren. Sie werden zu bloßen Parteimarionetten.

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Die einzige Kontrolle der Abgeordneten erfolgt durch die Wähler.[49] Die Abgeordneten dürfen als solche allein durch das Wahlverhalten politisch sanktioniert werden. Obwohl die Bedeutung oder „Zeitgemäßheit“ des freien Mandats immer wieder in Frage gestellt worden ist, besitzt es – das zeigt das Vorgesagte – weiterhin eine eminente Bedeutung für die parlamentarische Demokratie.[50] Das freie Mandat sichert die Unabhängigkeit des Abgeordneten von seiner Fraktion, seiner Partei und seinen Wählern. Außerdem gewährleistet Art. 38 Abs. 1 S. 2 – verstärkt durch Art. 47 GG – zum einen eine von staatlicher Beeinflussung freie Kommunikationsbeziehung – zwischen dem Abgeordneten und den Wählern sowie zum anderen die Freiheit des Abgeordneten von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle.[51] Die freie Kommunikationsbeziehung ist in der parlamentarischen Demokratie, zu deren Kennzeichen die Repräsentation des Volkes durch die Abgeordneten gehört, für die Willens- und Entscheidungsfindung der Mandatsträger unentbehrlich. Nur durch eine ungestörte Kommunikation können die Bürger den Abgeordneten ihre Anliegen vortragen und die Abgeordneten ihrer Rolle als Bindeglied zwischen Parlament und Bürger (Staat und Gesellschaft) gerecht werden (s. auch Rn. 15, 17). In der Beobachtung eines Abgeordneten durch Behörden des Verfassungsschutzes liegt nach Ansicht des BVerfG ein Eingriff[52] in das freie Mandat (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG), der allerdings im Einzelfall zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerechtfertigt sein kann.[53]

§ 4 Mitglieder des Parlaments: Die Rechtsstellung der Abgeordneten › II. Formale Gleichbehandlung aller Abgeordneten

II. Formale Gleichbehandlung aller Abgeordneten

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Zum Abgeordnetenstatus gehört auch der Anspruch jedes Mitglieds des Bundestages auf formale Gleichbehandlung mit den anderen Abgeordneten. Die Abgeordneten üben nicht nur ein repräsentatives und ein freies, sondern auch ein in ihrer Rechtsstellung gleiches Mandat aus. Die Gleichheit folgt aus der aktiven und passiven Wahlrechtsgleichheit der Bürger (Art. 38 Abs. 1 S. 1) sowie nach Ansicht des BVerfG zusätzlich aus dem repräsentativen Status des Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG), also aus dem Umstand, dass nur die Gesamtheit der Abgeordneten die Volksvertretung bildet.[54] Es besteht formale Gleichheit (s. Rn. 21). Differenzierungen zwischen den Abgeordneten bedürfen stets eines besonderen rechtfertigenden (zwingenden) Grundes. Infolge dessen haben alle Abgeordneten grundsätzlich die gleichen Mitwirkungsrechte und das gleiche Recht auf Entschädigungsleistungen (mit gewissen Ausnahmen[55] für Präsidiumsmitglieder, Fraktionsvorsitzende und Ausschussvorsitzende).

§ 4 Mitglieder des Parlaments: Die Rechtsstellung der Abgeordneten › III. Parlamentarische Mitwirkungsrechte

III. Parlamentarische Mitwirkungsrechte

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Zu den verfassungsrechtlich garantierten parlamentarischen Mitwirkungsrechten des einzelnen Abgeordneten gehören[56]


das Recht, an Plenar- und Ausschusssitzungen teilzunehmen (Teilnahme- oder Anwesenheitsrecht),
das Antragsrecht,
das Rederecht,
das Stimmrecht bei parlamentarischen Wahlen und Abstimmungen,
das Frage- und Informationsrecht,
das Recht, sich mit anderen Abgeordneten zu einer Fraktion oder einer Gruppe zusammenzuschließen (Assoziationsrecht, s. Rn. 250) und
das Recht auf Mitgliedschaft in einem ständigen Ausschuss.

