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Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 7 Besitzrecht der Ehegatten

§ 7 Besitzrecht der Ehegatten

Inhaltsverzeichnis

I. Besitz und Recht zum Besitz

II. Besitz und Zwangsvollstreckung

III. Dauer des Besitzrechts und Besitzschutz

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 7 Besitzrecht der Ehegatten › I. Besitz und Recht zum Besitz

I. Besitz und Recht zum Besitz

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Aus der Pflicht zur Gestattung der Mitbenutzung der (im Alleineigentum stehenden oder angemieteten) Ehewohnung und der Haushaltsgegenstände (dazu Rn. 144) ergibt sich nach h.M. eine automatische Besitzberechtigung des Nichteigentümer-Ehegatten. Mit der Pflicht korrespondiert also ein Recht zum Besitz.[1] Ungeachtet der Eigentumslage sowie der güterrechtlichen Situation und ungeachtet auch der mietrechtlichen Verhältnisse haben die Ehegatten folglich Mitbesitz (§ 866).[2] An Gegenständen des persönlichen Gebrauchs besteht jedoch Alleinbesitz. Entscheidend für die Besitzverhältnisse ist – wie auch sonst – die faktische Besitzlage.[3] An den gemeinschaftlich genutzten Gegenständen hat der Eigentümer-Ehegatte deshalb regelmäßig unmittelbaren Eigenbesitz (soweit es um den eigenen Mitbesitz geht) und zugleich mittelbaren Eigenbesitz hinsichtlich des Mitbesitzes seines Partners. Dieser ist unmittelbarer Fremd(mit)besitzer.

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In Bezug auf solche Gegenstände besteht zwischen den Ehegatten ein Besitzmittlungsverhältnis (§ 868) kraft Gesetzes (§ 1353 Abs. 1 S. 2),[4] das, wie Fall 11 zeigen wird, Grundlage einer Übereignung gemäß §§ 929, 930 sein kann.

Fall 11:

Ehefrau F will ihrem Mann M eine ihr gehörende und im Wohnzimmer der ehelichen Wohnung stehende Sound-Anlage schenken.

Ohne dass die Sound-Anlage ihren Standort (im Wohnzimmer) verändern muss, ist eine Übereignung möglich: Die dingliche Einigung der Eheleute gemäß § 929 S. 1 kann ausdrücklich oder konkludent geschehen und durch Änderung des Besitzwillens (vom Eigenbesitz zum Fremdmitbesitz) im Rahmen des bestehenden gesetzlichen Besitzmittlungsverhältnisses (§ 1353 Abs. 1 S. 2) liegt ein Übergabesurrogat nach den §§ 930, 868 vor: Die F ist jetzt nicht mehr unmittelbare Eigen-, sondern unmittelbare Fremdbesitzerin; ihr Ehemann ist unmittelbarer und (hinsichtlich des Mitbesitzes der F) mittelbarer Eigenbesitzer.[5]

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 7 Besitzrecht der Ehegatten › II. Besitz und Zwangsvollstreckung

II. Besitz und Zwangsvollstreckung

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Das Besitzrecht der Ehegatten spielt eine wichtige Rolle im Zwangsvollstreckungsverfahren gegen einen der Partner. Soweit es dabei um die Zwangsvollstreckung eines Zahlungstitels in bewegliche Sachen geht, auf die der Gläubiger zugreifen will (§§ 803 ff. ZPO), finden, sofern Mitbesitz beider Eheleute besteht, besondere Vorschriften Anwendung (§§ 808, 809, 739 ZPO i.V.m. § 1362, dazu Rn. 225 ff.). Davon zu unterscheiden ist die Zwangsvollstreckung zur Herausgabe einer unbeweglichen Sache (§ 885 Abs. 1 ZPO), z.B. wenn eine angemietete Wohnung von Ehegatten geräumt werden soll; dazu folgender

Fall 12:

Der Vermieter V hat gegen die Ehefrau F als Alleinmieterin einen vollstreckbaren Räumungstitel erlangt. Die beauftragte Gerichtsvollzieherin G lehnt eine Zwangsvollstreckung ab, weil der Ehemann M (und ein Kind K) sich ebenfalls in der Wohnung aufhalten und jedenfalls dem Ehemann ein Recht zum Besitz an der Wohnung zustehe. Aus diesem Grunde sei auch gegen ihn ein Räumungstitel (Verurteilung) notwendig.

