Kitabı oku: «Wie man nicht nur Licht biegen kann»

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Inhalt

Cover

Impressum

Vorbemerkung

Das Licht ist schief. Und die Messungen?

Die Einen sagen so – und die Anderen anders

Die Vorgeschichte

Die Lichtablenkungs-Messungen von 1919

Interpretationen, Ovationen, Diskussionen

Das Lick und das Licht

Erwin-Fínley Freundlich und die Lichtablenkung

Lichtablenkungs-Messung – die Unvollendete?

Literaturnachweis

Edition Gamerti Bücher Weltbilder

Vorbemerkung

Noch nie in der Geschichte der Naturwissenschaft soll eine theoretische Voraussage in so kurzer Zeit durch Beobachtungen so exakt bestätigt worden sein, wie die Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins aus dem Jahre 1915 durch britische Astronomen schon im Jahr 1919.

Sir Arthur Eddington, der weltberühmte britische Astronom, hätte unbedingt Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie beweisen wollen. Deshalb habe er eine Expedition initiiert und geleitet, die in das Gebiet des Kernschattens der totalen Sonnenfinsternis von 1919 führte. Er habe auf der Insel Principe vor der afrikanischen Küste beste Bedingungen vorgefunden und so mit sorgfältigen und exakten Messungen Einsteins Voraussage und Berechnung der Lichtablenkung am Sonnenrand – eine Konsequenz der Allgemeinen Relativitätstheorie – bestätigen können.

Das ist wohl fast allen Lesern aus den populärwissenschaftlichen Schriften, dem Triumphgeschrei der Physiker und auch den medialen Würdigungen hinreichend geläufig. Die Fragwürdigkeit der Meldungen dürfte freilich weniger bekannt sein.

Ohne gleich, wie es mancherorts üblich geworden ist, Verschwörungen oder Fälschungen zu unterstellen, ist bei auffällig lautstarken und triumphierenden Erfolgsmeldungen kritische Zurückhaltung durchaus geboten und es ist immer empfehlenswert, doch zwei- oder dreimal hinzuschauen. Das allein schon deshalb, da in der populärwissenschaftlichen Literatur und noch heftiger in gelegentlichen Mediendarstellungen viele Vorgänge extrem verkürzt dargeboten werden. Die Verkürzungen aber verfälschen regelmäßig, zumeist auch ungewollt, die Sachverhalte und Vorgänge.

Die Angelegenheiten der Naturwissenschaft sind jedoch komplexer und komplizierter, als die Öffentlichkeit Gelegenheit hat, es zur Kenntnis zu nehmen und zu durchschauen. Deshalb kann es nicht falsch oder verwerflich sein, Vorgänge wissenschaftlichen Forschens auch mal etwas komplexer und auch kritischer darzulegen, als sie uns bisher dargeboten wurden.

Zu betonen ist, dass die einzelnen Fakten, auf die ich mich im Folgenden berufe, nicht geheimgehalten wurden oder werden. Sie sind da und dort und dann und wann schon öffentlich gemacht worden, aber eben genau so: Da und dort und dann und wann. Aber wer von uns hat schon die Zeit, sich das alles so zusammenzusuchen, dass ein einigermaßen komplexes Bild entsteht. Wenigstens in Bezug auf den Nachweis der von Albert Einstein propagierten Lichtablenkung am Sonnenrand will ich das versuchen.

Das auch deshalb, da an den eingangs erwähnten Meldungen über die Messungen der Lichtablenkung lediglich zwei Fakten stimmen: Sir Arthur Eddington, ein britischer Physiker und Astronom, hat eine Sonnenfinsternis beobachtet und die Insel Principe liegt vor der Küste Afrikas.

Das Licht ist schief. Und die Messungen?
Die Einen sagen so – und die Anderen anders

Die New York Times soll damals mit der Schlagzeile aufgemacht haben: „Lichter am Himmel schief. Ergebnisse der Finsternis-Beobachtungen versetzt Männer der Wissenschaft in ziemliche Aufregung.“

Das war 1919.

