Kitabı oku: «Mehrsprachigkeiten (E-Book)», sayfa 3
2.1 Schreiben mit Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache
In der deutschsprachigen Schreibforschung zu «Schreiben mit Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache» dominiert nach wie vor eine Defizitorientierung, das heisst eine Orientierung an dem, was sprachlich nicht korrekt oder nicht angemessen ist (stellvertretend sei hierzu Jeuk 2013, genannt). Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die Forschung in erster Linie kontrastiv angelegt ist (Marx 2017): Mit Blick auf Deutsch als Zweitsprache werden vor allem L2-Texte mit L1-Texten kontrastiert und so die sprachlichen Aspekte von Texten untersucht, während bezogen auf Schreiben mit Deutsch als Fremdsprache eher Schreibstrategien im Zentrum stehen (vgl. z. B. Sasaki 2000 zum akademischen Schreiben). Dagegen werden in der angloamerikanischen L2-Schreibforschung soziokulturelle Ansätze stärker berücksichtigt, wie Marx (2017, S. 142 f.) hervorhebt.
Darüber hinaus zeigt sich, dass sich die Schwierigkeiten im Schreibprozess bei L2- oder L1-Lernenden nicht grundsätzlich unterscheiden, auch wenn L2-Lernende in der Regel weniger planen oder weniger flüssig schreiben, dafür mehr in das Überführen von Ideen in Sprache investieren und mehr sprachlich überarbeiten, ohne deswegen aber die konzeptuelle Überarbeitung aus dem Blick zu verlieren (Schoonen u. a. 2009). Umso wichtiger ist, dass L2-Schreibende ausreichend Schreibgelegenheiten erhalten, um den schriftlichen Formulierungswortschatz aufbauen und auch rascher abrufen zu können.
Eine Studie von Verheyden u. a. (2012) zu jüngeren L2-Schüler*innen belegt, dass ein Unterricht, der sprachliche Angemessenheit und Korrektheit betont, dazu führt, dass die Schüler*innen zwar akkurater, insgesamt aber weniger komplexe Texte schreiben. Wird dagegen zu Beginn einer Textproduktion im Unterricht die Textebene – Schreibziel, Inhalt und Aufbau – fokussiert und erst später beim sprachformalen Überarbeiten die Akkuratheit, entstehen sowohl zunehmend komplexe als auch zunehmend akkurate Texte. Eine vergleichbare Studie zu älteren Schüler*innen stellt ein Desiderat dar. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Vermittlung von beruflichem Schreiben mit Deutsch als Zweitsprache nicht einseitig sprachformale Aspekte fokussieren sollte, da berufliches Schreiben im Wesentlichen eine Frage der Enkulturation ist.
2.2 Wirksame Fördermassnahmen
Als besonders wirksame Fördermassnahme im Bereich Schreiben hat sich über mehrere Metaanalysen hinweg die sogenannte explizite Vermittlung von Schreibstrategien erwiesen (Schneider u. a. 2013, Kapitel 3). Bei diesem Verfahren wird nicht nur der Textproduktionsprozess portioniert – sofern es sich um komplexere Schreibaufgaben handelt –, sondern die für die «Lösung» der Aufgabe zentralen kognitiven Aktivitäten werden stärker bewusst gemacht (ein Schreibziel generieren, Ideen generieren, auswählen und in eine Reihenfolge bringen, das eigene Schreiben überwachen, evaluieren usw.). Dazu wird in erster Linie das Modellieren eingesetzt: Die Lehrperson führt vor, wie sie eine bestimmte Schreibaufgabe bearbeitet, und denkt dabei gleichzeitig laut, das heisst, sie verbalisiert ihre Überlegungen, Gedanken beim Schreiben.
