Kitabı oku: «NAKAM ODER DER 91. TAG», sayfa 2
SS-Männer schreien und blasen auf Trillerpfeifen: „Abmarsch! Waschstunde!“
900 Menschen werden mit Franz‘ Gruppe durch einen Raum geschleust, der Platz für höchstens 60 Menschen bietet. Das Waschen muss in dem gesamten KZ in höchstens einer Stunde vorüber sein. Wehe dem, wer nicht sofort nackt vor dem Wasserhahn steht. Ein Aufseher an der Tür treibt die Leute mit dem Gummiknüppel an. Das Wasser ist schmutzig und stinkt. Im Übrigen gibt es nur einen Wasserhahn, die meisten Häftlinge waschen sich daher nicht. Nach einer Weile pfeifen die SS-Männer wieder auf ihren Trillerpfeifen, und das Wasser versiegt augenblicklich.
SS-Männer: „Abmarsch zur Sonntagshygiene. Tag zur freien Verfügung!“
Franz soll noch sehen, was mit dieser lustigen Bemerkung bei vollständigem Mangel an Hygiene gemeint ist. Die Gefangenen treten in ihre Schlafbaracke. Da die Gefangenen zu viert oder zu fünft auf einem Strohsack eines Bettes liegen müssen, sind sie leichte Beute für typhusverbreitendes Ungeziefer aller Art. Also töten die Menschen am Sonntag Läuse. Aber nicht vereinzelt herumspringende, sondern 100 bis 200 Läuse pro Körper werden zerquetscht. Manche haben offene Füße, manche kratzen sich unaufhörlich. Die Flüssigkeit beim Läusetöten verteilt sich auf der Häftlingswäsche und gibt ihr alle Farben zwischen rot, braun und schwarz.
Die Viecher sind so zahlreich, dass man sie nicht mehr loswerden kann. Körper und Köpfe sind zerbissen von Flöhen und Wanzen.
Wenn ein Gefangener es fertigbringt, sich von Läusen frei zu machen, so bekommt er sie zwangsläufig immer wieder zu Hunderten durch die Decken zurück, also müssen sich Franz und die anderen trotz der Kälte und Feuchtigkeit vollständig entkleiden, um sich sorgfältig zu entlausen. Manche, die nicht mehr die Kraft oder den Willen dazu haben und sich seit Monaten nicht mehr ausgezogen haben, sind mit eitrigen Wunden, Ausschlägen und schwarzen Blattern bedeckt.
Franz lässt sich auf die Lagerstatt fallen und beobachtet die Flöhe, die auf ihm herumspringen. Er schläft ein.
Das ohrenbetäubende Schrillen der Trillerpfeifen drängt an sein Ohr, das ausgemergelte Gesicht einen älteren Mitgefangenen dicht über ihm. Er hält ihm ein Brot hin:
„Hier Bub! Iss und versteck es in deiner Hose. Du bist noch jung, du musst noch wachsen.“
Schwupp greift Franz das halbe Brot. Schwupp hat er es in seiner Hose verstaut. Beim Rausstolpern aus der Baracke duckt er sich vor den Schlägen der Kapos und rempelt mit einem kräftigen Burschen, auch mit Davidstern ungefähr in seinem Alter, zusammen. Ihre Augen treffen sich erst feindselig, dann aber nickt der Größere ihm zu. Sie kommen beim Morgenappell nebeneinander zu stehen.
Franz flüstert ihm zu: „Ich habe ein halbes Brot!“
Mikesch: „Brot? Zeig her!“
„Hier, in meiner Hose.“ Nestelt und bricht Mikesch etwa die Hälfte davon ab.
Ein SS-Offizier mit Megafon stellt sich auf ein Fass: „Heute Nacht ist einem der Aufseher ein Laib Bauernbrot gestohlen worden. Dieses Verhalten ist eines Insassen eines deutschen Ordnungslagers unwürdig und schädlich für das Großreich. Dieses Bauernbrot ist unverzüglich zurückzugeben. Wenn nicht, wird unbarmherzig durchgegriffen, um Anstand und Sitte aufrecht zu erhalten. Wer von Euch das Brot hat, trete hervor. Wer nicht, sagt laut und deutlich: Nein, Sturmführer!“ Und nun beginnen die Nazis ihr Spiel: 900 Menschen müssen der Reihe nach vortreten und erklären, dass sie nicht im Besitz von Brot sind. Die Reihe ist drohend nah an Mikesch und Franz. Mikesch ist zuerst dran:
„Selbstverständlich nein, Herr Sturmführer!“
Er geht zurück in die Reihe, fast militärisch korrekt. Franz tut es ihm gleich, so gut es geht bei seiner Wackeligkeit: „Selbstverständlich nein, Herr Sturmführer!“
Sturmführer unterbricht den Franz am nächsten Stehenden, der beflissen antworten will.