Schiefes Licht? Finsternis-Beobachtungen? Aufregung? Was war denn da passiert mit den Himmelslichtern?

1915 hatte Albert Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie vorgelegt. Bereits während der Arbeit an der Theorie und noch mehr nach ihrer Vollendung hatte er ein sich aus der Theorie ergebendes bemerkenswertes Phänomen propagiert.

Die Allgemeine Relativitätstheorie beschreibt die Gravitation als eine Krümmung der Raumzeit. Die Stärke der Krümmung ist von der Masse eines kosmischen Objektes und von der Entfernung abhängig. Wenn sich Licht durch den Raum bewegt, dann muss, so die naheliegende Folgerung, die Krümmung der Raumzeit darauf Einfluss haben. Daraus muss sich notwendig eine Ablenkung des Lichts beim nahen Vorbeigang an einem massereichen Objekt, etwa der Sonne, ergeben. Der Lichtstrahl müsste, so die Vermutung, zum Sonnenrand hin gebogen sein. Eine solche Biegung kann man natürlich nicht bemerken, denn man kann ja auch den Lichtstrahl nicht sehen.

Aber eine solche Lichtbiegung würde zur Folge haben, dass man einen Stern, dessen Position recht genau vermessen wurde, an einem etwas anderen Ort suchen müsste, wenn er dicht am Sonnenrand steht. Diese Positionsverschiebung aber sollte man beobachten und auch messen können. Das war die Idee. Und daraus folgte die Möglichkeit, den Grad der Verschiebungen und der Ablenkung in konkreten Zahlen berechnen zu können.

Als Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie ausarbeitete, war ihm schnell klar, dass diese Lichtablenkung durch die Sonne ein recht harter Prüfstein seiner Theorie sein würde. Gab es in Sonnennähe eine Lichtablenkung in der Größe, wie er sie auf der Basis seiner Theorie berechnen konnte, dann war das ein starker Hinweis, mit der Theorie auf einem richtigen Weg zu sein. Gab es sie nicht oder nicht in dem berechneten Maß, dann stand es um die Theorie nicht besonders gut, um es vorsichtig auszudrücken.

Ich habe mich über einen längeren Zeitraum zwar nicht ausschließlich, aber doch bemüht ausführlich mit der Geschichte der Bestätigung der von Einstein vorausgesagten und berechneten Lichtablenkung beschäftigt. Es ließ sich dabei nicht verhindern, in tiefe Zweifel zu geraten, was denn nun eigentlich Sache ist. Die Dinge sind so verwirrend, dass man sich nur wundern kann.

Seit Jahrzehnten gehört es in der populärwissenschaftlichen Literatur zum guten Ton, mit deutlichem Eifer darauf zu verweisen, diese kühne Voraussage Einsteins sei bereits 1919 bei Beobachtungen einer Sonnenfinsternis durch eine britische Expedition bewiesen und durch Messungen in den folgenden Jahren und Jahrzehnten immer wieder bestätigt worden. Und die Autoren, darunter auch namhaft Physiker, sehen sich nahezu ausnahmslos in einer Art heiliger Pflicht, zu betonen, zu würdigen, hervorzuheben und zu feiern, es sei durch die Messungen nicht nur die Voraussage Einsteins bestätigt worden, sondern auch der Ablenkungswert seiner Vorausberechnung mit verblüffender Genauigkeit.

Damit sei eine der bedeutendsten geistigen Leistungen in der Geschichte der Menschheit, die Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins, in ihrer Richtigkeit eindrucksvoll bewiesen worden.

Voraussage, Vorausberechnung und Bestätigung haben damals ganz wesentlich zum Ruhm und zur Popularität Einsteins beigetragen. Verständlich, denn wer hätte denn an die Möglichkeit gedacht, dass Licht abgelenkt werden könnte, ja dass sich Lichtstrahlen krümmen könnten. Das war so ungewöhnlich, dass der Mann, der das voraussehend erkannt und exakt berechnet hatte, natürlich in den Fokus einer besonderen Aufmerksamkeit, ja auch Bewunderung und Begeisterung rücken musste.

