Kitabı oku: «How to do empirische Sozialforschung», sayfa 3
Wissenschaftliche Beobachtungen unterliegen strengen Regeln: Mehr als bei jeder anderen Forschungsmethode wirken hier subjektive Wahrnehmung und Einstellungen der beobachtenden Person sehr schnell verzerrend auf die Ergebnisse. Unkontrolliert beobachtet jeder Mensch etwas Anderes, jedem Individuum fallen andere Dinge besonders auf.
Deshalb müssen wissenschaftliche Beobachtungen die Realität sehr genau „filtern‟: Es ist essentiell, exakt zu definieren, WAS vom Beobachteten im Detail registriert und protokolliert werden soll, und was nicht.
Analog zum Codierschema bei Inhaltsanalysen wird deshalb bei Beobachtungen ein Beobachtungsbogen erstellt (vgl. Abbildung 5 auf Seite 31). Darin werden die Beobachtungsinhalte klar definiert. Außerdem muss es genaue Pläne geben, wann, was, wer und wo beobachtet wird.
Auch audiovisuelle Aufzeichnungstechniken sind empfehlenswert: Oft können sonst nach dem Beobachten nicht mehr alle Inhalte lückenlos reproduziert werden.
Beobachtungen werden gerne mit Befragungen kombiniert: Erhebungspersonen können z.B. die Befragten nach gewissen vorher festgelegten Kriterien beobachten und deren Reaktionen auf bestimmte Fragestellungen oder Reize notieren.
Die beobachtende Person kann Teil des Geschehens sein (teilnehmende Beobachtung) oder eine Betrachterrolle „von außen‟ einnehmen. Beobachtungen können in künstlicher Umgebung (Laborbeobachtung) oder „mitten im Leben‟ (Feldbeobachtung) stattfinden.
Als Anwendungsfälle für künstliche Laborbeobachtungen lassen sich beispielhaft die Media-, Leserschafts- und Werbeforschung mit Hautwiderstandsmessungen anführen. Auch Neuro-Marktforschung (Elektroden messen Spannungen der Haut oder Hirnströme, die bei hoher Aufmerksamkeitserregung ansteigen) und Blickverlaufsregistrierung (Eyetracking, vgl. Abbildung 6 auf Seite 31) fallen in diesen Bereich.
Beispiele für natürliche Feldbeobachtungen sind Beobachtungen des Konsumentenverhaltens oder Formen der Konkurrenzforschung. Passanten- und Schaufensterbeobachtungen oder die verbreiteten Mystery-Tests zählen ebenso dazu. [30]

Abbildung 5: Beobachtungsbogen Handynutzung am Steuer (in Anlehnung an BORTZ/DÖRING 2016: 343)

Abbildung 6: Eyetracking-Ergebnis der Website howtodo.at (Vorgängerband 2016) [31]
Bei einem Mystery-Call oder Mystery-Shopping geben sich Erhebungspersonen als Kundinnen oder Kunden aus. Sie konfrontieren das Verkaufs- und Servicepersonal einer Firma mit alltäglichen Kundenanliegen oder sind beobachtend und protokollierend – z.B. in Verkaufsräumen – unterwegs. Mystery-Tests können auch in Testanrufen oder Testkäufen bestehen. Noch einen Schritt weiter gehen simulierte Beratungsgespräche oder Rollenspiele zur Beurteilung von z.B. Kundenbetreuungspersonal im Außendienst.
Auch bei Mystery-Tests gibt es für eine systematisierte und vor allem streng objektivierte Erfassung Beobachtungs- oder Protokollbögen (vgl. Abbildung 7).
Die Testpersonen sollen möglichst ohne Beurteilungsspielraum testen: Das lässt sich v.a. über Faktenabfragen, die ausschließlich mit „ja‟ oder „nein‟ zu beantworten sind, realisieren. Etwaige Schulnotenbeurteilungen, die eine individuelle Meinung von Testerinnen oder Testern widerspiegeln, sollten die Ausnahme darstellen.

Abbildung 7: Mystery-Protokoll für Selbstbedienungs-Restaurants (Auszug)
Die Testenden müssen glaubwürdige und möglichst authentische Typen verkörpern:
Nicht besonders realistisch würden z.B. ältere Menschen wirken, die ein Studentenkonto eröffnen wollen.
Firmeneigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind als Testpersonen weniger gut geeignet (Kollegialitätsprobleme). Möglichst viele Mystery-Checker sollten ihre Beobachtungen möglichst gleichmäßig und breit über Tageszeiten und Wochentage streuen. Keinesfalls darf dabei die Anonymität der Getesteten verletzt werden: Die Beobachteten sollten immer [32] (vorab) informiert werden, dass Tests stattfinden (VGL. dazu auch SEITE 46 im KAPITEL „3.3.1 | Forschungsethik‟).
2.5 | Gruppendiskussion (Fokusgruppe)
Bei einer Gruppendiskussion diskutieren etwa sechs bis 12 Personen unter der Leitung einer moderierenden Person rund ein bis zwei Stunden lang zu einem bestimmten Thema. Dabei wird die alltägliche Situation eines Meinungsbildungsprozesses möglichst gut nachgebildet.
Die Situation eines Gesprächs in der Gruppe kann dazu beitragen, Hemmungen abzubauen und wechselseitig Anregungen im Gespräch aufzugreifen. Dadurch wird der weitere Verlauf der Diskussion gefördert (vgl. Ebster/Stalzer 2017: 211).
Ein großer Vorteil, den Fokusgruppen besitzen, ist die Möglichkeit, Gegenstände und Informationsmaterial direkt in den Forschungsprozess miteinzubeziehen. Die Gruppe kann über audiovisuelle, technische oder Prototypen jeglicher Art diskutieren – z.B. über Werbesujets, Logos, textliche Formulierungen, Prospekte, Publikationen, Düfte, Modellentwürfe usw. Das Material benötigt keine hohe Testauflage (Stückzahl) und wird trotzdem in konkret erlebbarer Ausgestaltung direkt in den Zielgruppen abgetestet.
Damit auf keine Fragestellungen vergessen werden kann, skizziert ein vorab erstellter Diskussionsleitfaden den Ablauf (vgl. Abbildung 31 auf Seite 114).
Die Ergebnisse einer Gruppendiskussion werden stark durch die Moderation gelenkt: Immer dann, wenn das Gespräch abflacht oder das Diskussionsthema verlassen wird, greift die Diskussionsleitung lenkend ein. Eine wichtige Rolle der Moderation besteht auch darin, zwischen redegewandten und stilleren Gruppenmitgliedern einen Ausgleich zu schaffen. Alle sollten gleichermaßen zu Wort kommen: Bereits vor der Diskussion muss deshalb sichergestellt worden sein, dass alle teilnehmenden Personen überhaupt einen Bezug zum Diskussionsgegenstand haben.
Ob eine Diskussionsgruppe homogen oder heterogen zusammengestellt wird, hängt von Themenstellung und Ergebniserwartung ab.
Homogene Gruppen können durch eine ähnliche Gruppenmeinung ein Ergebnis im Idealfall verfeinern und vertiefen. Ein allzu einheitliches und wenig differenziertes Gesamtmeinungsbild kann aber auch den Nachteil haben, nur wenig neue Erkenntnis zu bringen. Bei heterogenen Gruppen besteht diese Gefahr kaum. Hier kann es jedoch vorkommen, dass Einzelmeinungen falsch auf größere (Ziel-)Gruppen übertragen (verallgemeinert) werden: Eine Einzelperson kann einer Zielgruppe zwar strukturell absolut entsprechen, aber meinungsmäßig vielleicht völlig untypisch argumentieren.
Folgendes Beispiel zeigt die Problematik der Zusammensetzung von Diskussionsgruppen:
Zum Thema „Einstellung zum Klimaschutz‟ wird EINE Fokusgruppe durchgeführt. Daran nehmen ein oder zwei Mitglieder jeder Altersgruppe teil. In der Gruppe sind auch zwei ältere – bereits pensionierte – Personen. Beide haben nahe Angehörige mit einflussreichen Jobs in der Logistikbranche (Straßen- bzw. Luftverkehr). Dieser Umstand ist aber unbekannt. Beide sehen das Thema im Licht ihres familiären Umfelds. Gelten nun diese zwei [33] „Spezialmeinungen“ gesamthaft als Indikator für die Einstellung der älteren Bevölkerung, ist das natürlich irreführend. Wesentlich korrekter wäre es hier, auf MEHRERE Fokusgruppen zu setzen, innerhalb ähnlicher Altersgruppen, aber mit heterogenerem Umfeld.