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Alle diese Rechte entspringen dem freien Mandat (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG).[57] Das freie Mandat kann durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang begrenzt werden:[58] durch die Funktionsfähigkeit des Bundestages[59] und die Repräsentationsfunktion,[60] durch das Bundesstaatsprinzip und den Gewaltenteilungsgrundsatz sowie durch den formalisierten Gleichheitssatz und die Grundrechte Dritter.[61] Einschränkungen der Mitwirkungsrechte, vornehmlich durch die GO-BT, sind nur zulässig, wenn sie einem der genannten Rechtsgüter dienen. Die Abwägung, ob das Mitwirkungsrecht oder ein Rechtsgut von Verfassungsrang vorrangig ist, trifft der Bundestag im Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie.[62]

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Im Interesse der Funktionsfähigkeit des Bundestages, deren Wahrung verfassungsrechtlich geboten ist,[63] dürfen die Mitwirkungsrechte nicht schrankenlos und ohne Rücksicht auf die anderen Abgeordneten (Rechtsinhaber) ausgeübt werden. Die Mitwirkungsrechte müssen einander zugeordnet und aufeinander abgestimmt werden.[64] So ist das Rederecht des Abgeordneten beschränkt, da andernfalls andere Abgeordnete ihr Rederecht nicht ausüben könnten. Durch eine Festlegung bestimmter Debattenlängen, durch die Verteilung von Redezeitkontingenten in den Debatten auf die Fraktionen und durch die fraktionsintere Zuweisung von Redezeiten auf Fraktionsmitglieder bleibt das Rederecht handhabbar. Nur so hat jedes Mitglied des Bundestages die Möglichkeit, angemessen zu Wort zu kommen. Im Interesse der Funktionsfähigkeit des Parlaments darf auch das Antragsrecht für bestimmte Vorlagen (z.B. Gesetzentwürfe) exklusiv den Fraktionen übertragen werden. Auch ist es aus diesem Grund, nämlich zur Vermeidung von Verzögerungen,[65] zulässig, das Recht des einzelnen Abgeordneten, Änderungsanträge zu Gesetzentwürfen zu stellen, durch § 82 Abs. 1 GO-BT auf die zweite Beratung zu beschränken. Das Assoziationsrecht darf ebenfalls zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments durch § 10 GO-BT beschränkt werden: Eine Aufsplitterung des Bundestages in Zwergfraktionen und die daraus folgende Lähmung der Parlamentsarbeit (durch eine höhere Zahl von Anträgen etc.) soll vermieden werden. Ebenfalls zur Sicherung der Funktionsfähigkeit dürfen Abgeordnete, welche die Ordnung oder die Würde des Bundestages gröblich verletzen, gemäß § 38 GO-BT von den Sitzungen des Plenums und der Ausschüsse ausgeschlossen werden. Während des Ausschlusszeitraums haben sie kein Anwesenheits-, Antrags- und Stimmrecht. Wiederum aus Gründen der Funktionsfähigkeit darf das Anwesenheitsrecht jedes Abgeordneten gemäߧ 69 Abs. 2 GO-BT auf Sitzungen des jeweiligen ständigen Ausschusses, in dem er ordentliches Mitglied ist, beschränkt werden.

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Die Repräsentationsfunktion und der formalisierte Gleichheitsgrundsatz rechtfertigen es, fraktionslosen Abgeordneten im Ausschuss kein Stimmrecht zu gewähren. Alle Abgeordneten sind grundsätzlich gleich zu behandeln, die Fraktionen ebenfalls. Abgeordnete sind Fraktionen – also den Zusammenschlüssen mehrerer Abgeordneter – nicht gleichzustellen. Fraktionslosen Abgeordneten steht daher ein Stimmrecht im Ausschuss nicht zu. Andernfalls besäßen sie im Vergleich zu den Fraktionen und den fraktionsangehörigen Abgeordneten ein überproportionales Gewicht.

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Das Frage- und Informationsrecht des einzelnen Abgeordneten besteht ebenfalls nicht uneingeschränkt (wie auch das Enquêterecht, das denselben Einschränkungen unterliegt). Zum einen setzt die GO-BT Grenzen. Sie räumt dem einzelnen Abgeordneten nur das Recht zur Teilnahme an der Fragestunde (§ 105, Anlage 4 zur GO-BT) und an der Regierungsbefragung (§ 106 Abs. 2, Anlage 7 zur GO-BT) ein. Die Große (§§ 100 ff.) und die Kleine Anfrage (§ 104) stehen – aus Gründen der Funktionsfähigkeit des Parlaments – nur den Fraktionen oder mindestens fünf Prozent der Abgeordneten zu (§ 76 Abs. 1 GO-BT). Zum anderen beschränken das Bundesstaatsprinzip, der Gewaltenteilungsgrundsatz, das Staatswohl und die Grundrechte Dritter das Fragerecht des einzelnen Abgeordneten (und auch die Große und die Kleine Anfrage sowie die Ansprüche nach dem PUAG, s. Rn. 539 ff., 552 ff.).

