Kitabı oku: «Lob der Grenze», sayfa 2

Yazı tipi:

1.1. SYSTEM

Alles, was wir erkennen und verstehen können, das will Platon letztlich sagen, lässt sich gut beschreiben als Gefüge aus dem Grenzenlosen und der Grenze. Ohne Grenze würde Mögliches nie wirklich werden, ohne Grenze würde nichts erscheinen können. Ohne Grenze wäre alles nichts, denn was nur unbestimmt möglich ist, ist nichts Bestimmtes und deshalb auch gar nicht wirklich. Das war kein Einwand gegen Anaximander. Das grenzenlose Apeiron galt auch Platon als ein Grundprinzip des Seienden – jedoch als eines nur, an dessen Seite man die Grenze – Peras – denken müsse, ohne die all das unbestimmte Grenzenlose ewig unerkannt als Nichts die Zeit verdümpeln müsste.

Es gibt kein Seiendes, das nicht in seiner eigenen Grenze weste. So lässt sich Platons Grundgedanke formulieren. Und diesen Grundgedanken wendet er auf restlos alles an. Ein Seiendes ist in seinen Augen immer etwas, das wir ein „Ganzes“ – griechisch hólon (ὅλον) – nennen können. Ein Ganzes aber lässt sich weiterhin beschreiben als etwas, in dem eine Vielzahl einzelner Elemente in eine Einheit gefügt, zu einer Einheit zusammengestellt ist. Zusammengestellt heißt auf Griechisch σύσθημα – System. Ein Seiendes ist in Platons Augen – mit anderen Worten – ein System, und zwar ein in sich begrenztes System. Es ist ein System, das innerhalb seiner Grenzen eine bestimmte Identität oder Gestalt angenommen hat, obgleich ihm doch unendlich viele andere Gestalten möglich gewesen wären.

Vielleicht hilft ein Beispiel, um diesen Gedanken zu fassen: Nehmen wir ein Fahrrad. Ein Fahrrad ist aus vielen Bauteilen zusammengebaut, die ihrerseits aus vielen Molekülen oder Elementen zusammengesetzt sind: Ganze, die aus Ganzen bestehen. Nun gibt es unendlich viele Möglichkeiten, diese Bauteile – ebenso wie diese Moleküle – zu einem Ganzen zu fügen. Stellen wir uns vor, sie liegen als unbestimmter Haufen aufeinander – bis zu dem Augenblick, in dem sie in eine Form gefügt werden, die ihnen zugleich eine Grenze ist: Fahrrad. Nun wird der unbestimmte Haufen zu einem bestimmten Seienden: einem Ganzen, das dem unendlichen Meer der Möglichkeiten eine bestimmte Form abgerungen hat. Aus bestimmter bzw. bestimmender Grenze und unbestimmter, grenzenloser Möglichkeit ist Wirklichkeit geworden: ein Fahrrad.

1.2. LEBEN

Was für das Fahrrad gilt, gilt nicht minder für dasjenige, was wir Lebewesen nennen. Es gilt für Lebewesen – wenn wir Platon folgen – sogar in besonderem Maße. Für ihn ist klar: Ein jedes Lebewesen ist ein System: ein Organismus – ein Gefüge zahlloser Zellen, deren Miteinander und Ineinander eine grenzenlose Fülle von Möglichkeiten zulässt. Doch immer ist es nur eine Möglichkeit, die jetzt und hier die eine Wirklichkeit des Wesens ausmacht: innerhalb der Grenzen seiner Haut oder seiner Schale.

Ein jedes Lebewesen hat eine Grenze, die seinen Ort im Raum der Welt bestimmt. Durch sie ist es vom Rest der Welt geschieden und ihr verdankt es seine Identität. Sie definiert das System der Zellen und Funktionen, deren Interaktion und Kooperation wiederum dazu dient, das solcherart begrenzte System zu erhalten, zu stabilisieren und zu harmonisieren. Die Grenze – wir können sie auch die Form oder die Gestalt des Organismus nennen, die durch die Haut oder die Schale markiert ist – mag dabei höchst individuell und einmalig sein, in ihrer Einmaligkeit und Individualität aber gibt sie dem System das Maß: Der Organismus einer Languste ist darauf angelegt, innerhalb der Langusten-Schale ein gesundes und heiles Langustenleben zu führen. Und der Organismus bzw. Leib des Menschen ist darauf angelegt, innerhalb der Menschenhaut ein gesundes und heiles Menschenleben zu führen. Ohne Schale, Haut oder Grenze wäre das unmöglich. Und deshalb ist es immer gefährlich, wenn Schale oder Haut verletzt werden. Vielleicht erwächst die Sehnsucht nach Grenzenlosigkeit der Angst vor der Verletzung oder Verwundung der eigenen Haut – selbst wenn man sich in ihr noch so wenig wohl fühlen sollte …