Die Aufzeichnung und Auswertung von Gruppendiskussionen erfolgen elektronisch, Institute verfügen über notwendige Räumlichkeiten (oft mit Einwegspiegeln) und technische Einrichtungen. Die Aufzeichnungen der Diskussionen werden in Vorbereitung auf die Ergebnisanalyse in geschriebenen Text übertragen (transkribiert).
Oft werden in Ergänzung zur Diskussion auch kurze Selbstausfüller-Fragebögen verteilt. Sie helfen bei der Erfassung individueller Einstellungen zum Diskussionsgegenstand. Das erleichtert die Interpretation von Aussagen bei der Ergebniszusammenfassung.
2.6 | Qualitative Befragung
Gegenüber der bei Fokusgruppen angewendeten „Gruppenstrategie‟ steht bei qualitativen Einzelbefragungen das Individuum im Zentrum des Erkenntnisinteresses.
Hier kommen in der Praxis ähnliche, in der Durchführung aber nicht immer exakt voneinander abgrenzbare Verfahren zum Einsatz.23 Relativ klar unterteilen lassen sich die Möglichkeiten qualitativer Interviewführung aber in Leitfadeninterviews, offene Interviews und narrative Interviews (vgl. Gläser/Laudel 2010: 42).
Bei Leitfadeninterviews erfolgen die Einzelgespräche mit vorgegebenen Themen und einer Art Frageliste. Dieser Gesprächsleitfaden (vgl. Abbildung 30 auf Seite 113) und das offene Gespräch erlauben den Befragten, ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Sie werden nicht durch ein Frage-Antwort-Schema eingeschränkt, wie dies bei quantitativen Erhebungen mit standardisierten Fragebögen der Fall ist. Die Formulierungen der Fragen und Reihenfolge der Fragebeantwortung orientieren sich am Gesprächsverlauf.
Falls notwendig sind auch ergänzende Fragen möglich: Die Themenliste lässt sich bei zu knappen Antworten oft nur vollständig abarbeiten, wenn nachgefragt wird.
(Auch) für Gespräche mit Personen, die auf einem bestimmten Gebiet hohen Expertenstatus (durch Wissen, Rang usw.) besitzen, ist diese Technik der Leitfadeninterviews (Experteninterviews) sehr gut anwendbar (vgl. Gläser/Laudel 2010: 43).
Völlig offene Interviews besitzen keinen Leitfaden mehr, sondern nur noch eine Themenliste. Hier bewegen sich die Interviewenden mit frei formulierten Fragen durch die Details.
Noch offener gestalten sich narrative Interviews: Sie beginnen mit EINER komplexen Frage.
„Erzählen Sie bitte, wo (wie) Sie im letzten halben Jahr mit Klimawandel zu tun hatten.‟
Erst nach einer längeren erzählenden Antwort der interviewten Person ist Nachfragen möglich, was zu weiteren Erzählungen anregt.
In der qualitativen Erhebungspraxis üblich sind auch qualitative Einzelbefragungen. Hier gelangen gewöhnliche qualitative Fragebögen (vgl. Abbildung 32 auf Seite 115) zum Einsatz.
[34]
Diese legen zwar die Reihenfolge der überwiegend offenen Fragen fest, deren genaue Formulierung ist aber nicht vorgegeben.
Alle qualitativen Befragungstechniken versuchen, sehr detaillierte, verbal ausformulierbare und vor allem inhaltliche Auskünfte zu einem Thema zu erhalten. Dabei kann sehr individuell auf die Befragten eingegangen werden: Abhängig von deren Wortschatz fällt das Gesprächsergebnis mehr oder weniger wortreich aus. Die erhebenden Personen stellen sich in Wortwahl und Gesprächsniveau möglichst passend auf das jeweilige Gegenüber ein. Dadurch können oft auch unbewusste Einstellungen oder Verhaltensweisen der Befragten an die Oberfläche geholt werden.
Dieser Aufbau einer vertrauensvollen Gesprächssituation erfordert geschultes Erhebungspersonal. Wegen des hohen Zeitaufwands sind meist nur wenige gute Interviews möglich.
