Kitabı oku: «Geheimdienste, Agenten, Spione», sayfa 10

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Der gesuchte Kriegsverbrecher

Karl Theodor Hass wird am 5. Oktober 1912 in Kiel als Sohn eines Ingenieurs und einer Hausfrau geboren. Mit 21 Jahren tritt er 1933 der SS bei, ein Jahr später dem Nazi-Geheimdienst „Sicherheitsdienst des Reichsführers SS“ (SD). Von 1934 bis 1940 arbeitet Hass im SD-Hauptquartier in Berlin, zuerst in der Presse-Sektion für Italien und Spanien, dann im Büro „Wissenschaft und Forschung – Sektion Mediterrane Länder“ und im Büro VI. „Nachrichtendienst“. In den Jahren 1940 und 1941 ist er SD-Kommandant in Amsterdam und Rotterdam, bevor er 1942 für ein Jahr als Assistenzprofessor für Politikwissenschaften an die Universität Berlin zurückkehrt. Von 1943 bis 1945 wird er als Militärattaché der deutschen Botschaft nach Rom versetzt und zum Chef des SD-Kommandos in Rom ernannt.8 Bereits in Berlin und noch deutlicher als SD-Kommandant in Holland und Italien arbeitet Karl Hass als Nachrichtenoffizier. Er wirbt Spitzel an, leitet Spionageoperationen und ist an der Aktion beteiligt, mit der ein deutsches Spezialkommando Benito Mussolini am Gran Sasso befreit. Nach der Besetzung Roms durch die Amerikaner ziehen sich der SD und Hass nach Parma zurück, von wo aus er die Geheimoperation „Ida“ leitet. Dahinter verbirgt sich nicht nur ein deutsches Spionagenetzwerk in Italien, sondern auch der Versuch, eine Art „Stay Behind“-Truppe in Norditalien aufzustellen. Die Operation scheitert zwar, dient aber am Ende als eine Art Vorbild für die „Gladio-“ und „Stay Behind“-Einheiten, die die CIA dann in den 1950er-Jahren in ganz Europa aufstellen wird.9

In Parma lernt Hass seine spätere Frau Anna Maria Fiorini, geboren am 1. Mai 1914, kennen. Bei Kriegsende tauchen beide – wie viele Nazis mit falschen Papieren ausgestattet – in Südtirol unter. Am 16. Juli 1945 heiraten Karl Hass und Anna Maria Fiorini in Bozen. Doch den beiden ist keine Ruhe gegönnt, denn als hoher SS-Offizier wird Hass von den Alliierten und von den Italienern gesucht. Am 15. November 1945 verhaften Beamte der Quästur Bozen einen gewissen Carlo Franco Massari, geboren am 5. Oktober 1910 in Berlin. Der Verhaftete wird von Joseph Luongo verhört und der CIC-Mann kriegt schnell die wahre Identität des Verhafteten heraus: Karl Theodor Hass.10 Es ist das erste Zusammentreffen zwischen Joseph Peter Luongo und Karl Hass.

Vom 11. November 1945 bis zum 29. Jänner 1946 wird Hass in Bozen und in Mailand inhaftiert, auf dem Gefangenentransport von Mailand nach Parma gelingt ihm aber wieder die Flucht. Am 14. Mai 1946 wird in Rom ein gewisser Antonio Sanson, geboren in Pola, Istrien, beschattet und schließlich verhaftet: Wiederum handelt es sich um Karl Hass. Einen Tag später wird er den Amerikanern übergeben.11 Doch die Reihe der Inhaftierungen und erneuten Fluchten setzt sich fort: In der Nacht vom 4. auf den 5. Juni 1946 flüchtet Hass erneut, wird aber bereits nach einem Tag in Gewahrsam genommen und ins Kriegsgefangenenlager Rimini gebracht. Am 20. Juli 1946 gelingt es Karl Hass, aus dem Lager zu entkommen. Knapp ein Monat später wird er in Bologna aufgegriffen und nach Rom an den CIC überstellt. Nach sieben Monaten Haft in Rom und Padua wird er dann im Frühjahr 1947 wieder in das Lager Rimini gebracht, wo ihm am 15. Juni 1947 erneut die Flucht gelingt.12 Vom Juni bis zum November 1947 versteckt sich Hass in einem Kloster in Fermo in den Marken.

