Kitabı oku: «Der Juliane-Plan», sayfa 2
Kapitel 2
Das kleinste Katzentier ist ein Meisterwerk.
Leonardo da Vinci, italienischer Maler und Naturforscher
Eine warme Sommerbrise streichelte Violettas Pelz, als sie nach draußen lief. Silbriges Licht floss vom Mond über das Sternendach bis auf die Halme des Rasens herab. Das Laub der Bäume raschelte leise. Nachtvögel stimmten ihren Gesang an. Ab und zu knirschten in der Ferne die Gummireifen eines Menschenautos auf einer Asphaltstraße. Es waren die vertrauten Geräusche der frühen Nacht. Doch von irgendwo ganz in der Nähe mischten sich seltsame Klänge hinein. Die Katze spitzte die Ohren. Was war das denn? Sie folgte dem Geräusch zum Gartenzaun. Mit einem energischen Satz landete sie auf einem der hölzernen Pfosten.
Sie ließ ihren Blick über den Nachbargarten schweifen. Dort gab es einfachen Rasen, ein paar blühende Sträucher und einen Apfelbaum. Nichts Besonderes. Violetta spähte zum Nachbarhaus. Die merkwürdigen Klänge kamen eindeutig von dort. Aus einem Fenster im Erdgeschoss fiel trübes Licht nach draußen. Hinter den anderen Fenstern war es dunkel. Die Menschen waren nicht da, oder sie schliefen schon. Violetta sprang auf den Rasen und huschte hinüber zum Haus. Unter dem beleuchteten Fenster hielt sie inne und spähte nach oben. Hier waren die ungewohnten Klänge sehr laut.
So etwas hatte die Katze schon einmal gehört. Es war Klaviermusik. Sie sprang auf die Fensterbank, um durch die Scheibe zu spähen. Ihre Schnurrhaare streiften das kühle Glas. Drinnen waren ein Sofa, ein breites Regal und andere dunkle Möbel zu sehen. In einer Ecke entdeckte Violetta den Sessel aus dem kastenförmigen Auto. Hier war das ganze Zeug also gelandet. Mitten im Raum standen einige Kartons. Außerdem ein großer, rundlicher Holzkasten auf Beinen. Ein Flügel. Davor saß ein Menschenmann, den Violetta noch nie gesehen hatte. Es hatten sich also nicht nur die Möbel geändert. Die Katze beäugte das braune Haar und den in Jeans und Hemd verpackten Körper.
Der Mann war weder besonders jung noch sehr alt. Er schien ganz in sein Klavierspiel versunken. In fließenden Bewegungen beugte er sich mal nach links, mal nach rechts. Seine Finger huschten fast wie eigenständige Wesen über die Tasten. Ab und zu schielte er kurz auf die weißen Blätter, die vor ihm auf dem Flügel standen. Doch die meiste Zeit waren seine Augen geschlossen. Samtig, schwer und melancholisch perlten die Melodien durch das verschlossene Fenster heraus.
Violetta fragte sich, wohin die Menschenfrau verschwunden war, die vorher hier gewohnt hatte. Sie war ruhig, freundlich und mit Geflügelhappen immer großzügig gewesen. Ob der neue Mensch wohl ein Katzenfreund war? Es würde sich zeigen. Violetta setzte ihren Streifzug durch die Gärten fort. Die Luft duftete schwer nach Erde, Gras und Kräutern. Ab und an schlich sich aus einem Mauseloch der appetitliche Hauch frischer Beute hinein.
