Kitabı oku: «Management Macht Sinn», sayfa 2

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Teil IOrganisationsaufstellungen – Wissen in Szene setzen

Wir erzählen zunächst drei Geschichten aus dem Managementalltag. Sie alle haben etwas gemeinsam:

•Ein Managementteam sieht sich herausgefordert durch eine unentscheidbare Frage.

•Die herkömmlichen Methoden der Problemlösung und Entscheidungsfindung führen zu keinem sinnvollen Ergebnis.

•Irgendwie drehen sich die Diskussionen im Kreis – Argumente und Gegenargumente halten sich die Waage.

•Nach und nach greift eine gewisse Verdrossenheit um sich.

Übergangener gesunder Menschenverstand

Ein Freizeitpark mit ausgedehnter Bäderanlage, mehreren Shopping-Zentren und einem Hotelkomplex ist in die Jahre gekommen. Früher einmal war der Standort ein Vorzeigeobjekt des Einzelhandelsunternehmens, zu dem es gehört. Die Geschäftsleitung entschied sich deshalb für eine umfassende Neugestaltung. Dabei sollte auch der Hotelkomplex an Attraktivität gewinnen, denn die unterdurchschnittlichen Belegungszahlen gaben Anlass zu Unzufriedenheit.

Mehrere Geschäftsbereiche waren an dem Vorhaben beteiligt. Auf der Basis eines zu entwickelnden Marketingkonzepts sollte ein Relaunch des gesamten Standortes erfolgen. Ziel war, an die glanzvollen früheren Zeiten anzuknüpfen. Die Sache wollte allerdings nicht so richtig in die Gänge kommen. Das Marketingkonzept blieb Stückwerk. Einzelne Teilvorhaben wurden hingegen zügig umgesetzt. Daraufhin entschied die Geschäftsleitung, sämtliche Aktivitäten in einem Projekt zusammenzufassen. So sollte das Ganze – basierend auf einem integralen Konzept – beschleunigt werden. Doch das Gegenteil geschah. Der Relaunch nahm auf dem Papier gigantische Dimensionen an. Plötzlich gab es Differenzen um die organisatorische Eingliederung des Komplexes. Resigniert warf der Projektleiter das Handtuch. Die Geschäftsleitung wähnte sich vor einem Scherbenhaufen.

Und dann passierte etwas, das niemand für möglich gehalten hatte.

Das Projektteam wurde aufgelöst. Die Differenzen ließen sich im Handumdrehen bereinigen. Die Mitglieder der Geschäftsleitung einigten sich auf einen Aktionsplan und erklärten das Vorhaben zur Chefsache. Ganz besonders zufrieden war der Finanzchef: Ihm, dem zuvor jeweils der Schwarze Peter zugeschoben worden war, wurde – endlich – der Dank ausgesprochen für sein besonderes Engagement in dieser Sache.

Unterlassene Kommunikation

Die »Business Unit« einer Produktionsfirma hatte infolge mangelnder Produktqualität einen wichtigen Kunden verloren. In der Folge konnte die Qualität mit erheblichem Entwicklungsaufwand gesteigert werden. Sie übertraf nun sogar die des Konkurrenten, der in die Bresche gesprungen war. Allein, der verlorene Kunde ließ sich nicht wieder zurückgewinnen. Das ratlose Managementteam hatte nach eigenen Aussagen »bereits alles versucht« und wollte nun unbedingt herausfinden, was es bei seinen umfangreichen Aktivitäten unterlassen hatte.

Dann passierte etwas, das niemand für möglich gehalten hatte.

Die Produktionsfirma schickte eigens einen kommunikationsstarken Entwickler zum umworbenen Kunden, der die Qualität der Produkte mit seinen dortigen Berufskollegen und weiteren Fachleuten auf deren konkrete Bedürfnisse abstimmte. Das Ergebnis nach einem Jahr: Das Produktionsunternehmen gewann »seinen« Kunden zurück. In der Folge verstärkte es die Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Entwicklung von Produkten. Heute ist die Produktionsfirma Schlüssellieferant dieses Kunden. Das Element »Kommunikation« des Marketingmix’ hat sich zu einer Exzellenz der »Business Unit« herausgebildet: Entwickler fokussieren nicht mehr nur auf die eigenen Produkte, sie reden direkt mit den Entwicklern ihres Kunden über deren Wünsche.