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Der BGH[6] bestätigte diese Rechtsauffassung: Nach § 885 Abs. 1 S. 1 ZPO wird die Räumungsvollstreckung dadurch bewirkt, dass der Gerichtsvollzieher den Vollstreckungsschuldner aus dem Besitz der Wohnung setzt und den Besitz dem Gläubiger zuweist. Diese Vollstreckung darf nur beginnen, wenn die Personen, gegen die sich die Vollstreckung richtet (Vollstreckungsschuldner), im Titel und der beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich benannt sind (vgl. § 750 ZPO). Weil der Ehemann der verurteilten Alleinmieterin nach § 1353 Abs. 1 S. 2 ein Recht zum Besitz an der Ehewohnung hatte und die Räumungsvollstreckung auch seinen Besitz beenden würde, müsste auch er zur Räumung der Wohnung verurteilt werden (was nicht geschehen war). Der Gerichtsvollzieher darf nur die tatsächlichen Besitzverhältnisse prüfen und Zwangsmaßnahmen nur gegen die im Räumungstitel benannten Besitzer ergreifen.[7] Die Zwangsvollstreckung wird in Fall 12 daher zurecht von G abgelehnt.

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 7 Besitzrecht der Ehegatten › III. Dauer des Besitzrechts und Besitzschutz

III. Dauer des Besitzrechts und Besitzschutz

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Fall 13:

Die miteinander verheirateten M und F leben in einer dem M gehörenden Wohnung, wobei eine Lebensgemeinschaft im Übrigen nicht mehr existiert. M will von F getrennt leben und verlangt deshalb von ihr, seine Wohnung zu verlassen. Schließlich zieht F aus. Eines Abends steht M in einem leeren Wohnzimmer. F hat die Einrichtungsgegenstände mit der (zutreffenden) Behauptung, dass diese in ihrem Eigentum stehen, entfernt und zu sich genommen.

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 7 Besitzrecht der Ehegatten › III. Dauer des Besitzrechts und Besitzschutz › 1. Dauer des Besitzrechts

1. Dauer des Besitzrechts

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Man könnte in Fall 13 überlegen, dass M gemäß § 985 von F Herausgabe (und nach § 1004 Räumung) seiner Wohnung verlangen konnte, wenn der F ein Recht zum Besitz (§ 986 Abs. 1 S. 1) nicht mehr zustand; und umgekehrt könnte F von M die Herausgabe der ihr gehörenden Haushaltsgegenstände nach § 985 verlangen, wenn M kein Recht zum Besitz mehr hat. Dies hängt davon ab, ob das Besitzrecht aus § 1353 Abs. 1 S. 2 die tatsächliche Lebensgemeinschaft zur Grundlage hat oder lediglich an das Eheband (den Rechtsbegriff „Ehe“) anknüpft. Das Recht zum Besitz aus § 1353 Abs. 1 S. 2 zählt zu den Ehefolgen, die allein den Bestand des Rechtsverhältnisses „Ehe“ (im Rechtssinne) voraussetzen. Das Besitzrecht dauert demgemäß über die Trennungsphase hinweg bis zur rechtskräftigen Scheidung,[8] sofern sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt. Letzteres gilt etwa für die Regelung in § 1361a Abs. 1, die einen Anspruch auf Zuteilung der Haushaltsgegenstände während des Getrenntlebens vorsieht und als lex specialis einen Anspruch des Eigentümers (hier der F) aus § 985 sperrt (dazu Rn. 341 ff.). Danach kann jeder Ehegatte im Grundsatz die ihm gehörenden Haushaltsgegenstände von dem anderen Ehegatten herausverlangen, sofern der andere nicht auf den Gebrauch angewiesen ist und eine Überlassung an ihn der Billigkeit entspricht; eine eigenmächtige Wegnahme bzw. Besitzentziehung kann dagegen possessorische Ansprüche auslösen (dazu Rn. 161 ff.).

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Gleiches gilt für die Ehewohnung: Das Recht zum Mitbesitz an der Ehewohnung hat über die Trennung hinaus Bestand, solange keine Zuweisung nach § 1361b erfolgt ist. In der Rechtsprechung wird zwar diskutiert, ob das Besitzrecht des einen Ehegatten schon dann endet, wenn die Voraussetzungen des § 1361b Abs. 1 für eine solche Zuweisung erfüllt sind, der BGH hat diese Frage bislang jedoch offengelassen.[9] Vor und während des Ehescheidungsverfahrens endet das Besitzrecht eines Ehegatten nur, wenn dieser die eheliche Wohnung in Scheidungsabsicht endgültig verlassen hat (vgl. § 1361b Abs. 4).[10] Das bedeutet für Fall 13, dass F, jedenfalls solange sie in der Ehewohnung verblieben war, trotz der gescheiterten Beziehung ein Recht zum Besitz aus § 1353 Abs. 1 S. 2 hatte (§ 986 Abs. 1 S. 1) und dieses erst verliert, wenn sie innerhalb von sechs Monaten nach dem Auszug eine ernstliche Rückkehrabsicht nicht gegenüber M bekundet. Eine Zuweisung der Ehewohnung kann sie allerdings nur über § 1361b erreichen.