Lichtablenkung also? Seit 1919 dank Sir Arthur Eddington, dem Leiter der englischen Sonnenfinsternis-Expedition, als Fakt und zum Ruhm des genialen Einstein mit Genauigkeit bestätigt. Das muss und kann man nur bewundern. Fast jeder einigermaßen aufmerksamer Schüler und jeder häufiger Leser populärwissenschaftlicher Literatur weiß das.

Googeln Sie mal Lichtablenkung 1919 und das gewöhnlich umfangreich informierte Internet wird Ihnen mehr als 1800 Einträge zum Thema anbieten. Geschätzte 98 % davon sind Hervorhebungen der Bedeutung der 1919er Messungen für die Bestätigung der Richtigkeit einer Theorie, die uns ein völlig neues Bild von Raum und Zeit brachte und so eine ganz neue Physik begründete. Diese Würdigung des Vorgangs begann schon im November 1919 und hält bis heute nicht nur an, sondern kulminierte zu einer nahezu bombastischen Würdigung Albert Einsteins, der nun gottähnlich alle Wissenschaft und jeden Wissenschaftler überragt.

Das sei in nicht unwesentlichem Maße Arthur Eddington und den von ihm initiierten und geleiteten Expeditionen in Gebiete der totalen Sonnenfinsternis von 1919 zu danken, steht geschrieben. Eddington habe beste Bedingungen für seine Messungen vorgefunden. Er konnte sehr klare Aufnahmen des Sternenhimmels machen, die es zuließen, Daten zu gewinnen, die keinerlei Zweifel mehr zuließen. Einsteins Theorie war so exakt und ohne jeden Anflug von Zweifel bestätigt. So steht es in ungezählten Veröffentlichungen, so bringen die Lehrenden es ihren Lernenden bei und die Studierten ihren Studierenden.

Zahlenmäßig wesentlich geringer sind andere Veröffentlichungen, die selbst einem unbefangenem Leser zusammenzucken lassen. Da ist dann die Rede von einem Betrug größten Ausmaßes. Eddington habe seine Messdaten so zurechtgezimmert, dass sie zu Einsteins Theorie passten. Er sei ein Lügner und Betrüger. Seine Expedition habe das einzige Ziel gehabt, Einsteins Theorie zu bestätigen. Das habe er auch brutal durchgezogen, keine Manipulation gescheut, die Daten frisiert, sie einem undurchsichtigen Auswertungsverfahren unterzogen und dann einfach behauptet, damit sei Einsteins Theorie bewiesen.

Die Engländer hätten noch eine zweite Expedition ausgerüstet und nach Brasilien geschickt. Die sollte eigentlich Einstein widerlegen und Newton stützen. Diese Expedition aber hätte Schwierigkeiten mit dem Wetter und der Technik gehabt. Deshalb wären deren Aufnahmen nicht so gut gewesen, hätten aber eher in Richtung der Newtonschen Gravitationstheorie gewiesen. Eddington als Leiter der Unternehmung sei es dann ein Leichtes gewesen, die Daten aus der Messung in Brasilien als irrelevant abzulehnen und einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Also sei die Bestätigung der Theorie Einsteins durch Eddington, wie Trump sagen würde, nicht anderes als Fake News, eine Lüge.

Das steht so in dieser oder jener Version in verschiedenen Beiträgen, vor allem im Internet.

Ich habe auch schon gelesen, 1979 hätten Fachleute die Platten von 1919 noch einmal einer akribischen Analyse unterzogen. Dabei sei nun herausgekommen, in welch einem Ausmaß die Daten damals gefälscht worden waren. Selbst die englischen Astronomen hätten sich deshalb 1979 von den Ereignissen von 1919 distanziert.