Plötzlich torkelte der Katze ein Nachtfalter direkt vor die Nase. Schnell schlug sie mit der Pfote zu, doch er entwischte ganz knapp. Ärgerlich schnatternd und mit schlagender Schwanzspitze schielte sie ihm nach, als er in der Nacht verschwand. Sie lief weiter über die angrenzende Wiese. Die Grashalme bogen sich weich unter ihren Pfoten. Nahe eines Dickichts aus Büschen blinzelte ihr knopfäugig ein Igel entgegen. Seltsame Tiere, mit einem schauerlichen Pelz, von dem man besser Abstand hielt. Schon war der Igel unter einem Strauch verschwunden. Gut so. An einigen Stellen witterte Violetta frische Markierungen von Katzen und Hunden. Die meisten kannte sie. Sie rieb sich den Pelz an einem Fichtenstamm. Nun würden die nächsten Besucher auch wissen, dass sie hier gewesen war.
Als sie ihre Krallen an der knisternden Baumrinde wetzte, stieg Harzduft auf. Irgendwo im Geäst der Fichte knarzte etwas. Violetta spähte an dem Stamm hinauf, wo gerade ein Eichhörnchen entlangeilte. Schon war der rotbraune Pelz zwischen nadelbewachsenen Ästen verschwunden. Diese kleinen Nager bekamen es hin, sogar auf einem solchen Zweig noch herumzurennen. Auf Fichten klettern machte Violetta gar keinen Spaß. Diese Äste taugten einfach nicht, um sich draufzusetzen. Ganz anders als bei Apfel- und Zwetschgenbäumen, in deren Geäst fast immer ein guter Aussichtsplatz zu finden war. Noch dazu hatten sie eine rauhe Rinde, an der es sich angenehm klettern ließ. Doch auch ein glatter Ahorn- oder Kastanienstamm war eine willkommene Herausforderung, wenn es von der Krone aus etwas zu sehen gab.
Auf der anderen Seite der Wiese ragten einige Gartenlauben auf. Das Mondlicht glänzte auf den dunklen Dachschindeln. Dort war Violetta schon eine Weile nicht mehr gewesen. Durch das halbhohe Gras lief sie auf die Häuschen zu. Plötzlich hörte sie ganz in der Nähe ein Rascheln. Was war das? Eine Katze? Ein Mensch? Sie hielt inne und spähte um sich, doch es war nirgends etwas zu sehen. Wenig später kletterte sie einen gewundenen Baumstamm hinauf und sprang mit einem energischen Satz auf eine Gartenlaube. Die Dachschindeln strahlten noch immer ein wenig Wärme von der Sonne des Tages ab. Violetta setzte sich und drückte wohlig den Bauch dagegen. Sie ließ ihren Blick über die umliegenden Gärten schweifen, in denen es summte und zirpte. Vom blauen Samthimmel glänzten ihr punktförmige Sterne entgegen. Violetta begann sich die Vorderpfote zu putzen.
Die Katze dachte darüber nach, was sie tun konnte, damit Juliane wieder glücklich war. Sollte sie es mit einem anderen Geschenk probieren? Sie könnte eine Ratte fangen. Aber die war im Grunde auch nicht viel anders als eine Maus, nur größer. Es könnte statt dessen auch ein Maulwurf sein, oder ein Vogel. Die Katze hatte so eine Ahnung, dass das wohl auch nicht die richtigen Geschenke für Juliane waren. Vielleicht konnte sie wegen dieses Übeltäters etwas unternehmen, der ihrer Menschenfrau die Laune verdarb. Die Katze war so in Gedanken versunken, dass sie den Kater erst spät bemerkte. Behäbig tappte er über das Dach. Es war Herr Paul, ein Kartäuser, dessen Revier nicht allzu weit von ihrem entfernt lag.
Ab und zu liefen sie sich bei ihren Streifzügen über den Weg. Meist saßen sie dann irgendwann auf der Gartenlaube, um über Katzen und Menschen zu sinnieren. Manchmal sogar über Hunde. Der Kater schien von der Kletterpartie auf das Laubendach ein wenig außer Atem. Dabei war er mit zehn sicher noch nicht zu alt für etwas Anstrengung. Es lag wohl eher an seinen Speckröllchen. Er formte sich neben ihr zu einem grauen Pelzhügel. Die Härchen seines Fells stellten sich in der Sommerbrise leicht auf.
„Was für eine Freude, mit Ihnen den Mond anzuschauen.“
„Sie Schmeichler“, schnurrte Violetta.
Sie saßen eine Weile in vertrautem Schweigen. Ab und an putzten sie sich gegenseitig den Pelz. Violettas Gedanken wanderten wieder zu Juliane. Nachdenklich schielte sie zu Herrn Paul hinüber. Er war lebenserfahren. Konnte er ihr womöglich einen klugen Rat geben? Sie hatte sich noch nie von einer anderen Katze einen Rat geben lassen. Das musste sie probieren.
„Was macht Ihr Mensch?“, fragte sie.
„Frau Eisenstein ist wie immer sehr rege und schwirrt auf Wohltätigkeitsfesten und allerhand Ähnlichem herum.“
„Dann sehen Sie sie kaum.“
„Doch, das auch. Am besten gefällt es ihr, wenn ich auf ihrem Schoß sitze und schnurre, während sie am Kaminfeuer ein Buch liest.“
„Also ist sie glücklich.“
„Ich denke, das ist sie. Was machen Ihre Menschen?“
„Eine meiner Menschenfrauen ist unglücklich.“
„Wie kommt das denn?“
Violetta erzählte, was sie beobachtet und wie sie erfolglos versucht hatte, Juliane aufzuheitern. Der Kartäuser sah sie aus seinen Bernsteinaugen an.
„Wenn Sie ihr etwas schenken wollen, brauchen Sie ein Menschengeschenk.“
„Das ist mir aufgefallen.“
„Frau Eisenstein bekommt am liebsten Blumen.“
„Ich bin doch kein Karnickel, dass ich anfange, Blumen abzubeißen.“
„Dann lassen Sie sich etwas Neues einfallen, Sie sind doch erst drei.“
Herr Paul setzte sich auf seine nach innen gebeugten Vorderpfoten und schloss die Augen. Violetta begann nachdenklich auf der Laube auf und ab zu laufen. Die rauhen Dachschindeln kribbelten unter ihren Pfoten. Im Vorbeilaufen schnupperte sie an einem gewundenen Ast, der von einem Baum auf das Dach gefallen war. Zerfranst ragte das morsche Holz aus der schuppigen Rinde. An den dünnen Zweigen raschelten noch einige welke, gelbe Blätter.
Der Katze wollte einfach kein Geschenk mehr einfallen, und auch sonst nichts zum Aufheitern für Juliane. Sie blieb einen Moment stehen, die Schwanzspitze unruhig durch die Luft zuckend. Herr Paul sah aus als sei er inzwischen weggedöst. Violetta beschloss, noch eine Runde durch ihr Revier zu laufen, vielleicht fiel ihr dann noch etwas ein.
Als sie sich gerade abwenden wollte, meldete sich der Kartäuser wieder zu Wort.
„Sie brauchen Inspiration.“
Er stand auf und streckte seinen rundlichen Körper.
„Was Sie nicht sagen.“
„Wissen Sie, was mich inspiriert? Ein gutes Essen. Dabei lässt es sich am besten beraten. Kommen Sie doch morgen Abend vorbei. Dann macht Frau Eisenstein bestimmt frische Hühnerleber.“
Eine gute Idee. Violetta konnte sich nicht erinnern, schon mal frische Hühnerleber probiert zu haben. Vielleicht sprudelten die Einfälle dann besonders leicht, wenn noch dazu zwei Katzen nachdachten. Auf dem Heimweg machte Violetta nur noch selten Halt. Doch aus einem Garten wehte ein würziger Fleischduft heran, der sie unversehens an den Zaun lockte. Drinnen waren Menschenstimmen und Gläserklirren zu hören.
Neugierig spähte die Katze durch die schmalen Zaunspalten. Sie sah einige Menschen an einem großen Tisch sitzen. Sie redeten durcheinander und reichten sich Schalen mit Pflanzenzeug und Brot. Nicht weit vom Zaun schmorten Fleischstücke auf einem Metallgitter über einer Wanne mit glühenden Kohlen. Violetta leckte sich die Lefzen. Das musste sie sich näher ansehen. Sie sprang mit einem energischen Satz auf einen Zaunpfosten und von dort auf den kargen Rasen. Plötzlich erklang ganz in der Nähe lautes Gebell.
„Eindringliiiing!“
Ein großer Rottweiler rannte auf den Zaun zu. Wo kam der denn auf einmal her?
Violettas Pelz begann sich zu sträuben, doch während sie noch überlegte, ob sie weglaufen sollte, quietschte am anderen Ende des Gartens das Eingangstor. Dort war ein Mensch mit einem weiteren Hund aufgetaucht. Der Rottweiler blieb einen Moment verwirrt stehen, drehte ab und rannte kläffend zum Eingang.
„Eindringliiiing!“
Während der Mensch sich zu den anderen an den Tisch setzte, sprangen die Flohpelze lärmend herum. Doch schon nach wenigen Augenblicken wandten sie die Köpfe witternd Richtung Zaun. Violetta verzog sich schnell, bevor einer von ihnen auf dumme Ideen kommen konnte. Bei diesen Flohbeuteln konnte man das nie so genau wissen. Menschen waren mit ihren Fleischstücken sowieso meistens geizig. Sie würde sich unterwegs noch eine Maus fangen.
*
Violetta saß auf ihrem Kissen am Küchenfenster und spähte hinaus. Nach zwei erfolglosen Kuschelversuchen und drei unbeachteten Spielauftritten hatte sie beschlossen, sich erst mal eine Pause zu gönnen und Juliane ihren Büchern zu überlassen. Noch immer wand sich der Regen in Schlieren an der Scheibe hinab. Unten auf der Straße tat sich nicht viel. Ab und zu schimmerte durch die dünnen Wasserfäden ein bunter Schirm herauf, den sich ein Mensch über den Kopf hielt. Vereinzelt liefen Menschen ohne Schirm vorbei, die sich eine bunte Plastikhülle über den Kopf gezogen hatten. Draußen wurden die Menschen offenbar auch nicht gern nass.
Doch in ihren Badezimmern überschütteten sie sich aus irgendwelchen Gründen absichtlich mit Wasser. Dort war Carla vor einiger Zeit verschwunden. Die Katze spitzte die Ohren, doch es war kein Plätschern zu hören. Sie sprang auf den Boden und lief hinüber zum Bad. Neugierig steckte sie den Kopf durch die angelehnte Tür. Carla war gerade dabei, sich mit etwas metallisch Glänzendem eine Menge Schaum und ihre spärliche Behaarung vom Bein zu schaben. Als sie die Katze sah, grinste sie neckisch.
„Soll ich dich auch rasieren?“
„Sehr witzig, Carla.“
Als nächstes würde die Menschenfrau noch vorschlagen, sie in Stoffkleidung für Katzen zu packen. Violetta äugte um sich. Feine Wassertropfen glänzten an den mit Dampf beschlagenen Fliesen. Eine Wolke künstlicher Duftstoffe hing im Raum. Am Rand des Waschbeckens sammelten sich unterschiedliche Farbtiegelchen. Bestimmt würde Carla bald ausgehen. Das tat Juliane in letzter Zeit auch nicht mehr. Vielleicht wegen diesem Übeltäter. Was sie wohl gerade machte?
Die Katze huschte zu ihr hinüber, um nachzusehen. Die Menschenfrau lief mit einigen Büchern im Arm durch ihr Zimmer. Sie schien zu überlegen, in welchen der Stapel sie am besten passten. Plötzlich erklang eine metallische Melodie. Juliane legte die Bücher auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch und griff sich ein schwarzes Kästchen vom Sofa. Ihr Smartphone. Violetta mochte dieses Menschending. Es machte interessante Geräusche und leuchtete bunt.
