Kitabı oku: «Drei Erzählungen von Christiane Benedikte Naubert in einer Transkription von Sylvia Kolbe: "Die Warnerin. Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.", "Die weiße Frau" und "Herzog Christian von Eisenberg oder: das eisenberger Gespenst"»

Yazı tipi:

Für Anna, Lydia, Helene, unvergessen.

Für Evelyn, Margot, Gisela, ihre Töchter.

Christiane Benedikte Naubert

Die Warnerin.

Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.

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Die weiße Frau

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Herzog Christian von Eisenberg

oder: das eisenberger Gespenst

Drei Erzählungen in einer Transkription von

Sylvia Kolbe

im Engelsdorfer Verlag Leipzig

2014

Bibliografische Information durch Die Deutsche Bibliothek:

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Léon Benett, Le Château des Carpathes. 33. "Elle! elle!..." s’écria-t-il. , 1889

Drucke Innenseiten: Volksmährchen der Deutschen, Viertes Bändchen, Leipzig Verlag von Gebhard und Reisland, 1839

Frauenzimmer Almanach, Leipzig, bei Carl Cnobloch, 1820

Die Warnerin: Friedrich Rochlitz: Selene; Eilftes Heft.

Leipzig, bei Georg Joachim Göschen 1807

Die weiße Frau: Volksmährchen der Deutschen, Viertes Bändchen

Leipzig Verlag von Gebhard und Reisland, 1839

Herzog Christian von Eisenberg: Frauenzimmer Almanach

Leipzig, bei Carl Cnobloch, 1820

Copyright der vorliegenden Ausgabe (2014) Engelsdorfer Verlag

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Sämtliche, auch auszugsweise Verwertungen bleiben vorbehalten.

Alle Rechte beim Autor.

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Christiane Benedikte Naubert

Die Warnerin. Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.

Personen

Die weiße Frau

Die Burg Rožmberk/ Burg Rosenberg

Herzog Christian von Eisenberg oder: das eisenberger Gespenst

Personen

Nachwort

Die Leipziger Schriftstellerin Christiane Benedikte Naubert

C.B. Naubert wurde am 13. September 1752 in Leipzig geboren. Im Jahr 2010 konnte ich Einsicht nehmen im Kirchlichen Archiv Leipzig, Burgstr. 1-5. Laut Eintrag in das dort vorliegende Kirchenbuch der St. Nikolaikirche ist das Geburtsjahr von Naubert, geb. Hebenstreit das Jahr 1752! Somit ist Christiana Benedicta vier Jahre früher geboren (1752), als bisher in den Lexika und anderen Veröffentlichungen zu Naubert angegeben wurde. Diesen Fund verdanke ich den eifrigen Bemühungen des Ehepaares Karen und Thomas Hoffmann aus Leipzig, die ich aufgrund ihrer genealogischen Erfahrungen um Hilfe gebeten hatte.

Christiane Benedikte Naubert ist die Begründerin des modernen historischen Romans. Ihren ersten historischen Roman veröffentlichte sie 1785, über 50 Romane sind von ihr erschienen.

Außerdem schrieb sie von 1789 bis 1792 die Märchensammlung „Neue Volksmärchen der Deutschen“ – vier Bände; Wilhelm Grimm besuchte Christiane Benedikte Naubert im Jahr 1809.

C.B. Naubert war eine außerordentlich erfolgreiche Schriftstellerin der Goethe-Schiller-Zeit.

Naubert entstammte den Leipziger Juristen- und Gelehrtenfamilien Bosseck und Hebenstreit. Zu ihrer Zeit waren sie hochgeschätzte Leipziger Persönlichkeiten: der Jurist und Senior des Schöppenstuhls Benjamin Gottlieb Bosseck, Nauberts Großvater; der Mediziner und Naturforscher Johann Ernst Hebenstreit, Nauberts Vater; ihre Brüder Georg Ernst, Theologe und Heinrich Michael, Historiker und Jurist. Ihr jüngerer Bruder Ernst Benjamin Gottlieb und ihr Neffe, Sohn ihrer Schwester, Johann Christian Clarus, waren Mediziner, letzterer bekannt als Woyzeck-Gutachter. Dieser gelehrte familiäre Hintergrund ermöglichte ihr die notwendigen Studien und Bibliothekszugänge, die sie für ihre historischen Romane benötigte.

Bis zu ihrer Heirat 1797 lebte Christiane Benedikte Naubert in Leipzig, dann in Naumburg.