Frederick Soddy, immerhin Nobelpreisträger, soll sich 1953 auf einer Konferenz, bezogen auf die Messungen der Lichtablenkung von 1919, ereifert haben, jeden Schuljungen würde man von der Schule jagen, wenn er seine Zahlen so frisiere, dass das richtige Ergebnis herauskommt.

Selbst der große Stephen Hawking, als Brite eigentlich zu einer gewissen solidarischen Haltung verpflichtet, schrieb 1981, eine spätere Analyse der 1919 aufgenommenen Platten hätten gezeigt, dass sie Fehler enthielten, die ebenso groß wie der zu messende Effekt waren. Seiner nationalen Pflicht kam Hawking dennoch nach, als er behauptete, spätere Messungen der Lichtablenkung hätten dann aber die Werte Eddingtons bestätigt. Nicht einmal das stimmt, wie ich im Verlauf des Textes beweisen werde.

Steven Weinberg, ebenfalls Nobelpreisträger, war etwas diplomatischer. Er rief nicht gleich Fake News aus, sondern meinte 1992 nur, die beteiligten Astronomen hätten sich wohl bei der Analyse ihrer Daten von ihrer Begeisterung für die Allgemeine Relativitätstheorie mitreißen lassen.

Schon seit rund 100 Jahren geht das nun so. Die einen werten die Messungen von 1919 als glänzende Bestätigung der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins, die anderen bedenken sie, die Messungen, mit Begriffen wie Betrug und Manipulation. Dazwischen noch die, die – angesichts spärlicher Faktenlage oder unterschiedlicher Darstellungen – nicht so richtig wissen, wie die Vorgänge objektiv zu bewerten wären. Vor allem Eddington wurde in den Jahrzehnten nach 1919 von den Kritikern verdächtigt, in überschäumender Begeisterung für Einsteins Theorien die Daten manipuliert zu haben.

Im Folgenden will ich versuchen, die Fakten herauszufiltern, die Sachlage etwas zu sortieren, um vielleicht zu einer mehr sachlichen Beurteilung zu finden. Das ist gar nicht so einfach, denn auf beiden Seiten der Front kämpfen die Akteure mit Übertreibungen und Überhöhungen, mit Feststellungen, die man schwer nachprüfen kann und die daher einer bloßen Behauptung nahe stehen. Da ist es schwer, sich zurecht zu finden.

Aber ich denke, es ist an der Zeit, den Verlauf, den Inhalt und die Hintergründe des Geschehen einschließlich der beteiligten Akteure einmal umfänglicher darzustellen und zu benennen, in der Hoffnung, damit wenigstens ein klareres Bild zu zeichnen, das allerdings wohl auch dann noch leicht unübersichtlich und verwirrend bleiben wird. Ich werde mich dabei nicht nur auf die Ereignisse von 1919 beschränken, sondern mich bemühen, diese in ein schon länger anhaltendes Geschehen einzuordnen.

Ganz allgemein gesprochen: So, wie oben skizziert, waren die Ereignisse gar nicht. Das stimmt alles so nicht, es war tatsächlich alles ganz anders. Aber wissen Sie, was die Sache doppelt kompliziert macht? Es war eigentlich alles fast genau so!

Wie, das geht nicht? Es kann doch nicht alles ganz anders sein und doch genau so, sagen Sie? Doch, das geht. Trennen Sie sich erst einmal von der Überzeugung, in der Wissenschaft ginge alles ganz exakt zu, nach Formeln und Zahlen, also könnte es doch in der Beurteilung von Vorgängen und Ereignissen auch keinen Spielraum für ganz verschiedene Darstellungen geben.

Wenn Sie sich nicht unbedingt von dieser Überzeugung gleich ganz trennen wollen, gut. Aber dann entwickeln Sie wenigstens die Bereitschaft, sie auch mal zu bezweifeln.

Auch in der Wissenschaft, sogar in der Naturwissenschaft, hängen Beurteilung und Einordnung eines Vorganges davon ab, welchen Grundüberzeugungen man anhängt und welche subjektive Position man im konkreten Fall einnimmt. Nicht einmal Zahlen sind gleichen Zahlen immer auch gleichwertig, sondern man kann sie durchaus verschieden bewerten.