Verlorene Hoffnung

Die italienische Niederlassung eines deutschen Unternehmens war mitsamt Stammhaus von einem japanischen Konzern übernommen worden. Der selbstbewusste Geschäftsleiter stellte in der Folge mit seinem Managementteam Überlegungen an, wie die italienische Niederlassung im neuen Gebilde eine tragende Rolle spielen könnte. Bei diversen Besprechungen spürte er deutlich die Skepsis, mit der seine Manager dieser Absicht begegneten: Was sollte die Japaner davon abhalten, die Fertigung eines relativ standardisierten Produkts in ein Billiglohnland zu verlagern und das italienische Werk zu schließen? Diese Befürchtungen und Ängste der Manager beruhten vor allem auf Vorurteilen und nicht auf konkreten Maßnahmen der Japaner. Sie waren keine gute Voraussetzung, um Strategien für die Zukunft zu entwickeln.

Doch dann passierte etwas, das niemand für möglich gehalten hatte.

Die Manager entschieden sich, mit der Produktion der deutschen Mutter einen Schulterschluss einzugehen. So etwas wäre früher undenkbar gewesen! Ein weiterer Schritt bestand darin, die italienische Vertriebsstruktur von der italienischen Produktion zu entkoppeln und an die übrigen Vertriebsstrukturen des Konzerns anzunähern. Bisher hatte sich der italienische Vertrieb vorwiegend auf die Vermarktung der im eigenen Lande hergestellten Produkte konzentriert. Die Veränderungen passten hervorragend in das gesamteuropäische Vertriebskonzept, das die Japaner wenig später verabschiedeten. Die Italiener waren bereits gut darauf vorbereitet und arbeiteten ohne die sonst üblichen Bedenken konstruktiv an der Implementierung mit.

In allen drei Geschichten haben wir ein Moment ausgeblendet und damit möglicherweise die Geduld unserer Leser etwas strapaziert. Was passierte denn Entscheidendes, so dass ein Umschwung in die Richtung einer überraschenden, neuen Lösung stattfinden konnte?

Da war als Erstes bei den Managern die Einsicht gewachsen, das Problem könne nur gelöst werden, wenn sich alle Betroffenen gemeinsam an der Lösungssuche beteiligen. Das müßige Spiel mit der wandernden heißen Kartoffel kam damit an sein Ende. Einsames nächtliches Brüten und stilles Taktieren hinter dem Rücken des Kollegen wich dem gemeinsamen Diskurs über erfolgsrelevante Sachverhalte.

Auch waren die Manager zu der Überzeugung gelangt, keine zusätzlichen Ressourcen in Analysen, Expertisen und Konzepte zu stecken. Schließlich verfüge man im Team über ausreichend Erfahrung, um zu plausiblen und für alle Beteiligten sinnvollen Lösungen zu gelangen. Im Übrigen schienen die »Papierlösungen« eher vom Wesentlichen abgelenkt zu haben.

So hatten sich die Manager für ein Vorgehen entschieden, mit dem sie die »kollektive Intelligenz« ihres ganzen Teams ins Spiel bringen konnten. Denn ihnen war klar geworden: Wenn es um Fragen der Zukunft geht, hilft es oft nicht weiter, sich ausschließlich auf rationalistische Ansätze zu berufen. Wie auch die neuesten Ergebnisse der Neurobiologie belegen, spielen Wünsche, Sehnsüchte, Intuition und die in der Praxis gehärtete Erfahrung die zentrale Rolle bei Entscheidungen, welche die Zukunft betreffen. Allerdings: Alle diese »Erfolgsfaktoren« senden nur schwache Signale aus. Und oft genug werden sie von Menschen abgewertet, die meinen, »es« besser zu wissen.

Doch welche Instrumente sind sensibel genug, auch verborgenes, so genanntes implizites Wissen aufzuspüren? Und welche davon sind gleichzeitig intelligent genug, die gewonnenen Daten so zu interpretieren, dass daraus Informationen entstehen, die einen Orientierungsrahmen für das zukünftige Handeln abgeben?