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 7 Besitzrecht der Ehegatten › III. Dauer des Besitzrechts und Besitzschutz › 2. Possessorischer Besitzschutz (§§ 858 ff.)

2. Possessorischer Besitzschutz (§§ 858 ff.)

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Soweit Ehegatten untereinander verbotene Eigenmacht verüben (§ 858 Abs. 1), stehen grundsätzlich auch ihnen die allgemeinen Besitzschutzansprüche (§§ 861, 862) und das Selbsthilferecht des Besitzers (§ 859) zu.[11] Soweit die Ehegatten Mitbesitzer sind, findet § 866 Anwendung, der bei vollständigem Besitzentzug den possessorischen Besitzschutz gerade nicht ausschließt.

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Stark umstritten ist, ob die Rechtsbehelfe des Besitzschutzes auch gelten, wenn die Ehe gescheitert ist und die Ehegatten getrennt leben. Dann müsste F (Fall 13) – ohne Rücksicht auf die Eigentumslage (§ 863) – die Einrichtungsgegenstände an M zurückgeben (§ 861 Abs. 1).[12]

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Der BGH hat zu dieser Frage noch nicht Stellung genommen. Teile der Literatur[13] und der Rechtsprechung[14] bejahen einen possessorischen Besitzschutz auch zwischen getrennt lebenden Ehegatten mit dem Argument, dass gerade in einer sich auflösenden Ehe der eigenmächtige Zugriff eines Partners auf Ehewohnung oder Hausrat verhindert werden müsse.

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Die Gegenansicht weist auf die §§ 1361a, 1361b als spezialgesetzliche Regelungen auch im materiell-rechtlichen Sinne hin und verneint einen Herausgabeanspruch nach § 861 immer dann, wenn die Voraussetzungen des § 1361a Abs. 1 oder Abs. 2 vorliegen.[15] Ein Rückgabeverlangen könne nur nach Maßgabe des § 1361a geltend gemacht werden.[16]

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Eine vermittelnde Ansicht[17] kommt zur Anwendung possessorischen Rechtsschutzes jedenfalls dann, wenn der auf Rückgabe bestehende Ehegatte damit keine Verteilung der Haushaltsgegenstände i.S.d. § 1361a, sondern lediglich die Wiederherstellung des ursprünglichen Besitzstandes anstrebe und der in Anspruch genommene Partner den entfernten Gegenstand nicht dringend zur eigenen Bedarfsdeckung benötige. Dabei sei § 861 entsprechend anzuwenden, weil durch die Zuweisung des Streits an das Familiengericht (jetzt §§ 111 Nr. 5, 200 ff. FamFG) die allgemeinen zivilrechtlichen Besitzschutzansprüche grundsätzlich durch §§ 1361a, 1361b verdrängt seien.[18]

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Der Auffassung von der spezialgesetzlichen Regelung des Besitzschutzes unter getrenntlebenden Ehegatten durch §§ 1361a, 1361b steht der Grundsatz der strikten Trennung zwischen Possessorium (Besitz) und Petitorium (Recht zum Besitz) entgegen. Die possessorischen Ansprüche stellen die frühere Besitzlage ohne Rücksicht darauf wieder her, ob diese Besitzlage auch rechtlich begründet ist (Recht zum Besitz, § 863). Es kommt ihnen nur darauf an, den eigenmächtigen Zugriff zu verhindern. Die Beteiligten sollen im Streitfall ihr Recht (zum Besitz) vor Gericht geltend machen. Die Vorschriften der §§ 1361a, 1361b regeln dieses Recht zum Besitz an Haushaltsgegenständen und Ehewohnung für die Zeit des Getrenntlebens, das für die Besitzschutzansprüche gerade keine Rolle spielen darf. Die possessorischen Ansprüche bleiben unberührt. Es herrscht deshalb zwischen den allgemeinen Besitzschutzansprüchen und den §§ 1361a, 1361b eine freie materiell-rechtliche Konkurrenz.[19] M kann deshalb in Fall 13 von F gemäß § 861 Abs. 1 sofortige Rückgabe der Einrichtungsgegenstände verlangen (vollständige Besitzentziehung durch F, § 866).

