Kitabı oku: «Brennpunkt Ukraine», sayfa 4

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Es erscheint mir daher sehr bedauerlich, dass sich dies aufgrund der Aktionen vor allem von Russland, aber auch der EU und den USA, zu einem Tauziehen entwickelt hat, wer die Kontrolle über die Ukraine bekommt. Und Russland wird dem Westen, und insbesondere den USA, nicht erlauben, vorherrschenden Einfluss über eine vereinte Ukraine zu gewinnen. Sie haben die Mittel, um zu vermeiden, dass das geschieht. Ich meine, in realistischer Anerkennung dessen hätte man in erster Linie bei der letzten Stufe der NATO-Erweiterung sagen sollen: „Okay, das ist es, es geht nicht mehr weiter, es sei denn, Russland wird dabei miteinbezogen.“ Mit anderen Worten: Die NATO hätte nicht engere Beziehungen mit der Ukraine oder, ich würde sagen, Georgien als Russland haben sollen. Ich denke, das ist einfach nur realistisch, denn solange es bezüglich der damit verbundenen Sicherheitsaspekte keine Entspannung gibt, werden sie die wirtschaftliche Integration nicht akzeptieren. Nun, denke ich, sie haben mit Finnland und mit Schweden gezeigt, wenn es keine Frage der NA-TO-Erweiterung gibt, dann ist es okay. Finnland und Schweden können Mitglied der EU werden, ohne großen Widerstand von Russland usw. Aber leider haben wir das nicht vom Tisch genommen.

Ich denke, aus russischer Sicht fürchtet man, dass zum Beispiel, sobald die Beschränkungen für die Einfuhr von Waren aus dem Westen in die Ukraine abgesenkt werden, die russischen Exporte in die Ukraine immer weniger wettbewerbsfähig werden. Jetzt auf lange Sicht, wenn es helfen würde, wettbewerbsfähig zu sein, könnte es einen Boom in Russland geben, aber die Art und Weise, wie sie es betrachten, ist es nicht. Ich denke, sobald die Regierung sich auf eine bestimmte Politik versteift hat, wird man sehr emotional damit verbunden und es wird eher schwer, dies zu ändern. Realistisch betrachtet finde ich es bedauerlich, dass alle Außenstehenden nicht der Ukraine zugeredet haben, dass sie vor allem ihr eigenes Haus in Ordnung bringen und ein Gefühl einer Nation, ein Gefühl der Loyalität gegenüber dem Land sowohl im Osten als auch im Westen entwickeln müssen. Und dann müssen sie in ihren Beziehungen mit Russland erkennen, dass sie Russlands Nachbar sind, dass sie in einem gewissen Sinn nie in der Lage sein werden, zu florieren, es sei denn, sie entwickeln zumindest ein erträgliches Verhältnis zu Russland. Daher versucht man, Dinge mit anderen auszuarbeiten, die Russland akzeptiert. Wir haben das bisher noch nicht getan und ich weiß nicht, es wird schwer sein, über diesen Berg zu kommen. Auf der anderen Seite ist keine der Alternativen besonders attraktiv, selbst für Russland nicht.

Es scheint mir also, dass wir vielleicht andere Verhandlungsführer brauchen. Ich habe dies mehrmals geschrieben: Anstatt einen Polen für die Verhandlung zu haben, warum lässt man nicht die Finnen die EU repräsentieren? Sie haben ein besseres historisches Bild und fruchtbarere Beziehungen mit Russland als die Polen. Das ist nicht unbedingt die Schuld eines Einzelnen, aber Tatsache ist, dass dies, ob es nun Imperialismus ist oder nicht, sehr tiefe emotionale Probleme sind – und insbesondere für die Vereinigten Staaten zu weit entfernt, um zu beginnen, direkt engagiert zu sein. Ich glaube wirklich, dass wir uns hier zurückziehen sollten. Ob wir dies politisch können, ist eine andere Frage, weil eigentlich nicht viele Amerikaner wirklich viel über die Ukraine wissen oder sich viel um sie kümmern. Aber die Republikaner wollen irgendwelche Fehler in Verbindung mit Obamas Präsidentschaft finden. Und er hat in seinem Team Menschen, die sehr stark von den Ukrainern aus dem Westen beeinflusst sind und die dies als eine Art der amerikanischen Unterstützung für Freiheit, Unabhängigkeit und Entwicklung sehen. Und die russischen Bemühungen sind völlig negativ. Jeder hat eine gewisse Basis, aber Tatsache ist, würde ich sagen, dass die amerikanischen direkten Sicherheitsinteressen in der Ukraine minimal sind, wohingegen wir großes Interesse an vielen Fragen im produktiven Umgang mit Russland haben.