Mit dem im nächsten Kapitel vorgestellten und in der Folge detailliert besprochenen Instrument der Systemaufstellungen hat das Management eine Methode erhalten, mit dem sich in unübersichtlichen (Entscheidungs-)Situationen die Risiken besser abschätzen lassen und für die Beteiligten klare Orientierung – das heißt: Gewissheit – schaffen lässt. Dies führen wir in Abschnitt 1.3 eindrucksvoll und praxisnah anhand unseres obigen Beispiels der italienischen Niederlassung vor Augen.

1.Systemaufstellung und Komplexität

Die Systemaufstellung gehört zu den szenischen Verfahren: Konkrete Ereignisse werden in Raum und Zeit abgebildet. Dadurch entsteht eine Art »bewegtes« Bild, und damit kann man Rückschlüsse auf die Dynamiken ziehen, die einem bestimmten Ereignis innewohnen.

Der Wunsch, komplizierte oder komplexe Verhältnisse und Beziehungen in eine Szene zu fassen, ist alt. Deshalb wohl gehören szenische Darstellungen zu den Grundpfeilern fast aller Kulturen. Sie belegen, dass es die Menschen seit frühesten Zeiten faszinierte, die Essenz von Ereignissen in einem Raum-Zeit-Abschnitt zu verdichten und darzustellen, also in Szene zu setzen.

Die Szene macht etwas möglich, was kein Bericht leisten kann: Sie vermittelt das Wesentliche einer Situation in und mit einer lebendigen Bildfolge. Sie leistet aber auch mehr als ein einzelnes Bild, weil sie von einer Herkunft in eine Zukunft weist und damit einer Bewegungsrichtung – einer Intention – Ausdruck verleiht.

1.1Der Sache auf den Grund gehen

Um Situationen fundiert – unter Berücksichtigung der ihnen zu Grunde liegenden Komplexität – zu erfassen, braucht man neben explizitem Wissen implizites Wissen. Darunter verstehen wir ein Wissen, das zwar vorhanden, aber für die bewusste Reflexion nicht ohne Weiteres zugänglich ist. Deshalb fällt es uns auch nicht ganz leicht, implizites Wissen konkret zu fassen. Dennoch gehört ein großer Teil von Expertise und Exzellenz in diese Wissensdimension: die Genialität des Forschungsteams, die Intuition des Managers, die Präzision des Feinmechanikers, die Schnelligkeit der Läuferin, das Gespür des Therapeuten, die Innovationskraft des Unternehmens usw.

Bildlich gesprochen ist das explizite Wissen mit jenem Teil des Eisbergs zu vergleichen, der sich oberhalb des Wasserspiegels dem Auge eines Betrachters darbietet. Der weitaus größere Teil entzieht sich jedoch den Blicken, und man kann nur ahnen, wie gewaltig der ganze Berg sein mag und welche Spannungen in ihm herrschen könnten. Gerade die klassischen betriebswirtschaftlichen Informationssysteme greifen beim impliziten Wissen zu kurz. Sie fokussieren fast ausschließlich auf das explizite Wissen. Damit bilden sie nur einen kleinen Teil von dem ab, was eine Situation in all ihren Aspekten ausmacht.

In vielen Fällen ist es aber nützlich, sich ein Bild vom Ganzen zu verschaffen. Genau hier bietet sich nun die Systemaufstellung an: Effektiv, schnell und unkonventionell kann man Informationen über Sachverhalte gewinnen, die sonst nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Das Verfahren macht es möglich, in Situationen, die ein hohes Risiko bergen, fundierte Entscheidungen zu treffen, weil hier sämtliche Anteile des Wissens mit ins Kalkül einbezogen sind.

Durch die ressourcen- und lösungsorientierte Art des Vorgehens, welche die kollektive Intelligenz mit hinzuzieht, wird »nebenher« der Zusammenhalt in den Teams gefördert. Dies ist ganz besonders wichtig vor schwierigen Entscheidungen. Gerade in solchen Situationen kann eine konstruktive und auf gegenseitigem Vertrauen beruhende Auseinandersetzung zielführend sein. Beschlüsse werden dann mitgetragen, selbst wenn der Weg der Umsetzung steinig ist.