Ich werde das noch begründen.

Aber der Reihe nach.

Die Vorgeschichte

Die Lichtablenkung in der Nähe großer Massen ist keineswegs, wie das regelmäßig hingestellt wird, eine Entdeckung Einsteins und sie ergibt sich nicht nur aus der Allgemeinen Relativitätstheorie.

Es war Georg Christoph Lichtenberg, der schon fast einhundertfünfzig Jahre vor Einstein die Lichtkrümmung vorausgesagt hatte. Auch der große Isaac Newton war zu dem Schluss gekommen, die Lichtteilchen müssten dem Einfluss der Gravitation unterliegen.

Und Johann Georg von Soldner erkannte ebenfalls mehr als 100 Jahre vor Einstein: Wenn man einen Lichtstrahl als Teilchenstrom interpretiert, müsste er im Gravitationsfeld eines massereichen Objektes abgelenkt werden.

Das konnte er so denken, da nicht erst Einstein den Teilchencharakter des Lichtes entdeckt hatte, wie das heute regelmäßig behauptet wird. Zwar hatte Thomas Young 1802 den Wellencharakter des Lichtes nachgewiesen, aber die Vorstellung vom Teilchencharakter, der neben anderen auch Descartes und Newton anhingen, war damit nicht zu den Akten gelegt worden.

In einer 1801 verfassten und 1804 veröffentlichten Arbeit legte Soldner seine Ableitung der Lichtablenkung ausführlich dar und errechnete den Grad der Ablenkung durch die Sonne. Da man in der Literatur durchaus verschiedene Angaben über den Soldner-Wert, wenn er überhaupt Erwähnung findet, lesen kann, hier das Original:

Wenn man in der Formel für tang ω die Beschleunigung der Schwere auf der Oberfläche der Sonne substituirt, und den Halbmesser dieses Körpers für die Einheit annimmt, so findet man ω = 0,84. Wenn man Fixsterne sehr nahe an der Sonne beobachten könnte, so würde man wohl darauf Rücksicht nehmen müssen.

(Johann Georg von Soldner; Ueber die Ablenkung eines Lichtstrals (sic) von seiner geradlinigen Bewegung, durch die Attraktion eines Weltkörpers, an welchem er nahe vorbei geht; Astronomisches Jahrbuch für das Jahr 1804, S. 161-172; Verlag G. S. Lange, Berlin)

Der Wert von um 0,84 Bogensekunden wird heute als Newtonscher Lichtablenkungswert bezeichnet. Nicht, weil Newton ihn berechnet hätte, sondern weil ihm, das kann man ja auch aus dem Zitat herauslesen, die Newtonsche Gravitationstheorie zugrunde liegt.

1911 berechnete auch Einstein die Lichtablenkung, wie sie im Fall der Sonne eintreten müsste. Er arbeitet zu dieser Zeit bereits an einer Relativitätstheorie für beschleunigte Bewegungen, aus der später dann die Allgemeine Relativitätstheorie wurde. Damals versuchte er eine solche Theorie aber auf der Basis einer variablen, von Ort zu Ort verschiedenen Lichtgeschwindigkeit zu entwickeln.

Ein an der Sonne vorbeigehender Lichtstrahl erlitte demnach eine Ablenkung vom Betrage 4 * 10^-6 = 0,83 Bogensekunden (also zunächst nicht 0,87 oder 0,875, wie es regelmäßig kolportiert wird; d.A.). Um diesen Betrag erscheint die Winkeldistanz des Sternes vom Sonnenmittelpunkt durch die Krümmung des Strahles vergrößert.“

(A. Einstein; Über den Einfluß der Schwerkraft auf die Ausbreitung des Lichtes; Annalen der Physik;1911)

Einstein Wert war also dem von Soldner errechneten Wert sehr nahe.