Ich denke, dass unsere Politiker, und das gilt auch für einige der führenden Personen in der EU, vergessen, dass wir den Kalten Krieg zu einem Ende gebracht haben. Unser Ziel – und es ist ein echtes Ziel – war ein geeintes und freies Europa – und dass Russland auch dazugehört. Also, wenn man die Taktik verfolgt, es weiter zu isolieren, schadet Russland mehr als jeder andere, das steht außer Frage.

Die Ukraine ist jetzt seit mehr als 22 Jahren ein unabhängiges Land. Ich war hier ein erstes Mal im Februar 1992 und dann wieder im Sommer 1992 in Donezk. Wenn man sich die Entwicklung des Landes ansieht, so hat es die Ukraine nicht geschafft, eine sich selbst tragende Wirtschaft aufzubauen. Sie war nicht in der Lage, den Staat auf Basis der Unternehmen vornehmlich im Osten zu reformieren. Die Infrastruktur dort, neben der Sicherung von Dienstleistungen aus Charkiw und Donezk, war in einem sehr schlechten Zustand. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe für diesen großen Misserfolg?

Es ist eine Tragödie, dass die Ukraine dies nicht geschafft hat. Aber Sie legen Ihren Finger auf etwas, was das Land hätte tun müssen. Ich habe schon mehrmals darüber geschrieben, etwa in der Mitte der 90er-Jahre einen Artikel über die Ukraine. Ich betitelte ihn ursprünglich – die Redaktion hat den Titel dann geändert, was ich nicht gebilligt habe – mit „Auf dem Weg zu einem besseren Leben stecken geblieben“ – wegen dieser Trennung. Und ich bin nach Kiew gegangen, ich war früher viele Male dort, aber Mitte der Neunziger bin ich mit einem Team von ehemaligen Beamten des internationalen Sicherheitsrats gekommen, um die Ukrainer darüber zu informieren, wie wir die nationale Sicherheit im Amt des Präsidenten organisieren. Wir hielten Briefings ab und als wir mit hohen Beamten sprachen, sagte der Ukrainer, der den Vorsitz hatte: „Wenn ihr Amerikaner über die nationale Sicherheit sprecht, sprecht ihr über Außenpolitik. Lassen Sie mich Ihnen zeigen, was unser Problem ist.“ Und dann zeigte er uns die Karte mit der Abstimmung in der letzten Sache und die Teilung zwischen West und Ost. Er sagte: „Unser Sicherheitsproblem ist intern, nicht extern.“ So war es immer sehr klar, auch dann, dass, obwohl die Ukrainer das erkannten, sie noch nicht ein Gefühl der Einheit, eine Nation und all das geschaffen hatten.

Ich schrieb zu der Zeit, sie sollten sehen, wie beispielsweise die Finnen 20 % der Bevölkerung, der schwedischen Bevölkerung, die vollkommen gleichen Rechte gegeben hatten. Sie hatten ihre Zeitungen, sie hatten ihre Theater (wenn sie so viele haben, ich denke, es sind 20 % der Bevölkerung), sie konnten ihre Kinder zum Beispiel an eine schwedische Schule schicken. Jetzt wurde Finnisch in all diesen Schulen unterrichtet, die Erziehung kann aber beides sein, ja, die Hochschulbildung kann entweder in Finnisch oder Schwedisch sein. Oder die Iren! Haben die Iren gesagt: Du musst Keltisch sprechen? Sie können kein Englisch sprechen und sind ein echter Ire? Oder schauen Sie auf Belgien – okay, es gibt noch Spannungen zwischen der Französisch und der Flämisch sprechenden Bevölkerung. Aber sie haben gleiche Sprachenrechte erhalten und ein Gefühl der Nationalität geschaffen, die nicht ausschließlich auf Sprache beruht.