1818 kam sie nach Leipzig zurück und starb hier am 12. Januar 1819.

Eine Gedenkplatte am Nachfolge-Gebäude ihres Geburtshauses in Leipzig (Standort ehem. König-Salomon-Apotheke) zum 261. Geburtstag, am 13.9.2013, wurde von Thomas Hoffmann gestiftet und kann in der Grimmaischen Straße Leipzig, am Haus mit dem Fürstenerker, dank der Unterstützung des Eigentümers Eberhard Wiedenmann, betrachtet werden.

In neuerer Zeit erschienen einige wissenschaftliche Publikationen über die Schriftstellerin Benedikte Naubert. Beispielsweise promovierte im Jahr 2005 die britische Germanistin Hillary Brown mit der Arbeit „Benedikte Naubert and Her Relations to English Culture”, sie nimmt u. a. Bezug auf Nauberts Einfluss auf die Romane von Walter Scott. Im Jahr 2010 erschien die Veröffentlichung der Germanistin Claudia Hareter „Benedikte Naubert: Eine Untersuchung der Lage einer Schriftstellerin in der Goethezeit“.

Bereits 1992 schrieb Victoria Scheibler ihre Doktorarbeit über Naubert an der Universität München und veröffentlichte 1997 das Werk „Phantasie und Wirklichkeit. Benedikte Naubert im Spiegel ihrer späten Romane und Erzählungen (1802-1820).

Zwei dieser späten Erzählungen - zu denen es in der Buchankündigung von V. Scheibler heißt: „Mit dem Motiv des Wunderbaren wird ein neuer roter Faden in ihrem literarischen Werk entdeckt“ - finden Sie, lieber Leser, im vorliegenden Band.

Die dritte enthaltene Erzählung, „Die weiße Frau“, erschien bereits während der ersten Schaffensphase von Naubert, in der oben erwähnten Märchensammlung.

Mehrere Neuauflagen der „Weißen Frau“ gab es bereits, so 2001 enthalten in „Mein tapferes Herz. Texte deutschsprachiger Schriftstellerinnen des 18. Jahrhunderts“ (Hrsg. Christine Heinze) und in der im Jahr 2001 erschienenen Neuauflage von „Neue Volksmärchen der Deutschen“ (Hrsg. M. Henn, P. Mayer, A. Runge). Für das hier vorliegende Buch wurde daher eine Ausgabe von 1839 ausgewählt, erschienen in Leipzig, bei Gebhardt und Reisland, im dortigen Vorwort heißt es: „Unter ihren [Nauberts] zahlreichen kleinern Erzählungen zeichnen sich die neuen Volksmährchen der Deutschen … als Muster ihrer Gattung aus, – und es sind diese lieblichen Erzeugnisse der trefflichen Schriftstellerin, die wir hiermit dem deutschen Volke in einer neuen Ausgabe bieten.“

Lassen Sie sich verzaubern von den Erzählungen einer Schriftstellerin, deren Wortschatz Sie möglicherweise verblüffen wird.


Leipzig, im September 2014 Sylvia Kolbe

Von der Herausgeberin an die Erzählungen angefügt: jeweils eine kleine Übersicht zu einigen historischen Personen und ihren Orten.

Außerdem in Fußnoten Worterklärungen – letzteres soll dem Verständnis historischer Wortbedeutungen etc. dienen (genutzt wurde u. a. das Deutsche Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm als Online-Ausgabe sowie Wikipedia – Die freie Enzyklopädie).

Die Fußnoten von C. B. Naubert sind in Unterscheidung dazu - wie im Original - mit *) versehen.

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Die Warnerin. Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.

An Ludmilla.

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(1654 geschrieben)