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Die GO-BT konkretisiert die dem freien Mandat entspringenden parlamentarischen Mitwirkungsrechte nicht nur, indem sie sie begrenzt, sondern auch, indem sie verschiedene eigenständige parlamentarische Verfahrensrechte gewährt. Der Abgeordnete hat das Recht,


Akten des Bundestages einzusehen (§ 16),
Anträge zur Geschäftsordnung zu stellen (§ 29),
Erklärungen abzugeben (§§ 30 ff.),
die Teilung und Verlesung einer zur Abstimmung gestellten Frage (d.h. eines Sachverhalts) zu begehren (§ 47),
Vorlagen auf elektronischem Wege oder in Papierform zu erhalten (§ 77),
die Niederschrift seiner Rede zu berichtigen (§§ 117 f. GO-BT).

§ 4 Mitglieder des Parlaments: Die Rechtsstellung der Abgeordneten › IV. Indemnität

IV. Indemnität

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Indemnität (von lat. indemnitas: Schadloshaltung) bedeutet, dass Abgeordnete wegen parlamentarischer Abstimmungen und Äußerungen nicht außerhalb des Bundestages gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst zur Verantwortung gezogen werden dürfen (Art. 46 Abs. 1 S. 1 GG). Eine Ausnahme gilt für verleumderische Beleidigungen (Art. 46 Abs. 1 S. 2 GG).

1. Zweck

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Die Indemnität soll den Abgeordneten davor schützen, durch Eingriffe der Legislative und v.a. der Exekutive in seiner parlamentarischen Arbeit behindert zu werden.[66] Sie sichert – wie die übrigen in Art. 46-48 GG genannten Statusrechte – die Freiheit des repräsentativen Mandats. Die Indemnität schützt außerdem die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestages[67]; namentlich die Redefreiheit und eine offene parlamentarische Diskussion.[68] Die Indemnität hat ihren Sinn bis heute behalten.[69]

2. Persönlicher und zeitlicher Schutzbereich

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Die Indemnität schützt nur Bundestagsabgeordnete. Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre, die zugleich Mitglieder des Bundestages sind, genießen nach zutr. Ansicht nur dann Indemnität, wenn sie sich als Bundestagsabgeordnete äußern.[70] Ob dies der Fall ist, ist z.B. anhand der Rednerliste zu ermitteln, aus der hervorgeht, in welcher Funktion jemand spricht. Wird hinter dem Rednernamen eine Fraktionsbezeichnung genannt, spricht die Person als Abgeordneter. Auch Äußerungen in Fraktionssitzungen über Fraktionsinterna sind Äußerungen als Abgeordneter. Hingegen sind Äußerungen für die Bundesregierung, z.B. im Plenum bei der Beantwortung einer Frage oder Berichte in den Ausschüssen, nicht durch Art. 46 Abs. 1 GG geschützt. An Abstimmungen im Bundestag nehmen Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre naturgemäß immer als Bundestagsabgeordnete teil.

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Die Indemnität gilt nur für Abstimmungen und Äußerungen während der Mandatszeit. Denn der Wortlaut des Art. 46 Abs. 1 S. 1 GG knüpft an die Abgeordnetenstellung an. Der Strafausschließungsgrund besteht aber dem Normzweck gemäß nach dem Mandatsende bis zum Lebensende fort.[71] Die nicht strafbaren bzw. nicht verfolgbaren Verhaltensweisen bleiben unverfolgbar. Weder der Abgeordnete noch der Bundestag können auf die Indemnität verzichten oder sonstwie über sie verfügen.[72]

3. Sachlicher Schutzbereich

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Geschützt sind Abstimmungen sowie Äußerungen des Abgeordneten. Abstimmungen i.S.d. Art. 46 Abs. 1 S. 1 GG sind Sachentscheidungen und Personalentscheidungen (Wahlen).[73] Äußerungen sind Meinungs- und Willenskundgaben sowie Tatsachenbehauptungen.[74] Sie können mündlich, schriftlich oder durch Gesten erfolgen.[75] Ein „durch aktives, aggressives Tun erfolgende[r] unmittelbare[r] Angriff auf eine Person unter Anwendung physischer Kraft“ (Tätlichkeit) ist keine Äußerung.[76] Auch das Tragen bestimmter Kleidung, z.B. einer Uniform, ist nicht als Äußerung anzusehen. Die Indemnität schützt ausdrücklich nicht verleumderische Beleidigungen nach § 187 StGB (Art. 46 Abs. 1 S. 2 GG). Sie können nach Aufhebung der Immunität verfolgt werden. Privatgespräche ohne Mandatsbezug schützt die Indemnität ebenfalls nicht.[77]

