Kitabı oku: «Endlich richtig angekommen», sayfa 2
Kapitel 3
Am folgenden Sonntag sind wir zuerst zum Mittagessen bei meinen Eltern eingeladen. Meine Mum, Paula, eine begnadete Köchin, hat ganz regional typisch, Roschdbraden und Schbätzle mit Sooß gezaubert (Rostbraten, Spätzle und Soße). Es schmeckt wie immer himmlisch. Da werden bei mir Kindheitserinnerungen wach, an gemütliche Sonntage mit der Familie. Und einmal mehr wird mir innerlich ganz warm, das werden wir auch bald haben. Eine eigene kleine Familie!
Als wir meinen Eltern nach dem Essen das Ultraschallbild zeigen, fängt meine Mum vor Freude an zu weinen. Mein Dad Matthias, ein graumelierter Herr mit liebenswerten Lachgrübchen, einem Bart und Brille freut sich auch sehr, aber er ist kein Mann der großen Emotionen. Er ist Rechtsanwalt und somit eher bei der Fraktion Zahlen, Daten, Fakten, zuhause. Das macht meine Mum aber wett. Sie hat schon lange von „Enkele“ geträumt, wie sie sagt, und überlegt sofort, welches Zimmer meines großzügigen Elternhauses als Babyzimmer fungieren kann. Und wo im Garten Platz für Sandkasten und Schaukel ist. Nachdem meine Schwester Susanne und ich nicht mehr zuhause leben, hat sie viel ehrenamtlich für die Gemeinde gearbeitet und in der Kreisstadt unter anderem bei der Tafel ausgeholfen. Daher hätte sie jetzt viel Zeit und Liebe für die Enkelchen übrig. Da meine Schwester, ohne Mann und eher der Typ „freier Vogel“ ist, kann meine Mum in der Hinsicht von ihr nichts erwarten. Ich will ihre Euphorie nicht dämpfen, aber erlaube mir doch zu sagen, dass die kritischen 12 Wochen noch nicht ganz um sind und man ja nichts überstürzen braucht. Ich schaue hilfesuchend zu Henry. Das geht mir alles zu schnell! Der hat allerdings, anstatt mich zu unterstützen, schon einen Meterstab aus seiner hinteren Hosentasche gezaubert - warum um alles in der Welt hat er den zum Sonntagsessen bei den Schwiegereltern dabei? - und folgt meiner Mum freudestrahlend, als er das Wort „Umbau“ hört. Er ist in seinem Element. Mein Dad und ich sitzen eine Weile stumm am großen Eichenholzesstisch zusammen.
„Ich freu mich sehr für dich Josi. Henry und jetzt noch ein gemeinsames Baby. Mein Mädchen wird erwachsen“. Er sieht mich an und lächelt wehmütig.
„Ach Papa, ich bin schon lange erwachsen das weißt du doch. Und du wirst ein toller Opa sein“. Ich nehme in fest in den Arm.
Als wir uns einige Zeit später verabschieden und in Richtung meiner Schwiegereltern fahren, sie leben zwei Ortschaften weiter, habe ich ein flaues Gefühl im Bauch. Nicht, dass ich sie nicht mögen würde, Gott bewahre. Ich finde sie höchstens ein bisschen, naja, eigen. Henrys Mutter Pauline ist Künstlerin. So mit Atelier und allem Drum und Dran. Sie malt abstrakte Bilder mit geheimnisvollen Farbverläufen und fertigt Skulpturen. Die meisten zeigen zwei, oder mehr, ineinander verschlungene Körper. Und sie sind bunt. Ziemlich cool auf jeden Fall. Pauline ist unkonventionell, extrovertiert – ein Paradiesvogel. Das klingt alles ganz gut, meinen Sie? Das stimmt. Sehr anstrengend allerdings ist die Tatsache, dass sie immer der Meinung ist, den ultimativen Blick auf die Dinge zu haben. Um es mal nett zu formulieren. Man könnte auch sagen, sie weiß immer alles besser!