Wir hatten vor Kurzem einen Vortrag von einem Ukrainer, der jetzt in Deutschland lehrt, aber, glaube ich, er stammt aus Charkiw, ein Russisch sprechender Ukrainer. Er sagte, dass man von der Gegend um Kiew und den Zentralbereich der Ukraine wisse, dass die meisten Menschen zu Hause Russisch sprechen, es aber sehr schlecht schreiben, weil in den Schulen nur Ukrainisch unterrichtet wird. Wissen Sie, ich kenne andere Aussagen von Menschen aus Odessa, die sagen: „Ich bin ein treuer Ukrainer, ich möchte nicht Teil der Russischen Föderation sein, aber meine geistige Welt ist Russland, ich möchte in der russischen Kultur leben.“ Irgendwie haben sie kein Nationalgefühl geschaffen, dass man sich in Russisch wohl fühlt und doch ein Ukrainer sein kann. Aber ich denke, dass viele Ukrainer der globalen Tradition folgen und der Ukraine in einem bestimmten Sinne treu bleiben wollen, aber auch einem Teil der russischen Kulturwelt folgen wollen. Seien wir mal ehrlich: Ich hasse es, diese Sache zu bewerten, aber die russische Literatur bzw. Kultur ist reicher als die ukrainische, es ist in vielerlei Hinsicht eine größere Welt. Und ich kann verstehen, dass eine Russisch sprechende Person ihren geistigen Horizont nicht auf die ukrainische Kultur beschränken möchte, so reich sie auch sein mag.

Glauben Sie, dass, wenn Sie nun die Ukraine und Russland zumindest formal vergleichen, Russland einen starken Führer mit Putin hat, oder mit Putin und Medwedew? Es gab den Kolomojskij-Fall, bei dem mindestens ein großer Oligarch diszipliniert wurde. Glauben Sie auf der anderen Seite, dass es eine große Fragmentierung mit den Oligarchen in der Ukraine gibt, ohne jetzt über Kolomojskij zu reden und Michail Prochorow, der wirklich sein eigenes Spiel spielt, von Russland gehasst wird und Russland wirklich hasst in einem sehr, sehr weiten Sinn? Also denken Sie, dass eine hohe Kunst der Politik zu einem gewissen Grad in Russland unter Putin wiederhergestellt ist, während man in der Ukraine immer noch diese Fragmentierung hat, dass Oligarchen einen von ihnen wählen oder einer der bequemen Führer Präsident wird?

Ich denke, das ist richtig, ja. Es ist absolut richtig und sehr schwer, die Zukunft vorauszusagen, weil ich denke, dass sie alle aus der gleichen Art von sowjetischem Erbe kommen, und das bedeutet, dass man manchmal plötzliche Umkehrungen haben kann. Oft sind die Verhandlungen, die hinter den Kulissen laufen, die, die entscheidend sein werden. Und der Eindruck an der Oberfläche ist nicht immer die ganze Wirklichkeit. Ich bin nicht so gut informiert über das Zusammenspiel dieser verschiedenen Oligarchen. Putin hat nun, ich würde sagen, nicht nur praktisch die Kontrolle über vieles in Russland übernommen. Indem er die Krim annektiert hat, hat er seine allgemeine Popularität zumindest vorübergehend sehr stark erhöht. Ich denke, sie war im Abnehmen, als er zurück zur Präsidentschaft kam, und jetzt ist sie sehr hoch. Ob das lange andauern wird, ist eine andere Frage, weil die Krim für die Russen sehr teuer werden wird, wenn sie versprechen, die Pensionen zu verdoppeln und ähnliche Dinge. Sie werden damit durchkommen müssen, andernfalls werden sie in einem oder zwei Jahren eine sehr enttäuschte Bevölkerung haben. Es ist schwer abzusehen, wie sie alle diese Erwartungen erfüllen werden. Auch wer immer die Kontrolle über den Donbass erhält, wird das tun, was diese Leute erwarten, und das wird eine Menge Geld kosten.

Ich sehe eine Menge Ärger voraus und denke, dass Putins Sorgen intern viel ernster sein werden als alle Sanktionen, die der Westen ihm auferlegen kann. Obwohl ich verstehe, dass der Westen, wenn er entscheiden sollte, dies zu tun, das russische Finanzsystem schwächen kann. Das ist etwas, wo sie echte Hebelwirkung haben. Ich glaube nicht, dass es klug wäre, dies zu tun. Ich bin mir sicher, dass die meisten Mitglieder der EU es nicht zu weit treiben wollen – natürlich wie wir alle. Die EU hat ein viel stärkeres wirtschaftliches Engagement in Russland als die USA und würde einen viel höheren Preis zahlen, wenn es zentrale Sanktionen geben würde, die wirklich der russischen Wirtschaft schaden würden. Die bisherigen Sanktionen zielen hauptsächlich auf Personen und sind nicht so wichtig. Ich denke, sie sind vor allem für inländische Wahlkreise – damit man etwas tut. Aber ich hoffe, dass der Westen auf zentrale Sanktionen verzichtet, weil ich denke, dass man am Ende dem ganzen Land schadet, es weiter isoliert und einen wirklich „kranken Mann“ im Osten schafft.