Wenn Juliane gerade nicht aufpasste, ließ sich damit richtig gut spielen. Es kam vor, dass dann plötzlich eine verzerrte Menschenstimme erklang, die aber meist nicht viel sagte. Einen Moment lang sah Juliane den kleinen Bildschirm wie gebannt an. Es sah aus, als sei sie nicht sicher, was sie nun mit dem klingelnden Kästchen anfangen sollte. Dann drückte sie mit entschlossener Miene eine Taste und hielt es sich ans Ohr. Während sie lauschte wurde ihr Gesicht immer unglücklicher. Geistesabwesend begann sie eine Haarsträhne zwischen den Fingern aufzuzwirbeln.
„Jetzt gibst du also mir die Schuld.“
Ihre Stimme zitterte. Eine verzerrte Männerstimme klang aus dem Telefon. War das der Übeltäter? Violetta spitzte die Ohren.
„Zu kompliziert?“
Julianes Augen begannen zu glänzen. Sie blickte ins Leere. Unruhig fuhr sie sich mit der Hand durchs Haar und holte tief Luft.
„Das stimmt doch gar nicht…hörst du eigentlich jemals zu? Hallo?“
Ungläubig starrte Juliane das Smartphone an, dann warf sie es aufs Sofa. Nun verdarb ihr dieser schreckliche Mensch auch noch am Telefon die Laune. Violetta lief zu ihr, um sich an ihr Bein zu schmiegen.
„Sei nicht traurig, Juliane.“
Doch ihre Menschenfrau seufzte nur und rieb sich mit beiden Händen die Stirn. Sie schob die Katze vorsichtig ein Stück weg und wandte sich wieder ihren Büchern zu.
*
Nach dem Regen duftete die Erde schwer und würzig. Violetta eilte wie ein schmaler Schatten durch die Dämmerung, ohne innezuhalten. Regenwürmer schlängelten sich über den Boden. Plötzlich sprang ihr grün und ungelenk ein Frosch in den Weg. Für einen Moment juckte der Jagdinstinkt in ihren Pfoten, doch dann besann sie sich. Frösche schmeckten widerlich. Das war so ziemlich das Schlimmste, wo man hineinbeißen konnte. Sie hatte eine viel bessere Mahlzeit in Aussicht. Die Katze erreichte Herrn Pauls Villa. Im Garten schnupperte sie an aufgebauschten Rosenblüten. Weich drückten sich die Blütenblätter gegen ihre Schnurrhaare. Inmitten der Blumenbeete erspähte sie ein rundes Dach auf Stangen. Das Holz war mit Schnitzereien überzogen. Es war glatt, doch es roch alt. Sicher stand es schon sehr lang dort. Es wäre ein Leichtes, hinaufzuklettern, um sich auf dem Dach umzusehen, aber sie hatte Wichtigeres zu tun.
Die Katze lief auf die breite Haustür zu und schielte nach oben. Löwenköpfe aus Metall blickten ihr stumm entgegen. Violettas Schwanzspitze zuckte angespannt. Solche Spielereien sahen den Menschen ähnlich. Sie witterte am Katzentürchen, von dem ihr Herr Pauls Geruch entgegenwehte. Mit einem Maunzen drückte sie die Klappe auf. Der Kartäuser musste sie gehört haben. Er tappte ihr schon im Flur entgegen, um sie mit einem Nasenkuss zu begrüßen.