1.2Was passiert in Systemaufstellungen?

In Systemaufstellungen werden mit Hilfe von Stellvertretern bzw. Repräsentanten – einer Art Rollenspieler – Aspekte einer komplexen Situation im Raum dargestellt. Dabei kommt es in doppelter Hinsicht zu einer Klärung: Einerseits wird die Situation visualisiert – in Szene gesetzt –, und andererseits lassen sich sukzessive kreative Lösungsoptionen herausarbeiten. In diesem Kapitel geben wir einen Überblick, wie man mit dieser ungewöhnlichen Methode in komplexen Entscheidungssituationen Informationen gewinnen kann. In Abschnitt 1.3 zeigen wir anhand eines Beispiels auf, wie die Beteiligten mit einer Aufstellung die Antwort auf eine schwierige Frage fanden.

1.2.1Der Repräsentant als Resonanzkörper impliziten Wissens

Im Gegensatz zu den Rollenspielen – sie sind in Arbeitskontexten vielen geläufig – erhalten die Repräsentanten bei der Systemaufstellung keine Handlungsanweisungen. Denn über Regieanweisungen käme in erster Linie das explizite Wissen zum Ausdruck. Die Repräsentanten beziehen ihren »Rollentext« gleichsam durch die im »Spielfeld« möglich werdende »repräsentierende Wahrnehmung« (Varga von Kibéd u. Sparrer 2000, S. 98): Sie werden für das implizite Wissen buchstäblich zu Resonanzkörpern. Ihre Körperwahrnehmungen sind die Daten, aus denen Informationen zu einem Sachverhalt gewonnen werden. Im Unterschied zum Soziogramm konzentriert man sich nicht auf ein statisches Bild, sondern auf eine Bildfolge, die den Weg zur Lösung weist.

Die Aufstellung schafft eine Art kommunikativen Raum, oder ein »Wissensfeld«, wie Albrecht Mahr es nennt, das den Repräsentanten über den spezifischen Platz in einem Beziehungsgefüge unmittelbaren Zugang zu den tiefer liegenden Schichten einer »hinterfragten« Situation verschafft.

Bis zum heutigen Zeitpunkt gibt es keine konsistente Theorie für diesen Aspekt des dynamischen Diagnoseschemas »Aufstellung«. Die oft so eindrücklich beobachtbaren repräsentierenden Wahrnehmungen der als Stellvertreter aufgestellten Personen harren noch einer wissenschaftlich fundierten Erklärung. Hinweise auf die Funktionsweise der in Aufstellungen wirkenden »basalen Grammatik« gibt die Bild- bzw. die Sprachspieltheorie des Philosophen Ludwig Wittgenstein (Sparrer 2006, S. 81 ff.). Ihr zufolge »bildet« Sprache Strukturen der Wirklichkeit adäquat »ab«. Andere Erklärungsversuche greifen auf das Konzept der »morphischen Resonanz« des Biochemikers Rupert Sheldrake zurück, das er auf der Basis der Theorie des morphogenetischen Feldes entwickelte (Sheldrake 1981). Neuere Erklärungsversuche ziehen die Quantenphysik heran (Schneider 2007, S. 18 ff.). Und auch die Erkenntnisse der Neurobiologie liefern Hinweise, um das Phänomen der Informationsübertragung von System zu System zu erklären. Aus allen Theorien lässt sich ableiten, dass kollektive Intelligenz innerhalb der Beziehungen der Elemente zueinander – also in den Beziehungsverhältnissen oder im Beziehungsfeld – und nicht in den Elementen selbst »eingelagert« ist. Die Elemente bringen die Qualität von Beziehungen nur zum Ausdruck.

1.2.2Der Prozess der Systemaufstellung

Systemaufstellungen liefern somit handlungsnahe Darstellungen von Wirkungszusammenhängen in lebenden Systemen, also beispielsweise in Organisationen. Als Navigationsmethode zur Lösung komplexer Entscheidungsprobleme nutzen sie die Sprache des Körpers und des Raumes: Die Aspekte einer zu untersuchenden Situation werden mit Hilfe von Stellvertretern im Raum dargestellt – oder eben »aufgestellt«.