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Auch die praxisorientierte, verfahrensrechtliche Besorgnis widerstreitender Entscheidungen im Verfahren über Haushaltsgegenstände (§ 1361a) und im Besitzschutzverfahren (§ 861) hat sich erledigt. Für beide Angelegenheiten ist seit Inkrafttreten des FamFG das Familiengericht zuständig, gemäß §§ 111 Nr. 5, 200 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 FamFG für Ehewohnungs- und Haushaltssachen und gemäß §§ 111 Nr. 10, 266 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 FamFG für possessorische Besitzschutzansprüche. Im Übrigen ist für die Ablösung des Possessoriums durch das Petitorium auf § 864 Abs. 2 hinzuweisen.

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Der in diesen Fällen oft notwendige vorläufige Rechtsschutz ergibt sich aus § 49 FamFG (einstweilige Anordnung). Das Verfahren ist ein solches der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 50 ff. FamFG). Einstweilige Verfügungen durch das Prozessgericht (§§ 935 ff. ZPO) scheiden deshalb aus. Wird während eines Verfahrens nach § 200 FamFG eine Ehesache bei einem anderen Gericht anhängig, so ist das Verfahren an das Gericht der Ehesache abzugeben (§ 202 FamFG). Dasselbe gilt für ein Verfahren nach § 266 FamFG (§ 268 FamFG).

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Gegenüber Dritten kann sich jeder besitzende Ehegatte auf den Schutz aus §§ 823, 1004 und 1007 berufen.

Anmerkungen

[1]

BGH, NJW 1978, 1529; BGH, NJW 2004, 3041 = JuS 2004, 1114 (gemietete Ehewohnung).

[2]

BGH, NJW 1954, 918 (920 f.), allerdings noch auf der Grundlage eines stillschweigend abgeschlossenen Gebrauchsüberlassungsvertrags nach Art einer Leihe.

[3]

BeckOGK10-19/Götz, BGB, § 866 Rn. 17.

[4]

BGH, NJW 1979, 976 = JuS 1979, 903 f.; BeckOGK10-19/Götz, BGB, § 866 Rn. 18. Abgelehnt für die nichteheliche Lebensgemeinschaft von OLG München, NJW 2013, 3525.

[5]

BGH, NJW 1979, 976 = JuS 1979, 903; BGH, FamRZ 1989, 945 (947).

[6]

BGH, NJW 2004, 3041 = JuS 2004, 1114.

[7]

BGH, NJW 2004, 3041 = JuS 2004, 1114; MüKoZPO/Gruber, 52016, § 885 Rn. 17.

[8]

BGH, NJW 1977, 43; BGH, NJW 1978, 1529.

[9]

BGH, FamRZ 2006, 930 m.w.N.

[10]

BGH, FamRZ 1971, 633 (noch zu § 862 und unabhängig von eigentums- und mietrechtlichen Fragen): Hat sich ein Ehemann von seiner Familie unter Aufgabe seines Mitbesitzes an der bisherigen ehelichen Wohnung mit dem erklärten Willen getrennt, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wiederherzustellen, dann kann er ein Recht zum Betreten der von der Ehefrau und den Kindern bewohnten Wohnung nicht daraus herleiten, dass Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet sind oder dass ihm neben seiner Ehefrau die elterliche Gewalt über die minderjährigen Kinder zusteht.

[11]

Z.B. Schwab, Familienrecht, 272019, Rn. 114, 396.

[12]

Zu den possessorischen Ansprüchen aus sachenrechtlicher Sicht Habersack, Examens-Repetitorium Sachenrecht, 92020, Rn. 83 ff.

[13]

Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 72020, § 23 Rn. 11 m.w.N.

[14]

OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 484; KG, FamRZ 1987, 1147.

[15]

OLG Nürnberg, FamRZ 2006, 486 (487).

[16]

OLG Köln, FamRZ 1997, 1276 (1277).

[17]

OLG Hamm, FamRZ 1991, 81; OLG Frankfurt, FamRZ 2003, 47; zustimmend Brudermüller, FamRZ 2006, 1157 (1161).

[18]

OLG Frankfurt, FamRZ 2003, 47.