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Du dringst in mich, Ludmilla, und ich muß dir nachgeben. Noch einmal schließe ich dir das Heiligste auf. Wahre es wohl, und laß es vor keine andern Augen kommen, als die deinigen. Laß dich die Tagebücher meiner Aeltern warnen; laß sie dich warnen vor der ausländischen Heirath. Wir sind deutsche Jungfraun, und keine Damen. Mir giebts allemal einen Stich ins Herz, wenn dein Signor Savelli mich eine Dame schilt. Seit diese fremden Worte deutsche Sitten verdrängen, ist bei uns deutsche Freiheit, samt deutscher Zucht und Freude verschwunden. Ich haße aber den Signor nicht allein ob dieser Frechheit in allerley ehrlich seyn sollenden Ekelnamen, und nicht nur weil er Savelli heißt, sondern noch um eins. Denkst du noch dran, als deine Neugier, und der Wahn, die Mutter, seel‘ge, sey verborgner Dinge kundig gewesen, mich bewog, dir zum erstenmal dieses Heiligthum zu öffnen? und Savelli, den ich damals noch leiden mochte, dazu kam, und, uns heimlich über die Schulter lesend, in des Vaters Buch die Worte fand: ,,Anno 1634 der Dinge wenige verzeichnet, amoris causa1?" Er befragte mich damals, fürwitzig gnug: ob der strenge, tugendliche Lilienström auch einst die Liebe gekannt, und in wen er entbrannt gewesen? und als ich, zorniglich ihn ansehend, antwortete: in wen anders, als in meine Mutter? zählte er an den Fingern, recht spottlich, die Jahre, und findend, daß ich damals schon auf der Welt seyn mußte, hat er weiter gefragt: Seyd ihr auch ehelich gebohren? Als ich aber vor Zorn schon erstummet, hat er hinzugesetzt: Ey, Dame, dann glaube ich, daß eure Mutter heimliche Künste beseßen! denn welch Weib kann im zweyten Ehestandsjahre, wo nicht gar im dritten, den Mann noch fesseln, daß er sein selbst vergäße?

Siehe, seitdem weiß ich, was ich von den Savelli denken soll; weiß es in alle Wege, und gebiete dir ernst: Laß keine Zeile dieser dir vertrauten Schriften vor seine Augen kommen.

Bist du seiner Meinung, daß Margaretha von Lilienström mehr vermochte als ein Weib, so lerne aus diesen Schriften, welches ihre Zauberkraft war, und wodurch sie freilich im Leben gar viel vermocht. Gott gebe dir und auch mir ähnliche Kräfte.

Hier sind die Blätter, so viel dir davon zu lesen dienlich.

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Es war im Jahr unsers Herren 1630. als ich, unter dem Kriegsvolk des großen Gustav, am Ausfluß der Peene, ans Land stieg.

Großer Gott, damals war noch Recht und Gottesfurcht unter den Leuten, und ich weiß keinen unter uns, der nicht, gleich dem schwedischen Helden, sein Herz zum Himmel erhoben, samt den Händen, als er, der König, auf die Knie fiel, und den Boden, den wir betraten, gleichsam mit Gebet weihete. Einige zwar meinten, dies sey pfäffisch, und ist sonderbar, daß, wie ich fleißig beobachtet, just diese zagten, wenn es an den Feind ging.

Ich habe jenesmal wohl herzlich gedanket und gebetet, hatte solches auch vonnöthen wegen der schweren Verwundung am linken Schenkel, die mein Tod hätt werden können, und nicht ward, jedoch mich noch gnugsam hinderte am Gebrauch der Waffen, auch das Reiten mir schwer macht, dazu ich inbrünstiglich bat, Gott möcht mir wieder helfen.

Als der König, dem ich allernächst stand, das inne ward, daß ich weinte, hat er gesprochen: Ey, langer Fritz! Hier gilts nicht Weinens, sondern freudigen Danks! Hat auch nach meinen Wunden gefragt, und verschafft, daß, als wir gen Stettin kommen sind, mein beßer gepflegt werden solt. Unglücks gnug für mich, daß in den Actionen, die dazwischen lagen, ich nicht mit machen konnt, sondern mußt auf der faulen Bärenhaut liegen. Sind inzwischen meine Wunden so verärgert2, daß die Wundärzte vom Abnehmen des Schenkels gesprochen, wofür ich lieber den Tod gewählt.

In Stettin hab' ich mich stark gemacht über mein Vermögen, und hat mich königliche Majestät zum alten Herzog gesandt, ihm anzudeuten, was der König nachmals selbst mit ihm sprach. Und als ich nun seiner Durchlaucht beweglichen zugeredet, Königs Güte nicht zu verkennen , sondern Stadt und Land in Gottes Namen in des christlichen Helden Hand zu legen, wo beyden wohl gerathen sey, hat des alten Herzogs Durchlaucht sich dennoch nicht entschließen können, sondern gesagt: Will seiner Majestät mündlichen Vorschlags gewärtig seyn. Ihr, Rittmeister, laßt inzwischen zu Euren Wunden sehen, maßen3 Euch wol herzlich weh ist, und ihr schier Euch Sinkens nicht entbrechen4 könnt. Man rufe der Jungfrau Margaretha, daß sie sein selbst wahrnehme! – Hab also damals den Namen dieser köstlichen Perle zum ersten gehört. Mir sind aber bald darauf alle Gedanken vergangen, und habe wol nichts von dieser Jungfrau gesehen, bis dieser sichtbare Engel Gottes schon mehrere Tage an meinem Lager ist beschäftigt gewesen.