Dieses Verfahren weist eine grosse Nähe zu cognitive apprenticeship auf: Dabei handelt es sich um eine Lehr-/Lern-Methode, die in der beruflichen Bildung stark verankert ist (z. B. im Pflegebereich). Auch in diesem Förderansatz kommt dem Modellieren eine wichtige Rolle zu (Collins 2005): Die Lehrperson ist Modell, macht vor und begründet dabei ihre Handlungen und Überlegungen so, dass sie für die Lernenden beobachtbar und nachvollziehbar sind. Beim Beobachten bauen die Lernenden ein konzeptuelles Modell der Prozesse auf, das für sie beim anschliessenden Bearbeiten einer eigenen Aufgabe handlungsleitend wird. Während solches Vormachen durch die Lehrperson zu Beginn viel Raum einnehmen kann, lösen die Lernenden ihre Aufgaben zunehmend selbstständiger, übernehmen also immer mehr Verantwortung für ihr Lernen.
Gleichzeitig wird betont, dass cognitive apprenticeship in situiertes Lernen einzubetten sei, dass dabei die (literalen) Praktiken der jeweiligen Gemeinschaft eine zentrale Rolle spielten und die Lernenden als Mitglieder der Gemeinschaft partizipieren sollten: «A critical element in fostering learning is having students carry out tasks and solve problems in an environment that reflects the nature of such tasks in the world» (Collins 2005, S. 52).
In diesem Sinne könnte Schreiben also wie andere berufliche Lerngegenstände auch nach einem sehr ähnlichen Verfahren vermittelt werden.
2.3 Formatives Feedback
Liegt der Fokus auf dem beruflichen Schreiben (und Lesen) als literale Teilhabe, rückt insbesondere für das formative Beurteilen die Frage ins Zentrum, inwiefern es den Lernenden gelingt, ein kommunikatives, inhaltliches, allenfalls auch sprachliches Schreibziel so umzusetzen, dass die intendierte Wirkung erzielt werden kann. Fehlen im Regierapport oder in der Patientenakte wesentliche Informationen, kann dies unter Umständen gravierende Folgen nach sich ziehen.
Damit formatives Feedback eine Wirkung entfalten kann, muss es sich auf das Lernziel beziehen, das den Ausgangspunkt des Lehr-/Lernarrangements bildet (Sturm/Lindauer/Sommer 2018): Feedback, das die kommunikative Funktion in den Blick nimmt, bedarf anderer Arrangements als Feedback, das ausschliesslich die sprachformale Korrektheit fokussiert. Im ersteren Fall sind etwa Arrangements nützlich, in denen die Schreiber*innen beobachten können, wie Leser*innen auf ihre Texte reagieren: Feedback vermischt sich hier gewissermassen mit Instruktion und wird deshalb auch als elaboriertes Feedback bezeichnet (Shute 2008).
Das schliesst nicht aus, dass sprachformale Korrektheit auch bei elaboriertem Feedback eine Rolle spielen kann. Es ist durchaus denkbar, dass in einer Patientenakte beispielsweise falsche Dosierungen angegeben sind: Korrektheit ist in einem solchen Fall nicht bloss eine Konvention, sondern eine Notwendigkeit.
Über die verschiedenen Schulstufen hinweg ist zu beobachten, dass normative Erwartungen der Lehrenden vor allem hinsichtlich sprachformaler Korrektheit zunehmen und teilweise kommunikative oder auch inhaltliche Aspekte überlagern beziehungsweise sogar verdrängen (Boscolo 2012). Entsprechend geht dies mit korrektivem Feedback einher; damit wird aber auch bei den Lernenden die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf Oberflächenmerkmale gelenkt. Sie lernen so zwar, korrektere Texte zu verfassen, nicht aber wirkungsvollere – ein Befund, der Lernende mit Deutsch als Erst-, Zweit- oder Fremdsprache gleichermassen betrifft, wie bereits in Abschnitt 2.1 ausgeführt wurde.