Natürlich hatte Einstein Interesse daran, dass seine Voraussagen auch praktisch überprüft würden. Und er wusste auch, wie das möglich sein könnte.

Da die Fixsterne der der Sonne zugewandten Himmelspartien bei totalen Sonnenfinsternissen sichtbar werden, ist diese Konsequenz der Theorie mit der Erfahrung vergleichbar. … Es wäre dringend zu wünschen, daß sich Astronomen der hier aufgerollten Frage annähmen, auch wenn die im vorigen gegebenen Überlegungen ungenügend fundiert oder gar abenteuerlich erscheinen sollten. Denn abgesehen von jeder Theorie muss man sich fragen, ob mit den heutigen Mitteln ein Einfluß der Gravitationsfelder auf die Ausbreitung des Lichtes sich konstatieren lässt.“ (a. a. O.)

Warum hier eine totale Sonnenfinsternis ins Spiel kommt? Nun, diese musste gut geeignet sein, entsprechende Messungen zu realisieren. Ein Stern, dessen Position genau vermessen ist, sollte dann, wenn er dicht am Sonnenrand steht, eine leicht verschobene Position einnehmen. Aber beobachten und vermessen Sie mal einen dicht am Sonnenrand stehenden Stern. Das Licht der Sonne und die Turbulenzen am Sonnenrand überdecken da alles, machen den Stern unsichtbar. Wenn jedoch der Mond direkt vor der Sonne vorbeizieht und lokale Gebiete auf der Erdoberfläche zeitweilig im Kernschatten des Mondes liegen, kann man Sterne zwar auch nicht direkt am Sonnenrand, doch aber in relativer Nähe beobachten.

Dumm war nur, dass sich die Astronomen zunächst dafür überhaupt nicht interessierten. Also für Sonnenverfinsterungen schon, aber nicht für Einsteins Lichtablenkungsberechnungen.

Das hatte schon Soldner vorausgesehen:

Also ist es ausgemacht: daß man, wenigstens bey dem jetzigen Zustande der praktischen Astronomie, nicht nöthig hat, auf die Perturbation der Lichtstralen, durch anziehende Weltkörper, Rücksicht zu nehmen.“ (Soldner; a. a. O.)

Der Zustand der praktischen Astronomie hatte sich um 1911 wohl noch nicht wesentlich geändert; die großen Entdeckungen am Sternenhimmel und die Umwälzungen im kosmologischen Weltbild sollten erst noch kommen. Die Astronomen ließen wenig Interesse erkennen, die vorausberechnete Lichtablenkung tatsächlich messen zu wollen.

Das wäre ja auch mit erheblichen Aufwendungen verbunden gewesen. Man muss dazu noch wissen, eine Bogensekunde ist nicht eben groß, im Gegenteil, handelt es sich doch lediglich um 1/3600 Grad. Ein Ablenkung dieser Größenordnung auf einer Fotoplatte der damaligen Zeit exakt zu messen und zu bewerten, war sicher ein schon an sich schwieriges Unterfangen.

Zudem musste man auch Glück haben, um auf passende Umstände zu treffen. Totale Sonnenfinsternisse finden zwar regelmäßig statt, aber eben nicht jede Woche und sie sind unglücklicherweise am besten – der Kernschatten variiert über den ganzen Erdball – in den meisten Fällen in Gebieten weit weg von der naturwissenschaftlichen Zivilisation, häufig in schwer zugänglichen Gegenden, zu beobachten.

Trotzdem waren es 1912 die Argentinier, die sich in Brasilien schon mal auf die Lauer legten, um den Ablenkungseffekt gelegentlich einer totalen Sonnenfinsternis zu messen. Jedoch die Finsternis war so total, dass die Beobachter weder die Sonne, noch irgendeinen Stern, geschweige denn die Ablenkung seines Lichtes sehen konnten. Es regnete den ganzen Tag und der wolkenverhangene Himmel ließ keine Beobachtung oder gar Messung zu.