In der Regel geht man wie folgt vor: Eine Person oder ein ganzes Team mit einem konkreten Anliegen – einem ungelösten Problem oder einer schwierigen Frage – wählt aus einem Kreis von Workshop-Teilnehmern Repräsentanten für die relevanten Aspekte einer Fragestellung aus. Diese Aspekte können je nach Thema einzelne Personen oder Gruppierungen sein, z. B. in einer Konfliktsituation. Es können aber auch abstrakte Elemente sein, wie die sich gegenseitig ausschließenden Optionen eines Dilemmas oder das Ziel und die Hindernisse in einer blockierten Situation. Ebenfalls ausgewählt wird ein Repräsentant als »Fokus« für die Perspektive, aus der die Person die Problemsituation wahrnimmt. Anschließend stellt diese Person die Repräsentanten im Raum auf. Dabei folgt sie ihrer Intuition oder ihrem »inneren Bild« (Weber 1995, S. 181 ff.).

In der nun folgenden Phase der Aufstellung fragt die Aufstellungsleiterin bzw. der Aufstellungsleiter reihum die Körperwahrnehmungen der Repräsentanten ab. Aus diesen »repräsentierenden Wahrnehmungen« kann man Dynamiken erschließen, die einer problematischen Situation zu Grunde liegen: In der Regel handelt es sich um dysfunktionale oder die Entwicklung hemmende Muster. Durch das sukzessive Umstellen der Repräsentanten und das Abfragen ihrer Wahrnehmungen eröffnen sich Lösungsoptionen wie von selbst. Die Körperresonanzen der Repräsentanten geben den Anstoß für eine Intervention. Dabei kann selbst die kleinste Umstellung eines Repräsentanten Unterschiede bei den Körperwahrnehmungen der anderen Repräsentanten hervorrufen. Dies liefert den Hinweis für die weitere Umstellung von einem oder auch mehreren Repräsentanten.

Im Verlauf der Aufstellung gilt es eine Konstellation zu entwickeln, in der die Repräsentanten in einer für sie stimmigen Beziehung zueinander stehen. Diese wird von ihnen körperlich zum Beispiel als »Entlastung«, »Entspannung« oder »Befreiung« registriert. Üblicherweise dauert ein solcher Prozess rund eine halbe Stunde. Er kann aber auch kürzer sein oder – in schwierigen Situationen – wesentlich mehr Zeit beanspruchen. Nach und nach eröffnen sich überraschende Perspektiven, wie man ein spezifisches Anliegen weiter bearbeiten könnte, gerade weil das Verfahren auch die nicht verbalen und emotionalen Seiten eines Themas mit berücksichtigt.

Eine solche Art von Problemklärung und Lösungsfindung erfordert einen ganz spezifischen Rahmen. Zum einen bedarf es eines Kreises von Personen, die bereit sind, sich immer wieder neu auf das Experiment der »repräsentierenden Wahrnehmung« einzulassen und gleichsam für problematische Aspekte einer Situation »einzustehen«. Zum anderen braucht man Personen, die flexibel genug sind, Antworten auf ihre ungeklärten Fragen in einer ungewöhnlichen Form zu »erfahren«. Als Drittes ist eine leitende Person erforderlich, die als Unterstützer oder »Facilitator« den Gesamtrahmen hält, bei der Klärung der Fragestellung bzw. des Anliegens behilflich ist und den Prozess der Lösungsfindung mit ihren Fragen und Umstellungen begleitet.

1.3Beispiel einer Aufstellung

Um eine konkrete Aufstellung zu illustrieren, greifen wir auf unsere Geschichte »Verlorene Hoffnung« aus dem einführenden Text von Teil I zurück (vgl. S. 16). Zur Erinnerung: Die italienische Niederlassung eines deutschen Unternehmens war ebenso wie das Stammhaus von einem japanischen Konzern übernommen worden, und der Geschäftsführer beauftragte einen Berater, ihn und sein Führungsteam in dieser kritischen Phase der Post-Merger-Integration zu begleiten. Der Geschäftsleiter hatte das Ziel für die Beratung wie folgt formuliert: Er wolle zusammen mit seinen Managern eine Strategie entwickeln, die das Überleben der italienischen Niederlassung im neuen Gebilde absichert und dieser ermöglicht, auch in Zukunft unentbehrlich zu bleiben.