3 Schreiben als Denkwerkzeug
Wie zu Beginn erwähnt, werden Lernjournale bereits in der Primar- oder Sekundarstufe I eingesetzt und kommen besonders in Berufsfachschulen häufig zur Anwendung, oft in Form von Lerndokumentationen. Aber auch andere Formen des schreibenden Lernens sind anzutreffen, so etwa bei Zusammenfassungen, Concept-Maps oder schriftlichen Notizen im Rahmen von Recherchen, Leseaufträgen u. a. Zentrales Ziel dabei ist immer, dass das fachliche Lernen bzw. Lesen unterstützt und vorangebracht wird.
Lernjournale sind Schreibaufgaben, die – so Hübner, Nückles und Renkl (2010) – kognitive wie auch metakognitive Lernstrategien herausfordern und fördern können. Sie werden hauptsächlich nach einer Lektion oder auch nach mehreren zusammenhängenden Lektionen eingesetzt. Wie Hübner u. a. (2010, S. 21) betonen, haben Lernjournale keinen bestimmten Aufbau, da die Lernenden den Gegenstand ihrer Reflexion frei wählen und nach ihrem Gutdünken darstellen sollen. Aus diesem Grund sei eine umfangreiche Einführung in das Führen eines Lernjournals nicht notwendig, insbesondere nicht in Bezug auf die sprachliche Umsetzung.
Damit Lernjournale insgesamt gewinnbringend sind, müssen die Lernenden deren Funktion verstehen und mit geeigneten Impulsen zur Reflexion animiert werden. Ein solcher Impuls kann die Lernenden auffordern, über Beispiele oder Erfahrungen nachzudenken, die den Inhalt der Lektion bestätigen oder auch infrage stellen (Hübner u. a. 2010, S. 23). Vor allem metakognitive Impulse wie «Welche zentralen Aspekte habe ich bereits oder noch nicht verstanden?» wirken sich positiv aus, wie Bangert-Drowns, Hurley und Wilkinson (2004) allgemein für das schreibende Lernen zeigen.
Es sei erwähnt, dass Hübner u. a. (2010) ihre Intervention mit Gymnasiast*innen durchführten, die tendenziell über hohe sprachliche Fähigkeiten verfügen. Es ist damit zu rechnen, dass bei jüngeren Schüler*innen und bei solchen mit eher wenig ausgebauten sprachlichen Fähigkeiten eine umfangreichere Einführung sowie das Vermitteln von Redemitteln, die zu den Impulsen passen, nicht nur sinnvoll, sondern möglicherweise notwendig ist.
Eine Studie zu digitalen Lernjournalen bei Berufsschüler*innen belegt: Digitale Tools führen nicht dazu, dass die Lernenden ausführlichere Reflexionen verfassen; Impulse sind nach wie vor notwendig; vor allem Rückmeldungen durch Supervisor*innen führen zu einer grösseren Akzeptanz und damit auch zu einer intensiveren Nutzung (Mauroux u. a. 2014).
4 Fazit – Lehrende öffnen Türen für Mehr- und Einsprachige
Schreiben im Übergang von der Sekundarstufe I zu weiterführenden Schulen, insbesondere zu Berufsfachschulen, kann als eine Phase der Schreibentwicklung betrachtet werden, in der die literale Enkulturation, das Hineinwachsen in eine berufliche Gemeinschaft mit bestimmten literalen Praktiken eine zentrale Rolle spielen. Wie Lehr- und Lernarrangements gestaltet sein müssen, um diese Enkulturation zu unterstützen, ist eine weitgehend noch offene Frage. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Merkmale einer Gemeinschaft – dazu zählen die Rollen der Mitglieder, die Funktion der Gemeinschaft oder die damit verbundenen prototypischen Schreibsituationen – im Rahmen der Arrangements zu modellieren sind. Das bedingt zunächst eine aktivere Rolle der Lehrperson, indem sie als Modell fungiert, während die Lernenden, unabhängig von ihrem persönlichen sprachlichen Hintergrund, zunächst beobachten, ein kognitives und doch handlungsleitendes Modell aufbauen und zunehmend selbstständiger wie auch zielführender Aufgaben bearbeiten können. Ähnliches gilt für das schreibende Lernen von Ein- und Mehrsprachigen, das nicht isoliert vom beruflichen Kontext zu denken ist.