„Guten Abend, junge Dame. Kommen Sie, wir gehen in die Küche.“
Sie liefen über einen gemusterten Teppich. An den Wänden erspähte Violetta auf beiden Seiten eine Holztäfelung. Es gab einen dunklen Schrank mit Gravuren und eine ähnliche Kommode, über der ein Spiegel schimmerte. Alles sah nach einer vornehmen Menschenbehausung aus. Violetta fand, die Atmosphäre passte zu Herrn Paul. In einem großen Glaskasten auf einer weiteren Kommode regte sich etwas. Dort schwamm ein Schwarm bunter Fische im Wasser. Violetta spähte aufmerksam zu den Wassertieren, die inmitten einiger Steine und Pflanzen ihre Bahnen zogen. Der Kartäuser drehte sich zu ihr um.
„Die sind nur zum Anschauen da.“
„Zum Essen sind sie auch zu klein.“
„Bestimmt keine ordentliche Mahlzeit. Warten Sie mal ab, was Frau Eisenstein uns zaubert.“
Der Duft von Nahrungsmitteln verriet, dass sie gleich die Küche erreichten. Doch plötzlich tauchte aus einem anderen Raum eine Menschenfrau auf. Vor ihr wehte eine seltsame Duftwolke her, die entfernt an so etwas wie Flieder erinnerte. Graue Locken umrahmten ihr Gesicht, graugrüne Augen glänzten aufmerksam hinter Brillengläsern. Ihre Beine waren in Seidenhosen gehüllt. Mit einiger Mühe widerstand Violetta der Versuchung, ihre Krallen in den herrlich knisternden Stoff zu versenken. Als ihr Blick auf Violetta fiel, strahlte die Frau.
„Paulchen, du hast ja Besuch mitgebracht.“
„Paulchen?“
Violetta spürte ein erheitertes Zucken in den Schnurrhaaren. Sie schielte neckisch zu dem Kartäuser hinüber, der verlegen den Blick abwandte.
„Ich weiß auch nicht, wie sie darauf gekommen ist. Ab und zu ist Frau Eisenstein etwas eigen.“
Bevor die Katze antworten konnte, beugte sich die Menschenfrau zu ihr.
„So eine hübsche Dame. Lass dich mal ansehen.“
Plötzlich fand Violetta sich in der Luft wieder, wo sie protestierend mit den Pfoten ruderte.
„Halt! Was macht sie denn da?“
„Stillhalten, sie will sie nur begrüßen.“
„Ich will wieder runter.“
„Nun halten Sie schon still und schnurren Sie ein bisschen.“
„Mir gefällt es hier oben aber nicht.“
Violetta zappelte ein wenig auf Frau Eisensteins Arm herum.
„Wollen Sie nun frische Leber oder nicht? Keine Sorge, nach der Begrüßung haben Sie Ihre Ruhe.“
Die Katze ließ sich von Frau Eisenstein den Kopf kraulen.
„Du bist ja ein Glückspilz, Paulchen. Gefällt dir das, hübsche Dame?“
„Nein, ich halte mich bloß ans Grußritual.“
„Geduld ist eine Tugend“, sagte Herr Paul.
Manchmal war der Kartäuser einfach ein richtiger Klugscheißer.
„Sie sitzen ja auf dem Boden.“
Endlich setzte Frau Eisenstein sie wieder ab und sah die beiden Katzen wohlwollend an.
„Ich mache euch etwas Besonderes zum Abendessen. Sicher schmeckt euch frische Hühnerleber mit Reis und Gemüse.“
„Sicher“, miaute Herr Paul mit einem huldvollen Blinzeln.
„Sehen Sie?“
Statt einer Antwort begann Violetta mit angelegten Ohren ihre Vorderpfote zu putzen. Der Kartäuser beäugte sie aufmerksam.
„Bis zum Abendessen können wir uns schon mal Gedanken über Ihre Menschenfrau machen.“
Violetta blickte von ihrer Pfote auf. Na schön, das klang schon besser. Sie liefen durch eine große Küche bis zu einer Glastür, vor der sich grüner Rasen erstreckte. Nahe der Scheibe reckte ein Strauch seine dünnen, laubbewachsenen Zweige kugelförmig in alle Richtungen.