In der Einstiegsrunde zum 1. Workshop mit dem Führungsteam war die Skepsis der Manager bei dieser Zielvorgabe deutlich zu spüren. Der Berater überlegte, wie er am besten die Aufmerksamkeit der Manager von ihren Spekulationen weg- und auf die aktuelle Situation des Unternehmens hinlenken könnte. Ihm war wichtig, dass die Manager die Chancen und Herausforderungen erkannten, wie sie die neuen Besitzverhältnisse mit sich brachten. Im Hinblick auf eine erste Intervention ging es ihm darum, mit dem Führungsteam auf Grund der aktuell verfügbaren Informationen ein realistisches Bild der neuen Situation zu erarbeiten. Dies sollte die Erarbeitung klarer Vorstellungen über mögliche Handlungsspielräume fördern. Und diese konnten dann ihrerseits einer neuen Strategie zu Grunde gelegt werden. Dafür schien dem Berater die Systemaufstellung die effizienteste Methode zu sein.

Nachdem er in knappen Worten die Funktionsweise der Systemaufstellung erläutert hatte, leitete er die Intervention unter Verweis auf die folgende Analogie ein: »Stellen Sie sich bitte vor, der Kontext, in dem Sie operieren, sei ein Spielfeld, auf dem Ihr Unternehmen zusammen mit anderen Mitspielern und Gegenspielern ein Spiel spielt, bei dem es ums Überleben und um den wirtschaftlichen Erfolg geht. Seit der Übernahme durch den japanischen Konzern haben sich sowohl das Spielfeld als auch die Spieler und teilweise sogar das Spiel selbst verändert. Welches sind jetzt die wichtigsten Spieler oder Akteure, mit denen Sie zusammenarbeiten oder sich messen müssen?«

Zusammen mit dem Managementteam identifizierte der Berater in der anschließenden Gesprächsrunde die folgenden wichtigen Akteure:

•das Führungsteam der italienischen Filiale,

•die italienische Produktion,

•die italienische Vertriebsorganisation,

•die deutsche Produktion,

•die anderen Vertriebsorganisationen,

•die europäische Zentrale des Konzerns,

•der japanische Konzern,

•die Kunden.

Danach forderte der Berater die Manager auf, sich vorzustellen, wie diese Akteure wohl auf dem Spielfeld aufgestellt sein könnten: »Wie beim Fußball ist es auch in der Wirtschaft für den Verlauf des Spiels entscheidend, wie eine Mannschaft aufgestellt ist.«

Im nächsten Schritt galt es, die Ausgangssituation im Raum aufzustellen. Schon dieses erste Bild musste durch seine ganz spezifische Konstellation – also die Art und Weise, wie die Repräsentanten zueinander in Beziehung stehen – erste wichtige Aufschlüsse über die Situation geben. »Auch wenn dieses Experiment für Sie zunächst vielleicht etwas befremdend sein mag«, leitete der Berater diese Sequenz ein, »lassen Sie sich einfach darauf ein und beobachten Sie, was dabei herauskommt. Zunächst wählen Sie bitte zwei Leute aus, die gemeinsam – stellvertretend für das ganze Team – den Stellvertretern ihre Plätze für die definierten Akteure zuweisen und dadurch ein Abbild der Situation erzeugen. Es ist ganz unwichtig, wen Sie wählen, vorausgesetzt der Gewählte ist einverstanden und will am Experiment teilnehmen«.

Das besondere Vorgehen, eine Ausgangskonstellation gemeinsam von zwei Personen in Szene setzen – also aufstellen – zu lassen, hat folgende Vorteile:

•In das Ursprungsbild fließen zwei – möglicherweise nicht ganz deckungsgleiche – persönliche Wahrnehmungen ein.