SS-Offizier: „Schnauze!“ Und zu einem Kapo gewandt: „Die beiden Jungs da, raus!“
Zwei Kapos eilen diensteifrig zu den Jungs, um sie mit Prügeln zum SS-Offizier zu bringen.
SS-Offizier: „Schluss! Aus! Was ist das denn? Keiner hat was von Schlägen gesagt!“
Kapos unisono: „Jawoll, Sturmführer!
SS-Offizier bedeutet den beiden Buben: „Hierher und mucksmäuschenstill. Alle anderen: Ausziehen! Aber dalli!“
Es ist etwa eine Temperatur von minus 10 °C, niemand widersetzt sich, da jeder weiß, dass es Selbstmord wäre. Mikesch wendet Franz eine hochgezogene Augenbraue zu. Und so kann man etwa 900 Menschen ganz nackt bis auf unsere beiden die wirren Ereignisse abwarten sehen.
SS-Offizier: „An eurer jetzigen Lage sind nur die Juden schuld. Diebe am Volksbesitz werden von uns nicht geschützt. Die Juden haben bereits so viel Schlechtes getan, dass man sie alle ohne Weiteres hängen sollte. Jedes Stück Brot, das ihr fresst, ist zu viel. Es ist ein Diebstahl am deutschen Volk. Und jetzt meine Antwort: Ihr werdet jetzt alle den Abort mit einem Löffel leeren. Schubkarren werden bereitgestellt. Frohes Schaffen. Arbeit macht frei!“
SS-Schergen und Kapos zwingen die Gefangenen, ihre Arbeit auszuführen. Bei der geringsten Missbilligung schießen sie augenblicklich auf die Hilflosen.
Franz und Mikesch atmen tief durch, halten aber beide dicht. SS-Offizier: „Mitkommen!“
Sie stolpern beide hinter dem Sturmführer Richtung SS-Baracken hinterher.
SS-Offizier: „Ihr gefallt mir. Ich glaube, aus euch kann ich was machen. Seid ihr musikalisch? Könnt ihr ein Instrument spielen?“
Franz erinnert sich an seine gute Schulbildung und antwortet: „Ja, Herr Sturmführer, ich kann Klarinette spielen.“
SS-Offizier: „Ohne Herr. Sturmführer heißt das. Und du?“
„Ich kann Ziehharmonika spielen.“
Der SS-Offizier nickt. Als sie bei der SS-Kaserne angekommen sind, öffnet er die Tür und sagt: „Warten! Still gestanden!“
Sofort geben sich Mikesch und Franz eine militärische Haltung, und der Offizier verschwindet in der Baracke. Ihr Blick gleitet zurück zu den Kameraden, die mit Löffeln den Abort säubern müssen. Nach einer Weile kommt ein anderer niederer SS-Mann heraus: „Mitkommen! Schuhe abtreten! Türe schließen!“
Brav folgen die Buben und kommen in die Spezialbaracke der SS. Ein großer, turnhallenähnlicher Festsaal mit Musikinstrumenten auf einer improvisierten Bühne. Dahinter Porträts von Führer und Reichsführer SS. Auf der anderen Seite und in den Ecken Sitzgelegenheiten und eine lange Theke. Neben SS-Leuten hält sich im Kasino-Raum auch eine schöne Frau mit Kopftuch über ihrem rasierten Schädel auf, um sie ein wenig ansehnlicher für die SS zu machen.
SS-Mann: „So! Geht da rein. Wascht euch und kommt wieder raus.“
Franz und Mikesch trotten in den Waschraum, wo sie sich völlig allein und unbeobachtet waschen.