Wie Gruppendiskussionen werden die qualitativen Einzelbefragungen auditiv aufgezeichnet und in geschriebenen Text übertragen (transkribiert). Auch der weitere Auswertungsaufwand ist sehr groß: Gilt es doch, aus vielen subjektiven Einzel-Statements inhaltlich zusammenfassbare Schlüsse zu ziehen, die die Erkenntnisinteressen der Erhebung abdecken.
2.7 | Quantitative Befragung („Umfrage‟)
Wenn im allgemeinen Sprachgebrauch von „Umfragen‟ gesprochen wird, dann ist meist von der quantitativen Befragung die Rede. Sie kommt in der empirischen Sozialforschung wahrscheinlich am häufigsten zum Einsatz.
Abbildung 8 auf Seite 36 gibt einen überblick über häufig vorkommende Arten quantitativer Umfragen.
Es gibt sie mündlich oder schriftlich, in Form von Interviews oder Fragebögen, welche die Befragten selbst ausfüllen, persönlich, telefonisch oder elektronisch, einmalig oder wiederholt. Einmal wird mit einem Fragebogen aus Papier gearbeitet, einmal mit einem OnlineFormular, dann wieder mit Befragungssoftware oder einem Smartphone-Befragungstool.
Quantitative Befragungen erfolgen meist in Form von voll standardisierten Interviews: Alle Fragen sind in ihrem Wortlaut vorformuliert und besitzen eine genau festgelegte Reihenfolge. Es ist genau fixiert, was und wann offen, was und wann geschlossen gefragt wird. Ein Beispiel eines quantitativen Fragebogens zeigen Abbildung 27 und 28 auf Seite 101f.
Bei persönlichen und telefonischen Befragungen müssen die erhebenden Personen möglichst alle über die Befragung hinausgehenden Interaktionen mit den Befragten vermeiden. Dadurch sollen subjektive Einflüsse auf das Antwortverhalten weitestgehend ausgeschaltet – oder zumindest auf ein Mindestmaß reduziert – werden.
Das Befragungspersonal erhält genaue Anweisungen, wie es sich an welcher Stelle des Fragebogens zu verhalten hat (vgl. dazu im Detail die Kapitel „7.3.1 | Regeln für professionelle Fragebögen‟ ab Seite 116 und „7.3.2 | Arten von Fragen: Fragetypen‟ ab Seite 122). Der Reihe nach wird jede Frage im exakten Wortlaut mit den jeweils vorgegebenen Antwortalternativen vorgelesen. Die erhaltenen Antworten müssen kommentarlos angekreuzt, Antworten auf offene Fragen möglichst Wort für Wort notiert werden. Die erhebende Person wird – überspitzt formuliert – zu einem „Befragungsroboter‟. [35]

Abbildung 8: Arten quantitativer Befragungen
Bei einem vollstrukturierten Interview sind ALLE Fragen und Antwortmöglichkeiten fix vorgegeben. Bei einer semistrukturierten Befragung werden zwar die Reihenfolge der Fragen und Formulierungen fixiert, Antwortkategorien (bei bestimmten Fragen) jedoch nur teilweise: Hier gibt es als letzte Antwortalternative dann noch Platz für „Sonstiges, und zwar: ___‟ mit der Möglichkeit, individuelle Antworten zusätzlich zu erfassen (vgl. Frage 15 im Beispielfragebogen in Abbildung 28 auf Seite 102).
Semistrukturierte Interviews besitzen in der quantitativen Sozialforschung große Verbreitung: Hier kommen Befragte nicht in die unbefriedigende Situation, unter den angebotenen Alternativen keine passende Antwort zu finden. „Sonstiges, und zwar:___‟ passt notfalls immer. Es kommt ja durchaus vor, dass bei der Erstellung eines Fragebogens gewisse Antwortoptionen nicht bedacht oder einfach vergessen wurden. Oder individuelle Antworten sind derart einzigartig, dass sie vorab gar nicht berücksichtigt werden hätten können.