Literatur
Bangert-Drowns, Robert L.; Hurley, Michael M.; Wilkinson, Barbara (2004). The Effects of School-Based Writing-to-Learn Interventions on Academic Achievement: A Meta-Analysis. Review of Educational Research, 74(1), 29–58.
Bildungsdirektion Kanton Zürich (Hrsg., 2017). Sprachen. Lehrplan für die Volksschule des Kantons Zürich auf der Grundlage des Lehrplans 21. https://zh.lehrplan.ch [11.5.2020].
Boscolo, Pietro (2012). Teacher-Based Writing Research. In: Berninger, Virginia (Hrsg.). Past, Present, and Future Contributions of Cognitive Writing Research to Cognitive Psychology (S. 61–86). New York/London: Psychology Press.
Collins, Allan A. (2005). Cognitive Apprenticeship. In: Sawyer, Roger K. (Hrsg.). The Cambridge Handbook of the Learning Sciences (S. 47–60). New York: Cambridge University Press.
Graham, Suzanne (2018). A Revised Writer(s)-Within-Community Model of Writing. Educational Psychologist, 53(4), 258–279.
Hübner, Sabine R./Nückles, Matthias/Renkl, Alexander (2010). Writing learning journals: Instructional support to overcome learning-strategy deficits. Learning and Instruction, (20), 18–29.
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Jeuk, Stefan (2013). Deutsch als Zweitsprache in der Schule: Grundlagen – Diagnose – Förderung. Lehren und Lernen (2., aktualisierte Auflage). Stuttgart: Kohlhammer.
Marx, Nicole (2017). Schreibende mit nichtdeutscher Familiensprache. In: Becker-Mrotzek, Michael; Grabowski, Joachim; Steinhoff, Torsten (Hrsg.). Forschungshandbuch empirische Schreibdidaktik (S. 139–152). Münster: Waxmann.
Mauroux, Laetitia; Könings, Karen D.; Dehler Zufferey, Jessica; Gurtner, Jean-Luc (2014). Mobile and Online Learning Journal: Effects on Apprentices’ Reflection in Vocational Education and Training. Vocations and Learning, 7(2), 215–239.
Sasaki, Miyuki (2000). Toward an Empirical Model of EFL Writing Processes: An Exploratory Study. Journal of Second Language Writing, 9(3), 259–291.
Schneider, Hansjakob; Becker-Mrotzek, Michael; Sturm, Afra; Jambor-Fahlen, Simone; Neugebauer, Uwe; Efing, Christian; Kernen, Nora (2013). Expertise zur Wirksamkeit von Sprachförderung. Aarau/Köln: Pädagogische Hochschule FHNW, Mercator Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache.
Shute, Valerie J. (2008). Focus on Formative Feedback. Review of Educational Research, 78(1), 153–189.
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Sturm, Afra (2014). Experten- und Novizen-Feedback in der Domäne Schreiben. Leseforum, (3).
Sturm, Afra; Lindauer, Nadja; Sommer, Tim (2018). Rückmelden. Aufgaben- und lernzielbezogenes Feedback. Der Deutschunterricht, (3), 80–91.
Verheyden, Lieve; Van den Branden, Kris; Rijlaarsdam, Gert; Bergh, Huub van den; De Maeijer, Sven (2012). Translation Skills and Trade-Off in Young L2 Learners’ Written Narrations. In: Fayol, Michel; Alamargot, Denis; Berninger, Virgina W. (Hrsg.). Translation of Thought to Written Text While Composing (S. 181–210). New York: Psychology Press.