Es war eines Morgens, just beym Frühläuten, als mir zuerst die Augen aufgingen, und ich gewahr ward, wo ich lag, und wen ich um mir hatte. Mein Diener, so mich diese Nacht bewacht, hatte sogleich laut ausgeschrien vor Freuden, und ist, seinen Gefärthen zu meiner Hut herbeyrufend, sogleich nach der Margaretha gelaufen, welche nicht weit seyn konnt, irgend im Nebenzimmer.

Habe ich denn je einen der guten Geister gesehen, so vor Gottes Throne stehen, so ists damals gewesen, so daß ich, als freudig erschrecken, mich ausgerichtet, und schwächlichen gestrebt, das Haupt zu blößen; wär wol vor ihr niedergekniet, hätte ich solches vermocht.

Sie, die Holdseelige, hereintretend, ging auf mich zu mit dargebotener rechter Hand. Willkommen ins Leben, Herr Rittmeister, sagte sie. Legt Euch flugs, und schließt die Augen wieder! Euch dienet jetzt weder Sehen, noch Reden! —

Gütiger Gott! nicht reden, wenn das Herz zerspringen will! nicht sehen, wenn all unser Geist in die Augen geflohen ist!

Ich gehorcht indeßen, hab aber doch ein wenig durch die Augenlieder geblinzt, die holde Rede, die aus ihrem Munde ging, auch zu sehen. Und sie sagte mir freundlich, wie krank ich gewesen, doch nicht allein aus Ursach des Schenkels, als der nun gerettet sey, sondern von übermäßiger Anstrengung; sollte hinführo Gott nicht versuchen, maßen ich auch ein Mensch sey, der sinken und ermatten könne, obgleich mir Gott ungewöhnliche Gestalt und Kräfte gegeben.

Ihre, der Jungfrauen Gestalt, war aber auch ungewöhnlich, nicht allein durch hohe Schönheit, sondern auch durch der Glieder stolzen Bau, so daß sie schier ehr einem rüstigen Jüngling glich, als einem Mägdlein. Habe sie einst, als sie schon mein war, in Waffen gesehen, da sie schier nichts verrieth, wenn ich ein einziges ausnehme, als des Auges sanfter, unter den langen Wimpern sittig gesenkter Blick, und des Mundes unaussprechliche Lieblichkeit. Schwarz war ihr Haar, die Augen von gleicher Farbe, zierliche Bogen beschirmten diese Lichter; in Summa, sie war untadelich.

Mit solchem Himmelsbild im Herzen sank ich bald in liebliche Träume, und wachte doch. Der Leib genas, aber die Seele erkrankte, bis eben andem Tage, da ich reden wolt, (es war der erste meines Aufseyns) man mir sagte: die Jungfrau lasse freundlich mich grüßen, und da ich ihrer Hülfe ferner nicht bedürfe, werde sie gerufen zu andrer Pflicht.

Ich fragte dann meine Leute, wer sie eigentlich sey, und wohin sie verschwunden, wußten mir aber solches nicht zu sagen. War damalen schon die Stadt den Schweden übergeben, und der Herzog mit seinem Volk hatte sich in andre Gegenden verwendet. Habe wol rechtschaffen getrauert ob ihrem Verschwinden, war aber doch immer, als sagte mir einer: du wirst sie wiedersehen! wie auch geschehen.

Man sagt, des Kriegsmanns Herz ist leicht geheilt; muß auch wol, denn wer dörfte mit krankem Herzen sich unter die Eisen wagen! Unselde5 hatte mich von meinem Herrn, dem schwedischen Helden, getrennt; Kriegsthaten ohne dies theure Haupt waren fast nie glücklich, denn es fehlte, nebst der alles ordnenden Seele, auch die alles zusammenhaltende Hand, daher wir auch gerathen sind in die leidige Gefangenschaft des Torquato Conti.

Hätten wol alle lieber sterben mögen, als ihm das Leben danken; denn, hilf Gott, welcher Gräuel mußten wir Zeugen seyn, bey ihm gezwungen in sogenannter freyer Haft verharrend! Nahm unser Ehrenwort, zu bleiben! waren uns Waffen vergönnt sogar, jedoch die Hände gebunden, sie zu führen! Heilloses Spiel mit den Worten Freyheit und Knechtschaft!