In der Praxis werden unterschiedliche Befragungsarten wie in Abbildung 8 auch kombiniert: Ein erster Fragebogenteil wird z.B. durch Erhebungspersonal im jeweiligen Haushalt erhoben, ein Online-Link oder zweiter Fragebogenteil verbleibt bei den Befragten. Diese füllen dann in Ruhe aus24 bzw. senden den komplettierten Fragebogen erst später zurück. Andere Vorhaben gehen primär online vor, befragen die älteren (und „internetferneren‟) Zielgruppen aber telefonisch oder persönlich, weil sie im Internet nicht lückenlos erreichbar sind. Derartige Erhebungen sind sogenannte Hybrid- oder Mixed-Mode-Befragungen. [36]
So gut wie alle großen Marktforschungsinstitute bieten regelmäßig sogenannte Mehrthemenumfragen (MTU's, „Omnibusbefragungen‟)25 an. Diese Umfragen richten sich in der Regel an einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung. Zu fixierten Terminen werden dabei Fragen verschiedener Auftraggeberinnen und Auftraggeber in EINEM Fragebogen zusammengefasst (vgl. „übergangsfragen‟ im Kapitel „7.3.2.1 | Fragen, die den Gesprächsverlauf lenken‟ ab Seite 122). MTU's starten periodisch (wöchentlich, 14-tägig, monatlich) mit unterschiedlicher Methodik (persönlich, telefonisch, online). Durch ihren hohen Standardisierungsgrad stellen sie eine kostengünstige, schnelle und zuverlässige Methode dar, um Bevölkerungsdaten zu erheben.
Oft ist es notwendig, Befragungsergebnisse, die zu mehreren Zeitpunkten gesammelt wurden, miteinander zu vergleichen. Dazu dienen Panels und Trackings.
Ein Panel ist eine spezielle Form quantitativer Umfragen. Es besteht aus definierten Mitgliedern, die eine bestimmte Zielgruppe repräsentieren. Diese Menschen (DIESELBEN Personen) werden wiederholt, in regelmäßigen Abständen, oder auch fortlaufend zum gleichen Thema befragt oder beobachtet.
Ein Panel verfolgt die Veränderung von Verhalten oder Gewohnheiten – z.B. Einkaufsverhalten oder TV-Konsum.
Panels erheben Veränderungen des Marktes. Sie müssen regelmäßig „gewartet‟ werden: Jährlich fallen rund 15% der Panelmitglieder aus der Stichprobe (Panelsterblichkeit, Mortalität). Aufgrund von nachlassendem Interesse, fortschreitendem Lebensalter (das Panel „wird älter‟) oder tatsächlichem Tod verkleinert sich der Teilnehmenden-Kreis. Darüber hinaus unterliegen auch soziodemografische Merkmale Veränderungen (z.B. Umzug von der Stadt aufs Land, ein Single-Haushalt wird zur Familie usw.). Die Struktur der (bisherigen) Teilnehmerschaft muss deshalb permanent durch neue, besser „passende‟ Mitglieder ausgeglichen werden. Ansonsten verliert jedes Panel mittelfristig seine Repräsentativität.
Ein Manko von Panelerhebungen stellt auch entstehendes Expertentum dar: Panelmitglieder verändern mehr oder weniger bewusst ihr Verhalten in Bezug auf den Erhebungsgegenstand: Sie mutieren weg von Otto Normalperson hin zum Testuser.26
Wiederholte Erhebungen zum selben Thema finden auch bei einem Tracking statt. Hier werden jedoch nicht dieselben, sondern immer wieder ANDERE Menschen in neuen, strukturgleichen Stichproben kontaktiert.
Andere, von einem Thema noch unbelastete Personen werden in der Erhebungswelt auch Fresh Samples genannt. Strukturgleichheit von Stichproben kann z.B. über die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Wohnort definiert sein. [37]
Ein Tracking kann die Veränderung von Bekanntheit und Image eines Unternehmens oder einer Marke (etwa im Lauf einer Werbekampagne) beobachten. Trackings liefern auch rasch und effizient Zeitreihendaten z.B. zu Einstellungs- und Imagefragen, Markenpräferenzen, Kaufabsichten usw.
2.8 | Experimentelles Design
Sozialwissenschaftliche Experimente gehen der Frage nach, ob und wie stark ein bestimmtes Merkmal für die Veränderung eines oder mehrerer anderer Merkmale verantwortlich ist. Die Merkmalsveränderungen werden genauestens beobachtet oder mittels Befragung eingehend analysiert. Ausschließlich Experimente erlauben es, Kausalaussagen über einen Zusammenhang von Ursache und Wirkung zu treffen (vgl. Ebster/Stalzer 2017: 219).