•Die Kollegen können später die Aufstellung nicht als subjektiv gefärbt bewerten und in der Folge die Ergebnisse relativieren.

An den Kreis der am Workshop teilnehmenden Manager gewandt, erklärte der Berater weiter: »Die Kollegen, die als Repräsentanten gewählt sind, achten ganz einfach darauf, was sich für Sie ändert, wenn Sie in die Szene gestellt werden und wenn nach und nach weitere Stellvertreter – Repräsentanten – hinzukommen. Wenn Ihre beiden Kollegen Sie jetzt auf einen Platz auf dem imaginären Spielfeld führen, werden Sie nämlich erleben, dass sich Ihre Körperwahrnehmung, Ihre Gefühle und Ihre Gedanken verändern. Möglicherweise nehmen Sie auch ganz konkrete Körperimpulse wahr. Bitte registrieren Sie das einfach.«

Nachdem die Repräsentanten ausgewählt waren, leitete der Berater die Aufstellung wie folgt an: Er bat die beiden aufstellenden Manager, sich hinter den Repräsentanten des Führungsteams zu stellen und ihn an einen Platz im Raum zu führen, den sie beide als »richtig« empfanden: »Sie stimmen sich am besten ohne mündliche Kommunikation miteinander ab, bis Sie sich auf eine Position einigen. Machen Sie sich keine großen Gedanken, lassen Sie sich vielmehr von Ihren Füßen und von Ihrer Intuition leiten, Sie werden irgendwann merken, dass der Platz stimmig ist. Abstand, Blickwinkel und Platz im Raum entsprechen der Beziehung zwischen den Akteuren. Probieren Sie einfach aus, und verlassen Sie sich darauf, dass Ihre Intuition genau weiß, was stimmt.«

Mit beeindruckender Sorgfalt und Bestimmtheit positionierten die beiden Manager die Repräsentanten im Raum. Schritt für Schritt baute sich das Bild der Situation auf, die Stimmung im Raum veränderte sich, es wurde mäuschenstill, und die Spannung stieg.

Nachdem der letzte Stellvertreter aufgestellt war, fragte der Berater die Manager, welche die Repräsentanten aufgestellt hatten: »Wollen Sie noch etwas ändern? Nehmen Sie sich bitte Zeit, und prüfen Sie, ob dieses Bild der Situation entspricht, in der sich Ihrer Meinung nach Ihr Unternehmen jetzt befindet. Die beiden Manager verschoben einen Stellvertreter noch geringfügig und meinten dann: »Ja, so könnte es in etwa passen.« (Bild 1)


Führungsteam (Fokus)
IP italienische Produktion
IV italienische Vertriebsorganisation
DP deutsche Produktion
AV andere Vertriebsorganisationen
EZ europäische Zentrale
JK japanischer Konzern
Ku Kunden

Bild 1: Post-Merger-Integration – Ausgangsbild

Der Berater ließ das Bild auf sich wirken, und spontan fielen ihm einige Positionierungen auf:

Italienische Produktion, Führungsteam und italienischer Vertrieb bildeten eine isolierte Gruppe am Rande des Feldes.

Deutsche und italienische Produktion blickten in unterschiedliche Richtungen.

•Die europäische Zentrale hatte keinen Blickkontakt zu den Repräsentanten der beiden Produktionsstätten.

Mit diesen ersten Beobachtungen machte er sich daran, die Repräsentanten einzeln zu befragen:

BERATER: »Dann wollen wir einmal hören, wie Sie Ihre Position wahrnehmen. Ich frage Sie in der Reihenfolge, in der Sie aufgestellt wurden. Was hat sich für das Führungsteam der italienischen Filiale im Laufe der Aufstellung verändert, und wie ist die Beziehung zu den anderen Elementen?«

FÜHRUNGSTEAM: »Es wurde bedrückender, je mehr Elemente dazugekommen sind. Ich fühle mich abseits und spüre vor allem den Druck der italienischen Produktion. Die Japaner sind so weit weg, ich kann sie nur sehen, wenn ich mich umdrehe. Es sind so viele Personen vor mir, ich weiß nicht, auf wen ich mich konzentrieren soll.«