O Fritz Lilienström! daß du nicht lieber in dein Schwerd ranntest, als das sogenannte Quartier annahmst! Doch ist solches gottlos zu sagen; hab wol gethan was ich konnt um ehrlich zu sterben, dem Tyrannen nichts verschwiegen, ihn oftermalen gereitzt, fruchtet aber nichts, blieb immer mir hold.

Als Pasewalk überging, hab ichs dem Tyrannen ins Angesicht gesagt: hier werde teuflisch gewütet; hat mir auch solches zu gut gehalten, mir Macht gegeben sogar, den Rettenden bey Brand und Blut, so er am Ende selbst beordert, an die Seite zu treten. Ich habe solches redlich gethan, und viel Nachfolger funden, denn der Mensch von Natur ist nicht grausam geartet, sondern wirds nur, wenn ihm der leidige Satan den Taumelkelch reicht des Bluts und der Lüste, aus welcher Trunkenheit besonders einer dieses verruchten Heers nicht nüchtern ward!

Es war dies der Savelli, des Torquato Untergeneral. Hat selber unerhörte Unthat verübt, an Männern, Jungfraun und Kindern. Hatte einen Buben, der sein Sohn war, damals allermeist zehn Jahr; mußte der Zeuge seyn aller Gräuel, und hat ihn der Vater gar eben erzogen, das zu werden, was er selbst war, und noch viel mehr, sagend: Weiß wol, was mirs für Mühe gekostet, hinüber zu kommen über das Pfaffengeschwätz, so sie Gewissen nennen, und soll mein Jung kein Gewissen haben! –

Mit des Conti Gutheißen, der jenen immer nur eine Weil machen ließ, bereitet ich also dem kranken Herzen in mir auf diesen blutigen Tag ein Fest, zu retten, was jener Teufel verderben wolt. Wer mir nachfolgt, ward deß bald gar willig, und haben den südlichen Theil der Stadt fast ganz aus den Flammen gerißen, auch des elenden Manns- und Frauenvolks viel in des Conti Obhut bracht, darzu auch Kinder.

Das schwerste Werk stand uns vor in einer Kirchen, da sich ein Haufe Frauenvolk und Alte, nebst unmündigen Kindlein, enthielten. Hatten Gewehr drinn, und vertheidigten sich aufs verzweifeltst, indem sie aus Fenstern und Zuglöchern schoßen auf den eindringenden Savelli; wurden befehlicht von einem Frauenbild, so hier als ein Held gehalten.

Wir kamen eben dazu, als man dran war, Feuer zu legen an das Gotteshaus und jene Elenden mit Rauch zu ersticken. Hab hier männlich gethan was mir oblag, und da ich, so wie ich gern gewolt, keine Gewalt brauchen durft, gelang mirs, weiß selbst nicht wie, des Savelli hartes Herz zu regen, daß er ordentliche Capitulation einging und dem elenden Frauenvolk nebst Alten und Kindern einen ehrlichen Abzug versprach.

Zogen die also furchtsam heraus, nicht trauend selbst seinem höchsten Eyde, als wohl ermeßend, daß solch ein Mensch keines Eydes nicht achtet. Er auch nicht so bald die schönen Bilder wahrnahm, noch verschönt durch die Glut der Angst in den lieblichen Gesichtern, als er anders Sinns geworden.

Niedergebeugt von Furcht und Scham, die Kindlein fest an sich preßend mit der einen Hand, leitend mit der andern die Alten und Kranken, so schwebten sie einher, nicht wagend oder nicht wollend vor dem zu knien, zu danken oder zu bitten, wie sie gelehrt worden, dem sie lieber ganz unsichtbar hatten bleiben mögen.

Mir vergingen fast die Gedanken, denn eine hohe Jungfrau, über alle hervorragend, war ihre Anführerin. Sie allein einestheilsin Waffen, in der Hand das Schwerd, auf dem Haupt den offenen Sturmhut, schön wie ein gewapneter Engel. O Margaretha! Margaretha! konnt' ich dich verkennen? Mein Herz bebte, und jetzt erst kam mir ein, es sey einem Böswicht auch wol möglich zu brechen den heiligen Eyd, hülfloser Unschuld geschworen; mochte aber solches nicht äußern, und solches um deintwillen, du meines Lebens Leben! hätte, dich auszeichnend, des Wütrichs Augen lenken mögen sonderlich auf dich! Jedoch ausgezeichnet warst du schon genug, durch hohe Schönheit, des Gemüthes Tapferkeit, und männliche Waffen. O Margaretha, hättest du nur diese gelassen, nur diese: vielleicht wärst du unter den andern, die ja auch schön waren, den Augen des Tyrannen entkommen!

Doch die Heldin wolte das nicht. Kühn und ernst trat sie vor den Savelli. General, sagte sie, was ihr für uns thatet, das lohne euch Gott; wir danken für ehrlichen Abzug.

Darob er lachend erwiederte: Leben und Ehre hab ich euch geschenkt vor der Hand, mit nichten die Freyheit. Ehrlichen Abzug solt ihr ja haben, doch mit uns; was kann wol ehrlicher seyn, als zu ziehn mit dem Helden, der so gern sich der Thaten erholt in sanften Weiberarmen!

Hat auch flugs Anstalt gemacht, zu feßeln die zarten Weiblein, und sie auf Wagen zu werfen, oder sie zu binden an den Sattelknauf, in Willkühr des Reuters, ob ihm gemüthlich sey, ihrer zu schonen, oder sie zu Tode zu jagen über Dornen und Hecken.

Ich aber, als ich sah, daß meiner Margaretha – sage: meiner, meiner Margaretha – auch also geschehen solt, und sich der Savelli sie zur sondern Beute erkohren: da hab ich mich nicht mehr gekannt vor Zorn und grimmigen Wüten, hab einen Streich geführt nach dem Bösewicht , stark genug, ihn vonsammen zu spalten. Doch er traf leider ihn nur halb; sie fielen mir in die Arme, und weil ich denn einen Heerführer verwundet, war ich flugs in Ketten und Banden.

Als man mich zum Conti bracht, um ihn zu bewegen, mein Todesurtheil straks Angesichts zu fällen, und ich dargegen mächtiglich führte meiner Sachen Gerechtigkeit, antwortet er: Rittmeister, ihr habt über die Schnur gehauen6, und kann euch nun nicht helfen. Sehet, das Leben sey euch geschenkt, aber die Haft auf Ehrenwort hat nun ein Ende; erkennet nun auch die Haft in Ketten und Banden.

Wie? entgegnete ich; jener Vertrag ist null, und ihr beginnt einen neuen?

Kein Vertrag, antwortet er; eure Feßeln sagen gut für euch!– Worüber ich mich höchlich gefreuet, heimlich gedenkend, welches Gott mir verzeihe: Hast nun zurück das Ehrenwort nicht zu entweichen, bist so gut als frey; was sind gegen jenen Zwang eiserne Ketten und Bande! – Muß wol einst einem Mönchlein durch die Schul gelaufen seyn, um diesen Ausweg zu erlernen! –

Wie ich gedacht, so ist mirs gelungen. Haben mich ja wol ehr einen Samson genannt, wie hätte ich Bande nicht brechen sollen, zumalen bey wiederkehrenden Kräften und der Hüter Gelindigkeit, gewonnen durch jenen Freybrief, den Gott manchen der Seinen verleiht, daß sie niemand verletze, und ists oft mir Trost und Rettung gewest, daß ich wußt, ich hab einen solchen. Der Pöbel, auch in unsern Tagen die Vornehmen wol, nennen dies: fest seyn; und bin ich auch fest gewesen allewege, durch Vertrauen auf Gott, und aus mir verliehene Kräfte.

Als nun Nacht und Schlauheit mein Werk gedeckt hatten und ich frey war, bin ich nicht geflohen, sondern zurückblieben auf dem Aschenhaufen der an einigen Stellen noch brennenden Stadt, theils zu besserer Verheimlichung meines Einweichens und Verwirrung meiner Spur, theils um der Jungfrau nahe zu bleiben, von welcher meine Hüter, als ich noch in Banden war, mich versichern wolten, man wisse nichts von ihr, und sey sie vermuthlich in dem Getümmel von Savellis Verwundung entkommen.

War sie dies, so befand sie sich nirgend, als hier. Hatte ich doch in ihren Armen ein gerettetes Kindlein gesehen, als sie vor Savelli stand, und hielt sich doch hinten an ihr Gewand ein schwacher Alter, der sie, ich hört es, Tochter nannte. Hier in Pasewalk also war sie wahrscheinlich zu Hause, hier hielten sie Bande des Bluts, hier mußt ich sie finden.

