Kitabı oku: «Endlich richtig angekommen»
Corinna Friedel
Endlich richtig angekommen
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Impressum neobooks
Kapitel 1
Plopp. Ok. Ich bin mir nicht gaaanz sicher ob es das ist was ich tatsächlich denke. Aber ich glaube schon. Es fühlt sich ziemlich danach an. Es ist alles nass. Oh mein Gott!
Die Fruchtblase ist geplatzt!
Jetzt ganz ruhig bleiben, nicht in Panik verfallen. Ich versuche verzweifelt, mich daran zu erinnern, was als Erstes zu tun ist. Gar nicht so leicht in dieser doch nicht alltäglichen Situation, wie ich merke. Meine Schlafanzughose klebt unangenehm und am Rücken wird es auch schon etwas feucht.
Ich werde als Erstes meinen Mann wecken. Es ist mitten in der Nacht, kurz vor null Uhr. Wir sind erst vor ein paar Minuten eingeschlafen.
„Schatz…“, flüstere ich. Frau will ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. „Schaaaatz…?“ Keine Reaktion. Merkt er denn nicht an meinem Tonfall, dass es jetzt ernst wird? Männer, denke ich, habe aber nicht allzu viel Zeit mir darüber den Kopf zu zerbrechen, da es im unteren Bauchbereich doch anfängt, stärker zu ziehen. Wehen! Das ging ja schnell. „SCHATZ, WACH AUF!“
„Mmhhh…“, Henry brummt im Halbschlaf.
„Die Fruchtblase ist geplatzt!“, sage ich nun doch in etwas gereiztem Tonfall. Notiz an mich: Ich wollte versuchen in Stresssituationen ruhig und besonnen zu reagieren.
„Was? Deine Blase ist geplatzt?“, kommt es von der anderen Bettseite ungläubig zurück.
„Henry! Meine Fruchtblase! Nicht meine Blase, herrje!“
Mein Mann springt förmlich aus dem Bett und ruft „Ja! Dann geht´s jetzt los, worauf wartest du, wir müssen ins Krankenhaus!“
„Jetzt ganz in Ruhe, Schatz, so schnell werden Kinder nicht geboren. Ich muss mich zumindest noch anziehen.“
Spontan beschließe ich, dass es durchaus Sinn machen könnte, auch nochmal unter die Dusche zu hüpfen, vor der bevorstehenden Geburt. Man will schließlich nicht schon vollkommen verschwitzt und verklebt dort ankommen. Quasi schon „durch“ und am Ende, bevor man sich richtig angestrengt hat.
Mein Mann glaubt nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Duschsession ist. Er fängt an zu lamentieren und wie ein aufgescheuchtes Huhn durchs Bad zu laufen. Bevor er mich umstimmen kann, stehe ich aber schon unter dem prasselnden Wasserstrahl.
Es dauert nochmal gut rund dreißig Minuten, bis ich mich mit dem großen Bauch, den zunehmenden Schmerzen, der doch sehr schwierigen Überlegung „Was ziehe ich jetzt tatsächlich an zu diesem besonderen Anlass?“, ins Auto manövriert habe.
„Josi, hast du alles, können wir los?“ Unsicher blickt mich Henry von der Seite an.
„Ja“, schnaufe ich, „kann losgehen.“ Bereits nach ein paar Minuten bereue ich die Duschaktion. Jetzt tut es nämlich schon ganz schön weh. Als wir endlich gegen kurz vor ein Uhr nachts im Kreißsaal ankommen, kann ich schon fast nicht mehr sprechen, da sich die Wehen offenbar munter die Klinke in die Hand drücken.
Die nächsten Stunden ziehen an mir vorüber. Ich versuche mich krampfhaft an meinen Plan zu erinnern. „Komm schon, Josi“ spreche ich mir Mut zu. „Du schaffst das! Du musst dich nur an den Ablauf halten“.
„Aaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhh“, unterbricht mein eigener Schrei diesen Gedanken. Okay, wer um Himmelswillen hat gesagt, dass eine Geburt das schönste Ereignis im Leben einer Frau ist?