Mathias Müller und Anja Winkler
Grammatik als Einbahnstrasse am Beispiel der Aufnahme in die Berufsmaturitätsschule
1 Aufnahmeprüfungen und Anforderungen unter der Perspektive Mehrsprachigkeit
Beim Sprachenlernen in der Schule spielt Grammatik fraglos eine wichtige Rolle, auch die Grammatik der Bildungssprache. Die Bedeutung von Grammatik für die Sprachkompetenz Lernender ist nicht nur für den Schulerfolg zentral, ebenso sind Grammatikkompetenzen Eingangstor für weiterführende Bildungs- und Berufswege, etwa für die «Mittlere Reife». Mehrsprachige Schülerinnen und Schüler sind davon noch mehr betroffen, zumal der Fokus im Unterricht nicht auf implizitem Grammatikwissen liegt (DESI-Studie, vgl. DIPF 2006). Mit der Überarbeitung des Lehrplans 21 in der Schweiz richteten sich die Kompetenzanforderungen in der Grammatik und das Lernen des Regelsystems der deutschen Sprache unter dem Titel «Sprache(n) im Fokus» neu aus. Die bisherige und nach wie vor aktuelle Sicht, wie eine Sprache im schulischen Kontext gelernt werden sollte, bietet ein tendenziell homogenes, längst bekanntes Bild: Das implizite prozedurale Grammatikwissen soll gefördert werden. Passende Aufgaben verlangen die konkrete Anwendung unterschiedlicher Facetten. Im nachfolgenden Beispiel (Aufgabe A, die zudem einen seltsam sinnfreien Satz vorgibt) aus der zentralen Aufnahmeprüfung zu den Zürcher Kantonsschulen 2017 müssen die Probandinnen und Probanden Merkmale der grammatikalischen Zeit sowie der Person und Zahl des Verbs erkennen. Sie sollen aus einem einfachen einen mehrteiligen Satz machen und dabei entscheiden, welches der Ausgangswörter produktiv in ein zweites Verb umgewandelt werden kann.
Abbildung 1: Aufgabe A aus der zentralen Aufnahmeprüfung zu den Zürcher Kantonsschulen 2017
Abbildung 2: Aufgaben B aus der Aufnahmeprüfung zur kaufmännischen Berufsmaturitätsschule Weinfelden TG2G
Weniger relevant als implizites, prozedurales Wissen gilt explizites, deklaratives Grammatikwissen, das den automatisierten Sprachgebrauch einschränken kann (vgl. Bredel 2007, S. 24). Lernaufgaben zu explizitem (deklarativem) Grammatikwissen beschreiben Sprache lediglich in ihrem Gerüst oder konzentrieren sich auf das isolierte und vom Sprachgebrauch losgelöste Erkennen. Das zweite Beispiel (Aufgabe B, Abbildung 2) aus der Aufnahmeprüfung 2019 zur kaufmännischen Berufsmaturitätsschule Weinfelden TG zeigt eine Aufgabe, wie sie in Prüfungen häufig vorkommt. Hier müssen Lernende deklaratives Wissen wiedergeben. Die Aufgabe verlangt wenig analytische Kompetenz und geht zudem von einem weitestgehend isolierten Setting aus.
Es ist bekannt: Sprache sollte aktiv verwendet werden, sie sollte produziert werden, denn erst damit werden Aussagen über die eigentliche Sprachkompetenz des Lernenden möglich. Trotz dieser theoretischen und empirischen Befunde fragen die Aufnahmeprüfungen für die Sekundarstufe II (Gymnasium und Berufsmaturität) hartnäckig weiterhin explizites und beschreibendes Wissen ab. Der Grund dafür mag unter anderem darin liegen, dass Grammatikwissen in der Schule gleichgesetzt wird mit Sprachkompetenz und dass auch die Eltern auf einer Prüfung des deklarativen Grammatikwissens bestehen (Müller 2013, S. 465).