Aber ich bin die rauchende Stätte viel Tage lang durchzogen, ohne die ich suchte zu finden. Elend zu lindern fand ich gnug, hatt auch die Kräfte dazu allermaßen. Wo nicht Rath nützt und That, da gnügt auch Geld wol zuweilen; hatte den Feinden manchen Ort abgelauscht, wo sie Schätze geborgen, und, vor eigenem Feuer fliehend, zurückgelassen hatten. Das zeigt ich denn den Abgebrannten ehrlich an; ihr war es, nicht das meine.

Gleichwol dankten die Armen mir dafür, als wärens gar große Dinge; wär gut gewesen, hätten sie mir danken können durch gute Nachricht von meiner Jungfrau. Was ich erfuhr, war ehr Gift, als Balsam in meine Wunden. Einige kannten sie gar nicht, andere, denen sie bekannt war, sagten: sie sey eine Reichsstädterin, nur durch Unfall zum alten Herzog kommen, sey nun über ein Jahr Bettmeisterin7 gewesen in seinem Hause, und ihm gar innig verbunden, habe ihn längst schon gewarnt vor dem Unglück, wie ihr denn die Gabe verliehen sey, Unglück vorauszuwißen und Menschen zu warnen, habe solches, mit dem Kindlein nach Pasewalk kommend, auch hier gethan, sey aber nicht gehört worden.

Mir gefiel in diesem Bericht gar wenig. Zwar schämt ich mich fast, der Bettmeisterstelle bei einem so frommen, alten Herzog schlimme Deutung zu geben, auch glaubt man heut zu Tage nicht viel von verborgenem Umgang mit Kunde gebenden Geistern: gleichwol bleiben solche Sachen in Dubio8, und hat mir das Vorauswißen künftiger Dinge bey einer christlichen Jungfrau, zusamt dem Kindlein in ihren Armen, schwerer Gedanken gar viele gemacht, so daß ich verging wie ein Schatten, mich auch des Lebens erwogen, und weiß schier nicht, welches härter ist, von dem Geliebten verbannt, oder irre seyn an dessen Gottesfurcht und Tugend.

Als ich endlich mit mir eins ward, die Margaretham gar mir aus dem Sinn zu schlagen, da hat mir Gott eine große Freude beschert, und ward damals durch dies Zeichen gewiß, daß mein Entschluß recht sey vor ihm.

Es kam nemlich unser schwedischer Held in diese Gegenden, mit seinem allweg siegreichen Heer, und könnt ich mich wieder zu ihm fügen, wie zu dem Haupte die Glieder. War nicht müßig gewesen in diesem verödeten Winkel: viel der versprengten Unsern hatt ich zu mir gesammelt, so daß ich mich mit einem ziemlichen Häuflein ihm darstellen konnte.

Seine Majestät war meines und der Meinen Anblicks froh, nannte uns alle bey Namen, und von mir allen Vorgang vernehmend, gebot er mir sein Führer zu werden über die verstörete Stätte.

Sein Herz brach vor Wehmuth, als er den Jammer gesehen; schier nichts als Aschenhaufen und Blutströme, verstümmelte Menschen und offene Gräber! Reichlich gab er, und erquickte die Verschmachtenden, wünschte auch mit gen Himmel gehobenen Händen, Einen Tag nur die Macht zu haben, die dort eben waltet, um alles Elend zu vertilgen von der Erde, da ers jetzt nothgedrungen oft mehren mußt; Einen Tag nur zu helfen, wenigstens hier, wo der unaussprechliche Jammer so heftig eindrang auf sein großes Herz, das eine ganze Welt mit Liebe umfasset. O dieser König ist viel zu groß für eine irdische Krone! Ohne die Zukunft zu wissen, wie Margaretha, wolt ich wol sagen, Gott habe ein besser Königreich dort ihm beschieden, werde auch nicht lang ihn darauf warten lassen; wehe aber alsdann, wenn er dahin ist, ja wehe uns Armen!

Gleich dem Herrn hat sich in diesem Winkel des Elends auch das Volk hülfreich erwiesen. Sie kamen hierher, und bedurften wol selbst der Labung, nach dem Feuer einer heißen Schlacht: aber jeder theilte seinen Bissen Brots mit den Verschmachtenden. Hab wol ehr gesehn, daß ein armer Kriegsknecht alle seine Taschen umgekehrt, um den hier verunglückten Armen auch das letzte zu geben, und ja nichts übrig zu lassen ihm selber.