Acht Monate zuvor…
Ich sitze im Büro und starre auf meinen Monitor. „Josi?“, meine Kollegin Susi schaut mich fragend an. „Ist alles okay bei dir? Du bist so blass. Und du hast seit mindestens zwanzig Minuten nicht mehr geblinzelt.“
„Oh“, erschrocken drehe ich mich zu ihr um. Susi und ich sind schon sehr lange Kollegen. Genau genommen seit rund fünfzehn Jahren. Wir haben beide nach dem Studium hier unser Volontariat begonnen. Seither sind wir befreundet. Susi ist im Ressort Politik. Ich bin zuständig für den Teil Lokales.
„Du, alles gut. Mir ist heute nur etwas flau im Magen. Und ich komme nicht weiter an meinem Artikel über den Bau der neuen S-Bahn- Trasse.“
Susi mustert mich weiter von der Seite. „Hattest du Streit mit Henry?“, fragt sie mich.
„Nein, wie kommst du denn darauf?“ Ich versuche mich an einem Lächeln.
„War nur so eine Frage “, gibt Susi zurück und wendet sich wieder ihrem Laptop zu. Meine Gedanken schweifen wieder ab….
Susi kann ich eh nichts vormachen. In letzter Zeit hatten Henry und ich tatsächlich schon die ein oder andere Auseinandersetzung. Das ist echt mehr als untypisch für uns. Allgemein gelten wir als DAS Vorzeigepaar schlechthin in unserem Freundeskreis. Wir sind gefühlt schon ewig zusammen. Kennengelernt haben wir uns vor mittlerweile rund zwanzig Jahren. Henry war zwei Klassen über mir. Noch heute, mit fünfunddreißig, denke ich immer noch gerne an den Moment zurück, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Rückblickend muss man sagen, dass es wohl nicht unbedingt Liebe auf den ersten Blick war. Ich war fünfzehn und habe ihn für die Schülerzeitung interviewt. Thema: Zukunftspläne nach dem Abitur. Ich fand ihn von Anfang an toll. Groß, aber nicht zu groß, schlank. Schwarze Haare und große braune Augen, die mich sofort in ihren Bann gezogen haben. Ich glaube, ihm ging es nicht ganz so. Ich war zu dem Zeitpunkt eher der Typ „graue Maus“. Zu dünn, lange braune Haare, braune Augen, Sommersprossen, langweilige Klamotten und irgendwie unscheinbar. Dass dieses Auftreten gar nicht zu meinem eigentlichen Charakter passt, hat Henry dann nach mehreren Aufeinandertreffen - Folgeinterviews für die Schülerzeitung - auch gemerkt.
„Du bist einer der fröhlichsten und ehrlichsten Menschen, die ich kenne“, war ein prägender Satz während unserer Kennenlernphase. So ähnlich müsste man auch Henry beschreiben. Er ist allerdings deutlich introvertierter als ich. Anders ausgedrückt: Wenn ich dabei bin, ist sein Redeanteil deutlich niedriger. Und er ist, im Gegensatz zu mir, ein absoluter Ruhepol. Ich bin oft ein bisschen hektisch, lauter und quirliger. Wir ergänzen uns einfach gut.
Seit dieser Zeit sind wir unzertrennlich. Wir machen wirklich alles zusammen. Na gut, nicht ganz. Manches. Wir haben ehrlich gesagt etwas unterschiedliche Interessen, was absolut nicht schlimm ist. Ich lese gerne - er nicht, berufsbedingt quasi. Er beschäftigt sich gerne mit Technik - ich nicht. Auch berufsbedingt. Er hat IT - Informatik studiert und arbeitet in einem großen schwäbischen Unternehmen. Ich liebe Kochen über alles. Henry liebt mein Essen über alles. Sportlich sind wir, na ja… nicht ganz auf einer Wellenlänge. Ich bewege mich, weil ich muss oder sollte. Gesundheit ist mir sehr wichtig und allein schon, um die nicht zu gefährden, muss ich mich halt bewegen. Wollen tu ich eher nicht. Vom Wollen her bin ich eher der gemütliche Typ. Hyggelig wie man heute so schön sagt. Nein, es hat nichts mit Hügeln zu tun. Es ist das dänische Wort für „Gemütlichkeit“. Ein absoluter Trend im Moment. Das dänische Lebensgefühl zu Hause einrichten, quasi. Henry ist da etwa anders. Er schafft gerne. Schaffen ist das schwäbische Wort für arbeiten. Es kann sich um den Beruf handeln oder um alle anderen anfallenden Arbeiten. In Henrys Fall steht es für alle handwerklichen Arbeiten in und ums Haus. Wir haben vor einigen Jahren ein hyggeliges Häuschen in seinem Heimatort gekauft. Umgebaut haben wir vieles selbst. Wenn ich „wir“ sage, meine ich in diesem Fall hauptsächlich Henry. Aber seit der Hochzeit vor zehn Jahren sagt man ja eigentlich „wir“. Er ist da einfach deutlich begabter als ich und auch fleißiger. Nicht, dass es jetzt den Eindruck erweckt, ich sei faul. Das wirklich nicht. Aber körperliche Arbeiten, die über Gartenarbeit hinaus gehen, sind mir ein Gräuel. Hier kann ich ja ehrlich sein. Im Normalfall behaupte ich nämlich steif und fest, dass dem nicht so ist. Trotzdem habe ich geholfen, wenn möglich.