[19]

Die Trennung zwischen Besitz und Recht zum Besitz spricht auch gegen die vermittelnde Theorie, die beide Positionen miteinander vermischt; so deutlich OLG Hamm, FamRZ 1991, 81 (82); wie hier Schwab, Familienrecht, 272019, Rn. 396.

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 8 Eheliches Unterhaltsrecht

§ 8 Eheliches Unterhaltsrecht

Inhaltsverzeichnis

I. Grundlagen

II. Verpflichtung zum Familienunterhalt

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 8 Eheliches Unterhaltsrecht › I. Grundlagen

I. Grundlagen

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Das Familienrecht unterscheidet systematisch zwischen Ehegattenunterhalt (§§ 1360–1361; §§ 1569–1586b) und Verwandtenunterhalt (§§ 1601 ff.). Das eheliche Unterhaltsrecht seinerseits knüpft an die konkrete Situation an, in der sich Ehegatten befinden: in ungestörter Ehe (§§ 1360–1360b), in der Phase des Getrenntlebens (§ 1361) oder nach Ehescheidung (§§ 1569 ff.). Die unterschiedlichen Lebensverhältnisse wirken sich auf die Art und den rechtlichen Charakter des im Einzelfall geschuldeten Unterhalts maßgeblich aus. Während intakter Ehe sind die Ehegatten einander zum Familienunterhalt (Naturalunterhalt) verpflichtet, der auch die Unterhaltsleistungen für ihre gemeinsamen Kinder umfasst (§ 1360a Abs. 1: Geltendmachung aus eigenem Recht und in eigenem Namen).[1] Leben die Ehegatten getrennt oder sind sie geschieden, entfällt der „Familienunterhalt“. Es bewendet sich dann bei einseitigen Ansprüchen auf Zahlung einer Geldrente (§ 1361 Abs. 4; § 1585 Abs. 1) in Höhe lediglich des Ehegattenunterhalts. Die Geltendmachung des Kindesunterhalts durch einen Partner ist in diesen Fällen gesondert geregelt (§ 1629 Abs. 2 S. 2, bei gemeinsamer Sorge nach Ehescheidung: im Namen des Kindes; § 1629 Abs. 3 S. 1, bei Getrenntleben: in Prozessstandschaft).

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 8 Eheliches Unterhaltsrecht › II. Verpflichtung zum Familienunterhalt

II. Verpflichtung zum Familienunterhalt

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 8 Eheliches Unterhaltsrecht › II. Verpflichtung zum Familienunterhalt › 1. Ersatzansprüche bei Verletzung eines unterhaltspflichtigen Ehegatten

1. Ersatzansprüche bei Verletzung eines unterhaltspflichtigen Ehegatten

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Fall 14:

M und F sind miteinander verheiratet. F ist nicht erwerbstätig; sie versorgt den ehelichen Haushalt und betreut die drei gemeinsamen Kinder. Durch einen schuldhaft herbeigeführten Verkehrsunfall verletzt S die F so schwer, dass sie vier Monate stationär im Krankenhaus behandelt werden muss. Während dieser Zeit stellt M eine Haushaltshilfe für 650 € monatlich ein und verlangt von S Ersatz dieser Kosten. – Statt einer bezahlten Hilfe versorgt die Mutter des M den Haushalt und die Kinder.

a) Anspruch des unterhaltsberechtigten Ehegatten nach § 845

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M kann von S, weil er in eigenen Rechten oder Rechtsgütern des § 823 Abs. 1 nicht verletzt wurde, allenfalls aus dem Gesichtspunkt entfallener, seitens der F ihm unterhaltsrechtlich geschuldeter Leistungen (§§ 1360, 1360a Abs. 1, Abs. 2) Ersatz verlangen (§ 845). Voraussetzung dafür ist, dass F (Verletzte) einem Dritten (M) kraft Gesetzes zu Diensten in dessen Hauswesen verpflichtet war.