Wir stellen im folgenden Beitrag die Ergebnisse einer eigenen Untersuchung vor und fokussieren dabei auf folgende Fragen:
Welche Bedeutung – auch für mehrsprachige Schüler*innen – besitzen Grammatikkenntnisse im Übergang von der Sekundarstufe I in die Berufsmittelschule (Sekundarstufe II)?
Was lässt sich aus den Ergebnissen für den Umgang mit Mehrsprachigkeiten an Berufsfachschulen und Hochschulen ableiten?
Forschungsliteratur, Anforderungen in Lehrplänen und die Aufnahmemodalitäten der drei Kantone Bern, Thurgau und Zürich dienen als Grundlage. Zudem wird der Aufbau der Aufnahmeprüfungen für Gymnasien und Berufsmaturitätsschulen der drei Kantone in den letzten fünf Jahren untersucht.
2 Erwerb Sprachkompetenz – Anforderungen an Schule und Grammatikunterricht
Im Kontext des Sprachlernens beinhaltet Grammatik (Imo 2016) jeweils die Sammlung sämtlicher Wörter einer Sprache (Lexikon) und der Regeln, die festlegen, wie diese Wörter miteinander kombiniert werden können. Dabei spielen insbesondere die Laute, das Wort und die Syntax, die als Zentralbereich der Grammatik gilt, eine zentrale Rolle (Glinz 2003). Diese Bereiche gehören bekanntlich zum klassischen Grammatikunterricht. Aber was bedeuten sie für den Erwerb der Sprachkompetenz? Der Grammatikunterricht hat sich in den letzten fünfzig Jahren gewandelt. Immer mehr wird gefragt, ob «klassischer Grammatikunterricht» dem Entwickeln und Aufbauen von Sprachkompetenz dient. Funke 2014 bilanziert in seinem Bericht, dass herkömmlicher oder klassischer Grammatikunterricht nicht zwingend zu Sprachkompetenz führt, hingegen Sprachreflexion dazu beiträgt, Sprachkompetenz aufzubauen (Funke 2014, S. 436). Sturm und Weder (2016) gelangten zu negativen Befunden in ihren beiden Untersuchungen zum Zusammenhang von traditionellem Grammatikunterricht und den Leistungen schwacher – oftmals auch mehrsprachiger – Schüler*innen.
Kurz: Der herkömmliche klassische Grammatikunterricht fördert schwächere Schüler*innen in ihrem Spracherwerb nicht. Untermauert und bestätigt wird diese Erkenntnis durch die Arbeiten von Maik Philipp, der diverse Studien über die Bedeutung des traditionellen Grammatikunterrichts für das Entwickeln von Schreibkompetenz ausgewertet hat. Philipp hält fest, dass herkömmlicher Unterricht einen negativen Effekt auf den Aufbau von Schreibkompetenz hat (Philipp 2017, S. 62).
Doch was bedeutet Sprachkompetenz, und wie hängt sie mit Sprachreflexion zusammen? Nänny (2014) beschreibt zwei Grammatikkompetenzen, die Grundlage für Sprachkompetenz sind: einerseits die natürliche Grammatikkompetenz, die Fähigkeit, das System einer Sprache sowohl lesend oder hörend als auch schreibend und sprechend zu beherrschen. Andererseits gibt es die analytische Grammatikkompetenz, die es erlaubt, sprachliche Strukturen zu untersuchen, zu analysieren, zu erforschen, zu beschreiben und zu normieren. Demnach ist die natürliche Grammatikkompetenz entscheidend, um eine Sprache anzuwenden. Hierzu teilt die DESI-Studie (DIPF 2006) die Sprachkompetenz in drei hierarchische Niveaus ein:
Die weitgehend unbewusst vorhandene Fähigkeit, die Sprache zu gebrauchen. Sie ist bei DaZ-(Deutsch-als-Zweitsprache-)Lernenden zunächst nur in ihren Herkunftssprachen vorhanden und muss für Deutsch aufgebaut werden beziehungsweise muss sie sich entwickeln.