Mein Schwiegervater Peter ist Illustrator für ein Politmagazin. Er ist das was man wohl als „Alten Hippie“ (nicht im Bezug aufs Alter natürlich) bezeichnet. Lange graue Haare zum Zopf gebunden, zerrissene Jeans und Schlappen. Im Winter werden die Schlappen gerne mit gestrickten, bunten Wollsocken kombiniert. Die Gedanken sind frei, lautet sein Motto. Er ist tiefenentspannt und lässt sich nie aus der Ruhe bringen.
Als wir auf Henrys Elternhaus zufahren, muss ich mich zusammennehmen, um nichts Abfälliges zu äußern. Ich hab’s halt gerne ordentlich, wie meine Mum. Unterschiedlicher könnten unsere Eltern nicht leben. Seine Eltern sind immer so unkonventionell, mit allem beschäftigt, dass eher keine Zeit bleibt für die konventionellen Dinge, wie Gartenpflege. Das Haus ist an sich sehr schön. Fachwerk mit roten Holzläden. An der Vorderseite wuchert Efeu und wilder Wein, bis fast unters Dach. Der Garten, zweifelsohne ein Paradies für Insekten, ist schwer begehbar. Diverse Sträucher und Bäume versuchen das durch enormes Wachstum zu verhindern.
Als Pauline die Tür öffnet versuche ich einen erschreckten Schrei zu ersticken. Dieser Look ist neu! Nicht, dass das an sich ungewöhnlich ist. Sie probiert sich gerne aus. Es vergeht kein Monat, in dem sie sich nicht fast komplett neu erfindet. Rote kurze Haare, lange blaue Haare, diverse Kleidungskombinationen, alles war schon dabei. Aber heute ist es besonders gruselig. Ein Undercut auf der einen, Flechtwerk auf der anderen Seite, ziert ihren Kopf. Dazwischen schimmert blaue Farbe, mit gelb gemischt. Am Körper trägt sie eine Art indischen Sari, aus Taft in Regenbogenfarben. Diese Farben hat sie offensichtlich auch versucht an den Augenlidern aufzugreifen. Alle! Es sieht ein bisschen aus wie ein Unfall. Hämatomartig! Auf jeden Fall weder besonders gesund noch besonders gut. Aber das ist nur meine persönliche Meinung. Muss jeder selbst wissen!
Als wir gemeinsam am Couchtisch sitzen - der Esstisch ist von etlichen Unterlagen und diversen Katzen (Peterle, Mizele und Susele) - belagert, versuche ich mich nicht in diesem künstlerischen Chaos umzusehen.
Es gibt Kaffee - eine Tasse am Tag darf ich ja - und etwas das wohl ein Hefezopf hätte werden sollen. Es sieht leider mehr nach Küchenunfall aus. Teigig, weiß, schaut uns das Hefemonster an. Ich beschließe spontan, dass ich keinen Appetit mehr habe.
„Greift zu ihr lieben, ich hab heute mal einen echten schwäbischen Hefezopf ausprobiert“, freut sich Pauline. „Altes Familienrezept“, zwinkert sie mir verschwörerisch zu und klatscht begeistert in die Hände. „Ihr wisst ja, wie gerne ich mich ab und zu in der Küche austobe, das kurbelt meine Kreativität an. Ich besuche seit neustem einen Backkurs, weisch Josi, von einem Blogger. Das sind die ...“ „Äh ja, Pauline super“, grätsche ich dazwischen, sonst dauert der Vortrag sehr lange. „Ich weiß was Blogger sind, das ist sicher großartig“, lächle ich sie unschuldig an.
Henry nutzt den Moment. „Wisst ihr, wir müssen euch etwas wichtiges erzählen.“ Er schiebt das Ultraschallbild unserer kleinen Bohne auf den Tisch. Sein Vater gibt ein leises, glucksendes Lachen von sich „Gugg mol Pauli, des sieht aus wie die Bilder von unsere Katzenjunge, von der Susele, findsch ned?“ Er schiebt das Bild zu Pauline rüber.