Aber auf der anderen Seite scheint mir das sehr deutlich, und Sie haben erwähnt, dass Russland ein enormes finanzielles Problem haben wird, die Krim, Donezk und Lugansk aus wirtschaftlicher Sicht wiederherzustellen. Ich sehe daher keinen realistischen Grund, warum Russland daran interessiert sein sollte, den Donbass zu übernehmen. Auf der anderen Seite, wie kann man eine Lösung finden, bei der Putin sein Gesicht nicht verliert?

Nun, ich würde zunächst sagen, die Einheit der Ukraine muss in der ersten Instanz von Ukrainern selbst geschaffen werden. Solange sie dies nicht tun, gibt es nicht viel, was irgendjemand von außen, ob es nun die Russen sind oder die EU oder die USA, für sie tun kann. Das, denke ich, müssen wir bedenken. Wenn ich die amerikanische Politik machen würde, hätte ich die ganze Zeit die Ukrainer dahingehend beraten, dass sie, wenn sie unsere Unterstützung wollen, sich zur Neutralität verpflichten müssen. Ich meine, wir haben die Russen aus Wien weggeholt, indem Österreich nach dem Schweizer Vorbild zu dieser Zeit neutral wurde. So gibt es jede Menge Präzedenzfälle – und warum wir nicht drängen, das weiß ich nicht. Aber bisher, Sie wissen es, ist die Antwort, dass jedes Land das Recht haben sollte, die Mitgliedschaft zu beantragen. Das mag so sein, aber das bedeutet nicht, dass man sie nehmen muss. Und sicherlich würde ich vor dem amerikanischen Kongress argumentieren, dass wir nie ein Land wie die Ukraine in die NATO nehmen und seine Sicherheit garantieren sollten, weil es nicht eine völlig einheitliches Land ist. Es hat interne Probleme. Warum sollten wir unseren eigenen guten Glauben auf das Spiel setzen, wenn sie nicht ihre eigenen Probleme gelöst haben? Es geht wirklich darum: Können es die Ukrainer?

Was die Russen erbeten haben, war zumindest an der Oberfläche nicht unvernünftig. Es scheint mir, dass wir, die EU und die USA, die Ukrainer dahingehend hätten drängen sollen, das zu akzeptieren. Das war erstens, dass Russisch den gleichen Status wie Ukrainisch als Amtssprache haben sollte, vor allem in jenen Bereichen, in denen diese Sprache weit verbreitet gesprochen wird. Zweitens, dass das Land entweder ein föderales System übernimmt oder ein System mit sehr erheblicher lokaler Kontrolle über die lokale Politik. Es scheint mir, es gibt keinen Grund dafür, dass die Provinzen der Ukraine nicht mindestens so viele Rechte haben sollten, wie sie die US-Bundesstaaten haben. Warum das für die Ukrainer im Westen des Landes so nicht nachvollziehbar ist, verstehe ich nicht. Denn das ist der einzige Weg, auf dem sie ein Gefühl der Einheit im Land schaffen können: die Vielfalt in vielen Bereichen zu erlauben, aber dabei immer noch die Treue zum Gesamtstaat zu bewahren. Dann war die dritte Bedingung, dass es dort eine Zusage – eine rechtlich bindende Zusage – der Neutralität geben sollte, dass die Ukraine nicht Teil eines anderen Militärbündnisses werden darf. Ich sehe da nichts, was an diesen Prinzipien falsch sein sollte. Die Ukrainer meinen, Russland erstelle ein föderales System, um zu versuchen, die östlichen Provinzen von ihnen wegzuziehen – ich weiß nicht, wie man das beantworten soll.

Abgesehen davon: Angesichts der Unterschiede, welches andere System würde fair sein? Welches andere System wird die Einheit schaffen? Aber ich habe keinen der führenden EU- oder US-Unterhändler gesehen, der in der Tat diese Prinzipien befürwortet, und ich verstehe nicht, warum. Jetzt kann es sein, dass Dinge leise geschehen, über die ich nichts weiß. Ich will also kein Urteil fällen, aber wenn man sagt, wie es umgesetzt werden könnte, scheint es mir, dass diese Grundprinzipien, die die Russen vorgebracht haben, wenn sie wirklich durchgeführt würden, einen Rahmen bieten könnten, den Russland akzeptieren würde. Und wenn das stimmt, dann sollten Außenstehende wirklich Druck auf die Ukrainer ausüben, einen Weg zu finden, dies zu erreichen.