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Die Verpflichtung der F, nach Maßgabe des getroffenen Einvernehmens durch die Haushaltsführung zum Familienunterhalt beizutragen (§ 1360 S. 2), ist keine Verpflichtung zu Dienstleistungen gegenüber ihrem Ehemann in dessen Hauswesen.[2] Eheleute erbringen ihre Unterhaltsleistungen (gleichgültig welchen Inhalts) als einen eigenständigen Beitrag zum Familienunterhalt.[3] Leistungsempfänger sind alle Familienmitglieder. Die Vorschrift des § 845 ist deshalb auf Unterhaltsansprüche der Ehegatten nach § 1360 nicht anwendbar.[4] In Frage kommt deshalb allenfalls ein eigener Anspruch des verletzten Ehepartners (F); eine Anspruchsberechtigung des anderen Ehegatten (M) entfällt.[5]

b) Eigener Anspruch des verletzten Ehegatten (§§ 823 Abs. 1, 842)

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Ein eigener Anspruch der F kann sich nur auf § 823 Abs. 1 stützen.[6] Die Frage ist aber, ob der Ausfall der Haushaltsführung auch bei F einen Schaden hervorgerufen hat. Zwar dehnt die Vorschrift des § 842 den Umfang der Ersatzpflicht auch auf die Nachteile aus, die die unerlaubte Handlung „für den Erwerb“ der beeinträchtigten Person nach sich zieht. Gemeint ist damit aber nicht die abstrakte Erwerbsfähigkeit, sondern die (dauernde) Beeinträchtigung der tatsächlich (erwerbswirtschaftlich) eingesetzten Arbeitskraft.[7] Klargestellt wird durch § 842, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit (immaterielles Rechtsgut) insoweit als eine Vermögenseinbuße zu rechnen ist, die, auch wenn eine Wiederherstellung (§ 249) nicht mehr möglich ist, eine Geldkompensation auslöst (§ 251 Abs. 1 statt § 253 Abs. 1).[8]

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Obwohl Haushaltsführung und Kinderbetreuung in der eigenen Familie keine erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten darstellen, hat der BGH einen eigenen Anspruch des haushaltsführenden Ehegatten in voller Höhe anerkannt. Ein „Nachteil“ i.S.d. § 842 beschränke sich nicht auf den Verlust von Entgelt (Gegenleistung) aus rein erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit. „Nachteil“ sei darüber hinaus jede „wirtschaftliche Beeinträchtigung“, „die der Mangel der vollen Einsatzfähigkeit mit sich bringt“.[9] Der haushaltsführende Ehepartner setzt seine Arbeitskraft tatsächlich ein und erbringt damit einen Beitrag zum Familienunterhalt. Auch wenn dies nicht im Austausch mit einer Gegenleistung geschieht, so steht die Erbringung der Haushaltstätigkeit doch in Korrespondenz mit einem eigenen Unterhaltsanspruch des verletzten Ehegatten gegen seinen Partner (§§ 1353 Abs. 1 S. 2, 1360). Der haushaltsführende Teil sichert die wirtschaftliche Grundlage der Familie (und damit auch seine eigene) und wird durch die Verletzung gehindert, die eigene Arbeitskraft in entsprechender Weise einzusetzen. Es geht daher in diesen Fällen nicht um einen Ersatz der Beeinträchtigung bloß abstrakter Arbeitsfähigkeit,[10] sondern um den Ausfall der konkreten Arbeitsleistung. Dass die Verletzung nicht zum Wegfall des korrespondierenden Unterhaltsanspruchs führt, der andere Ehegatte vielmehr gehalten ist, seinen eigenen Beitrag gegebenenfalls sogar zu steigern und die Unterhaltsbedürfnisse des Verletzten zu befriedigen, resultiert aus interner familienrechtlich gebotener Solidarität und kann den Schädiger nicht entlasten (vgl. § 843 Abs. 4). Weil der Vermögensschaden im Ausfall der Arbeitskraft selbst liegt, also in der Unmöglichkeit, sie in wirtschaftlich relevanter Weise im Haushalt einzusetzen, kommt es für einen Ersatzanspruch auch nicht darauf an, ob zum Ausgleich der weggefallenen Leistungen zusätzliche Vermögensaufwendungen getätigt werden (Einstellung einer Aushilfskraft) oder nicht. Die Bemessung des Schadensersatzes richtet sich nach den Kosten, die für eine entsprechende Ersatzkraft aufzubringen sind oder aufzubringen wären, um die vom verletzten Partner geleistete Arbeit zu bewältigen.[11] – In Fall 14 hat also F einen Anspruch auf Ersatz der wegen des Ausfalls ihrer Arbeitsleistungen notwendigen Kosten für eine Haushaltshilfe ohne Rücksicht darauf, ob eine solche Einstellung tatsächlich erfolgt oder nicht.

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 8 Eheliches Unterhaltsrecht › II. Verpflichtung zum Familienunterhalt › 2. Verpflichtung zum Unterhalt durch Einsatz von Arbeitskraft und Vermögen (§ 1360)