In Deutschland fand sich dann doch auch jemand, der sich für die Überprüfung der Voraussage Einsteins interessierte. Das war Erwin Finley-Freundlich (1885 – 1964), der eigentlich gelernter Mathematiker war, aber seit 1911 an der Königlichen Sternwarte Berlin als Assistent von Direktor Struve arbeitete. Der ebenfalls an der Berliner Sternwarte arbeitende Leo Courvoisier (1873 - 1955) hatte gerade in jener Zeit nachgewiesen, dass Sterne in gewissem Abstand von der Sonne jährliche Schwankungen in ihrer Position aufwiesen. Freundlich bekam den Auftrag, die Courvoisier-Daten einer Auswertung zu unterziehen.

Dann landete eine Anfrage der Universität Prag, an die Einstein gerade berufen worden war, bei den Berlinern. Ob die vielleicht oder möglicherweise die Einsteinschen Lichtablenkungsvorhersagen überprüfen könnten. Struve meinte wohl, da sich Freundlich ohnehin gerade mit Sternenverschiebungen befasste, könnte er diese Kleinigkeit gleich mit erledigen. So wurde Freundlich auch auf die Allgemeine Relativitätstheorie und auf Einstein aufmerksam, nahm mit diesem Verbindung auf und beschäftigte sich immer intensiver mit der Theorie. Aber so sehr er auch in den zur Verfügung stehenden Daten herumsuchte, diese ermöglichten in der zur Debatte stehenden Frage keine Antwort. So geriet immer mehr die Notwendigkeit einer ganz praktischen Überprüfung der Theorie durch gezielte Beobachtung in sein Blickfeld.

Freundlich war wahrscheinlich froh, sich mit den Fragen, die sich aus den neuen theoretischen Überlegungen ergaben, zu beschäftigen und sich so einen intellektuellen Ausgleich von den wenig aufregenden Routineaufgaben, in die er ansonsten an der Sternwarte einbezogen war, zu verschaffen. Und Einstein war froh, endlich jemand gefunden zu haben, der sich für seine Vorhersagen interessierte. Daher ermutigte Einstein Freundlich, forderte ihn dann geradewegs auf, mehr für eine praktische Überprüfung seiner Theorie zu tun und gab schließlich auch direkte Unterstützung. Freundlich geriet so unter den Einfluss Einsteins und engagierte sich immer mehr.

Schon 1914 lockte wieder eine günstige Sonnen-Verfinsterung. Das war Freundlichs große Chance. Um eine entsprechende Expedition zu finanzieren, stellte Einstein einen Antrag auf Mitfinanzierung durch die Preussische Akademie. Dank der Fürsprache Plancks wurden 2000 RM bewilligt. Den Rest trieben Freundlich und Einstein bei privaten Spendern auf. Einstein hatte Freundlich sogar wissen lassen, zur Not sein privates Erspartes einzusetzen.

Einsteins Einsatz für die Freundlich-Expedition von 1914 auf die Krim zeigt, wie wichtig es für ihn inzwischen war, dass seine theoretischen Überlegungen Bestätigung erfahren würden. Das war auch nötig, denn man muss wissen, dass Einstein sich zu jener Zeit noch keineswegs breiter öffentlicher Bekanntheit erfreuen konnte. Und in den Fachkreisen waren seine Theorien nicht so unumstritten, wie das heute hingestellt wird. Es gab nicht wenige, vor allem einflussreiche Wissenschaftler, die die von Einstein verkörperte neue Physik offen oder heimlich ablehnten.

Über seine Theorien wurde teils heftig gestritten, als Relativitätstheorie galt die von Hendrik Antoon Lorentz entwickelte Theorie mit jenen Formeln, die dann auch Einstein benutzte. Die Relativitätstheorie von Lorentz war eine Theorie, die sich auf die Existenz des Äthers berief und darauf, dass sich Längen materieller Objekte beim Durchgang durch den Äther verkürzen würden.