Da ich aber nicht wirklich begabt bin, war es nicht so oft möglich. Leider. Henry ist ein richtiger Schwabe, was das Schaffen angeht, auf jeden Fall. Er kann halt auch fast alles Handwerkliche. Außer Silikonfugen. Sag ich. Sagt er aber auch selbst. Unser Häuschen ist mittlerweile fertig. Innen wie außen. Und wir lieben es einfach! Es ist idyllisch! Fünfzigerjahre. Innen durch den Umbau schön luftig. Mit einer alten Holztreppe und im Obergeschoß tolle, alte, knarzende Dielen. Wir haben einen schönen Kontrast zwischen Alt und Neu geschaffen, wie ich finde.
Unser Haus liegt in Henrys Heimatdorf Kerningen, im Einzugsgebiet von Stuttgart, rund fünfzig Kilometer entfernt. Schön ländlich in der sogenannten Schwäbischen Toskana. Sanft eingebettet in Hügeln mit Weinanbau. Das Dörfchen hat gerade mal zweitausend Einwohner, wächst aber dank seiner Lage im Stuttgarter Umland stetig.
Da ich nicht vom Dorf komme, sondern aus der nächstgelegenen Kreisstadt, war es anfangs doch ein wenig schwierig, bis ich mit allen dörflichen Gepflogenheiten vertraut war. Die übliche Frage am Anfang „Wo ghörschn du no?“, soll direkt die Zugehörigkeiten innerhalb der Dorfgemeinschaft klären. Die Antwort auf diese Frage ist meist ein begeisterter Ausruf „Ach, Henrys Frau!“
Ebenfalls sehr wichtig, ist eine Vereinszugehörigkeit in irgendeiner Form. Das ist leider nicht so mein Ding. Daher habe ich mich eher halbherzig überreden lassen, dem Tennisverein beizutreten. Ab und zu schaffen es Henry und ich sogar mal ein paar Sätze zu spielen. Die meiste Zeit allerdings sind wir einfach Mitglieder, mit allen Rechten und Pflichten.
Mir gefällt es hier auf jeden Fall sehr gut. Es ist einfach toll, seine Nachbarn zu kennen. Das ist ja in der Stadt leider oft nicht der Fall. Wir haben hier kurze Wege zum Bäcker, Friseur. Ein kleines Lebensmittelgeschäft mit allem, was man braucht. Es gibt einen schönen Kindergarten und eine Grundschule. Eine Sparkasse gibt es auch. Das wird uns Schwaben oft nachgesagt, dass das besonders wichtig für uns ist. Sparen, sparen, Häusle bauen und so.
Ich bin in diesem Bereich auch kein typischer Schwabe. Ich finde schon, dass wir es unserer heimischen Wirtschaft schuldig sind, einen Teil unseres Einkommens auch wieder in diesen Kreislauf einzubringen. Henry ist da in manchen Bereichen bei mir. Im Bereich Deko und Raumgestaltung vermutlich nicht ganz so, wie im Bereich Elektronik.