Um ein sozialwissenschaftliches Experiment durchführen zu können, müssen die beiden Merkmalsvariablen X und Y zueinander in Beziehung stehen. Die Ursache X (unabhängige Variable) muss zeitlich vor der Wirkung Y (abhängige Variable) liegen. Außerdem muss sichergestellt sein, dass einzig und allein die Wirkung der zu testenden Variable X und keine einflusstragenden Nebeneffekte (Störvariablen Z) erforscht werden (vgl. ebd.: 219).
In der Kommunikationsforschung z.B. helfen Experimente dabei, mediale Inhalte (Bilder, Farben, Slogans) optimal zu gestalten und zu verbreiten. Auch die Formulierung von Texten kann als abhängige Variable auf z.B. Glaubwürdigkeit hin untersucht werden.
Im Konsumgüterbereich sind als „Ursachen‟z.B. Verpackungsarten, Regalplatzierungen, Geschmack bei (Blind-)Verkostungen, Verkaufsaktionen usw. zu finden – als „Wirkung‟ Produktwahrnehmung, Kaufbereitschaften, Qualitätsempfinden ...
Im Immobilienbereich könnte beispielhaft räumliche Gestaltung (Farben, Pflanzen, Möbel usw.) im Hinblick auf Wohlbefinden oder Arbeitsplatzzufriedenheit analysiert werden.
Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung eines Experiments ist die genaue Festlegung eines experimentellen Designs. Abbildung 9 auf Seite 39 zeigt einige von vielen verschiedenen Möglichkeiten, ein Experiment anzulegen.27 Experimente können mit einer oder mehreren Messungen sowie MIT und OHNE Kontrollgruppe(n) durchgeführt werden.
„Echte‟ Experimente (vgl. Friedrichs 1990: 343) arbeiten mit zumindest zwei Gruppen: Eine Versuchsgruppe (Experimentalgruppe) wird dem Merkmalseinfluss (Stimulus oder Treatment) unterworfen. Eine Kontrollgruppe OHNE Variableneinfluss dient als Vergleichsbasis. Beide Gruppen werden per Zufall (randomisiert) ermittelt bzw. müssen unbedingt(!) strukturgleich sein.
Nach dem Experiment misst eine genaue Gegenüberstellung von Versuchs- und Kontroll- gruppe(n) die Wirkungen des Experiments. Nur dieser Vergleich zwischen Versuchs- gruppe(n) MIT und Kontrollgruppe(n) OHNE Variableneinfluss erlaubt es, Kausalbeziehungen zu untersuchen ( und
in Abbildung 9 auf Seite 39). [38]

Abbildung 9: Arten experimenteller Designs
Fehlt eine Kontrollgruppe, lassen sich am Experiment keine reinen Kausalbeziehungen festmachen. Die Wirkung muss nicht allein in der Ursache begründet sein, unkontrollierbare Störvariablen können „mitgewirkt‟ haben (,
und
). In Settings ohne Kontrollgruppe gelangen (deshalb) oft auch mehrere Experimentalgruppen zur Anwendung (
). Hier werden die Wirkungen unterschiedlicher Stimuli (bzw. unterschiedlich stark ausgeprägter Stimuli) auf randomisierte oder strukturidente Gruppen vergleichend analysiert.
Liegt der Fokus z.B. auf der Wirkung verschiedener Ausgestaltungen von Werbespots auf eine Zielgruppe, gibt es keine Kontrollgruppe (ohne Werbespot).
Manche Experimente finden in einer extra dafür geschaffenen künstlichen Umgebung statt (Laborexperiment), andere passieren „in real life‟ (Feldexperiment). Beide Arten haben Vor- und Nachteile: In einem künstlichen Laborexperiment können die Versuchsbedingungen besser kontrolliert und von Störeinflüssen abgeschirmt werden. Hier sind Wechselwirkungen mit Alltagssituationen meist gut vermeidbar. Damit ist die Wirkung von Ursachen meist klarer zu identifizieren. Bei der Anwendbarkeit auf den Alltag spielen aber wiederum Feldexperimente ihre deutlichen Stärken aus: Isolierte Bedingungen kommen in „noindent1en‟ Lebenswelten nicht vor. Im alltäglichen Leben SIND Störeinflüsse vorhanden und werden kaum jemals ausgeblendet.