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Umstritten ist, wann bei schriftlichen Anfragen gemäß §§ 100 ff. GO-BT und Anlage 7 zur GO-BT – die auch Äußerungen sind – der Indemnitätsschutz beginnt. Verschiedene Zeitpunkte werden für maßgeblich gehalten: die Einreichung der Frage bei der Fraktion[78] (relevant bei Kleinen und Großen Anfragen, die nur die Fraktion stellen kann) oder (bei den übrigen Fragen für die Fragestunde nach Anlage 4 zur GO-BT) beim Bundestagspräsidenten,[79] die Weiterleitung an die Bundesregierung,[80] die Veröffentlichung als Bundestagsdrucksache[81] und die Beantwortung durch die Regierung. Die Indemnität schützt die Äußerung als zumindest parlamentsöffentliche Kundgabe. Somit ist der Zeitpunkt entscheidend, in dem die Anfrage beim Bundestagspräsidenten eingeht. Andere schriftliche Äußerungen, z.B. Anträge oder Erklärungen nach § 31 GO-BT, sind geschützt, sobald sie in den dafür vorgesehenen Geschäftsgang gegeben wurden.[82]

4. Räumlicher Schutzbereich

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Die Indemnität schützt nach Art. 46 Abs. 1 S. 1 GG nur Abstimmungen und Äußerungen, die „im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse“ erfolgt sind. Erfasst sind innerparlamentarische Abstimmungen und Äußerungen, also im Plenum, in einem Ausschuss, in einem Unterausschuss, in einer Enquête-Kommission, im PKGr, im Präsidium oder im Ältestenrat.[83] Der Tagungsort ist ohne Belang.[84] Auch auswärtige Sitzungen sind geschützt. Ebenfalls geschützt sind Abstimmungen und Äußerungen in den Fraktionen und deren Gremien (z.B. Vorstand, Arbeitsgruppe/-kreis).[85] Nicht geschützt sind Äußerungen außerhalb des Bundestages, etwa in den Medien, auf Partei- oder Wahlveranstaltungen oder im Wahlkreis,[86] es sei denn sie zitieren wörtlich eine parlamentarische Äußerung[87].

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Weiter reichen z.B. Art. 94 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen, Art. 37 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg und Art. 55 Abs. 1 S. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen. Sie schützen alle Äußerungen, die in Ausübung der Abgeordnetentätigkeit getan wurden.

5. Rechtsfolgen

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Die Indemnität garantiert den Abgeordneten „außerparlamentarische Verantwortungsfreiheit für ihre innerparlamentarische Tätigkeit.“[88] Die Indemnität schließt jede gerichtliche, dienstliche oder sonstige Verfolgung außerhalb des Bundestages wegen einer Abstimmung oder Äußerung aus. Erfasst sind alle zivil-, straf-, disziplinar- und standesrechtlichen Verfahren, auch Verfahren auf Unterlassung und Schadensersatz.[89] Die Indemnität schließt innerparlamentarische Ordnungsmaßnahmen des sitzungsleitenden Präsidenten (§§ 36 ff. GO-BT), disziplinarische Maßnahmen einer Fraktion oder die Stasi-Überprüfung nach § 44c AbgG nicht aus.[90] Der Beobachtung und Auswertung der parlamentarischen Abstimmungen und Äußerungen durch den Verfassungsschutz steht Art. 46 Abs. 1 S. 1 GG entgegen.[91]

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Die Indemnität schützt nur vor staatlichen Maßnahmen, mögen sie auch – wie Zivilprozesse – von Privatpersonen angestrengt worden sein. Privatrechtliche Rechtsgeschäfte oder Willenserklärungen, wie z.B. eine Kündigung oder ein Parteiausschluss, fallen nicht darunter.[92] Bestimmte privatrechtliche Maßnahmen gegenüber Bundestagsabgeordneten, z.B. die erwähnte Kündigung, verbietet aber Art. 48 Abs. 2 GG.

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Die Indemnität ist ein Verfahrenshindernis.[93] Im Bereich des Strafrechts ist sie nach zutr. h.M. ein persönlicher Strafausschließungsgrund.[94] Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld schließt die Indemnität also nicht aus.[95] Tatbeteiligte bleiben strafbar.

§ 4 Mitglieder des Parlaments: Die Rechtsstellung der Abgeordneten › V. Immunität

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