Irgendwann hat auch der längste Arbeitstag ein Ende und ich verabschiede mich eilig aus der Firma. Mein Weg führt mich direkt zur nächstgelegenen Drogeriefiliale. Ich laufe, nach außen entspannt, durch die Gänge, um dann möglichst unauffällig, am Regal mit den Pflastern und Verbänden, stehen zu bleiben. Ich recke meinen Hals so weit wie möglich nach links, um die Auslage mit den Schwangerschaftstests zu sondieren. „Hi Josi, na bist du auch am Einkaufen?“ Erschrocken zucke ich zusammen und drehe mich um. Vor mir steht ausgerechnet mein Ressortleiter! Der hat mir hier nach Feierabend gerade noch gefehlt. „Hi Micha, grüß dich. Ja, ich, äh, hab meine Hausapotheke überprüft, weißt du. Das sollte man dringend sehr regelmäßig tun“, hasple ich weiter. Lässig lehne ich mich an das Pflasterregal.
„Ja, auf jeden Fall“, kommt es nicht ganz überzeugt von Micha zurück. „Geht´s dir denn gut? Du bist doch sehr blass, das ist mir heute im Büro schon aufgefallen.“
„Blass? Ja…ha ha“, Ich versuche, schnell ein Lachen einzuschieben. „Ich habe vermutlich Eisenmangel, nichts weiter“, versuche ich ihn abzulenken, damit sein Blick nicht direkt auf das Regal mit den Schwangerschaftstests gelenkt wird, das direkt neben den Pflastern platziert ist. Und was soll ich sagen, das funktioniert prima. Micha ist bei uns in der Firma bekanntlich sehr gut informiert im Bereich Gesundheit, beziehungsweise glaubt es zu sein. Man könnte auch zweifelsohne sagen, er ist ein völliger Hypochonder. Wie aufs Stichwort schaut er mich mit großen Augen und einem bedauernden Blick an. „Oh oh, Josi, Eisenmangel. Damit ist auf keinen Fall zu spaßen, weißt du. Am Anfang mag das ja noch gehen, aber ich kann dir aus eigener Erfahrung sagen, dass es recht bald schlimmer wird. Zu Beginn bist du müde und fühlst dich schlapp, aber dann…“ Den Rest höre ich nicht mehr so genau. Das ist die einzige Taktik, um Michas Gesundheitsvorträge schnell hinter sich zu bringen. Und immer schön nicken und lächeln. Als wir uns endlich verabschieden ist fast schon eine halbe Stunde vergangen. Es ist schon viertel acht - schwäbischer Ausdruck für Viertel nach sieben, ob am Morgen oder am Abend ist dabei egal.
Ich beeile mich und kann es kaum erwarten, nach Hause zu kommen.
Henry hat einen Abendtermin und so bleibt mir genug Zeit in Ruhe - okay, davon kann natürlich keine Rede sein, sagt man halt so - den Schwangerschaftstest anzuschauen.
Klingt eigentlich ganz einfach. Schutzkappe abziehen, draufpinkeln, nach einer Minute das Ergebnis ablesen. Minus: nicht schwanger, plus: schwanger. Sollte machbar sein. Ich starre auf den Test. Nach exakt einer Minute ist immer noch das Minus - Zeichen zu sehen. Kein zweiter Strich, der das Ganze ein Plus werden lässt. Das macht mich ganz schön traurig. Dann soll es wohl noch nicht geklappt haben. Ich werfe den Test in den Mülleimer. Und fange an zu Googlen. Schwangerschaftstest falsch negativ. Scheint es zu geben, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich. Vielleicht taugt das Fabrikat nichts? Schon wahrscheinlicher, wenn man den vielen Usern einschlägiger Foren Glauben schenken möchte. Kurz bevor Henry heimkommt, halte ich es nicht mehr aus und krame den Test doch nochmals aus dem Müll. Und siehe da, mehr zu erahnen als zu sehen: ein Plus! Ein leichter Hoffnungsschimmer macht sich in mir breit. Was, wenn es doch geklappt hätte? Im selben Moment höre ich die Haustüre ins Schloss fallen.
„Hey Schatz!“, begrüßt mich Henry und nimmt mich in den Arm. „Hattest du einen schönen Tag?“
„Ja“, antworte ich. “Nichts Besonderes bis gerade.“
Ich mache eine bedeutungsschwangere Pause und lächle. Und warte auf seine Reaktion. Er müsste doch jetzt spüren, was los ist, oder? In Filmen und Büchern sind das stets die Reaktionen, die auf so etwas folgen. Den Gefallen tut mir Henry heute nicht. Er ist schon auf dem Weg Richtung Wohnzimmer und lässt sich mit einem erleichterten Seufzer auf unsere Wohnzimmercouch fallen.