Franz: „Was läuft hier?“
Mikesch: „Wir werden es schon erfahren.“
Als sie fertig sind, ihre Brotreste verdrückt haben und ihre Häftlingskleider so gut es geht in Ordnung gebracht haben, kommen sie zurück in den Kasinoraum.
Auf der Bühne steht schon die schöne Frau mit Kopftuch.
SS-Mann: „So, geht auf die Bühne und nehmt Instrumente.“
Die Frau nickt ihnen aufmunternd zu. Sie kommen zu den Instrumenten, Franz nimmt eine Klarinette an die Lippen, Mikesch eine Ziehharmonika in die Höhe und die Frau eine Geige.
Junge Frau, leise: „Auf! Spielen wir ‚Im alten Städl‘! Das können wir doch alle. Und die kennen das nicht. Ein, zwei, drei!“
Und sie beginnt ein ihnen allen bekanntes Stück in Moll zu streichen. Die beiden Buben fallen ein und einigermaßen melodisch spielen sie in einer etwas besseren Katzenmusik-version auf. Eine gespenstische Theaterszene auf dem Gelände mit rauchenden Kaminschloten und das Lager umgebenden dunkelgrünen Wipfeln der Bäume, der Wälder im Nebel.
Groß fällt unser Blick auf eine Mettwurst, die ein Messer durchteilt.
Franz, Mikesch und die Frau an einem mit einem blau-weiß karierten Tischtuch gedeckten Tisch.
SS-Mann: „Hier! Esst, so viel ihr wollt. Ihr dürft nur nichts mitnehmen. In einer Viertelstunde ist Abmarsch.“
Er geht ab und durch eine Schwingtür in den Nebenraum.
Franz tippt Mikesch an, er zuckt nur die Schultern und schnappt sich eine dicke Scheibe mit Wurst und Käse und beißt herzhaft hinein. Franz tut es ihm gleich. Nur die Frau trinkt Kaffee. Nach einer kurzen Weile kommt der SS-Mann wieder herein, packt die Frau am Kragen und sagt: „Komm! Die Arbeit ruft.“
Die Buben erheben sich kauend.
SS-Mann: „Ihr nicht“ und nimmt die Frau mit sich fort. Plötzlich geht die Haupttür der Kaserne auf und eine Gruppe von 10 bis 15 hübschen Frauen und Mädchen, allesamt nackt, wird von bewaffneten SS-Leuten durchs Zimmer geführt, hinter die Schwingtür, wo schon der SS-Mann mit dem Mädchen verschwunden ist. Schweigend mampfen Franz und Mikesch noch eine Schnitte und trinken echten Bohnenkaffee mit guter Milch, als die Drehtür schon wieder aufgeht und der SS-Mann erscheint.
SS-Mann: „Abmarsch! Im Laufschritt. Eins und eins und eins.“ Franz und Mikesch traben noch kauend vor die Kaserne. Dort auf dem Appell-Hofplatz traben, jetzt wieder angezogen, ihre Blockhäftlinge bereits auf der Stelle. Die Erde vibriert und dröhnt unter dem rhythmischen Trampeln von 900 Mann.
Ein anderer SS-Mann ruft bellend: „Arbeitsdienst, Abmarsch.“ Und die Kolonne setzt sich im Zuckeltrab in Bewegung.
Der andere SS-Mann befiehlt Franz und Mikesch: „Einreihen! Marsch, marsch.“
Und unter teuflischem Lachen schlagen die den Zug begleitenden Kapos jeden Vorbeikommenden, den sie treffen können.
IN DEN WÄLDERN LITAUENS
Auf einer großen Lichtung sind schon andere Häftlinge eines Blocks dabei, ein Gelände für einen geplanten Flugplatz einzuebnen. Aber nicht mit Maschinen, Planierraupen, ja nicht einmal mit Spaten und Hacken. Nein, mit ihren Füßen stampfen die Gefangenen das grobe Gelände ein und müssen Wurzeln und Stämme mit bloßen Händen aus dem Boden reißen.
SS-Mann mit Megafon: „Block B, Baracke I, stillgestanden!“
Automatisch hören 900 Arme und Beine auf zu arbeiten. In der Totenstille zwischen Anrücken des neuen und Abrücken des alten Blocks hört man nur vereinzelt Krähen schreien oder Sterbende, vor Erschöpfung Umfallende. Diese unwirkliche Szenerie wird untermalt von MP-Salven.