Ein Laborexperiment könnte wie folgt aufgesetzt werden:
Ein Spinat-Produzent testet die Einstellungswirkung eines neuen TV-Spots auf sein Produkt. Zuerst findet eine zufällige Zuordnung von Testpersonen zur Experimental- und Kontrollgruppe statt. Dann wird die Einstellung aller Testpersonen zum Produkt abgefragt. [39]
Daraufhin sehen beide Gruppen ‒ in einem Besprechungszimmer ‒ mehrere TV-Spots (idente Anzahl). Die Versuchsgruppe sieht mittendrin auch den neuen Spot, der Kontroll- gruppe wird stattdessen der alte vorgespielt. Danach erfolgt eine neuerliche Einstellungsmessung zum Produkt. Dieses Setting entspricht bzw. in Abbildung 9 auf Seite 39.
Ausschließlich der neue Spot wurde somit zwischen beiden Gruppen verändert, alle anderen Bedingungen im Labor sind gleichgeblieben. Alle Einstellungsunterschiede sind demzufolge ausschließlich auf den Test-Spot zurückzuführen.
Auch „im direkten Betrieb‟ sind experimentelle Checks möglich – ein Feldexperiment:
Ein Versandhaus möchte den Einfluss unterschiedlicher Katalogversionen auf die Anzahl bestellter Artikel untersuchen.
Ein Forschungsteam bildet zuerst aus der Kundendatei zufällig zwei – nach Soziodemogra- fie und Einkaufsverhalten strukturgleiche – Gruppen. Für beide Gruppen werden die durchschnittlichen Bestellungen des letzten Quartals ermittelt (= Nullmessung). Die Mitglieder der Kontrollgruppe erhalten daraufhin den bisherigen Katalog zugesandt. Die Mitglieder der Versuchsgruppe bekommen jeweils ein Muster eines neuen Test-Katalogs. Danach erfolgt eine Analyse der Bestellungen beider Gruppen für ein weiteres Quartal.
Dieses Setting entspricht in Abbildung 9 auf Seite 39, besitzt in diesem Beispiel allerdings eine relativ geringe Zuverlässigkeit: Die Anzahl der Artikelbestellungen kann neben dem Katalog selbst durch viele andere (= Stör-)Variablen beeinflusst werden: Geschenk-Käufe für zufällig anfallende Geburtstage, Einkommensveränderungen, individuell verändertes Kaufverhalten sind nur ein paar Beispiele für ergebnisverzerrende Wirkung ...
Zusatzinformationen und weiterführende Literatur zu diesem Kapitel:
Atteslander, Peter (2010): Methoden der empirischen Sozialforschung. 13., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Erich Schmidt. Beobachtung: Seite 73-107; Befragung: Seite 109-175; Experiment: Seite 177-193; Inhaltsanalyse: Seite 195-224.
Brosius, Hans-Bernd/Haas, Alexander/Koschel, Friederike (2016): Methoden der empirischen Kommunikationsforschung: Eine Einführung. 7., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Wiesbaden: Springer VS. Studienbücher zur Kommunikations- und Medienwissenschaft. Datenerhebungsmethoden allgemein: Seite 5f.; Inhaltsanalyse: Seite 137-181; Beobachtung: Seite 183-215; Experiment: Seite 217-255.
Ebster, Claus/Stalzer, Lieselotte (2017): Wissenschaftliches Arbeiten für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. 5., überarbeitete und erweiterte Auflage. Wien: facultas. Methoden der Datenerhebung: Seite 200-224.
Früh, Werner (2017): Inhaltsanalyse. 9., überarbeitete Auflage. Konstanz und München: UVK. [40]
13 VGL. KAPITEL „1 | THEMA, ERKENNTNISINTERESSE(N), FORSCHUNGSFRAGEN, HYPOTHESEN“ AB SEITE 13.
14 Die Auflistung weiterer Einsatzmöglichkeiten qualitativer Markt- und Sozialforschung ließe sich wohl endlos fortsetzen: Konzeptionsanalysen für Produkte und Dienstleistungen, Produkt- und Packungstests, Verhaltensstudien, die gesamte inhaltliche Kommunikations- und Werbeforschung, Inhaltsanalysen des Bedeutungsgehalts von Wort-, Bildoder Filmmaterial, Detaillierung von Lifestyles und Zielgruppen, Erarbeitung von Markenstrategien und Firmendesigns, Assoziationsanalysen zu Marken, Logos usw.