„Was meinst du damit?“, fragt er und schaut mich neugierig an. Nicht zu fassen! Man sollte doch meinen, dass zwischen Seelenverwandten etwas mehr Kommunikation zwischen den Zeilen stattfindet. Ja, gut, das mit der Seelenverwandtschaft sage ich. Ich bin mir nicht sicher, ob Henry das auch so sieht. Oder überhaupt weiß, dass es so etwas gibt und wie cool das ist. Kann man in jedem Ratgeber zum Thema „Wie perfekt ist meine Beziehung?“ nachlesen.
Ich gebe mich geschlagen und verschwinde mit einem kurzen „Warte!“, im Badezimmer. Mit triumphierendem Blick halte ich ihm den Schwangerschaftstest unter die Nase. Gespannt warte ich seine Reaktion ab.
„Mhhmm...“, brummt er. „Josi, ich kann da nichts sehen. Er sieht für mich negativ aus.“
„Neeeein…“, Ich erkläre ihm gutmütig, dass man eben momentan noch sehr genau hinschauen muss. Als er das nicht so ganz glauben mag, mache ich kurzen Prozess und baue das Ding auseinander. Wer sich jetzt nach dem Sinn des Ganzen fragt, dem kann ich nur ein mildes Lächeln schenken. Jeder, der sich halbwegs in „Wie werde ich Schwanger“ Foren auskennt weiß, dass man so das Ergebnis besser sehen kann.
Wir starren also beide am Fenster gegen das Licht - Das ist wichtig! - auf das Stäbchen. Mein Herz rast. Eindeutig positiv!!!!!!!!
Mein Höhenflug wird jäh von einem immer so realistischen Henry unterbrochen.
„Ähh, Schatz, müsste das dann nicht gut zu sehen sein, das Pluszeichen?“. Er schaut mich vorsichtig an.
„Ja, weißt du, es ist ja noch ganz frisch. Da ist es dann auch einfach noch ganz zart“ Ich gehe strahlend über seinen Einwand hinweg. „Das bedeutet, wir bekommen ein Baby Schatz!!!!freust du dich denn gar nicht? Das ist die Kirsche auf der Schwarzwälder Torte unserer Beziehung!“
Wo sind denn die Freudentränen? Ich beobachte ihn sehr genau. Da ist nix, muss ich feststellen. Er sieht mich ganz lässig an. Naja, das kommt bestimmt beim ersten Ultraschall. Ich bin da realistisch. Sobald er sein Baby auf dem Monitor sieht, wird er sich nicht mehr halten können.
Kapitel 2
Am nächsten Morgen wache ich völlig gerädert auf. Henry und ich saßen noch den restlichen Abend zusammen gekuschelt auf der Couch. Und haben geredet. Über unsere Ängste, Sorgen, aber vor allem Freuden. Wir hoffen sehr, dass wir die Krise, die wir in letzter Zeit hatten, jetzt hinter uns lassen können. Ich war recht schnell verzweifelt, als es mit der Schwangerschaft nicht gleich klappen wollte, Henry war tiefenentspannt. Fast die ganze Zeit. Die Stimmung ist allerdings gekippt, als ich ihm damals einen Termin beim Urologen ausgemacht habe. Ohne zu fragen. Blöd im Nachhinein. Wir haben uns jetzt jedenfalls ausgesprochen und sind wieder in der Spur.
Als ich aus der Dusche steige und meinen noch flachen Bauch im Spiegel anschaue, muss ich unwillkürlich lächeln. Ein Baby! Allein die Vorstellung macht mich überglücklich. Ich betrachte meinen Körper mit anderen Augen. Meine braunen Haare, die mich an normalen Tagen wahnsinnig machen, weil sie nie so liegen wie sie sollen, leuchten heute schöner als sonst und liegen sanft auf meinen Schultern auf. Mit meinen braunen Augen bin ich ganz zufrieden. Meine Sommersprossen leuchten mich an. Heute stören mich nicht mal die kleinen Polster an Bauch, Hüfte und Oberschenkel. Die Schwangerschaft stimmt mich offensichtlich milde, meinen zahlreichen vermeintlichen Makeln gegenüber.