Selbst wenn dieser Konflikt nächste Woche stoppen würde, haben wir enorme Probleme vor uns – die Abrüstung von verschiedenen militärischen Gruppen, Wiederaufbau und Sozialwirtschaft, die Rückkehr der Flüchtlinge. Wer könnte dies organisieren und in welcher Weise? Könnte die OECD eine solche Rolle spielen, weil jemand eine Art neutraler Beobachter sein muss?

Sie haben recht. Nun, ich weiß nicht – es gibt einen UN-Ausschuss für Flüchtlinge, aber dieser wird natürlich vollständig von Syrien, Irak, Palästina in Anspruch genommen. Es gibt schon so große Probleme in der Welt, vor allem im Nahen Osten … Aber ich würde eine aktivere Rolle der OECD begrüßen, weil Russland ein Teil davon ist. Und ich denke im Allgemeinen, dass es sinnvoll wäre, wenn alle Seiten eine Vermittlung annehmen würden. Vielleicht ist es besser, wenn diese Organisation, und nicht die EU, einen Großteil der Verhandlungen führt. Wenn Außenstehende nur die eine Seite oder die andere unterstützen, spaltet man weiterhin die Ukraine. Die Ukrainer müssen irgendwie einen Weg finden, sich auf eine Weise wieder zusammenzutun, die akzeptabel ist.

Wenn man die Situation vor acht oder neun Monaten betrachtete, hatte ich den Eindruck, dass Janukowitsch die Vereinbarung mit der Europäischen Union unterzeichnen wollte. In dieser Zeit gab es eine hohe Ignoranz auf Seiten der Ukraine, der Vereinigten Staaten und des IWF. War die Ukrainekrise nicht auch ein Zeichen für eine große Katastrophe der EU-Außenpolitik? Für ihre Politiker und für die USA, aber vor allem für die EU? Hätte man diese Krise nicht verhindern können, wenn die EU der ukrainischen Regierung angeboten hätte, was sie nun anbietet?

Mir sind nicht alle diplomatischen Details, insbesondere das, was Moskau nicht gesagt wurde, bekannt genug, um dies zu beurteilen. Alle Seiten haben Fehler gemacht, indem sie zuließen, dass die Krise zu einem Ost-West-Konflikt geworden ist und dies zur Teilung der Ukraine geführt hat. Auf dieser Basis gibt es, realistisch gesehen, keine gemeinsame Lösung.

Vielleicht wurden ja große Anstrengungen unternommen, um die Russen zufriedenzustellen, und die Russen waren dennoch nicht zufrieden, ich weiß es nicht. Die Ukraine muss erst einmal intern eine Einigung bei diesen Fragen finden, die die meisten Ukrainer in Ost und West unterstützen können. Und dann müssen sie zumindest Duldung von Russland bekommen. Es scheint mir, dass es diplomatische Wege gibt, durch die dies in der Vergangenheit hätte erarbeitet werden können. Immer dann, wenn die Dinge total zusammenbrechen, wird es viel schwieriger.

Die Mechanismen sind immer noch da. Lawrow und Kerry treffen sich offenbar noch, der Mechanismus für die Beratung ist da, zweifellos treffen sich die westlichen Führer noch – auch mit Putin und auch mit den Ukrainern. Wir haben die Kommunikation nicht völlig abgeschnitten. Ich denke schon, dass die echte Verhandlung ruhig verlaufen muss und nicht auf einer öffentlichen Plattform stattfinden soll, weil die Reaktionen auf die Innenpolitik in der Öffentlichkeit häufig nicht zu einer Einigung verholfen haben. Gefragt ist nun die stille Diplomatie. Sie muss die Russen mit einschließen, aber das Entscheidende ist, was die Ukrainer bereit sind, unter sich zu entscheiden. Das, was Russland fordert, sollte etwas sein, was die Ukrainer auch einhalten können. Und wenn der Westen, die USA und die EU, als Bedingung für ihre Hilfe diese interne Klärung von der Ukraine als Voraussetzung fordern, könnte das ebenfalls hilfreich sein. Aber nach dem, was ich an öffentlichen Äußerungen sehe, ist die Krise immer noch zu sehr als ein Kampf darüber einzuordnen, welche Seite die Ukraine für sich gewinnen wird. Keine der beiden Seiten wird jedoch gewinnen. Die Ukraine wird verlieren, wenn das weiterhin so sein sollte.

DIESER MAIDAN WAR EINE REVOLUTION
Gespräch mit Leonid Krawtschuk

LEONID KRAWTSCHUK (*1932) war von 1991 bis 1994 der erste Präsident der Ukraine nach der Unabhängigkeit von der UdSSR. Im Anschluss war er bis 2006 Abgeordneter des ukrainischen Parlaments.