15 Als weitere Anwendungsfälle quantitativer Markt- und Sozialforschung können die Feststellung von vordefinierten Einstellungen und Verhaltensweisen, die Ermittlung von Bekanntheitsgraden, die gesamte zahlenmäßige Kommuni- kations- und Werbeforschung (z.B. Reichweitenmessungen), Themen zählende Inhaltsanalysen, Analysen von Marktanteilen und Preisschwellen, Kunden- und Imageprofile, mengenmäßige Zielgruppen- und Lifestyle-Segmentationen, die (politische) Meinungs- und Sozialforschung usw. angeführt werden.
16 Analyseeinheit kann z.B. eine gesamte Zeitung, eine Seite daraus, ein Artikel, ein Satz, eine Sinneinheit usw. sein.
17 Das Codebuch entstammt einem Forschungsseminar am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien aus dem Wintersemester 2014/15 unter der Leitung von ao. Univ. Prof. Dr. Roland Burkart und dem Autor dieses Buchs. Dabei wurden in der Datenbank der APA (Austria Presse Agentur) alle Zeitungsartikel der Jahre 2004 bis 2014 nach Schlagworten wie „Public Relations‟, „PR‟ und anderen vorab genau definierten Begriffen durchsucht und im Fall eines Treffers in die Inhaltsanalyse miteinbezogen. Verfasser des Originals war Roland Burkart mit Unterstützung seiner damaligen Assistentin Neda Ninova.
18 Gern eingesetzte Suchsoftware ist z.B. talkwalker.com, brandwatch.com oder digimind.com.
19 Was als „Zähltreffer‟ gilt, wird zuvor je nach Komplexität mehr oder weniger arbeitsintensiv in Wortlisten definiert.
20 Wiederholte Gespräche in den Jahren 2016 bis 2020 mit dem Experten für Social Media-Marktforschung Mag. (FH) Markus Zimmer, Inhaber und Geschäftsführer von BuzzValue – New Media Research, bestätigen die hier artikulierten Sichtweisen für die gängige Forschungspraxis. Auch themenspezifische Literatur vertritt die Meinung, dass AutoTextanalysen zwar relativ gut zählen, aber weniger gut bewerten können – vgl. Scharkow 2012: 112ff.; Grimmer/Ste- wart 2013: 268; Boumans/Trilling 2016: 18.
21 Dazu sind vorab klare (menschlich aufwendig aufgestellte) Regeln notwendig, wie Sätze in Einzelteile zerlegt werden müssen, um Bedeutungen richtig zu verstehen.
22 Wortschatzanalysen versuchen zu ergründen, wie sich oft und gern verwendete Worte z.B. in Medien oder bei Politikerinnen und Politikern (zeitlich) verändern oder (kulturell) voneinander unterscheiden.
23 Auch die themenspezifische Literatur ist sich hier oft nicht einig.
24 Tagebuchstudien erfassen Verhaltensmuster – z.B. Mediennutzung – oft auch über einen längeren Zeitraum.
25 Abgeleitet aus dem Lateinischen „omnibus“ = „für alle“.
26 Panelstichproben kommen unter anderem auch auf Testmärkten zum Einsatz: Dabei handelt es sich um geografisch abgegrenzte Gebiete, wo sich Freiwillige für längere Zeit als Testkundschaft (= Panel) zur Verfügung gestellt haben. Im Testmarkt wird ein bestimmtes Produkt neu auf den Markt gebracht. Wie reagieren die Panelmitglieder (= Testkundschaft) darauf? ändert sich ihr bisheriges Kaufverhalten? – Gerne übersehen wird bei derartigen methodischen Settings allerdings ein Umstand: Der Status, Tester zu sein, verändert früher oder später die Konsumgewohnheiten der Testkundschaft – sei es nur, dass ihre Einkäufe wesentlich bewusster erfolgen als im realen Leben. Das kann zu Fehlschlüssen bei der Umlegung der (abgeschotteten) Testergebnisse auf den Gesamtmarkt ALLER führen.
27 In der psychologischen (vgl. Maderthaner 2017: 79-83), soziologischen (vgl. Atteslander 2010: 177-193), kommunikationswissenschaftlichen (vgl. Brosius/Haas/Koschel 2016: 217–255) und Marketing-Literatur (vgl. Berekoven/ Eckert/Ellenrieder 2009: 146-150) werden unterschiedliche experimentelle Settings und Anwendungsbeispiele angesprochen, die sich methodisch aber oft ähnlich sind.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.