Nach einem kurzen Frühstück mit Henry fahre ich mit meinem alten, türkisfarbenen VW - Bus namens Lotte, Richtung Redaktion. Ich liebe dieses Auto! Wir sind seit meiner bestandenen Fahrprüfung mit achtzehn Jahren ein großartiges Gespann. Mit Lotte sind Henry und ich schon weit umhergereist. Wie schön das erst sein wird mit Baby….
Als ich am Schreibtisch sitze wird mir langsam bewusst, dass jetzt eine schwierige Zeit kommt. Ich muss auf den Frauenarzttermin in vier Wochen warten. Da bin ich dann in der neunten Woche. Erzählen vom Baby wollen wir erst in der zwölften Woche. Das sind summa summarum noch sieben Wochen. Oh weia, das kann heiter werden. Geduld zählt bekanntlich nicht zu meinen überragenden Eigenschaften.
Gegen Feierabend muss ich schon die erste Schwierigkeit in dieser Hinsicht meistern. Mein Kollege und gleichzeitig bester Freund Nicolas, von allen nur Nic genannt, stürmt gut gelaunt in unser Büro. Nic ist bei allen sehr beliebt. Er ist der Typ „Sunnyboy“, gut gebaut, blond, grüne Augen und immer gut gelaunt. Er streckt mir seine Hand entgegen und strahlt mich an. „Naaaaa?“.
„Hi Nic, wie naaa?“, gebe ich feixend zurück. Er wedelt mit der linken Hand, da fällt es mir auf. Ein schöner Ring in Silber steckt an seinem Ringfinger. „Oh, Nic! Soll das heißen Jan hat dich endlich gefragt?“
„Ja, gestern, es war so romantisch!“, seufzt er und schaut träumerisch. „Deshalb möchte ich gleich mit meinen Lieblingskollegen anstoßen, ich hoffe, du hast einen Moment Zeit für mich?“
„Ja natürlich. Gibt es schon einen Termin für die Hochzeit?“, frage ich, während ich Nic fest an mich drücke.
„Am 10. August. Wir werden auf Schloss Monrepos heiraten mit allem Drum und Dran. Ach, Josi davon habe ich so lange geträumt und jetzt soll es endlich so weit sein“, schwärmt Nic. „Schloss Monrepos! Stell dir vor – wie im Märchen. Ich und mein Prinz! Ich muss dir das unbedingt alles in Ruhe erzählen, du wirst es nicht glauben, wie er mir den Antrag gemacht hat“. Nic kommt aus dem Strahlen gar nicht mehr heraus. Wir verabreden uns für den nächsten Abend in unserer Stammkneipe. Nick verabschiedet sich, nicht ohne vorher meine Zusage für den kurzen Sekt Empfang am Abend einzuholen.
Innerlich seufzend stimme ich zu.
Als sich nach Feierabend alle unsere Kollegen im Büro versammeln und Nick die freudige Nachricht mit uns teilt, bekomme auch ich automatisch ein Glas Sekt in die Hand gedrückt. Das bringt mich jetzt etwas in die Bredouille. Ich stelle das Glas so unauffällig wie möglich in einem unbeobachteten Moment zur Seite, und nehme mir stattdessen ein Glas O - Saft. Auf einmal steht unser Ressortleiter Micha neben mir.
„Josi, bist du krank? Normalerweise bist du doch einem guten Tropfen nicht abgeneigt, oder?“, Micha hat die Stimme gesenkt „Ist es wegen der Sache mit dem Eisen die du mir anvertraut hast?“ So sehr er mich mit seinem lauernden Blick nervt, der nur darauf wartet, dass ich noch mehr Schauergeschichten zu meiner Gesundheit hinter dem Ofen hervorzaubere, so froh bin ich. Micha hat mir die beste Ausrede auf dem Silbertablett geliefert. Ich beeile mich ihm zu versichern, dass er absolut Recht hat. Das Eisen. Eisen und Alkohol passt nicht zusammen, Alkohol hemmt die Eisenzufuhr, das sei ja bekannt. Zum Glück gibt er sich wissend nickend mit dieser Antwort zufrieden. Den restlichen Abend überstehe ich ohne weitere Pannen.
Am nächsten Abend steht meine Verabredung mit Nic an. Er sitzt schon an unserem Stammtisch in unserer Lieblingskneipe „Jerrys“. Hier ist alles im angesagten „Industrial Style“ eingerichtet und der Besitzer Thomas weiß immer schon genau, was wir trinken. An diesem Abend ändere ich meine Bestellung schnell um in einem Virgin Daiquiri. Als wir vor unseren Gläsern sitzen sieht mich Nic von der Seite an.
„Süße, Was ist los mit dir? Irgendetwas stimmt doch nicht. Du bist die Tage im Büro so still und gestern beim Sekt Empfang hast du dein Glas gegen einen O - Saft ausgetauscht. Magst du mir nicht sagen, was los ist?“, fragt Nic besorgt.
„Oh, na ja weißt du, aber du musst mir versprechen es für dich zu behalten vorerst“, stammle ich. „Henry und ich, wir, nun wir, wir bekommen ein Baby!“
Nic strahlt mich mit seinen leuchtenden grünen Augen an und umarmt mich freudig. „Josi, das ist ja furchtbar aufregend! Herzlichen Glückwunsch! Ich freue mich so sehr für euch beiden. Ich dachte mir sowas schon, du scheinst seit Tagen von innen zu strahlen.
Du, ich wollte dich noch Fragen, ob du meine Trauzeugin sein würdest? Das heißt, wenn das überhaupt geht, ich habe gar nicht gefragt, wann das Baby eigentlich kommt“, meint Nic mit einem Lächeln.
„Der Geburtstermin laut Onlinerechner wird der 01.09. sein. Genaueres weiß ich erst nach dem Arzttermin in rund drei Wochen. Ich wäre aber sehr gerne deine Trauzeugin, vorausgesetzt es stört dich nicht, dass ich bis dahin watschle, schnaufe wie ein Elefant und meine Beine nicht mehr sehen kann“, gebe ich ihm lachend Antwort.
„Das stört mich überhaupt nicht. Du wirst immer meine allerschönste, hübscheste, zarteste, elfengleiche, beste Freundin sein“, entgegnet Nic mit einem schelmischen Zug um den Mundwinkel. „Und wer weiß, vielleicht bildet den krönenden Abschluss unserer Hochzeit eine Livegeburt?“ Glucksend nimmt er einen Schluck von seinem Daiquiri.
„Nee, nee lass mal“, wehre ich schnell ab, „das soll euer Tag sein. Jetzt erzähl doch mal, wie der Antrag war“, bitte ich ihn. In den nächsten Minuten komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Antrag war bis ins kleinste Detail perfekt vorbereitet. Feines Restaurant, Rote Rosen, Champagner, Ring im Glas - nicht ohne Risiko, wenn man mich fragt. Ich freue mich sehr für die beiden, dass sie nach zehn Jahren Beziehung den nächsten Schritt wagen. Wir plaudern noch über die Hochzeitsplanungen, über die anstehenden Babyvorbereitungen und verabschieden uns früher als gewöhnlich. Die Schwangerschaft fordert ihren Tribut, mir fallen fast die Augen zu.
„Bist du auch so aufgeregt Schatz?“, will ich von Henry wissen, als wir am Frühstück sitzen. Er hat sich den Vormittag frei genommen. Heute ist der große Tag! Wir haben den ersten Frauenarzttermin. Die Zeit bis heute erschien mir unendlich. Ich bin gleich einfach froh, wenn uns der Arzt mitteilt, dass es unserem „Böhnchen“ hoffentlich einfach gut geht.
„Es geht. Das kommt bestimmt noch. Möchtest du Kaffee?“ „Nee. Lass mal. Ich mach mir lieber einen Fencheltee.“
„Fencheltee, Josi? Dein Ernst?“, er verzieht angewidert das Gesicht mit einem Grinsen. „Warum das denn?“
„Weil man laut diversen Ratgebern lieber keinen Kaffee trinken sollte in der Schwangerschaft“, verkünde ich mit gewichtiger Miene. Also mal ehrlich, man sollte doch meinen, dass er sich als werdender Vater ein bisschen mehr Wissen aneignet.
„So, so sagen das die diversen Ratgeber?“, gibt er zurück und schaut mich unschuldig aus seinen braunen Augen an. „Möchtest du dazu nicht vielleicht lieber Doktor Strick nachher fragen? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen wie ausgerechnet du die acht Monate bis zur Geburt ohne Kaffee überstehen willst.“
„Du kannst dir deinen ironischen Ton sparen“, gebe ich unwirsch zur Antwort.