CHRISTIAN WEHRSCHÜTZ: Herr Präsident, Ende 1991 ist die Ukraine nach 300 Jahren wieder zu einem unabhängigen Staat geworden. Die Bevölkerungszahl betrug damals 52 Millionen Einwohner, und jetzt sind es circa 45 Millionen. 23 Jahre nach der Unabhängigkeit hat die Ukraine große staatliche, soziale Probleme – und jetzt erlebt die Bevölkerung die größte Krise seit der Unabhängigkeit. Warum ist das so? Warum ist es der Ukraine in diesen Jahren nicht gelungen, ein stabiler Staat zu werden?

LEONID KRAWTSCHUK: Da diese Frage sehr umfassend und, ich würde sagen, sogar global ist, kann man keine eindeutige Antwort auf sie geben. Es gibt viele Gründe – interne und externe.

Ein interner Grund ist, dass nach siebzig Jahren der Herrschaft durch die kommunistische Ideologie und die Kommunistische Partei in der Ukraine eine Kategorie von Menschen entstanden ist, die sich gegenüber der Gesellschaft, gegenüber dem Volk, gegenüber dem Land und gegenüber der Geschichte nicht verantwortlich fühlten und es nach wie vor nicht tun – solche Menschen gibt es bis heute. Sie sind sich keiner Verantwortung bewusst. Die politische Elite, die diesen ganzen Prozess der Entwicklung eines neuen Staates, eines neuen Lebens, einer neuen Philosophie, der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Freiheit hätte anführen sollen – sie war nicht bloß nicht dazu bereit, sondern lehnte das auch noch ab, weil sie immer noch die kommunistischen Ideen in sich trägt. Wir haben jetzt zwei Parteien: die Partei der Regionen und die Kommunisten. Eigentlich haben sie mit den Idealen, die die unabhängige Ukraine noch in den 1990er-Jahren ins Leben gerufen hatte, nichts gemein. Das heißt, dass die internen Probleme dermaßen kompliziert sind … Es gibt auch interne Wirtschaftsprobleme: Die Ukraine war eine Region, die auf Schwermaschinenbau spezialisiert war. 33 % aller Waffen der Sowjetunion wurden hier, in der Ukraine, hergestellt. 33 % – das ist ein Drittel. Das waren Hunderte von Betrieben, Tausende von Werkhallen, Millionen von Arbeitern. Sie innerhalb von kürzester Zeit in eine andere Branche umzustrukturieren, war sehr schwierig. Ein dritter Grund, der wirtschaftlich eine Rolle spielt: Die Ukraine hatte keine Energieträger und hat sie bis heute nicht. Das hat zur Folge, dass man viel Geld an den Hauptlieferanten von Energieträgern zahlen muss – an Russland. Dies sind interne Gründe.

Es gibt auch externe Gründe, etwa den ständigen Druck auf die Ukraine durch Russland mit unterschiedlichen Methoden – wirtschaftlichen, politischen und jetzt auch noch militärischen. Heute können wir nämlich offen sagen, dass Russland nicht nur Agenten und Terroristen in die Ukraine schickt, sondern es beliefert diese auch mit Waffen und kooperiert mit ihnen. Im Grunde haben wir im Osten einen Krieg nach der Annexion der Krim, die absolut rechtswidrig war und von der Welt nicht anerkannt worden ist. Und es ist nicht nur Russland. Europa hat die Ukraine immer nur durch das Prisma der russischen Interessen betrachtet – und tut das bis heute. Ich habe mich natürlich mit vielen führenden westeuropäischen Politikern getroffen. Jedes Mal haben sie das Gespräch mit mir wie folgt beendet: „Sie müssen irgendwie auf Russland Rücksicht nehmen, um einen Konflikt zu vermeiden und um normale Beziehungen aufrechtzuerhalten usw.“ Zurzeit kann sich Europa nicht einmal auf Sanktionen einigen. Europa kann es nicht, weil jedes Land seine eigenen Interessen, seine eigene Sichtweise auf die Situation sowie seine eigenen Beziehungen mit Russland hat. Und viertens: Der Westen verzeiht Russland all das, was er der Ukraine nicht hätte verzeihen können. Zum Beispiel haben wir das Budapester Memorandum über den Verzicht auf die Atomwaffen unterzeichnet. Wir haben es unterzeichnet, auf die Waffen verzichtet. Jetzt sagen alle – sowohl diejenigen, die die westliche demokratische Welt repräsentieren, als auch Russland –, dass dieses Dokument nicht gültig ist. Nun stellt sich die Frage: Wozu sollte man etwas unterzeichnen, was nicht gültig ist? Und werden die nächsten Dokumente, die wir unterzeichnen, gültig sein? Wenn das eine Dokument nicht gültig ist, dann werden auch die anderen Dokumente nicht gültig sein. Wir zerstören nämlich das internationale Recht durch Russlands Handeln. Meiner Meinung nach erlaubt die Welt Russland das, was man nicht erlauben darf, weil die russische Aggression gegenüber der Ukraine nicht mit dieser Aggression enden wird. Russland hat größeren Appetit.