BERATER: »Und was für Veränderungen in der Körperempfindung, in den Gefühlen und in den Gedanken hat der Vertreter der italienischen Produktion erlebt?«

ITALIENISCHE PRODUKTION: »Ich fühle mich isoliert, möchte mich abwenden ... ich suche Halt beim Führungsteam, bin aber nicht sicher, ob ich mich auf dieses verlassen kann. Vor mir sehe ich unseren Vertrieb, der scheint mir aber nicht besonders zuversichtlich. Alles in allem ist es sehr ungemütlich hier.«

BERATER: »Was meint der italienische Vertrieb

ITALIENISCHER VERTRIEB: »Ich bin hier am falschen Platz, die Musik spielt da drüben. Ich bin vor allem gespannt, was die europäische Zentrale vorhat.«

BERATER: »Was hat sich für die deutsche Produktion verändert?«

DEUTSCHE PRODUKTION: »Ich bin unsicher und isoliert. Die Kunden sind weit weg und haben keinen Kontakt zu mir.

BERATER: »Was ist mit den anderen Vertriebsorganisationen

ANDERE VERTRIEBSORGANISATIONEN: »Desorientiert. Am meisten spüre ich den Einfluss der Zentrale, aber ich frage mich auch: Was wird aus der Produktion, was wollen die in Japan? Vor allem warte ich ab.«

BERATER: »Und wie fühlt sich die europäische Zentrale

EUROPÄISCHE ZENTRALE: »Ich muss alles noch in den Griff bekommen, mein Hauptaugenmerk ist auf die Kunden gerichtet, die Produktionen sind mir zu weit weg. Es ist anstrengend, aber ich fühle mich stark und entschlossen, allerdings auch sehr angespannt.«

BERATER: »Ja, und wie sieht man das in Japan?«

JAPANISCHER KONZERN: »Ich fühle mich tatsächlich weit weg, ruhig, sehr aufmerksam, ich schaue auf die europäische Zentrale, den Rest sehe ich eher verschwommen.«

BERATER: »Wie reagieren die Kunden

KUNDEN: »Das Ganze lässt mich eher unberührt, am ehesten interessiert mich die europäische Zentrale

Der Berater wandte sich nun an den Geschäftsführer und die Manager, die nicht aufgestellt waren und das Geschehen von außen beobachteten: »Wenn Sie das hören und sehen, haben Sie den Eindruck, das entspreche in etwa der Realität, oder sind wir im ›falschen Film‹?« Diese zeigten sich beeindruckt, wie sehr das Bild und die Aussagen der Stellvertreter in vielen Aspekten mit ihrer eigenen Wahrnehmung der Situation übereinstimmten.

Der Berater erkundigte sich nun weiter, welche Informationen und Hinweise für mögliche Aktionen sie bereits aus diesem ersten Bild entnehmen konnten. »Auf jeden Fall muss das Führungsteam eine Position finden, von der aus es besseren Kontakt zur Zentrale und zu den Kunden hat«, meinte einer der Manager, »und der Vertrieb hat ja schon gesagt, dass er den Platz wechseln will.«

»Unser Vertrieb muss mit den anderen Vertriebsorganisationen mehr zusammenarbeiten«, meinte ein anderer Manager, »das größte Problem hat die Produktion, das ist klar, und dafür sehe ich im Moment auch keine Lösung.«

Der Berater nahm diese Kommentare auf, verknüpfte sie mit den Aussagen der Stellvertreter und mit seinen eigenen Eindrücken und formulierte für sich eine erste Hypothese: Das aufgestellte Führungsteam wirkt wie zwischen italienischer Produktion und italienischem Vertrieb eingeklemmt und von der europäischen Zentrale abgeschnitten. Aus einer solchen Position heraus kann man nur schwer führen. Gestützt auf diese Gedanken leitete er nun eine erste Intervention ab: »Dann wollen wir ausprobieren, was geschieht, wenn wir einige Positionen verändern. Fangen wir beim Führungsteam an. Haben Sie einen Impuls, sich anderswohin zu bewegen?«

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9783849782764
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