Seine Anmerkung ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. Ich liebe Kaffee. Und trinke daher gerne mal mehrere Tassen am Tag. Mehr als Kaffee liebe ich nur Schokolade, um mal bei den Genussmitteln zu bleiben.
Eine Stunde später sitzen wir aufgeregt wie Kinder im Wartezimmer von Dr. Strick. Als ich aufgerufen werde ins Labor, wird Blutdruck gemessen und ich werde gewogen. Ähh? Wie jetzt? Würde ich am liebsten rufen, ich bin hier, weil ich schwanger bin, nicht weil ich Probleme mit meinem Gewicht habe! Die Assistentin notiert mein Gewicht mit undurchdringlicher Miene und schickt mich anschließend, mit Henry zusammen, zu Dr. Strick ins Behandlungszimmer. Er begrüßt uns hinter seinem großen Eichenschreibtisch mit einem freundlichen Lächeln. Ich bin schon seit meinem sechszehnten Lebensjahr bei ihm in Behandlung und schätze ihn sehr. Er ist ein aufmerksamer, graumelierter älterer Herr, der sich immer viel Zeit nimmt für seine Patienten.
„Frau Meile, meine Assistentin hat mir schon Bescheid gegeben, dass sie heute hier sind, um ihre Schwangerschaft zu bestätigen. Haben Sie vorab eventuelle Fragen?“.
„Ja“, sprudle ich los, „vorausgesetzt mit dem Baby ist alles in Ordnung, wie ist das mit dem Kaffee?“
Dr. Strick schaut mich an und muss herzhaft lachen. „Sie überraschen mich Frau Meile, normalerweise gilt die erste Frage eher dem Koitus denn dem Kaffee, aber auch das beantworte ich natürlich gerne“, zwinkert er mir verschwörerisch zu. „Sie dürfen gerne eine Tasse am Tag zu sich nehmen, das ist kein Problem. Das andere, nur falls die Frage auftauchen sollte, ist bei einer intakten Schwangerschaft ebenfalls erlaubt“. Ich versuche huldvoll zu nicken, obwohl ich feuerrot bin und meine Wangen brennen. Wie peinlich!
Wenige Minuten später starren wir gebannt auf den Ultraschallbildschirm. Dr. Strick ist hochkonzentriert. „Das schaut alles gut aus“, verkündet er nach einer Weile. „Es ist alles zeitgerecht entwickelt. Laut Berechnung ist der errechnete Geburtstermin der 31.08. Aber vierzehn Tage davor und vierzehn Tage danach, da ist alles drin“.
Erleichtert seufzen Henry und ich auf. Er erkundigt sich noch bei Dr. Strick wann das Geschlecht ungefähr zu erkennen sein wird, dann verabschieden wir uns mit dem ersten Ultraschallbild unserer kleinen Bohne.
Erleichtert gehen wir Hand in Hand Richtung Parkhaus. Auf einmal sieht Henry wie erstarrt in eine Richtung und bleibt stehen.
„Was ist denn?“ Ich will ihn weiterziehen. Er scheint sich erst bei meiner Berührung zu erinnern, dass ich neben ihm stehe.
Er schüttelt den Kopf, „alles gut, ich dachte nur eben ich hätte da jemanden gesehen…eine Kollegin“. Er murmelt so leise, dass ich ihn fast nicht verstehe.
„Ich habe mich wohl getäuscht.“ Er fährt sich mit der Hand über das Gesicht und schiebt mich Richtung Parkhauseingang.
Merkwürdig. Ich muss ihn bei Gelegenheit noch mal drauf ansprechen, er sah wirklich aus als hätte er einen Geist gesehen.
Henry wechselt schnell das Thema, bevor ich näher nachfragen kann „wir haben ja vorab darüber gesprochen, dass wir unsere Eltern gleich einweihen. Bleiben wir dabei?“
„Ja, klar“, versichere ich. Ok, ja, ich habe Nic bereits eingeweiht, aber er hat es so oder so geahnt. Zudem ist er mehr Familie als „nur“ ein Freund. Die restlichen Freunde und Bekannten erfahren es auf jeden Fall erst nach den kritischen zwölf Wochen.