Gleichviel, alles, was leibt und lebt, hat eine Haut, hat eine Grenze. Und ohne diese Grenze könnte es nicht sein. Entscheidend für das Wohlergehen eines Lebewesens ist nun freilich, dass diese Grenze durchlässig bleibt. Denn Leben ist ein Stoffwechsel – ein Nehmen und Geben des Organismus; ein Nähren und Ausscheiden. Deshalb ist es für den Bestand des Organismus von größter Wichtigkeit, dass die Grenze für all das durchlässig bleibt, was der Organismus braucht – und dass sie all das abwehrt, was er nicht braucht. Und das heißt auch: dass ihm die Grenze erlaubt, so viel in sich aufzunehmen, wie er für sich benötigt, und all das abzuwehren, was er nicht verdauen oder verarbeiten kann.

Ein jeder Organismus ist nicht nur durch seine Haut oder Schale begrenzt, die ihn von anderem unterscheidet oder auch gegen anderes schützt – er ist auch durch sein inneres Maß begrenzt, durch seine Kapazität des Nehmens und Gebens. Auch dafür ein Beispiel: Unser Immunsystem wird gut mit einer gewissen Quantität von Viren fertig. Wenn es zu viele werden, geht es in die Knie. Ebenso wie auch eine Hochleistungskuh nur ein bestimmtes Quantum an Nahrung aufnehmen und in Milch verwandeln kann. Bei 35 Litern täglich liegt die Grenze. Mehr geht nicht. Und das ist wohl auch ganz gut so.

Lebewesen brauchen Grenzen. Und diese Grenzen geben sie sich selbst. Natürlich lässt sich trefflich streiten, woher die Grenzen eines Lebewesens rühren: Für Platon war der Grund der Grenze die Idee. Darunter verstand er eine Art Organisationsprinzip, das nicht in Raum und Zeit verortet ist, sondern in einer Tiefendimension der Welt, die man als Geist beschreiben kann. Ideen sind der Sinn von Phänomenen und dieser Sinn ist Ursache und Grund der eigentümlichen Form und Grenze. Der Sinn definiert die Gestalt der Haut und Schale, der Sinn – das werden wir noch sehen – definiert das Wachstum eines Wesens. So ähnlich sah es Aristoteles, der die Begriffe Grenze und Idee in diesem Sinne austauschbar verwendet. Die Grenze und Idee von Lebewesen ist in deren Wesen eingezeichnet, lehrte er, und lässt sich nicht aus dem Unendlichen herleiten. Die Wissenschaft von heute sieht das nicht viel anders. Nur dass sie vehement bestreitet, das Organisationsprinzip lebendiger Organismen walte in einer nicht materiell auflösbaren Tiefendimension der Sinnhaftigkeit. Vielmehr hat sie die DNA bzw. den genetischen Code als substanzielle Quelle der Gestaltgebung organischen Wachstums identifiziert. Sie sei es, die ein Lebewesen definiere (von lat. definere = eingrenzen).

Ob nun als DNA oder platonische Idee: Lebenden Organismen wohnt ein begrenzendes Prinzip inne – und diese intrinsische Grenze markiert die äußere Gestalt, die Formung und Färbung der Haut oder Schale, die Kapazitäten des Stoffwechsels. Immer hat das Leben in einem konkreten Lebewesen dem großen Meer der Möglichkeiten eine bestimmte, einmalige Gestalt abgewonnen: ein Wesen in Fleisch oder Blut, das sein bestimmtes Sosein dem Umstand verdankt, dass es unabdingbar in seiner eigenen Haut steckt. Und diese Haut gilt es zu schützen und zu pflegen. Denn alles, was ist, hat eine Grenze – alles, was lebt, braucht eine Grenze.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

₺155,76

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
18+
Hacim:
34 s. 4 illüstrasyon
ISBN:
9783963136849
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Serideki Üçüncü kitap "E-Book Essays von Christoph Quarch"
Serinin tüm kitapları
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок