Kitabı oku: «Im Körper zu Hause sein», sayfa 3
1.2Mein Raum, meine Grenzen
Die Gewissheit, dass ich über meinen eigenen Raum verfüge, dessen Grenzen sicher sind und respektiert werden und über dessen Ausdehnung ich selbst bestimme, ist wesentlich für das eigene Gefühl von Sicherheit.
![]() | Hier geht es nun darum, wie der eigene Raum und die eigenen Grenzen direkt über die Wahrnehmungen des Körpers und als Körper erfahren werden können. Der eigene Raum als Körpererfahrung ist zunächst ganz schlicht, die Form des eigenen Körpers wahrzunehmen. Sie sind eingeladen, sich mit dieser Art der Wahrnehmung vertrauter zu machen. Und Sie sind eingeladen den Energieraum um den Körper wahrzunehmen und die Grenzen des Energieraumes zu festigen. Ihr »Nein« kann zum unterstützenden Vertrauten werden. |
Was wir im Allgemeinen und in unserer alltäglichen Gewohnheit als Körperwahrnehmung bezeichnen, ist meist die Wahrnehmung des eigenen Körperselbstbildes – des Bildes, das wir in unserem Kortex als Körperbild gespeichert haben. Dieses Körperselbstbild ist geprägt von unserer lebensgeschichtlichen Erfahrung mit dem Körper und von den Ideen und Idealen über Körper, die uns gesellschaftlich umgeben. Das Körperselbstbild gibt ein unvollständiges und oft verzerrtes Bild unseres Körpers wieder.
Dabei liegen dem Körperselbstbild Entscheidungen zugrunde, die zu Gewohnheiten geworden sind. Entscheidungen, derer wir uns nicht mehr bewusst sind. Manche Bereiche des Körpers sind vielleicht vollständig aus der Wahrnehmung ausgeblendet, andere überbetont. Wir nehmen manche Bereiche des Körpers als »leer« wahr oder spüren sie einfach nicht, andere werden durch Anspannung zum Dauerschmerz.
Von der Möglichkeit, dass wir unseren Körper mehr »denken«, als ihn zu fühlen, bis hin zur Wahrnehmung des Körpers als bewusster Präsenz gibt es viele verschiedene Ebenen und Ausformungen der Wahrnehmung.
Wir können uns durch Übungen einladen, zur direkten Wahrnehmung der Körperempfindungen zurückzukehren, und allmählich eine Körperwahrnehmung entwickeln, die sich auf die momentane Situation bezieht. Und wir können uns selbst als Körper zu Präsenz und Bewusstheit einladen.
Wir beginnen zunächst mit der schlichten Wahrnehmung des Körpers in seiner Form.
Übung: Den Körper tätscheln
Stehen Sie aufrecht – reiben Sie Ihre Hände kräftig aneinander, bis sie warm und vielleicht kribbelig werden. (Rufen Sie die Energie an die Oberfläche.) Tätscheln Sie die ganze Oberfläche der Form Ihres Körpers entlang, berühren Sie Ihre Haut an möglichst vielen Stellen. Seien Sie dabei sehr freundlich – so, als würden Ihre tätschelnden Hände überall zu Besuch kommen, und nehmen Sie sowohl die tätschelnde Hand wie auch die Körperbereiche wahr, die Sie berühren. Lauschen Sie auf die Bedürfnisse des Körpers und tätscheln Sie an manchen Stellen kräftiger, an anderen leichter. Und bleiben Sie bei Körperbereichen länger, denen das guttut.
Wenn Sie überall ausreichend getätschelt haben – auch am Kopf und den Fußsohlen –, stehen Sie aufrecht und nehmen Sie die Sensationen wahr, die jetzt von Ihrer Haut gemeldet werden. Sie nehmen das größte Organ Ihres Körpers wahr und die Form, die es bildet.
Das Abtätscheln des Körpers ist die erste Einladung an uns selbst, unseren Raum in der konkreten Form unseres Körpers wahrzunehmen. Die sensorische Rückmeldung der Haut gibt uns eine klarere Wahrnehmung unserer Form und damit auch eine Wahrnehmung des Raumes, den wir einnehmen. Innen und Außen trennen sich in der Wahrnehmung deutlicher, auch wenn diese Wahrnehmung sehr relativ ist.
Übung: Den Körper abstreichen
Wieder stehen Sie aufrecht, reiben die Hände aneinander und mit geöffneten Händen streichen Sie die gesamte Körperoberfläche entlang. Streichen Sie so fest, wie Sie es als angenehm erleben, und so schnell oder langsam, wie Sie es gerade mögen.
Seien Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit sowohl in der Hand, die streicht, als auch in dem Körperbereich, der berührt wird. Wir nennen das im Zapchen: Präsenz berührt Präsenz. Stehen Sie dann aufrecht und nehmen Sie die Empfindungen wahr.
Wie auch die Übung vorher unterstützt dieses Abstreichen des Körpers die Wahrnehmung des Körpers in seiner Form (unser Körper als Form im Raum und als Raum, der umschlossen ist).
Übung: Die Muskeln greifen
Noch immer im Stehen reiben Sie die Hände aneinander und greifen dann fest und deutlich den ganzen Körper entlang alle Muskeln, die Sie greifen können. Muskeln mögen deutliche Signale.
Besuchen Sie die obere Muskelschicht des Körpers und laden Sie sie mit der Berührung zu mehr Präsenz ein. Dann stehen Sie wieder einen Moment und nehmen Sie die »Antwort« der Muskeln wahr.
Muskeln, mit ihrer Möglichkeit, sich in Anspannung fest zu machen oder sich zu entspannen, geben uns die Möglichkeit, unsere Körpergrenzen durch Anspannung sehr deutlich werden zu lassen. Gleichzeitig spüren wir die Anspannung der Muskeln auch als Bereitschaft, unsere Körpergrenzen zu verteidigen und eventuelle Angreifer abzuwehren. Dies erleben wir als Sicherheit in unserem Raum, in unserem Körperraum. Deshalb ist es sinnvoll und hilfreich, sich immer wieder der Muskeln an der Körperoberfläche bewusst zu werden und diese Muskeln z. B. durch Berührung zu deutlicher Präsenz einzuladen.
Neben dieser Möglichkeit, die Körpergrenze an der Haut und direkt unter der Haut wahrzunehmen, können wir aber auch zu einer subtileren – für viele Menschen in unserer Kultur ungewohnteren – Wahrnehmung von Grenzen unseres Raumes finden, unserem Energiefeld.
Wir leben mit einem mehr oder weniger ausgeprägten Bewusstsein eines Energiefeldes um uns herum. Offensichtlich wird das zum Beispiel, wenn wir wahrnehmen, dass sich jemand von hinten annähert, ohne dass wir die Person sehen können. Wir spüren diese Annäherung über unser Energiefeld. Die meisten Menschen kennen und erleben das.
Unser Energiefeld kann die unterschiedlichsten Ausprägungen haben. Es kann weit ausgedehnt oder nah beim Körper sein, es kann dicht oder verdünnt sein, es kann auch die unterschiedlichsten Formen haben. Manche Menschen haben sich aufgrund ihrer Lebenserfahrungen entschieden, sich aus der Präsenz als Energiefeld weitgehend zurückzuziehen, ihr Feld ist manchmal nur oberhalb des Körpers erlebbar oder es ist so dünn, dass es sozusagen nicht vorhanden ist.
Wie auch bei unserem Körperselbstbild liegen diesen Phänomenen Entscheidungen zugrunde. Entscheidungen, die aufgrund von Lebenserfahrungen, all den Hindernissen und vielleicht schwierigen Herausforderungen sinnvoll waren und die sich dann als Gewohnheiten verfestigt und gewissermaßen verselbstständigt haben. Uns ist im Allgemeinen nicht bewusst, dass wir über die Ausprägung unseres Energiefeldes selbst Entscheidungen treffen können. Indem wir hier die Aufmerksamkeit auf diese Wahrnehmungsebene lenken – die Wahrnehmung unseres Energiefeldes –, können wir allmählich immer mehr bemerken, wie sehr die Ausprägung und Veränderung des Feldes von unseren Entscheidungen abhängt. Und da es Entscheidungen sind, können wir sie allmählich in ihrer Veränderbarkeit wahrnehmen und womöglich neue Entscheidungen treffen, die uns mehr Wohlgefühl, mehr »Well-Being« erlauben.
Zunächst beschäftigen wir uns mit der Möglichkeit, uns bewusst ein Energiefeld zu schaffen. Dies ist eine erste Möglichkeit, den Raum um uns herum mit unserer Präsenz zu füllen und über die Grenzen dieses Raumes selbst zu bestimmen.
Aber zuallererst noch eine Einladung, sich mit der Wahrnehmung von Energiefeldern etwas vertraut zu machen.
Übung: Energie zwischen den Händen spüren
Sitzen oder stehen Sie. Reiben Sie Ihre Hände kräftig aneinander, bis sie warm werden oder kribbeln. (Wir rufen die Energie an die Oberfläche.) Entfernen Sie die Hände weit voneinander. Die Handflächen zeigen zueinander.
Bewegen Sie die Hände langsam aufeinander zu und nehmen Sie ganz schlicht die Empfindungen wahr, die dabei entstehen. Versuchen Sie offen zu bleiben für die Sensationen, ohne gleich zu wissen, was eine Empfindung bedeutet.
Es gibt viele verschiedene mögliche Wahrnehmungen dabei, von denen keine die »richtige« oder »falsche« ist. Die meisten Menschen nehmen »etwas« wahr – oft etwas, das anders ist als die Erwartung. Manche Menschen sagen auch, sie spüren nichts. Falls es bei Ihnen so sein sollte, lassen Sie auch diese Wahrnehmung bestehen. Sie können mit den weiteren Übungen auch experimentieren, wenn Sie zunächst »nichts« wahrnehmen. Erlauben Sie sich immer wieder, womöglich neue Erfahrungen zu machen.
Übung: Energiefeld verdichten
Stehen Sie aufrecht. Stellen Sie sich einen Raum um den Körper herum vor, der den Körper ganz umhüllt. Das kann eine Säule sein, die nach unten in den Boden hinein reicht und nach oben in den Himmel und zugleich unten und oben offen ist. Das kann aber auch z. B. die Form eines Eies sein, das ihren Körper ganz umschließt. Probieren Sie aus, welche Vorstellung die angenehmste ist. Lassen Sie die Grenze der Hülle etwa eine Armlänge weg von ihrem Körper entstehen.
Sie können die Arme heben und diese Hülle mit ihren Armen und Händen sozusagen »in die Luft malen«.
Dann beginnen Sie, diese Hülle mit »ha« zu füllen. Schicken Sie deutliche, kräftige »ha« mit jedem Ausatmen in diese Hülle und nehmen Sie wahr, wie sich die Energie dieses Hüllenraumes (ihres Energiefeldes) allmählich verdichtet.
Machen Sie zwischendurch eine kleine Pause, lassen Sie die Arme sinken und spüren Sie die Wirkung.
Dann »malen Sie wieder die Hülle« und wiederholen Sie das deutliche »ha«. Spüren Sie nach. Wenn Sie mögen, machen Sie ein paar Schritte durch den Raum und halten Sie die Wahrnehmung des Energiefeldes aufrecht.
Ruhen Sie sich aus.
Übung: Die Grenze des Energiefeldes stärken
Machen Sie das Gleiche wie vorher, »malen Sie das Energiefeld« um sich herum. Dieses Mal richten Sie die Aufmerksamkeit auf die Grenze des Feldes und schicken Sie Ihre »ha« in diese Grenze. Nehmen Sie wahr, wie die Grenze deutlicher wird.
Machen Sie wieder zwischendurch eine kleine Pause. Wiederholen Sie die Übung. Ruhen Sie sich aus.
Und falls es Zeit wird für eine Erledigung »draußen in der Welt«, probieren Sie doch mal aus, Ihr deutliches Energiefeld mitzunehmen.
Übung: Das Energiefeld mitnehmen
Machen Sie die oben beschriebenen Übungen. Mit der deutlichen Wahrnehmung Ihres Energiefeldes gehen Sie zunächst einige Schritte durch den Raum. Bleiben Sie mit der Wahrnehmung bei dem Raum um sich herum und bei der Grenze, die Sie festgelegt haben. Und dann gehen Sie einkaufen, Straßenbahn fahren, bummeln.
Nehmen Sie wahr, wann es leicht ist, diese Wahrnehmung aufrechtzuerhalten und wann es schwierig ist.
Diese Übungen und die Erfahrungen damit erlauben allmählich eine veränderte Wahrnehmung von eigenen Grenzen und davon, was es heißt, sich abzugrenzen. »Sich abgrenzen« hat in unserem Sprachgebrauch häufig eine merkwürdige Begleitschwingung. Als wäre es eine unangenehme Aufgabe, dies zu tun, und würde auch für das oder die Gegenüber, von denen wir uns abgrenzen, eine Schwierigkeit mit sich bringen.
Wenn wir beginnen können, Grenzen als etwas Wohltuendes und den Kontakt und die Beziehung Unterstützendes zu erleben, können wir auch beginnen, Grenzen in ihrer Flexibilität und ständigen Veränderung wahrzunehmen und zu genießen.
Übung: Die Grenze des eigenen Raums verdeutlichen
Wieder stehen Sie und malen mit den Händen ihr Energiefeld in die Luft. Dann richten Sie die Handflächen nach außen. Wenn Sie jetzt »ha« sagen, machen Sie es sehr präzise und deutlich.
Nehmen Sie wahr, dass Sie mit diesen »ha« die Grenze Ihres Raumes verdeutlichen, stärken und sichern. Tun Sie das mit Genuss und erlauben Sie sich, das Vergnügen und die Freude zu spüren, die es bedeutet, sich der eigenen Grenzen bewusst zu sein und sie zu sichern und zu festigen.
Spüren Sie nach. Spätestens jetzt wäre Zeit für ein kleines Nickerchen.
Je nachdem, auf welche Ebene unseres Seins wir unsere Wahrnehmung verlagern, nehmen wir Grenzen auf völlig unterschiedliche Weise wahr. Von einer Ebene, in der wir uns als feste Körper wahrnehmen, die klar abgegrenzt im Raum »stehen« und deutlichen Abstand zum nächsten Körper haben, bis zu einer Ebene, in der Grenzen lediglich Verdichtung von Energie in einem fließenden Kontinuum bedeuten, gibt es alle möglichen Zwischenebenen und Wahrnehmungsmöglichkeiten.
In unserer je eigenen Geschichte sind bestimmte Gewohnheiten entstanden, wie wir uns auf diesen möglichen Ebenen bewegen, und Gewohnheiten, ganz bestimmte Muster der Abgrenzung zu wählen. Indem wir jetzt mit diesen unterschiedlichen Möglichkeiten »spielen«, laden wir unser KörperSein ein, sich für neue Möglichkeiten zu öffnen und Wahlmöglichkeiten zu entwickeln.
Wie wir gerade erfahren haben, wird die Wahrnehmung unserer »Grenzen« auf der Ebene von Körper- und Energiewahrnehmung z. B. durch die Eigenwahrnehmung der Haut unterstützt und gelenkt. Wir können unseren Körper einladen, sich über die Hautgrenze in seiner Form wahrzunehmen (z. B. über Abtätscheln und Abklopfen).
Eine weitere Ebene ist die Muskelschicht des Körpers, die uns unterstützt, uns »fest« zu machen, wenn wir Grenzen setzen wollen innerhalb unserer Körperform.
Darüber hinaus kann eine Wahrnehmung entstehen für den Energieraum um unseren Körper und seine Grenzen. Verdichtung der Energie, Klärung des Raumes und deutliche Abgrenzung des Energieraumes unterstützen die Entstehung von Sicherheit im eigenen Raum. »Gewohnheiten« der Abgrenzung – z. B. aus dem Körper verschwinden, sich im Körper verstecken, sich in spezifische Schichten zurückziehen, die Energieverteilung im Körper verändern (z. B. sich hinter die Augen zurückziehen) – werden beim Üben ganz allmählich der Eigenwahrnehmung zugänglich. Und auch die verschiedenen (womöglich der bewussten Wahrnehmung lange entzogenen) Gewohnheiten, wie wir auf befürchtete, vermutete oder erlebte Grenzverletzungen reagieren, können sich wieder erschließen.
Erst aus dem als sicher erlebten eigenen Raum heraus, bzw. mit der Möglichkeit, den eigenen Raum zu einem »sicheren Ort« zu machen, sobald es uns notwendig erscheint, können wir spielerisch Kontaktmöglichkeiten erkunden. Dabei ist das, was als »sicher« erlebt wird, individuell, lebensgeschichtlich geprägt und veränderbar.
Vertiefendes zu diesem Thema der Energiewahrnehmung und Energielenkung finden Sie im Buch Die Erweckung des inneren Geliebten von Julie Henderson (2006).
Und ein kleiner Vorgriff auf ein späteres Thema: Wie wirkt sich das im Kontakt zu anderen aus? Auch die Wahrnehmung von Kontakt ist wesentlich beeinflusst von der Ebene des Seins, auf der wir uns im jeweiligen Moment »verorten«. Unsere Wahrnehmung wird von unserer »Verortung« gesteuert und bestimmt. Kontakt kann z. B. wahrgenommen werden als Kontakt zwischen festen Körpern, die sich aufeinander zu oder voneinander weg bewegen. Oder auch als Berührung von Energieräumen, die aufeinander zu oder voneinander weg pulsieren und sich dabei eventuell umarmend oder verschmelzend begegnen (Übungen dazu siehe auch: Henderson 2006). Kontakt kann auch Berührung durch ein gemeinsam erzeugtes Feld (wie z. B. beim Summen) bedeuten. Oder Berührung und Berührtsein im offenen Raum des Gewahrseins. (Dabei meint Gewahrsein einen offenen Raum der Aufmerksamkeit, in dem alles, was wir sehen, erleben und empfinden auftaucht und wieder verschwindet. Selbst das »Ich-Gefühl«, das wir im Allgemeinen als den Mittelpunkt unseres Seins wahrnehmen, ist im Gewahrsein nichts anderes als ein Objekt, das auftaucht, sich bewegt und verschwindet.)
Und die Bewegung im Kontakt ist ein Öffnen und Schließen, Erweitern und Zurückziehen, eine Hin- und Wegbewegung, deren Qualität sich aus der Beweglichkeit, der Offenheit für Veränderung ergibt.
Bei all dem ist die Wahrnehmung von Raum wesentlich – Raum in mir, um mich herum, mich im Raum wahrnehmen, verändert die Wahrnehmung von Grenzen und die Art des Bedürfnisses nach Grenzen.
Was bedeutet es, »Raum« wahrzunehmen? Ein kleines Experiment
Wir sind in der westlichen Kultur zutiefst gewohnt, unsere Wahrnehmung auf Gegenstände, Ereignisse und Erscheinungen als Entitäten zu richten. Wir tun dies auch mit der Wahrnehmung innerer Ereignisse, mit Gefühlen, Stimmungen und introzeptiver Wahrnehmung. Allem, was wir wahrnehmen, geben wir Form in unserer Vorstellung und richten uns auf die Form aus. Mit der Konzentration auf Form werden die Ereignisse auch zu einem »Etwas« mit einer bestimmten Struktur und Festigkeit.
Jedes Ereignis, das als Form erscheint, erscheint im Raum. Erst der umgebende Raum ermöglicht das Erscheinen von »Etwas«. »Es ist schwierig, dem Raum unmittelbar beizukommen, denn von klein auf werden wir erzogen, uns auf das zu konzentrieren, was Substanz hat – was im Raum erscheint« (Tulku u. Dehne 1986).
Wenn Sie sich hinsetzen und einen Gegenstand malen, den sie sehen, können Sie zum einen die Kontur erfassen, die der Gegenstand bildet – sie können aber auch den Raum malen, der den Gegenstand umfasst und von ihm geformt wird. Dies wird die Wahrnehmung des Gegenstandes verändern. Und wenn Sie sich dann noch mit Bildern über subatomare Strukturen befassen, wird Ihnen deutlich werden, dass auch alles »Feste«, was Sie sehen, eher Raum ist als Form. Raum erlaubt nicht nur, dass die Form sich in ihm aufhält, sondern er durchdringt auch jede feste Struktur.
Zunächst geht es hier nur darum, die Aufmerksamkeit für die Wahrnehmung von Raum zu öffnen und die Offenheit zu erlauben, die entsteht, wenn die Wahrnehmung sich davon löst, nur »Festes« zu bemerken.
Aber noch einmal zu etwas mehr »Handfestem«: dem eigenen Nein. Unverzichtbar für die Wahrnehmung und für das Setzen eigener Grenzen ist die Freundschaft mit dem eigenen »Nein«. Wir tendieren dazu, ein »Nein«, das wir sagen, als etwas zu erleben, das sich gegen das Gegenüber richtet (was es nur in bestimmter Hinsicht tut). Vor allem ist es eine uns selbst unterstützende Aussage darüber, wer wir im Moment sind, was wir wollen oder nicht wollen, wo wir unsere eigene Grenze im Moment erleben und setzen. Als Kinder experimentieren wir viel mit diesem Nein. Und je nachdem, welche Antwort wir darauf erfahren, sind wir mehr oder weniger mit unserem Nein befreundet. Ein erwachsenes Gegenüber, das eine positive Resonanz geben kann zu der Freude am Nein, zu der Grenze, die das Kind erlebt, und zu der Kraft und dem Ausdruck des Willens, die darin stecken, Nein zu sagen, kann dem Kind eine weitreichende Möglichkeit vermitteln, sich innerhalb der eigenen Grenzen wohl und sicher zu fühlen. Aber nur selten ist dies die Erfahrung, die wir gespeichert haben. Oft ist das eigene Nein beladen mit Vorstellungen, »ungehorsam«, »trotzig« oder »störrisch« zu sein. Wir können uns das eigene Nein allmählich mehr zurückerobern – uns damit anfreunden – und die Möglichkeit des eigenen Neins genießen.
Übung: Freundschaft schließen mit dem eigenen Nein
Beginnen Sie damit alleine für sich. Sagen Sie »nein«, so laut oder leise es sich gerade gut anfühlt. Und dann tätscheln Sie mit einer Hand sehr freundlich den eigenen Herzbereich. Laden Sie das Herz ein, sich für das »Nein« zu öffnen.
Genießen Sie einen tiefen Atemzug – oder auch mehrere. Lassen Sie das Wohlgefühl, das sich so mit dem eigenen Nein verbindet, tief in ihr KörperSein einsinken.
Bleiben Sie auch wach für die eventuell auftauchenden unangenehmen Empfindungen, die ein Widerhall früherer Antworten auf Ihr Nein sind. Nutzen Sie eine der vielen kleinen Übungen, die Sie schon kennengelernt haben, um dieses Unbehagen aufzulösen. Gähnen Sie, prusten Sie oder erzählen Sie sich in »funny talking« (diese Übung kommt etwas später) die mögliche Antwort eines Gegenübers. Und dann ruhen Sie sich aus.
Wenn Sie sogenannte überschießende Reaktionen erleben – Reaktionen, die sich eigentlich auf eine frühere Erfahrung richten und die Realität des jetzigen Moments nicht erfassen -, gibt es Möglichkeiten, dem Körper Signale zu geben, um ihn in seiner Reaktion zu beruhigen und ihn in die momentane Realität zurückzubringen.
Übung: Das Herz tätscheln
Sitzen, liegen oder stehen Sie. Freundlich und zugewandt, mit den besten Wünschen für sich selbst, tätscheln Sie mit einer Hand Ihren Herzraum. Nehmen Sie innerlich Kontakt zu Ihrem Herzen auf und beruhigen Sie es, wie eine Mutter oder ein Vater, die ein unruhiges Kind besänftigen.
Dann legen Sie einen Moment die Hand ruhig auf den Herzraum und lassen Sie bewusst den Atem den Herzraum berühren.
Ruhen Sie sich einen Moment aus und genießen Sie die Wirkung.
Das Herz zu tätscheln ist eine der Möglichkeiten, unser KörperSein (das unser Nervensystem, unsere Neurochemie und unsere Körpersysteme einschließt) einzuladen, sich zu beruhigen, sich »niederruhen« zu lassen. Hier taucht wieder das so bedeutsame »resting down«, das Herunterruhen auf.
Indem wir unser KörperSein einladen sich in den Moment sinken zu lassen, können allmählich überschießende Reaktionen auf Erfahrungen, die auf alten Gewohnheiten beruhen, mehr zur Ruhe kommen. Und wir erleben mehr die Realität des Moments. Es lohnt sich, sich damit vertraut zu machen.
Aber noch einmal zu unserem Nein. Wenn wir zu einem Gegenüber Nein sagen möchten, zu einer Situation, zeigt sich uns dies zunächst als körperliche Reaktion. Wir können diese körperliche Reaktion bewusst wahrnehmen oder auch die Wahrnehmung unterdrücken und unsere Aufmerksamkeit davon weglenken. Daraus entsteht dann, dass wir Ja sagen zu etwas, das wir eigentlich nicht wollen, oder uns völlig unfähig fühlen, eine Entscheidung zu treffen zwischen Ja und Nein. Die eigene Gewohnheit, die Wahrnehmung der körperlichen Reaktion zu unterdrücken, ist meist als Schutz und Reaktion auf frühere Erfahrungen entstanden. Man könnte sagen: Ein Nein, das wir nicht spüren, bringt uns nicht in Schwierigkeiten (was natürlich nur sehr kurzfristig gilt).
Lassen Sie sich Zeit zu erforschen, wie Ihr KörperSein Ihnen Ja und Nein signalisiert. Beginnen Sie in kleinen Situationen damit, einen Moment innezuhalten. Und beobachten Sie bei einer Entscheidung die körperliche Reaktion, die der Hinweis ist, was Sie möchten. Wenn Sie spontan Ja oder Nein sagen möchten, beobachten Sie, aus welchen Körpersignalen diese Antwort entsteht.
In Seminaren stehen sich manchmal in einer Übung zwei Teilnehmer gegenüber. Einer steht nur und hat lediglich die Aufgabe, Ja oder Nein zu sagen. Das Gegenüber fragt: »Kann ich einen Schritt näherkommen?« Die stehende Person versucht zu erspüren, wie ihr Körper ihr die Antwort gibt, auf die sie sich verlassen kann. Dabei gibt es immer wieder erstaunliche Entdeckungen. Viele Menschen berichten, dass das, was sie in ihrem Körper wahrnehmen, geradezu das Gegenteil von dem ist, was sie denken, was sie wollen (sollen). Und sie entdecken ganz allmählich, wie fein ihr KörperSein auf Situationen reagiert. Und die gegenüber stehenden Personen lernen, ein Nein nicht als Ablehnung der eigenen Person zu erleben, sondern als einfache Aussage, wie es dem Gegenüber gerade geht (ein wunderbarer Nebeneffekt).
Unser KörperSein nutzt für seine Entscheidungen weit mehr Informationen als sie unserem bewussten Denken zur Verfügung stehen. Es weiß um unsere früheren Erfahrungen, es nimmt intuitiv Information über die jetzige Situation auf, sowohl über die äußere Situation als auch über die innere Situation. Manchmal sagt das KörperSein aufgrund früherer schlechter Erfahrungen Nein zu einer Annäherung. Der Körper spannt sich an, weil es eine Körpererinnerung gibt, dass etwas Unangenehmes, Schwieriges, vielleicht Grenzüberschreitendes passiert ist. Wir versuchen intuitiv, uns zu schützen. Nur wenn wir diese erste Reaktion erspüren und anerkennen können, können wir überprüfen, ob sie der jetzigen Realität angemessen ist. Wenn wir das »Nein« unseres Körpers übergehen, begeben wir uns in einen Raum der Schutzlosigkeit. Das Anerkennen des momentanen Neins gibt uns die Wahrnehmung der Sicherheit unserer eigenen Grenzen, und erst von da aus können wir überprüfen, ob eventuell doch eine neue Entscheidung möglich ist.
In der oben schon beschriebenen Übung heißt das dann vielleicht, dass die stehende Teilnehmerin, die die Frage »Kann ich einen Schritt näherkommen?« hört, zunächst Nein sagt, dann in Ruhe die Sicherheit in ihrem Körper spürt, die durch die Wahrung der eigenen Grenze ausgelöst wird, und dann eventuell sagt: »Ja, einen halben Schritt« (mit dem Wissen, dass sie jederzeit das Gegenüber bitten kann, doch wieder zurückzugehen).
So ist es möglich, dass wir uns allmählich mit unserem »Ja und Nein« anfreunden und die wohltuende Wirkung spüren, die es hat, wenn wir das eigene Nein wahrnehmen und ausdrücken.
Oft leitet uns auch eine etwas eigentümliche Idee, dass wir, wenn wir nur lange genug Ja sagen – auch zu Dingen, die wir eigentlich nicht wollen –, irgendwann dahin kommen, wo wir sein möchten oder wo wir das bekommen, wonach wir uns sehnen. Dabei geht uns verloren, dass bereits hier und jetzt, in der Anerkennung unseres momentanen Neins, womöglich die Freiheit und die Wunscherfüllung liegen, die wir so gerne erreichen möchten.
Übung: Die Nachwirkung des Nein-Sagens genießen
Beginnen Sie wieder damit, alleine und für sich »Nein« zu sagen, laut oder leise. Erlauben Sie sich nach jedem Nein, das Gefühl von Sicherheit und einem eigenen Raum tief einsinken zu lassen. Erlauben Sie, dass der Atem tiefer wird und das Gefühl von »eigenem Raum und klarer Grenze« sich in Ihnen ausbreitet.
Nehmen Sie diese Übung mit in die alltägliche Welt und lassen Sie sich immer wieder Zeit, Ihre »Neins« zu genießen und durchaus immer wieder zu feiern.
Da uns Menschen das Gefühl der Zugehörigkeit existenziell wichtig ist, schiebt sich die Angst vor der Ausgrenzung manchmal vor die Wahrnehmung des eigenen Neins. Evolutionär haben wir gelernt, dass wir es nicht riskieren dürfen, ausgeschlossen zu werden, sonst entsteht (oder entstand) die Gefahr, dass wir nicht überleben. Und diese innere Notwendigkeit, das Ausgeschlossensein zu verhindern, ist noch immer wirksam, selbst in Situationen, in denen wir auch allein gut zurecht kämen und überleben würden.
Seien Sie freundlich zu sich selbst. Erlauben Sie sich, das Unbehagen oder auch die Angst wahrzunehmen, die mit der Wahrnehmung eines Neins vielleicht auftaucht. Und lassen Sie Ihrem Inneren die Zeit zu überprüfen, ob diese Befürchtung jetzt im Moment begründet ist.
Lassen Sie sich den inneren Raum, um die verschiedenen Facetten des Erlebens wahrzunehmen, und lassen Sie sich Zeit zu identifizieren, was sie bedeuten. Kommen Sie zu einer Ruhe, die es Ihnen ermöglicht, die innere Bewegung wahrzunehmen, die durch ein gefühltes Nein ausgelöst wird. Indem Sie Raum geben für die innere Bewegung und Ihre Wahrnehmung, kann die Ihnen innewohnende Intelligenz sich entfalten und Ihnen Möglichkeiten zeigen.
Um sich mit dieser Haltung vertraut zu machen, können Sie zum Beispiel üben, den Raum der inneren Wahrnehmung zu erweitern – ähnlich wie das im Praktizieren von Meditation, vor allem auch Achtsamkeitsmeditation, vorgeschlagen wird. Sie geben bewusst Raum für alles, was sich in Ihnen bewegt, ohne sofort und direkt damit etwas tun zu müssen.
Ein tibetischer Lehrer hat unsere innere Situation einmal so beschrieben: Unsere Gedanken leben eng zusammengepfercht wie Kühe im Winter in einem zu engen Stall. Wenn Sie dann im Frühjahr auf die Weide gelassen werden, springen sie erst einmal wild herum und sind gar nicht zu bändigen. Aber nach einiger Zeit grasen sie ruhig und sind zufrieden.
Sie sind also eingeladen, den Gedanken, die Sie zur Entscheidung drängen und die es Ihnen schwer machen, Ihr Ja oder Nein zu finden, zunächst die offene Weide anzubieten, auf der sie herumhüpfen können, und abzuwarten, bis sie sich etwas beruhigt haben.
Eine gute Möglichkeit, das zu üben, ist sehr schlicht. Ich schlage Ihnen vor, eine oder mehrere der Übungen zu machen, die Sie bisher kennengelernt haben und die Sie mögen. Dann machen Sie ein Nickerchen und lassen in Ihrem Inneren einfach alles so herumhüpfen oder ruhig grasen, wie es gerade will.
Übung: Machen Sie ein Nickerchen
Legen Sie sich möglichst bequem hin, gerne eingerollt. Und dann machen Sie es sich noch ein bisschen bequemer – Sie werden bemerken, das geht eigentlich immer! Nickern Sie.
Lassen Sie Ihre Gedanken frei, lassen Sie sie herumhüpfen, vielleicht schauen Sie amüsiert zu. Oder schlafen Sie einfach ein. Oder bewegen Sie sich »zwischen den Welten«, dösen und träumen Sie. Vor allem aber: Geben Sie Ihrem Inneren Raum und lassen Sie sich in Ruhe nickern.
Und wenn Sie genug genickert haben, strecken und räkeln Sie sich.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.