Wie bitte, denke ich, Katzenjunges? Das hier ist ein wunderschönes, einzigartiges Bild unseres Wunschbabys „Böhnchen“. Es wird ein Vorzeigebaby! Einmalig, klug, schön! Ich will grade etwas erwidern, als Pauline einwirft, „Herzlichen Glückwunsch ihr beiden! War das geplant oder eher ein klitzekleiner Unfall?“ Neugierig schaut sie uns an.
„Nein Mama, selbstverständlich ist das ein Wunschkind, oder denkst du wir sind zu blöd zu verhüten?“, gibt Henry missmutig zurück.
„Da wärt ihr nicht die ersten“, gibt Pauline zu bedenken. „Das hat ja nicht unbedingt mit blöd zu tun. Ich habe erst neulich auf einem Blog gelesen…“, weiter kommt sie nicht, Peter fällt ihr ins Wort.
„Du haschs gehört Pauli, es war gebland. Und mehr muss mer jetzt ned wissen“, kontert Peter in seinem breiten schwäbisch.
Dankbar nicke ich ihm zu. Vergessen ist sein blöder Kommentar mit den Katzenbabys.
„Aber euch isch klar, dass wir keine typische Oma und Opa sind. Wir sind halt nicht wie deine Eltern, Josi. Wir haben so viele unterschiedliche Hobbys und Interessen. Da können wir wirklich nicht dauernd auf euer Babyle aufpassen, gell Peter?“ Sie schaut ihren Mann stirnrunzelnd an als er nicht direkt nickend zustimmt.
„Ja, na ja“, gibt Peter brummend von sich. „Ab und zu werde mer schon nach dem Poppele schaue könne“, meint er lächelnd. „Ja, ab und zu“, fällt Pauline ein, „aber das heißt bitte schön nicht, dass wir permanent Zeit hätten. Ist ja auch egal, ich muss dir was ganz Wichtiges erzählen Henry.“ Ihr Blick hat etwas Sensationsgieriges an sich. Das gefällt mir nicht. „Rate, wen ich wieder getroffen hab?“
Sie wartet Henrys Antwort nicht ab, sondern spricht atemlos weiter, „die Heike und die Nea. Ja, da schaust du! Genau die Nea! Wir hatten uns ja vor einigen Jahren aus den Augen verloren, die Heike und ich. Aber jetzt hab ich einen Yoga Kurs angefangen. Heike und Nea leiten ihn, beide sind ausgebildete Yogameisterinnen. Es ist so toll, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Ich hab mich selten so gut und wohl gefühlt. Naja, auf jeden Fall sind die beiden jetzt für ein paar Monate hier im Ländle. Und der Kurs, also Josi, da solltest du unbedingt mal mitkommen, grade jetzt ist es ja umso wichtiger, dass du „in shape“ bleibst, wie man so schön sagt.“ Sie fährt mit den Händen ihre Hüfte nach, als sie das sagt.
Sie lacht glockenhell auf, als hätte sie mir das netteste Kompliment ever gemacht, und schaut mich ganz unschuldig an. Mir ist schlagartig übel! Und das liegt nicht alleine am Hefeteigmonster, das mich immer noch anzuglotzen scheint. Es liegt tatsächlich an der Erwähnung von Henrys ehemaliger Sandkastenfreundin: Nea. Typ: schmal, blond, athletischer Körper und vor allem eines – hinterhältig! Und hinter Henry her. Der das leider nicht begriffen hat, bevor sie vor einigen Jahren dann dankbarer Weise aus unserem Leben verschwunden ist. Ich hoffe einfach, dass wir um eine Begegnung herumkommen. Ich schaue Henry von der Seite an, denn als ich sehe, wie er sich freut, fällt mir seine Reaktion von vor ein paar Tagen wieder ein.
„Oh, das ist ja eine Überraschung! Die Nea. Nach so langer Zeit. Wir sollten mal alle zusammen essen gehen, das wäre sicher nett.“ Henry strahlt mich an. „Oder, Schatz? Ist doch schade, dass wir uns damals aus den Augen verloren haben. Wir haben uns immer gut verstanden.“
Ja, denke ich für mich. Super haben wir uns verstanden. Vor allem ich und sie. Kommunikation zwischen den Zeilen. Das hatten wir perfektioniert. Augenscheinlich haben wir nett geplaudert, aber in Wahrheit wurde eine Spitze nach der anderen ausgeteilt.
Als wir uns endlich verabschieden können, ist es schon Abend. Ich bin so müde, ich will nur noch auf die Couch. Der Tag hat mich geschlaucht, die Erwähnung des Namens Nea auch. Vielleicht tut die Schwangerschaft ihr übriges.
Auf der Heimfahrt muss ich aber eine Sache noch abklären.
„Henry, deine Kollegin, die du letztens meintest gesehen zu haben, das könnte nicht zufällig Nea gewesen sein?“
Henry atmet schwer ein, bevor er antwortet „ich glaubte sie gesehen zu haben, ja“, gibt er leise zu. „Ich hätte nach so langer Zeit nicht damit gerechnet, deshalb war ich so perplex. Außerdem weiß ich ja, dass du damals, kurz bevor sie wegzogen, einige Vorbehalte gegen sie hattest. Da wollte ich den Moment nicht verderben, nachdem wir doch grade erfahren haben, dass es unserem wundervollen Wunschkind, gut geht.“ Sein liebevoller Blick streift mich an der Seite.
„Da sie ja jetzt wohl tatsächlich einige Zeit wieder da ist, wäre es doch schön, wir könnten die Differenzen zwischen euch begraben und alles wird wieder so harmonisch wie früher“, wirft Henry noch ein.
Super! Ich wollte das Thema eben begraben, jetzt muss er nochmal nachlegen. Ich will das Biest auf keinen Fall sehen – grummel!
Kapitel 4
„Was ist denn mit dir passiert, Schatzi? Du siehst furchtbar aus - diese Augenringe!“, werde ich am nächsten Morgen von Nic in der Kaffeeküche im Büro begrüßt. Er ist wie immer modern gekleidet, blaues Hemd, dunkelblaue Chinohose, rote Socken und schwarze Budapester. Immer einen Tick extravagant.
„Danke für das liebe Kompliment!“, ich kann einen gewissen Zynismus nicht unterdrücken. „Wir waren gestern Nachmittag bei Henrys Eltern zum Kaffee. Und haben ihnen von unserem „Böhnchen“ erzählt. Anstatt sich zu freuen hat Henrys Mutter gleich wieder von ihrem neusten Hobby erzählt - Yoga. Ja ich weiß, du musst mich nicht so belustigt ansehen, das ist nicht der Grund, über den ich mich aufregen musste. Die Yogalehrerin heißt Nea! Pauline hat in den höchsten Tönen von ihr geschwärmt. Blond, langbeinig, …“
Langsam scheint es Nic zu dämmern.
„Nea? Doch nicht etwa Mrs. Perfekt - die, - Ich bin so geil und spann dir den Ehemann aus - Nea? Nicht dein Ernst!“ Entrüstet hört er sich die ganze Geschichte von gestern Abend an und wirft ab und an ein entsetztes „Nein! Das glaub ich nicht!“, ein.
Das liebe ich so an Nic! Er ist mein bester Freund. Mit ihm kann ich auch mal einfach ein bisschen ablästern, oder einfach rumalbern. Er versteht mich immer! Henry versucht mich immer zu verstehen, es gelingt nur nicht wirklich.
„Weißt du was richtig nervig ist? Meine Schwiegermutter möchte, dass wir alle gemeinsam essen gehen. Henry findet, dass das eine tolle Idee ist.“ Aufgebracht verdrehe ich die Augen. „Er versteht einfach nicht, dass sie ein hinterhältiges Biest ist“, schimpfe ich weiter.
„Josi, Schatz, beruhige dich! Sie kann euch jetzt nichts mehr anhaben. Ihr werdet ein Baby bekommen! Henry liebt dich bedingungslos, mach dir keine Sorgen. Sie kann keinen Keil zwischen euch treiben“, versucht Nic mich zu trösten.
Ich weiß, dass er es gut meint, aber wirklich glauben kann ich das nicht. Dafür ist einfach damals zu viel passiert. Nea, die Henry wie zufällig über die Wange streicht, aber dabei sehr bewusst in meine Richtung schaut. Nea, die ihm angeboten hat, ihn von seinem Männerabend abzuholen, als ich wegen eines Interviews nicht rechtzeitig da war.
Nea, im kurzen Röckchen, die Henry rein zufällig besucht, als ich nicht da bin. Warum hat Henry nicht gemerkt, dass sie so auf ihn aus war? Typisch Henry, denke ich mir. Mein lieber, manchmal naiver Henry. Er sieht immer das Gute im Menschen! Das ist meistens eine bezaubernde Eigenschaft, manchmal kann es einen aber wahnsinnig machen. Als ich ihn damals versucht habe darauf hinzuweisen, fand er das so skurril, so absurd, dass er mir nicht glauben wollte. Er hat es einfach als Unsinn abgetan.
Durch diese ganze Aufregung bin ich bei der Arbeit nicht ganz bei der Sache, es belastet mich.
Zudem kommt am Abend unsere Hebamme zum ersten Mal vorbei, um sich vorzustellen. Ich bin so froh, dass wir noch eine gefunden haben! Ich war echt früh dran, direkt nach dem positiven Test. Da ich schon vorher in Ratgebern und online gelesen habe, dass Hebammen leider knapp sind und sehr schnell für Monate im Voraus ausgebucht sind, habe ich mich rechtzeitig gekümmert. Trotzdem war es richtig schwierig noch eine zu finden.
Punkt 19.30 Uhr klingelt es. Ich öffne. In der Tür steht eine gestandene Frau Mitte fünfzig, mit kurzen grauen Haaren und einer streng wirkenden Brille. Sie trägt eine grüne Bluse, einen blauen halblangen Rock mit dicker Strumpfhose. An den Füssen, trotz der winterlichen Temperaturen bequeme Latschen. Sie strahlt mich an und stellt sich als „Hebamme Erika“ vor. Ich darf „Du“ sagen bietet sie direkt an. Ich freue mich, denn Erika ist so, wie ich mir eine Hebamme vorgestellt habe. Anpackend, deutlich und ein bisschen alternativ.
„Okay, also ich bin die Erika. Ich bin seit 35 Jahren Hebamme mit Leib und Seele. Ich habe selbst 5 Kinder, also ich weiß, wie der Hase läuft.“ Sie kichert.
Ich mag sie auf Anhieb und mit ihrer großen Erfahrung fühle ich mich auch sehr gut aufgehoben bei ihr.
„Gut Josi. Was möchtest du denn heute von mir wissen?“
Ich rücke meine Checkliste zurecht - ich bin gerne gut vorbereitet - und fange an sie Schritt für Schritt abzuarbeiten. Erika antwortet geduldig auf alle offenen Fragen. Beim Punkt - welche Musik soll ich im Kreißsaal hören, um die Geburt möglichst harmonisch zu gestalten - winkt sie ab.
„Sei mir nicht böse Josi. Aber zum einen sind es noch Monate bis dahin, zum anderen, glaube mir, bist du in dem Moment mit anderen Dingen beschäftigt als die passende Musik aufzulegen. Lass es einfach auf dich zukommen.“
Ich notiere mir den Punkt „Musik“ für einen späteren Zeitpunkt, ebenso die Suche nach einem Hypno – Birthing Kurs. Das bietet sie leider nicht an. Die Anmeldung für einen Geburtsvorbereitungskurs inkl. Partnerabend -Wichtig! Der Mann muss ja wissen was abgeht -, sowie zur Rückbildung und für die Baby-Massage, fülle ich direkt aus. Ich will ja gut vorbereitet sein!
Ich notiere mir auf meiner To - Do Liste:
Hypno - Birthing Kurs suchen
Passende Musik zur Entbindung (Salsa???)
Schwangerschafts-Floating suchen und buchen (das ist der neuste Schrei bei Bloggern, man schwebt quasi im Wasser und fühlt sich trotz fortgeschrittener Schwangerschaft leicht)
Als meine Checkliste endlich abgearbeitet ist, druckst Henry mit verlegener Miene, in Richtung Erika herum.
„Möchtest du noch etwas fragen, Henry?“ Aufmunternd nickt sie ihm zu.
„Äh, ja, es ist mir ein bisschen unangenehm, aber wie ist das eigentlich, mit dem Beischlaf während der Schwangerschaft?“ Sein Kopf hat nun etwa die Farbe einer Tomate angenommen.
BEISCHLAF? Ich muss mich zurückhalten um nicht laut loszuprusten! Wo hat er denn dieses antiquierte Wort ausgegraben? Aber interessieren tut mich die Antwort schon auch.
„Ja, also, um den Koitus braucht ihr euch bei einer gesunden Schwangerschaft keine Sorgen machen“, erklärt Erika mit ernster Miene. „Auch im späteren Verlauf ist es nicht so, dass der Penis des Mannes, irgendwie das Köpfchen erreichen würde beim Eindringen. Also nur zu!“ Sie lächelt mit einem Gesichtsausdruck, der besagt, dass wir bei weitem nicht das erste Paar und sicher nicht das letzte sind, das sich darüber Sorgen macht. Henrys Gesichtsfarbe ist, wenn möglich, noch dunkler geworden.
Nachdem Erika sich verabschiedet hat, sitzen wir noch zusammen gekuschelt auf der Couch. Im Hintergrund läuft leise Musik und in den Teetassen vor uns dampft Schwangerschaftsgeeigneter Tee. Da habe ich einige Seiten im Internet durchforstet, bis ich wusste, welcher geeignet ist. Keine leichte Sache, das mit dem Tee. Ich merke, wie ich langsam zur Ruhe komme und neue Kraft tanke.
„Warum hast du Erika eigentlich noch einmal dasselbe gefragt, wie Dr. Strick doch bereits beantwortet hatte? Du weißt schon, wegen dem, äh….“
„Weil mir das mit dem Kopf, du weißt schon, keine Ruhe gelassen hat.“ Henry schaut verlegen auf seine Hände. Ich streichle ihm zärtlich über die Wange. Mein lieber Henry, er macht sich also doch viel mehr Gedanken, als er zugeben möchte.
„Schatz, wollen wir eigentlich mal an unserer To - Do Liste weiterarbeiten?“ Ich bin euphorisch, will das Thema wechseln und will gleich loslegen!
„Brauchen wir da so großartig eine Liste? Was braucht denn ein Baby außer einer Babyschale, ein bisschen Kleidung und ein Bettchen?“
„Ach Henry, das meinst du doch jetzt nicht im Ernst? Es ist zwar ein Baby, aber es hat trotzdem Bedürfnisse. Da gibt es eine Menge zu bedenken. Angefangen mit den richtigen Windeln, einem Schlaf - oder Pucksack, bis hin zu einem Mobile und der richtigen Wandfarbe.“
„Wandfarbe?“, gibt Henry ziemlich erstaunt zurück und schaut mich nun ziemlich mürrisch an.
Männer! Muss man ihnen alles einzeln erklären? Ich stelle mir grade in Gedanken vor, wie Henry das Thema Babyvorbereitung angehen würde. Das Baby würde vermutlich 3 Tage hintereinander im gleichen Strampler verbringen, weil die anderen beiden - Baby, braucht ja nicht viel -, viel zu groß und oder zu warm für die Jahreszeit wären.
Ich sehe unser „Böhnchen“ des Nächtens völlig erledigt in einem zu großen Bett - dann spart man sich eins-, ohne Schnuller - besser gar nicht erst angewöhnen -, auf ein hässliches, leuchtendes Mobile starren - war im Angebot. Statt sanfter Babymusik und zartem Sternenhimmel, wirft es grelle Enten an die Wand, dreht sich und es ertönt blechern „Schlaf Kindlein schlaf“. Ok, das gilt es auf alle Fälle zu verhindern!
„Hör mal Henry, Schatz“, flöte ich, „wie wäre es, wenn ich mich um alles wichtige kümmere und wenn größere Entscheidungen zu treffen sind, wie der Kinderwagen, dann gehst du mit?“
Henry nickt eifrig „das klingt super! Aber denk dran es ist ein Baby und braucht nicht viel!“, ermahnt er mich.
„Schon klar“, ich bemühe mich um einen ernsthaften Gesichtsausdruck, während ich im Handy in die Suchmaschine eingebe „Baby Sternenprojektor, sanfte Musik“.
Wow, da gibt es ja jede Menge Auswahl! Ich finde ganz sicher ein passendes…
Am nächsten Morgen frühstücken wir ganz entspannt. Es ist Wochenende, da lassen wir uns Zeit und schlemmen ausgiebig. Croissants, Lachs (für mich jetzt nicht), frisches Obst und Eier. Henry fährt nachher seinen Kumpel Steffen besuchen. Seine Freundin hat sich kürzlich getrennt und er braucht dringend seelische Unterstützung. Da habe ich schon Zeit mich um die Baby Checkliste zu kümmern. Kinderwagen und Kinderzimmer haben teilweise 4-monatige Lieferzeiten, wie ich mit Erschrecken feststellen musste. Das wäre im Juni. Allerhöchste Eisenbahn also!
Nach einer Stunde am Laptop raucht mir der Kopf. Ich glaube mir ist auch schwindelig. Schöne, virtuelle Welt, ha ha. So viele Infos und jeder schreibt was anderes. Das geht schon beim Thema Windeln los. Man sollte doch meinen, das ist das einfachste am Baby. Windeln kaufen! Weit gefehlt, denn man hat die Qual der Wahl. Doppelt saugfähiger Kern, Wabenstruktur, super soft oder doch lieber mit angerauter Oberfläche. Bio, Windelabo, Großpackungen….Hilfe!!!! So komme ich nicht weiter, ich brauch irgendeinen Plan. Ich muss eine Liste erstellen mit den Vor- und Nachteilen. Hätte mir das jemand vor der Schwangerschaft gesagt, dass ich ernsthaft eine Liste anlegen muss, um die passende Windelsorte zu finden, ich hätte herzhaft gelacht.
„Uff!“. Stöhnend reibe ich mir den Rücken, als ich mich nach 2 Stunden durch das Thema Windeln geforstet habe. Da weiß ich jetzt immerhin Bescheid. Genauestens.
In dem Moment klingelt das Telefon, meine Freundin Luise ist dran. Das trifft sich super. Luise hat nämlich schon 2 Kinder. Ben ist 5 und Lea 2. Wir kennen sie und ihren Mann Rolf aus dem Tennisclub. Ja, Sie wissen schon, dem ich beigetreten bin, weil „mer“- schwäbisch für man- das halt so macht.
Wir plaudern ein bisschen über dies und das. Luise ist sehr nett und aufgeschlossen. Leider aber auch sehr anstrengend. Weil sie gefühlt perfekt ist, und man sich in ihrer Gegenwart unzulänglich fühlt. Sie ist vermutlich das, was man pädagogisch besonders wertvoll nennt. Sie gibt alles für ihre Kinder! Bio kochen, Brot backen, Nudeln selbst machen, Biokleidung, Waldorfkindergarten, Holzspielzeug, selbst –
gebackene Dattel-Dinkelkekse, Bastelprojekte mit gesammelten Naturmaterialien, DIY-Knete, gefilzte Handarbeiten, selbstgemachtes Waschmittel…Sie finden auch, dass das schon alleine beim Lesen nach sehr!!!!viel Arbeit klingt? Der Meinung bin ich auch.