Die, die vor Erschöpfung hinfallen, werden sofort erschossen und von Trägern auf Lastwagen geworfen.
SS-Mann: „Block B, Baracke II in Reih und Glied!“
Die Überlebenden formieren sich militärisch.
SS-Mann: „Arbeitsschuhe aus, damit sie nicht abnützen.“
Alle Block B-Häftlinge ziehen ihre Schuhe aus und nehmen sie an den Senkeln über die Schulter.
SS-Mann: „Ein Lied! Wir sind die Moorsoldaten. Zwo, drei, vier.“
Das Lied beginnt aus traurigen Kehlen zu erklingen. Der SS-Mann geht drüber mit der Lautstärke seines Megafons.
„Also vorwärts, im Militärschritt und mit dem linken Fuß antreten. Im Laufschritt, Abmarsch, eins und eins und eins.“
Der Abmarsch erfolgt in Reihen zu dritt und wird von SS-Leuten mit Maschinengewehren und Kapos mit Knüppeln flankiert. Der Zug der Unglücklichen mit dem Lied auf den Lippen beginnt sich zu entfernen.
SS-Mann: „Block A, Baracke I, stillgestanden! Arbeitsschuhe anziehen. Gelände einstampfen. Vorwärts marsch im Gleichschritt.“
Und unsere beiden Buben inmitten ihrer Mitgefangenen stampfen mit holzbeschuhten Füßen das Gelände ein. Wieder andere ziehen wie Pferde große Wagen mit Wurzelholz und Baumstrünken, die vorher wieder andere dem Boden entrissen und aufgeladen haben. Die Arbeit wird beim einsetzenden Schneefall weiter ausgeführt. Feuer werden angezündet, an denen sich Kapos und SSler wärmen, aber die Arbeiter natürlich kein Recht dazu haben.
Ein lustiger SS-Mann liest von einem Thermometer, das an einer großen Fichte angebracht ist: „Minus 25 °C Öchsle. Das wird ein guter Wein dies Jahr, Eiswein sogar.“
Groß schauen wir auf das rotgesoffene, lachende Gesicht des SS-Mannes.
SS FEIERT
Wir sehen dasselbe Rotgesicht, nur ohne Winterkleidung, in seiner Festtagsuniform auf einem Tanzabend. Lachend und inmitten grölender Gesinnungsgenossen schüttet er sich einen großen Pokal Rotwein in den Hals.
Lustiger SS-Mann: „Frage ans Reichssicherheitshauptamt: Wie viel Juden gehen in einen Volkswagen? Antwort aus Berlin: 20: Fünf auf die Sitze und 15 in den Aschenbecher.“ Gesinnungsfreunde johlen.
Wir schauen uns auf der Tanzveranstaltung der SS einmal um: Auf der Bühne unsere drei bekannten Musikanten, wobei die Frau jetzt eine Wunde an der Lippe aufweist, die gerade „Flieger, grüß mir die Sonne“ intonieren, 20 bis 25 nackte Frauen, teils geschoren, teils mit Haaren, aber alle unschwer aufgrund ihrer Tätowierungen als Gefangene auszumachen, inmitten des Tanzgetümmels oder auf Sesseln und Couchen den anwesenden circa 50 SS-Leuten zu Diensten. Wahllos durcheinandergewürfelt vergehen sich die SS-Leute an den armen Mädchen, bis sie halb tot sind. Sie werden geschlagen und geohrfeigt oder kriegen Fußtritte in den Bauch oder wenn sie zusammenbrechen, peitscht man sie zwischen die Beine und tritt mit genagelten Stiefeln in die Schamgegend, bis sie eine blutige Spur hinterlassen. Über allem Gläsergeklirr, dröhnendes Gelächter und Hans-Albers-Musik. Die, die nicht mehr können, werden sofort erschossen. Als sich verständlicherweise nach einiger Zeit ein Blutsee bildet, rutschen die ersten Besoffenen aus und schlagen lang hin. Der bis dahin angeregt parlierende Lagerkommandant wendet sich nun, in seiner Ästhetik angeekelt, an seine SS-Leute.
Kommandant über die Musik hinweg: „Ich will hier keine enge Berührung mit schauderhafter, gefährlicher, ekelhafter Gesellschaft. Ich will keine Frauen sehen, die sich wie in einem epileptischen Anfall in Dreck und Schmutz wälzen.“ Nun beginnt er zu schreien: „Schafft mir die hier raus und macht das woanders! Wir sind angetreten, das Krebsgeschwür des Blutes und des Drecks auszumerzen, auszuschneiden aus dem deutschen Volkskörper und nicht, um uns damit zu beflecken. Hinaus!“
Und während SS-Leute dienstbeflissen die halb toten oder toten Frauen aus dem Raum packen: „Und ihr da! Verschwindet! Ich kann eure seichte Musik nicht ertragen!“
Jetzt schreit er wieder: „Holt mein Beethoven-Trio, aber sofort!“
SS-Sturmführer: „Los! Ab!“
Zur Frau: „Du kannst wieder an die Arbeit gehen. Ihr helft mit, den Abfall aufräumen, zack, zack!“
Die Häftlinge wischen jetzt das Blut auf, Scherben, Gläser und Reste werden zusammengekehrt. Neue, unbefleckte Frauen hereingeholt, das Beethoven-Trio auf die Bühne gebracht und während die ersten Instrumente gestimmt werden, schleppen Franz und Mikesch schon mit unteren SS-Rängen tote oder gerade sterbende Frauen fort.
Franz und Mikesch kommen schleppend auf dem Hof dieses Blockes an. Es bietet sich ihnen folgendes Schauspiel: Ein Leichenhaufen weiblicher Körper von mehr als zwei Metern Höhe liegt dort aufgeschichtet wie ein Haufen frisch geschlagenen Holzes. Wie tote weiße Möwen liegen die Frauen, von leicht fallendem Schnee bedeckt. Die Leichen sind in typisch ordentlicher deutscher Manier immer zum Viererkarree übereinandergeschichtet, dass das Blut auch in die den Hof umlaufenden Rillen ablaufen kann wie bei einer Art Drainage.
Aber das Blut wird immer mehr und kann nicht ablaufen. Und schon wieder bringt man neue Leichen heran, so bildet sich langsam ein Blutsee und Franz und Mikesch und die SS-Männer stehen knöcheltief im Blut.
Mikesch würgt, kann aber seinen Brechanfall unterdrücken. Franz droht umzukippen, reißt sich aber doch zusammen, um nicht von den grölenden und rülpsenden Deutschen um ihn herum ebenfalls auf den Haufen befördert zu werden.
Die Augen der besoffenen und vom Frauenblut berauschten SS-Männer treten schier aus den Höhlen. Sie kippen literweise Alkohol, der sie ihre Verbrechen scheinbar vergessen lässt.
Da der Kommandant seinerseits schon so besoffen ist, dass er mit seiner Dienstpistole Löcher in die Luft schießt, lösen andere hohe SS-Offiziere das Beethoven-Trio ab und unsere drei Musikanten müssen wieder ran.
SS-Offizier: „Jetzt wollen wir mal Stimmung haben, hier. Miesepeter kann ich nicht leiden.“
Er springt auf die Bühne: „Also kennt ihr ‚Jawoll meine Herrn‘ von Heinz Rühmann?“
Die drei nicken.
„Also: eins, zwei, drei! Trällelelelelai“, und beginnt das Lied zu grölen.
Die Stimmung bewegt sich auf den Höhepunkt zu. Große Schäferhunde, die entsprechend dressiert sind, werden auf ausgesuchte junge Mädchen losgelassen und versuchen, sie zu bespringen. Diesen Mädchen wird, wenn sie sich wehren, der Kopf mit einem Beil abgeschlagen. Zu der lustigen Rühmann-Musik sehen wir groß das Gesicht des singenden SS-Offiziers. Er ist im siebten Himmel.
Andere SS-Männer holen Bajonette und spießen die Schädel der geköpften Frauen auf ihre Gewehrläufe und paradieren in einer Art Polonaise umher. Manche vergewaltigen noch, manche trinken, manche krakeelen, manche Hunde lecken Blut und fressen Knochenreste.
KZ-CHAUSSEE
Ein SS-Mann keucht hinter den mit Holzpantinen bekleideten Buben her über den zugeschneiten Weg.
SS-Mann: „Lasst euch dette bloß nie wegnehmen, wa? Fresst es bloß alleene.“
Angekommen in Block I salutiert der Kapo: „Melde gehorsamst, Unterscharführer…“
SS-Mann: „Iss ja jut, Männecken, is ja jut. Die Jungs dürfen noch zu Ende essen. Dass mir keine Klagen nicht kommen, wa?“ Er verschwindet im Laufschritt, das Gewehr hinter sich herbaumelnd.
In der Ferne hört man noch: „Verfluchte Kälte! Verdammt noch mal! Det jibt es doch jar nischte!“
KZ-ALLTAG
Franz weint. Mikesch beißt erst einmal in eine Wurst. Gefangene meckern im Halbschlaf: „Eh! Man kann ja nicht schlafen! Seid doch mal still!“
Andere: „Wir müssen morgen wieder früh raus! Schnauze!“ Mikesch: „Ist ja gut, ja ja gut Mensch!“ flüstert jetzt aber doch lieber, „fragst dich, wieso ich essen kann? Du musst essen, sonst verreckst du hier. Und ich will hier raus. Und eins musst du dir sowieso mal merken: Ob man gut oder schlecht arbeitet, ob wir gut oder schlecht spielen, wir werden sowieso getötet. Ich habe heute gehört, wie der Unterdirektor vom Flughafen gesagt hat, dass die Juden für den Krieg verantwortlich sind. ‚Euch Juden werden wir hier alle umbringen‘! Du musst wissen, die sind hier alle verrückt, die SS genauso wie die Häftlinge. Die sind alle irregeworden hier. Wir müssen hier raus, das ist die Hölle.“
Franz: „Aber wie denn? Wir sind doch noch so jung, das haben doch schon ganz andere versucht.“
Mikesch hört entrüstet auf zu kauen und unterbricht: „Ja, genau! Und jetzt ruf nach deiner Memme! Mann! Gerade weil wir jung sind, schaffen wir es. Wir sind jünger, härter, widerstandsfähiger, gerissener und gemeiner als alle anderen. „Außerdem“, er beißt selbstbewusst wieder in seine Wurst, „sind wir besser dran und machen weniger Appelle, die sind besonders scheiße.“
Der Wurstrest verschwindet in seinem Mund.
„Wir müssen schauen, dass wir so viele Appelle wie möglich ausfallen lassen. Lass mich nur machen und halt dich immer an mich, Kleiner!“
Die Blockhäftlinge murren.
„Du weißt schon, was ich meine. Schlaf gut, kleines Jiddele.“ Andere Gefangene: „Schnauze! Wir können nicht schlafen bei eurem Gebrabbel!“
Andere: „Mensch! Schlaft und haltet die Fresse! Schluss jetzt.“
Um halb vier Uhr morgens schneiden die Trillerpfeifen der Kapos. Der Blockälteste bellt: „Wachappell! Zack, zack! Aufstehen! Aber zack zack, Morgenappell.“
Mit einem Eisenstab schlägt der Blockälteste einen dumpf monotonen Rhythmus am rostigen Rahmen des ersten Bettes im Gang. So ein Blockältester ist gemeinhin ein Verbrecher, der für seine Taten acht bis zwölf Jahre Gefängnisstrafe abzusitzen hat und der, da der Straflosigkeit sicher, über Leben und Tod der Gefangenen entscheidet.
Von der SS für rigoroses Durchgreifen und Aufrechterhaltung der Disziplin beglückwünscht, konnte so ein Kapo (Kameradschaftspolizist) durch das Töten von 30.000 (!) Häftlingen seine eigene Befreiung erlangen und in die Leibstandarte Adolf Hitler aufgenommen werden.
Ununterbrochen hämmert der Blockälteste mit dem Eisen.
„Zum Frühsport! Alles ausziehen bis auf Kappe! Alles ausziehen bis auf Kappe.“
Alle Gefangenen eilen nach draußen in die schnarrende Kälte. Es schneit leicht. Als die Reihe sich korrekt gebildet hat, beginnt der Zählappell. Bei Nummern, also Menschen, die fehlen, eilen unter der Aufsicht der SS-Kapos in die Baracken, um die Toten oder die Sterbenden ordentlich in die Appellreihen zu bringen.