Zu diesem Zeitpunkt wird Karl Hass nicht nur von den Amerikanern gesucht, auch die italienischen Behörden haben ihn längst zur Fahndung ausgeschrieben. Denn 1947 beginnt die italienische Justiz die Geiselerschießung in den Ardeatinischen Höhlen aufzuarbeiten. Am 24. März 1944 sind in diesen Höhlengängen an der Via Ardeatina im Süden Roms insgesamt 335 italienische Zivilisten erschossen worden. Das Massaker war die Vergeltung für einen Bombenanschlag der Partisanen in der Via Rasella in Rom, bei dem 33 Südtiroler Angehörige des Polizeiregiments „Bozen“ getötet worden waren. Im Zuge der Justizermittlungen wird der ehemalige Polizeichef Herbert Kappler verhaftet und verurteilt. Erich Priebke, ebenfalls in die Erschießung der 335 Geiseln verwickelt, gelingt die Flucht nach Südamerika. Auch gegen Hass wird ermittelt und ein Haftbefehl erlassen, weshalb er sich mit falschen Papieren nach Argentinien absetzen will. Er und seine Frau haben inzwischen den Namen Giustini angenommen.13

Doch zur Ausreise kommt es nicht. Im Herbst 1947 wird im Kloster in Fermo bei Ascoli ein CIC-Mann vorstellig, der die Vergangenheit von Hass bestens kennt. Der Amerikaner macht dem gesuchten SS-Mann ein Angebot. Als Karl Hass 50 Jahre später im Juli 1996 von der Staatsanwaltschaft Mailand verhört wird, erinnert er sich folgendermaßen an die Begebenheit:

Er fragte mich schließlich, ob ich angesichts der gemeinsamen marxistischen Bedrohung mit ihnen zusammenarbeiten möchte. Ich war sehr glücklich, weil man mir damit die Gelegenheit bot, nicht mehr im Untergrund zu leben, und ich sagte sofort zu. Der Hauptmann brachte mich mit dem Jeep direkt nach Gmunden, ohne Zwischenstopps in anderen CIC-Kommandos. Als wir den französischen Sektor in Österreich durchquerten, ließen mich die Amerikaner eine ihrer Uniformen anziehen.14

Dass Karl Hass 1996 die Wahrheit sagt, geht aus dem streng geheimen CIA-Personalakt hervor, der über Hass im Jahr 1950 angelegt wird. Dort heißt es zu seiner Anwerbung drei Jahre zuvor:

Das CIC-Rom verhaftete das Subjekt in drei verschiedenen Situationen, und weil beiden schließlich die dauernde Wiederholung von Flucht und Verhaftung zu mühsam geworden war, schloss man einen Friedenspakt, der vorsieht, dass er seine Talente und seine Energie zum Wohl und Nutzen des CIC zur Verfügung stellt. Weil man den Schauplatz Italien schließen musste, schlugen die CIC-Agenten vor, ihn nach Österreich zu bringen, wo er seine Arbeit fortsetzen kann. Dieser Vorschlag wurde vom Kommandanten des 430th CIC Detachment angenommen. Am 11. November 1947 wurde das Subjekt über die italienisch-österreichische Grenze und nach Linz gebracht, wo man ihn dem Kommandanten des 430th CIC Detachment, Linz übergab.15

In Linz und Gmunden wird der ehemalige SS-Mann dann vom CIC vier Monate lang ausgebildet. Am 15. Dezember 1947 unterzeichnet Karl Hass seine offizielle Verpflichtungserklärung für das CIC. Hass erhält für seine Arbeit anfänglich monatlich 150 Dollar, später dann 1.000 Dollar. Er bekommt die Dienstnummer „10/6369“ zugeteilt und einen Führungsoffizier, der seine Arbeit über ein Jahrzehnt lang begleiten wird: Joseph Peter Luongo.16

Eigentlich ist es Usus, dass sich Nachrichtenoffiziere ihren Agenten gegenüber mit Decknamen vorstellen, denn so können die Informanten notfalls nicht viel Konkretes gegen ihre Auftraggeber aussagen. In diesem Fall geht das aber nicht, denn Luongo und Hass hatten sich beim Verhör in Bozen zwei Jahre zuvor bereits kennengelernt. Im CIA-Personalakt von Karl Hass heißt es dazu:

Weil die Schlüsselperson den Status des Kontrollagenten von einem persönlichen Kontakt her kennt, war für diesen eine Legende nicht möglich.17

Fast 50 Jahre später, im Mai 1998, fragt ein Journalist der Zeitschrift „Il Mondo“ Luongo nach den Gründen für die Anwerbung von Karl Hass. Die Antwort des CIC-Führungsagenten, ganz sachlich-nüchtern:

Hass hatte für den deutschen Nachrichtendienst in Italien gearbeitet, er hatte Kontakte und Quellen. Unser Interesse war es, an diese Quellen zu kommen.18

Das CIC stuft Agent „10/6369“ von Beginn an als äußerst zuverlässige Quelle ein. In der „Los Angeles“-Akte heißt es dazu:

Diese Einstufung ist aufgrund der langjährigen Erfahrung der Quelle in der Geheimdienstarbeit gerechtfertigt. Sie ermöglicht ihm, bei seinen Informationen zwischen Fantasie und Realität zu unterscheiden. Aufgrund seiner teutonischen Erziehung und von zwölf Jahren Arbeit an Schlüsselpositionen im SD geht er methodisch und analytisch vor. Er verarbeitet die erhaltenen Informationen logisch und schlüssig. Zudem weicht er niemals von seiner Mission oder seinem Ziel ab. Er ist weder der Prahlerei noch der übertriebenen Bedeutung seiner Person verfallen.19

Wie wir noch sehen werden, ist das eine mehr als nur optimistische Einschätzung der Person Karl Hass.

Polizisten, Faschisten und der Vatikan

Zum Netzwerk „Los Angeles“ gehören von Anfang an zwei hochkarätige Funktionäre aus dem italienischen Polizeiapparat: Ulderico Caputo und Gesualdo Barletta, die wir beide bereits kennengelernt haben. Gesualdo Barletta und Joseph Peter Luongo dürften sich bereits in den letzten Kriegsjahren kennengelernt haben. Beide arbeiten jedenfalls in den Nachkriegsjahren bei mehreren Geheimdienstoperationen eng zusammen. Gesualdo Barletta wird vom CIC als Informant „10/6339“ geführt. In den geheimen CIC-Akten heißt es über den hohen Beamten im italienischen Innenministerium:

Sein Scharfsinn, seine Sachlichkeit, seine jahrelange Erfahrung, sein ausgezeichnetes Urteilsvermögen und sein unbestechlicher Charakter machen ihn zu einer einzigartigen Figur in den Rängen des Innenministeriums. Barlettas angeborener Hass auf den Kommunismus und die kommunistische Sache und sein scharfes Verlangen, den Kommunismus in Italien abzuwürgen, haben ihn veranlasst, mit einem amerikanischen Geheimdienst zusammenzuarbeiten. Er hat angeboten, dem CIC-Kontrollagenten von Los Angeles alle relevanten Informationen über die Aktivitäten der Kommunistischen Partei Italiens im In- und Ausland vorzulegen.20

Noch enger aber ist die persönliche Freundschaft zwischen Luongo und dem Polizeifunktionär Ulderico Caputo, der später der Nachfolger Barlettas als Chef des „Ufficio Affari Riservati“ (UAR) werden sollte. Ulderico Caputo wird am 16. Mai 1946 von Florenz nach Bozen versetzt. Der Hauptkommissar spricht gut Deutsch, weshalb man ihn an der Bozner Quästur auch für Sondereinsätze verwendet. Im Herbst 1947 wird Caputo zum Vizequästor befördert. Fast fünf Jahre lang bleibt er im Amt, bis er im Juli 1952 zum Quästor aufsteigt und einen Monat später nach Sizilien versetzt wird.21 Ulderico Caputo firmiert im „Los Angeles“-Netzwerk als Informant „10/5559“. Das CIC charakterisiert ihn so: „Er ist ein Karrierefunktionär und äußerst ehrgeizig“, und weiter:

Die Quelle ist jedoch von großer Bedeutung, da er von Zeit zu Zeit Listen der gefährlicheren kommunistischen Persönlichkeiten vorlegt, die in den Provinzen Bozen, Trient und Verona tätig sind.22

Gesualdo Barletta ist Leiter und Ulderico Caputo Teil des „Ufficio Affari Riservati“ (UAR), das sich gerade im Aufbau befindet. Man braucht und sucht Informanten und Quellen. Der Kontakt zu Luongo und dessen Agenten Hass ist auch unter diesem Gesichtspunkt für die beiden Polizeifunktionäre interessant. Das UAR kann in der Zusammenarbeit den eigenen Aktionsradius deutlich ausweiten. Der Schulterschluss geht dabei so weit, dass die beiden hohen Polizeibeamten nicht nur formell zu Agenten und Informanten des CIC werden, sondern Karl Hass auch mit gefälschten italienischen Papieren versorgen. So stellt das UAR 1948 zwei italienische Pässe für Karl Hass aus, einen auf den Namen „Mario Carlo Giustini“, den anderen auf „Rodolfo Giustini“.23

Das Netzwerk der Operation „Los Angeles“ verfügt auch über Quellen außerhalb des Innenministeriums. Unter den Agenten findet sich mit Oberst Carlo Perinetti (Informantennummer „10/5589“) ein hoher Carabinieri-Offizier, der 1960 kurzzeitig zum stellvertretenden Generalkommandanten der Carabinieri befördert wird. Ebenfalls Carabiniere ist zu dieser Zeit der Mailänder Gaetano Pignataro (Informantennummer „10/8479“).24 Beim Aufbau der Operation „Los Angeles“ wirbt Karl Hass aber vor allem Zuträger aus jenem Netzwerk an, das ihm als SD-Mann in Italien bereits zwischen 1943 und 1945 zu Diensten war. Die Schnittmenge, aus denen die meisten dieser Informanten stammen, kann man mit drei Begriffen umschreiben: Nazis, Faschisten und Vatikan.


Enrico De Boccard (links im Film „Oggi a Berlino“ 1962): Rechtsextremer Baron.

Die Liste der Hass-Informanten liest sich dabei wie ein Who’s who des italienischen Faschismus und Neofaschismus. So finden sich unter den Informanten des CIC-Netzwerks die Rechtsextremisten Ezio Maria Gray, Enrico De Boccard, Giuseppe Stasi und Pino Romualdi.

Ezio Maria Gray (1885–1969) ist Faschist der ersten Stunde, Teilnehmer an Mussolinis Marsch auf Rom im Oktober 1922 und danach über zwei Jahrzehnte lang eine Fixgröße in der faschistischen Hierarchie. Der gelernte Journalist bekleidet vor allem im Kulturbereich zahlreiche öffentliche Ämter. Nach dem Krieg wird Ezio Maria Gray wegen Kollaboration zu 20 Jahren Haft verurteilt, kommt aber nach wenigen Monaten aufgrund einer Generalamnestie wieder frei. 1946/47 ist Gray (CIC-Informantennummer „10/6365“) maßgeblich an der Gründung des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) beteiligt und wird zum stellvertretenden Parteichef ernannt. 1953 zieht er für den MSI in die Abgeordnetenkammer ein. Gray gründet zudem 1949 in Rom die Wochenzeitung „Il Nazionale“, für die er bis zu seinem Tod verantwortlich zeichnet.25

Zum „Los Angeles“-Netzwerk gehört auch Enrico De Boccard (1921–1988), eine skurrile Figur. Der zu Hause Französisch sprechende Baron und rechtsextreme italienische Journalist wird 1921 geboren und tritt als überzeugter Anhänger des Rassentheoretikers Julius Evola 1943 der „Guardia Nazionale Repubblicana di Salò“ bei. In den Nachkriegsjahren erregt Enrico De Boccard (CIC-Informantennummer „10/6361“) durch zwei Aktionen internationales Aufsehen. So 1951, als Neofaschisten bereits bei der Premiere des Partisanenfilms „Achtung! Banditi!“, in dem die junge Gina Lollobrigida eine Hauptrolle spielt, Protestkundgebungen in ganz Italien organisieren. De Boccard schreibt für das italienische Magazin „Meridiano d’Italia“ eine niederschmetternde Kritik über den antifaschistischen Film und greift darin die Hauptdarstellerin persönlich frontal an. De Boccards Fazit:

„Das Einzige von Beständigkeit [in diesem Film] ist Ginas Busen […] dieser sehr beachtliche Busen wird von allen möglichen Seiten präsentiert […] in Weitaufnahmen, in halbweiten Aufnahmen, in Nahaufnahmen, in Großaufnahmen und in Sehr-groß-Aufnahmen.“26

Gina Lollobrigida klagt und Enrico De Boccard wird zu einer Geldstrafe verurteilt. Auch im zweiten Fall geht es um einen Prozess. In dem sizilianischen Dorf Cassibile in der Nähe von Siracusa hatten die Amerikaner und die Italiener am 3. September 1943 den Waffenstillstand unterzeichnet. Zur Erinnerung hatte man am Ort der Unterzeichnung eine Gedenktafel aufgestellt. Am 4. Juni 1955 wird diese Gedenktafel von Unbekannten gestohlen. Vier Monate später enthüllt Enrico De Boccard in einem offenen Brief an eine sizilianische Tageszeitung, dass er der Täter ist. Es sei eine „patriotische Tat“, weil diese Kapitulation eine nationale Schmach für Italien sei. Der Gedenkstein wird nie mehr aufgestellt, weil die Tafel während der Aktion anscheinend zerbrach. Es kommt in Siracusa zwar zum Prozess, aber De Boccard erhält auch hier nur eine Geldstrafe wegen Sachbeschädigung.27

Giuseppe Stasi (CIC-Informantennummer „10/6358“) hingegen ist einer der Führer der „Fasci di azione rivoluzionaria“ (FAR). Die FAR werden im Herbst 1946 in Rom gegründet, sie sind eine Fusion aus verschiedensten paramilitärischen, neofaschistischen Gruppen. Die FAR fallen in den Jahren zwischen 1946 und 1950 durch gewalttätige Aktionen auf. 1946 wird die Leiche Benito Mussolinis gestohlen und es gehen immer wieder Bomben und Sprengsätze vor Parteilokalen des PCI hoch. Zu den FAR-Anhängern zählt auch Enrico De Boccard. Bewaffnet und zusammen mit einigen Mitstreitern überfällt er in der Nacht des 30. April 1946 die römische Radiostation Monte Mario. Die Gruppe fesselt zwei Techniker und spielt über den Äther die faschistische Hymne „Giovinezza“. Genau diese Aktion findet später auch direkten Eingang in die Operation „Los Angeles“, denn wie aus den CIC-Plänen hervorgeht, bestand im Falle einer Machtübernahme der Kommunisten der Plan, dass das Netzwerk um Karl Hass genau diese Radiostation besetzen sollte.28

An der „Giovinezza“-Aktion ist ein weiterer Faschist beteiligt, der vom CIC im Hass-Netzwerk unter der Informantennummer „10/6349“ geführt wird: Pino Romualdi (1913–1988). Romualdi, der in Predappio geboren ist und sich zeit seines Lebens als unehelicher Sohn von Benito Mussolini ausgibt, jubiliert als Direktor der Tageszeitung „La Gazzetta di Parma“ im Dezember 1943 unter dem Titel „Finalmente“ (Endlich) über die Umsetzung der Rassengesetze in Italien:

Den Juden wurde jetzt ihr Platz zugewiesen. […] Die Volljuden werden in die Konzentrationslager kommen, während die Halbjuden von den Polizeibehörden beobachtet und sehr scharf kontrolliert werden.29

Romualdi gehört 1946 zu den Gründervätern des MSI. Über ihn heißt es in den CIC-Akten:

Extremer Nationalist mit einer eingefleischten faschistischen Weltsicht. Kraftvoll und willensstark, Idealist, äußerst intelligent, guter Taktiker.30

Das zweite italienische Standbein des CIC-Netzwerks ist der Vatikan. Von Beginn an arbeiten hohe Würdenträger der Kirche als Informanten und Zuträger für Karl Hass, so etwa Monsignore Federico Fioretti (Informantennummer „10/7139“), Chef des „Uffico Informazioni“ im Vatikan. Das Amt ist eine Art Pressebüro und diplomatische Vertretung, wo kirchliche Nachrichten aus aller Welt zusammenlaufen. Ebenso gehört der österreichische Bischof Alois Hudal (1885–1963) zum Netzwerk „Los Angeles“. Der Rektor des deutschen Priesterkollegs Santa Maria dell’Anima, der in den Nachkriegsjahren als Fluchthelfer prominenter Nazis in die Zeitgeschichte eingeht, erhält vom amerikanischen Militärnachrichtendienst CIC die Informantennummer „10/7119“.

Dazu kommt ein ehemaliger deutscher Priester, der seit vielen Jahr in Rom lebt: Wilhelm Benedikt Kueppers. Am 17. Februar 1915 in Mönchengladbach geboren, studiert er ab 1933 an der päpstlichen Hochschule Gregoriana in Rom und später am bischöflichen Seminar in Eichstätt in Oberbayern Theologie. Am 29. Juni 1939 wird er dort zum Priester geweiht. Vom Juli 1939 bis zum April 1941 ist Kueppers als Kaplan in Horrem bei Köln tätig. Dann muss er zur Wehrmacht einrücken. Weil er äußerst gut Italienisch spricht, wird er zuerst als Übersetzer in Tripolis eingesetzt und im Mai 1942 dann in das Hauptquartier von Erwin Rommel versetzt. Nach einem Jahr und dem Rückzug der Wehrmacht aus Afrika kommt Wilhelm Kueppers im Herbst 1943 wieder nach Italien, wo er als Übersetzer für die Wehrmacht und den SD in Desenzano am Gardasee und in Arezzo tätig ist.31 Aus Gewissensgründen desertiert Kueppers aber im April 1944 in Italien und wird deshalb von einem deutschen Kriegsgericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Im Herbst 1944 wird er von den Alliierten verhaftet und in das Kriegsgefangenenlager Cinecittà gebracht, aus dem er am 9. November 1944 flieht. Er kehrt in den Vatikan zurück und lebt dort bis zum November 1945 im deutschen Priesterkolleg Santa Maria dell’Anima.32

Am 7. November 1945 wird Kueppers von den Alliierten ein zweites Mal verhaftet und interniert. Nach einem Jahr Haft wird er für wenige Monate entlassen, um von den italienischen Behörden erneut verhaftet und ins Auffanglager Fossoli gebracht zu werden. Als deutscher Staatsbürger soll Kueppers aus Italien ausgewiesen werden. Im Februar 1947 wird er deshalb in ein Ausweisungslager nach Südtirol verlegt. Wieder gelingt ihm die Flucht und erst ein Jahr später, im März 1948, wird er von der Bozner Quästur festgenommen. Hier lernt er Ulderico Caputo kennen, der in Bozen als Vizequästor tätig ist.33 Wilhelm Kueppers legt wenig später sein Priesteramt nieder und heiratet im Oktober 1949 in Rom Luisa Vittoria Gherardi, die Tochter eines Carabinieri-Obersten. Er arbeitet zuerst als Übersetzer bei einer römischen Firma, dann als Autohändler und Vertreter für Mercedes-Schiffsmotoren.

Wilhelm Kueppers hat die CIC-Informantennummer „10/6362“. In seiner Karteikarte stehen als Ziele: „Vatikan, wirtschaftliche und soziologische Informationen“34. Kueppers betreibt zwischen 1948 und 1952 für Karl Hass und das CIC vor allem Wirtschaftsspionage in Rom, indem er verschiedenste Exportfirmen überwacht und analysiert. Zusätzlich verfolgt der ehemalige Priester auch die Vorgänge im Vatikan und die Naziseilschaften, mit denen Kriegsverbrecher nach Südamerika geschleust werden.

Ein weiterer Agent des Projekts „Los Angeles“ ist der albanische Schriftsteller und Politiker Ernest Koliqi (1903–1975), der sich in Italien und auch in den CIC-Akten „Ernesto Kolici“ nennt (Informantennummer „10/6469“). Koliqi kommt als Schüler der Jesuiten nach Brescia und studiert dann an der Universität Padua. In den 1930er-Jahren gründet er in Albanien eine viel beachtete Zeitschrift, schließt sich den albanischen Faschisten an und wird schließlich zum Unterrichtsminister ernannt. Koliqi arbeitet in den Nachkriegsjahren vor allem als Schriftsteller und Übersetzer italienischer Literatur ins Albanische.

So grundverschieden die Informanten des Netzwerks teilweise sind, so eint sie doch eine Sache: der Kampf gegen links und den Kommunismus. Und das ist auch die Hauptstoßrichtung der Operation „Los Angeles“. Fortsetzung

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