Einstein hatte eine Theorie präsentiert, die auf den Äther verzichtet und Veränderungen von Raum und Zeit bei Bewegungen mit hohen Geschwindigkeiten propagierte. Dass Raum und Zeit veränderlich sein sollten, war etwas prinzipiell Neues. Newton und die klassische Physik hatten sie als unabänderliche Gegebenheiten angesehen und in allen mathematischen Formeln und Berechnungen auch so behandelt.

Einstein war also dabei, die klassische Physik und Newton vom Sockel zu stoßen. Da wollte nicht jeder Physiker mitgehen. Eine Bestätigung der Lichtablenkungs-Voraussage durch die Astronomie wäre Einstein daher sehr zu passe gekommen. Was er sich aber zu jener Zeit davon versprach, ist unklar. Seine Berechnung war da ja identisch mit der Berechnung Soldners auf der Basis der Gravitationstheorie Newtons.

Jedenfalls machten sich dann 1914 Erwin Freundlich mit zwei Begleitern und spezifischer Ausrüstung auf den Weg nach Russland. Die Expedition war voller Hoffnung, Einstein bestätigen zu können.

Wenige Tage bevor sich die Sonne verfinsterte zogen aber erneut dunkle Wolken auf und sorgten für eine Verfinsterung der besonders dunklen Art. Der 1. Weltkrieg, an dem gerade die Deutschen alles andere denn unschuldig waren, brach aus. Die kühnen Expeditionsteilnehmer wurden von den Russen in Odessa festgesetzt und so angesichts der mitgeführten Beobachtungsgeräte für einige Wochen unter Spionageverdacht zu Kriegsgefangenen statt zu sonnenfinsternisbeobachtenden Relativitätstheoriebestätigern.

Die Lichtablenkung hätte Freundlich auch ohne Weltkrieg 1914 auf der Krim nicht beobachten können, denn am Tag und in den Minuten der Sonnenfinsternis lag der Bobachtungsort Feodossija in einem Schlechtwettergebiet. Besser dran war eine Expedition der Sternwarte der Technischen Hochschule Berlin, die Norwegen als Beobachtungsland der Sonnenfinsternis von 1914 ausgewählt hatte. Dort herrschte bestes Beobachtungs- und Mess-Wetter, aber die Expedition hatte nicht die Messung der Lichtablenkung zum Gegenstand. Schade.

Hätte sich doch Freundlich nebst seinen speziellen Geräten dieser Gruppe angeschlossen. Wahrscheinlich war es aber für Freundlich, noch mehr für Einstein besser so.

Einstein hatte dann seine Allgemeine Relativitätstheorie vollendet, mit der er auf die Idee mit der variablen Lichtgeschwindigkeit nun verzichtete und statt dessen mit einer Krümmung der Raumzeit operierte. Dabei war er auch zu einer neuen Prognose für die Größe der Lichtablenkung gelangt. Gemäß der Allgemeinen Relativität sollte sie bei Berücksichtigung der Raumzeitkrümmung nun um den Faktor 2 größer sein, also 1''.66 ('' bedeutet Bogensekunden) oder 1''.7 oder 1''.74 oder 1''.75 oder 1''.758 betragen, die Angaben dazu sind unterschiedlich.

Nebenbei: Dass man in verschiedenen Dokumenten oder Büchern tatsächlich unterschiedlichen Zahlenangaben begegnen kann, hat einen sachlichen Grund. In die Berechnung der Lichtablenkung gehen u. a. die Masse der Sonne und der Sonnenradius ein. Je nachdem, wie genau diese Werte in den Enzyklopädien oder anderen benutzten Werken ausgewiesen sind, kann man bei der Berechnung leicht unterschiedliche Werte erhalten. Das betrifft sogar schon den von Einstein ursprünglich errechneten Wert. Er hatte 0''.83 errechnet. Rechnet man mit den heute gültigen und genaueren Werten für Masse und Radius der Sonne, erhält man 0''.875. Der doppelte Wert ist dann 1''75. Dieser wird heute als der ursprünglich von Einstein berechnete Ablenkungswert angesehen.

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