Als so das Gleichmaß der Reihen wiederhergestellt ist, raunt ein grüner Häftling, also ein Verbrecher: „Tschuldigung, Sturmführer. Die stören doch nur das Gleichmaß unserer Reihe.“
SS-Sturmführer: „Hier gehen auch die Sterbenden zum Appell. Tot oder lebendig, jeder muss da rein. Appell ist Appell! Alles andere wäre eine Disziplinlosigkeit! Und was wäre Disziplinlosigkeit?“
Alle Gefangenen unisono aus 16.000 Kehlen: „Gefährlich für das Großreich!“
SS-Sturmführer: „Hm. Da wir alle so schön versammelt sind, Sport für alle. Frisch fromm fröhlich frei! Und Kommando.“ Die Blockältesten und Kapos geben die Kommandos weiter: „Und zugleich.“
Nur mit der Mütze auf müssen die Häftlinge rhythmische Sportgymnastik machen. Alle, die nicht synchron mithalten können, werden gnadenlos aussortiert.
Kapos: „Du! Raus!“
Kontrollierende Kapos zwischen den hüpfenden Gefangenenreihen.
„Du! Raus! Alle, die aussortiert wurden, drei Schritte vor.“ Alle Aussortierten drei Schritte vor.
Kapos: „Kopf runter, Arme auf die Oberschenkel!“
Alle Aussortierten beugen sich nach vorn und stützen ihre Arme auf. Nun schlagen die Kapos synchron mit ihren Knüppeln auf die Hinterköpfe oder Nacken der Wehrlosen, die sofort tot zusammensacken. Natürlich bemühen sich die anderen Gefangenen, möglichst gute Gymnastik bei minus 20 °C zu zeigen.
SS-Sturmführer: „Wie viel Abfall?“
Oberkapo: „480!“
SS-Sturmführer: „Weil ihr so brav wart, Frühstück fassen. Im Laufschritt ein zwei, ein zwei…“
Diesen Morgen geht ein erheblicher Teil des schwarzen Wassers, vulgo Kaffee, verloren, da die Häftlinge heute den verschiedenen Wächtern ausweichen müssen, die den etwa 150 m langen Weg zur Suppenausgabe verteilt stehen und Kolbenschläge oder Knüppelschläge versetzen. Die jungen Leute sind beweglich genug und können den Schlägen noch einigermaßen ausweichen. Sie verlieren halt nur ihren Suppenkaffee. Aber Alte und Verletzte? Auf diese Unglücklichen entlädt sich die ganze Bestialität dieser Horde.
Mikesch und Franz dampfatmend an den Latrinen.
„Fast nichts mehr in unseren Essgefäßen!“
Zur gleichen Zeit ertönt über Lautsprecher das Kommando: „Anziehen in einer Minute! Zu spätes Einreihen zum Strammstehen wird strengstens bestraft.“
Nun beginnt ein heilloses Durcheinander, da niemand der Tausenden von Häftlingen zu spät kommen und womöglich wegen Disziplinlosigkeit sein Leben verlieren will.
Lautsprecher: „Arbeitskommandos stillgestanden!“
Die Reihen richten sich militärisch aus.
Lautsprecher: „Der Abmarsch zur Arbeit erfolgt unter fröhlicher Musik.“
Das Orchester, das am Ende des Zuges Aufstellung genommen hat, besteht aus einem Kommando von echten Musikern, unter ihnen auch Franz und Mikesch.
Lautsprecher: „Also vorwärts im Militärschritt und mit dem linken Fuß aufsetzen. Auf dem ganzen Weg muss gelaufen werden. Also im Laufschritt marsch, marsch!“
Und der Zug der Unglücklichen setzt sich trampelnd in Bewegung. Wieder haben alle Arbeiter außer den Musikern die Schuhe zusammengebunden über ihre Schultern hängen, um die Sohlen ja nicht abzunutzen. Als das Orchester grade durch das schmiedeeiserne Eingangstor marschieren will, hält ein SS-Offizier sie auf.
„Halt! Stillgestanden! Musik aus! 57 und 116 raustreten!“ Franz und Mikesch gucken an ihren Jacken herunter. Tatsächlich haben sie 57 bzw. 116. Gehorsam treten sie drei Schritte aus der Gruppe.
SS-Offizier: „Alle anderen weitermachen!“
Das Orchester fängt wie eine mechanische Spielzeugpuppenkolonne wieder an zu spielen und marschiert im Takt dem Arbeitskommando hinterher.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.