Was glauben Sie, kann man die Krise in der Ostukraine mit kriegerischen Mitteln bewältigen? Denn ich war gerade in Donezk und habe gesehen, welchen Schaden die Infrastruktur genommen hat: Brücken und Straßen sind zerstört, Wasser- und Gasversorgung sind eingestellt. Die Ukraine wird es viel Geld kosten, die ganze Infrastruktur nach dem Krieg zu erneuern und wiederaufzubauen. Welche Meinung haben Sie zu der Bewältigung der Krise mit Waffen?

Ich persönlich war schon immer (seit meiner Präsidentschaft) und bin auch jetzt dafür, dass alle noch so komplizierten Probleme (interne, externe, internationale Konflikte) auf friedlichem Wege durch Verhandlungen gelöst werden. Dialog und Verhandlungen.

Jedoch müssen wir die Situation, die wir heute im Osten des Landes haben, genauer betrachten. Wir können mit den inländischen Freischärlern, die es auch gibt, nicht verhandeln, weil sie von Russland unterstützt werden. Russland schickt Terroristen, Kämpfer, Waffen, und sie erfüllen in diesem Fall den Willen Russlands und nicht den eigenen Willen. Sie sind nicht Herr über ihre Handlungen. Ihr Herr ist im Kreml, er heißt Putin. Ohne die Beteiligung und den Wunsch von Putin wird die Ukraine heute kein Problem lösen können. So viel ist jetzt klar. Deshalb plädieren wir dafür, die Verhandlungen auf diplomatischem Wege zu führen, aber wir sehen, dass die Möglichkeiten für Verhandlungen bezogen auf den heutigen Tag erschöpft sind. Man muss Druck auf Russland ausüben. Alleine wird die Ukraine Russland nicht stoppen können. Wir haben ungleiche Maßstäbe und ungleiche Kräfte. Wir betrachten den Sachverhalt mit realistischem Auge. Wenn die ganze Welt sich vereinigen würde, wenigstens Europa und die Vereinigten Staaten … Übrigens, die Vereinigten Staaten führen in diesem Fall eine sehr konsequente Politik, und Europa wechselt seinen Kurs ständig: Mal wird es Sanktionen geben, mal nicht, mal will man die Ukraine unterstützen, mal versucht man, den russischen Interessen gerecht zu werden … Nehmen wir zum Beispiel das Gespräch der Bundeskanzlerin mit Putin in Rio de Janeiro. Wir sehen doch, dass hier bereits direkt der Gedanke vertreten wird, die Ukraine (nicht die Ukraine, sondern die ukrainische Regierung) an den Verhandlungstisch mit den Terroristen zu bringen. Sobald wir uns mit den Terroristen an den Verhandlungstisch setzen, werden wir sie faktisch anerkennen. Die ukrainische Regierung würde die Volksrepublik Donezk und die Volksrepublik Lugansk anerkennen. Danach wird die Welt sagen: Aber sie führen doch Verhandlungen mit denen, also ist es eine echte Regierung. Das heißt, dass wir solche Zugeständnisse nicht machen dürfen. So etwas kann man auf der Ebene einer gemeinnützigen Organisation bzw. eines runden Tisches machen – aber nicht die internationalen Verhandlungen unter Beteiligung von OSZE und Russland führen. Das würde bedeuten, dass man den faktischen Sachverhalt anerkennt. Europa kann nicht geschlossen auftreten. Europa kann nicht gemeinsam mit den Vereinigten Staaten auftreten – und Putin versteht das und handelt entsprechend der Situation.

Es gab ein sehr wichtiges Ereignis in der ukrainischen Geschichte: die Orangene Revolution. Während und nach dieser Revolution gab es viele Erwartungen, dass sich die Situation schnell bessern würde. Und zehn Jahre danach müssen wir feststellen, dass diese nicht erfolgreich war. Warum? Und warum kam es dazu, dass die Ukraine schon wieder zehn Jahre verloren hat. Warum ist das so?

Die Väter und die Schöpfer der ersten (Orangenen) Revolution unter der Leitung des Präsidenten Juschtschenko haben auf dem Maidan sehr große und tiefgehende Vorschläge bezüglich der ukrainischen Reformen deklariert: Regierungswechsel, Änderung des Regierungssystems und des Rechtssystems, Änderung der Verfassung etc., die den Grundsatzinteressen des ukrainischen Volkes entsprechen würden. Als der Maidan zu Ende war und sie reelle Macht in den Händen hatten, distanzierten sie sich von ihren Deklarationen. Also entweder haben sie gesehen, dass sie die Situation nicht verändern können, oder es wurde einfacher für sie, das zu machen, was sie vorher gemacht hatten. Deshalb waren die Menschen, die auf dem Maidan standen, sehr schnell enttäuscht und fingen an, den Maidan und die Väter des Maidans nicht mehr zu akzeptieren bzw. nicht mehr zu unterstützen – auch den Präsidenten Juschtschenko. Wie Sie wissen, wurde er für die zweite Legislaturperiode nicht mehr gewählt, dabei hat er eine sehr geringe Unterstützung bei der Bevölkerung erfahren. Das heißt, nachdem der Maidan die neuen Politikgrundsätze akzeptiert hatte (interne, externe), hätte man dies alles in Gesetze umwandeln sollen. Man hätte die Gesetze ändern, einen Teil der unprofessionellen Regierung austauschen (Menschen, die korrupt waren und es nach wie vor sind, Menschen, die keine Vorstellung von einem neuen Leben hatten – sie hätten ausgetauscht werden müssen und auf ihre Plätze hätten neue Leute kommen sollen) und die neuen Gesetze umsetzen sollen. Dann hätte man von den Ergebnissen des Maidans reden können. Dies ist nicht passiert. Also war in diesem Fall nicht der Maidan schuld, sondern es waren die Führer des Maidans, die später das Land regiert hatten.

Sehen Sie diese Gefahr auch jetzt? Wird also nach dem zweiten Maidan die Revolution wieder nicht erfolgreich bleiben?

Ich sehe die Gefahr, denn um diese Gefahr zu beseitigen, müssten wir über 400 000 Beamte und Verwalter ersetzen. Über 400 000! Das sind Menschen, die in anderen Kategorien denken. Das sind Menschen, die keine proukrainische, sondern eine prorussische und eine prokommunistische Ideologie besitzen. Das sind Menschen, die ihre Aufgabe nicht darin sehen, sich um das ukrainische Volk zu kümmern, sondern um den eigenen Geldbeutel. Das sind meistens korrupte Menschen (sowohl in großem als auch in kleinem Stil). Sie müssen ersetzt werden. Wir müssen eine neue Verfassung beschließen und aufhören zu sagen, dass diese Verfassung für „jemanden“ gemacht wurde. Sie muss die Verfassung des ukrainischen Volkes sein und die wichtigste Aufgabe erfüllen: Die Regierung und das Volk sollen zu Partnern werden und nicht die Antagonisten bleiben, wie es jetzt der Fall ist. Deshalb haben sowohl Poroschenko als auch die Regierung viele Probleme. Diese Probleme wurden nicht durch sie verursacht, sondern haben sich in vorherigen Jahrzehnten entwickelt. Und sie müssen schnell handeln. Aber wissen Sie, wenn so viel Arbeit ansteht und Krieg herrscht, ist es nicht einfach, etwas zu machen (Reformen, ernsthafte Veränderungen). Solange der Krieg nicht beendet ist, solange wir uns nicht auf den friedlichen Weg begeben und nicht anfangen, unter friedlichen Bedingungen zu arbeiten, wird es schwierig sein, etwas zu verändern. Deshalb existieren diese Bedrohungen, man muss sie kennen und darf nicht zulassen, dass sie sich entwickeln. Man muss die Veränderungen langsam angehen: die Regierung ändern, sich selbst ändern, die Gesetze ändern, die Verfassung ändern. Da wir das Assoziierungsabkommen mit Europa unterzeichnet haben, müssen wir auch alles nach Anforderungen der europäischen Standards ändern. Alles! Und dies ist ein sehr schwieriger, komplizierter und tiefgehender Prozess. Deshalb habe ich jetzt Verständnis dafür, und ich kann nicht sagen, dass die Regierung entweder „schlecht“ arbeitet oder irgendetwas sonst. Sie arbeitet unter den Bedingungen eines Ausnahmezustandes.

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Litres'teki yayın tarihi:
23 aralık 2023
Hacim:
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9783990403389
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