Ich erzähle ihr ganz stolz, dass ich mich anfange um die Anschaffungen zu kümmern. Henry und ich hatten ihr einige Tage vorher beim gemeinsamen Grillabend erzählt, dass unser Böhnchen auf dem Weg ist.
„Ich bin jetzt informiert was das Windel - Thema anbelangt“, verkünde ich stolz und plappere munter weiter, welche Sorte grade gut genug für uns ist.
„Oh, oh Josi, ich will dich ja nicht kritisieren, aber DIESE Windelmarke (sie betont jedes Wort in staccato), ist ganz sicher nichts! Du willst deinem Baby doch nicht schon in den ersten Wochen, die volle Chemiebombe in seinen kleinen Körper pumpen?“
Eine rein rhetorische Frage ihrerseits, wie ich merke. „Wenn du die richtige Entscheidung treffen willst, dann nimmst du keine Wegwerf-Windeln sondern Stoffwindeln. Du musst ja auch an unseren Planeten denken! Es dauert Ewigkeiten, bis eine Einmalwindel verrottet ist.“
„Oh“, stammele ich, „da hast du natürlich recht, das geht dann nicht.“ Bumms! Da ist es wieder. Ich komme mir blöd und völlig unfähig vor. Da hätte ich doch selbst draufkommen müssen! Wie soll ich bloß ein Baby versorgen, wenn ich es nicht einmal schaffe die richtigen Windeln auszusuchen?
Als Henry kurz darauf nach Hause kommt, findet er mich in entsprechend düsterer Stimmung vor.
„Ich werde eine völlig unfähige Mutter sein!“, jammere ich. „Das Baby wird die falschen Windeln haben, die falsche Kleidergröße, und selbst wenn ich es schaffe, das richtig zu besorgen, wird es vielleicht zu viel Schadstoffe enthalten. Ich schaff das nicht!“.
„Mausi - so nennt mich Henry nur wenn wirklich eine schwierige Gefühlslage meinerseits vorliegt, und er quasi im Gespräch mit mir, auf rohen Eiern balancierend, versucht die richtigen Worte zu finden - was um alles in der Welt ist passiert? Du wirst eine wunderbare Mutter sein! Klug und lieb und lustig. Wie kommst du denn auf sowas?“. Er schaut mich sehr besorgt an.
„Ha!“ triumphierend springe ich auf und laufe in der Küche auf und ab. Da sie nicht groß ist, muss ich immer nach anderthalb Metern umdrehen.
„Denkst du wirklich das genügt, um eine gute Mutter zu sein? Henry, du bist naiv!“, jetzt schreie ich fast.
„Du musst tausend Dinge bedenken. Du musst Bio kochen, du musst sinnvolle Beschäftigungen einführen, du musst Tannenzapfen sammeln und kleine Männchen filzen!“. Ich befürchte ich klinge völlig hysterisch, aber ich kann nicht anders.
„Kleine Männchen filzen?“ Henrys Mundwinkel zucken verdächtig.
„Oooohhhhh nein! Das hier ist kein Spiel, mein Lieber. Das ist der neue Ernst des Lebens. Die Realität! Ich möchte nicht zur schlechtesten Mutter im Dorf gewählt werden“, fauch ich empört.
Henry kommt auf mich zu, zieht mich an sich und murmelt in meine Haare, „Schatz, kann es sein, dass Luise angerufen hat?“
Sprachlos nickend schaue ich ihn an.
„Woher weißt du…?“
„Ich weiß es nicht, aber ich hab’s vermutet. Wer sonst außer ihr sollte das auslösen? Bitte vergiss es einfach! Wir müssen die Dinge so angehen, wie wir es für richtig halten. Nicht wie irgendjemand es für richtig hält. Versprich mir, dass du das nicht mehr an dich ranlässt“. Er schaut mich mit seinen braunen Augen so lieb an, dass ich mich entspanne und seufzend bejahe.