Mir gab der König eine Bedeckung, um, wo ich könnte, Nahrung aufzutreiben und hier zu vertheilen, und dies alles für baare Zahlung, denn der Schwede hälts für schimpflich, ohne Geld etwas zu fordern, als wolte er betteln oder stehlen; überlassen solches den Wallenstein' schen, und andern, so der Ehre nicht achten.

Hat sich aber dermalen ein sonderer Casus zugetragen. Es ward nämlich unter den verirreten Kindlein, so keine Aeltern hatten, und die der König versorgte, ein ziemlich stämmiger Knabe zu ihm bracht, und als ichs beym Lichte besah, wars des Savelli Bub. Waren viele, die dem König riethen, solchen zu behalten, als Geißel irgend eines in Zukunft zu erlangenden Vortheils, worauf der König lachend sagte: Sind Gott Lob noch nicht so weit, anderes Vortheils zu bedürfen, als des Schwerdts und unserer guten Sache; wolt auch ihn laufen lassen, wozu ich allermaßen gerathen, dieser jungen Natter nicht alleweg zu trauen. Als ich aber zum König sprach, wie der Knabe werde vom Vater angelehret zu aller Untugend, ändert seine Majestät den Sinn, sagende: Bleib bey mir, Knab! sollsts gut haben, und lernen, was zum Rechtthun und zu christlichen Waffen gehört: halt ja, du seyst ein Christ? – woraus der Knabe tugendlicher geantwortet, als ich je ihm zugetraut; hat also des Königes Herz ihm gestohlen.

Wir zogen indeßen nun weiter; ich leider die Jungfrau immer im Herzen habend. Mocht thun was ich wollt, so stand straks ihr Bildniß vor mir. Habe mir solches zu großer Sünd gerechnet im Gefolg solchen frommen Königs, denn sie doch mein nicht werden könnt, nicht allein wegen des Kinds, sondern auch heimlicher Künste Verdacht. Wir hörten gar viel von ihr, wie sie im Warnen fast nie gefehlt, abschon nie gehört worden, gleich jener trojanischen Königstochter Caßandra, und war sie aus Augsburg, eine Fuggerin, alten Patrizier-Geschlechts, aber durch den Krieg und mancherley Unselde verirrt von Freundschaft und Heimath, welches gar wunderlich in meinem Sinne gepaaret das heißeste Mitleid mit heimlicher Furcht und Grauen. Und als ich solches einst dem König entdeckte, maßen er mit mir redete, wie ein Freund zu dem andern, antwortet er: Friz, mußt nicht also richten! der Pöbel hält alles für geistisch, was er nicht begreifen kann: halten mich ja für einen Engel Gottes, ihnen zum Schutz gesandt, weil ich nicht wüte, wie der Conti oder der Wallenstein, so ich doch nichts bin, als ein sündiger Mensch. Deine Margaretha halte ich gutes Verstandes und offener Augen, dazu heldenmüthigen Geistes, welche drey wol Wunder würken, bey Mann und Frauen. Bleib du der Jungfauen hold, bis aufdas Kind, als über welches ich freylich nicht kann, da alle sagen, es sey das ihre.

Es kamen aber nun andre Dinge, bei welchen einem die Liebessorgen wol vergingen. Glücklich oder auch unglücklich gnug war ich, einen Menschen beym Könige zu stürzen, welcher bisher meiner Gunst bey ihm fast die Wag gehalten. Es war der Quinti del Ponte.

Ich sah solches sein Ansehn beym König ohn allen Neid, welches Gott mir zeuge; ging mir auch gar hart ein, seine Majestät die Augen zu öffnen: aber der Ponte verdächtig war gar böser Stück, welche sich all erwiesen; hatte ich denn selbst Verräther werden sollen an meinem Herrn, aus Furcht, böslich und selbstisch gehalten zu werden, als der allein regieren wolt in des Königs Herzen? Nein, das sey ferne! ich habe offen geredet bis daß der Verräther vertrieben ward, zog mich aber alsdann zurück bestermaßen, so daß auch einst der König sagte: Fritz, wirst ja kein Ponte werden? woraus ich geantwortet: Daß ich solches nie werden kann, weiß Eure Majestät gar wohl, mag aber nicht scheinen, als der sich in des Ponte Erbschaft theilen wollt! woraus der, König gar freundlich lachte, sagend: Langer, mit uns bleibts beym alten!

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22 aralık 2023
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213 s. 6 illüstrasyon
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9783957444899
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