„Es muss mehr geben als Ankuscheln und Geschenke.“
„Sie können auch Unterhaltung schenken. Mit Bällchen und Glöckchen und solchen Dingen.“
„Ich jage oft Bälle quer durch die ganze Wohnung. In letzter Zeit bringt das aber auch nicht mehr als ein müdes Lächeln.“
„Sie brauchen einen Plan.“
„Was meinen Sie damit?“
„Zuerst eine Sammlung von allem, was Juliane unglücklich macht. Dann eine Sammlung von Ideen, wie Sie das ändern können.“
„Und am Ende ist Juliane glücklich.“
„So ist es.“
Das klang wirklich vernünftig, ein Plan für Juliane. Der Gedanke gefiel Violetta.
„Dann ist es ein Juliane-Plan.“
„Wenn Sie so wollen.“
„Juliane ist wegen diesem Menschenmann unglücklich.“
„Taucht er denn noch bei ihr auf?“
„Nein, das soll er auch nicht. Diese Hiltrud macht sie auch unglücklich.“
„Warum lässt Juliane sie dann in ihre Wohnung? Es hat doch einen Grund, dass Menschenhäuser Türen haben.“
Bevor Violetta antworten konnte, rief Frau Eisenstein die Katzen. Sie stellte zwei Schalen auf die dunklen Bodenfliesen. Der Duft eines köstlichen Essens zog durch den Raum. Das wollte erst mal verputzt werden. Die Menschenfrau war wirklich eine großartige Köchin, das musste man ihr lassen. Sogar das Pflanzenzeug war gut.
Nachdem sie die Köstlichkeiten bis auf den letzten Krümel vertilgt hatten, liefen Violetta und Herr Paul in einen riesigen Raum. Dort gab es dunkle Möbel mit Gravuren und Glasvitrinen mit Porzellan. Neben einem breiten Bücherregal, das den Geruch von altem Leder und Papier verströmte, reckten sich hohe Topfpflanzen wie Wächter. Neugierig schnupperte die Katze an den farnähnlichen Blättern.
Ein wenig frisches Grünzeug wäre jetzt noch gut. Aber dieses roch nicht besonders appetitlich. Auf einer breiten Fensterbank stand Herrn Pauls Katzenkorb. In die Polster gerollt spähte Violetta in den Garten hinaus, wo die Blumen sanft in der Abendbrise wogten. Frau Eisenstein kam vorbei, um ihnen den Pelz zu kraulen. Von einer harmonischen Stimmung eingehüllt begannen die Katzen wohlig zu schnurren. So sollte es auch mit Juliane wieder sein. Violetta würde sich etwas einfallen lassen, koste es, was es wolle.
„Wenn Juliane diese Hiltrud nicht fernhält, kann ich das machen.“
„Wie stellen Sie sich das vor?“
„Was soll dabei sein? Hunde verjagen auch Menschen.“
„Die sind groß und laut.“
„Mir fällt schon was ein. Wenn noch mal ein Menschenmann Juliane die Laune verderben will, kann ich den auch vertreiben.“
„Was war das für ein seltsamer Mensch?“
„Er hat Juliane schlecht behandelt. Die ganzen Bücher sind auch nicht gut.“
„Für Frau Eisenstein sind Bücher gut.“
„Für Juliane auch. Aber in letzter Zeit nicht mehr.“
„Warum liest sie sie dann?“
„Um etwas für ihr Studium zu schreiben. Es heißt Masterarbeit. Aber vielleicht sind es schlechte Bücher.“
„Vielleicht sind es zu viele Bücher.“
„Ich könnte ein paar davon entsorgen.“
Violetta fuhr ihre Krallen ein Stück aus und beäugte sie.
„Die meisten Menschen hüten Bücher wie Schätze.“
„Ich kann sie auch einfach davon ablenken und aufheitern.“
„Das klingt vernünftig.“
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