Die implizite Sprachbewusstheit, die das vorhandene Sprachgefühl beschreibt. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine schemenhaft vorhandene Kompetenz. Jede Bildungssprache wird durch ein unbewusst gelerntes Sprachgefühl aufgebaut. Dieses Sprachgefühl ermöglicht einen gewissen Abgleich mit der zu lernenden Zweitsprache, beziehungsweise unterstützt es die Mehrsprachigkeit in beschränktem Masse.
Die explizite Sprachbewusstheit, das aktive Umgehen mit grammatischen Begrifflichkeiten in funktionaler Verwendung. Dieser Kompetenzbereich ist ein zum Teil bereits aufgebauter Kompetenzbereich, der jedoch keinen direkten Einfluss auf das Sprachgefühl hat.
Aktiver Umgang mit explizitem Wissen (3), also die analytische Grammatikkompetenz, stellt die höchste Anwendungsstufe dar (Bittner 2007; Budde/Riegler/Wiprächtiger-Geppert 2012). Tritt die Sprache erst einmal ins Bewusstsein, können eine Sprachreflexion und damit der Umgang mit explizitem Wissen stattfinden (Neuland/Balsliemke/Steffin 2014). Explizite Sprachbewusstheit meint nicht das Lernen über syntaktische Formen, sondern das Lernen von syntaktischen Formen (Funke/Sieger 2014). Das Lernen syntaktischer Formen muss Ziel des Grammatikunterrichts sein und geschieht, indem Lernende ihre Aufmerksamkeit auf die Sprache selbst richten. Anlässe für vertieftes Nachdenken über Sprache, Sprachen, Sprachgebrauch und Sprachvergleiche ermöglichen dies (Budde u. a. 2012). Dass die implizite Sprachbewusstheit nicht reicht, um in der Gesellschaft zu bestehen, zeigen die festgesetzten Normen und Strukturen der Sprache wie etwa Orthografie und Interpunktion. Vor allem beim Schreiben sind fehlerfreie Texte eine Voraussetzung für die Kommunikation (Portmann-Tselikas 2011). Eisenberg (2013) fragt kritisch, inwieweit das erste und höchste Ziel des Deutschunterrichts (Sprachkompetenz) mit explizitem Grammatikunterricht erreicht wird. Bredel (2007) und Bittner (2011) betonen ebenso, dass Normen – wie etwa die Rechtschreibung – die Handlungsroutine blockieren, was die Entwicklung des impliziten Sprachwissens hemmen kann. Häufig jedoch wird Sprachkompetenz entgegen dem hierarchischen Niveaukonzept der DESI-Studie gelehrt. Offensichtlich ist es einfacher, im Unterricht eine Sprache zu beschreiben, als diese im sprachlichen System von Personen, die ihre zweite, dritte oder sogar vierte Sprache lernen, zu etablieren.
Diese Grundlagen zeigen, dass es sich für die Sprachförderung empfiehlt, weniger auf die explizite als mehr auf die implizite Sprachbewusstheit zu fokussieren. Im Grammatikunterricht sollen Lernende die Struktur der eigenen Sprachhandlung erleben, indem deklaratives grammatisches Wissen höchstens in eigens konstruierten Übungsreihen verwendet wird (Andresen 1987). Lehrmittel genügen diesem Anspruch nicht im notwendigen Ausmass und tragen ihm zu wenig Rechnung. Bereits Eichler (1998) zeigt Lernziele für den Grammatikunterricht, die auf das Kennenlernen und Anwenden der Sprache fokussieren. Die Schülerinnen und Schüler knüpfen an ihre Erfahrungen und Interessen an und untersuchen die Sprache in Zusammenhang mit Kommunikation (Peyer 2014).
Blicken wir zurück auf den inhaltlichen Aufbau der Deutsch-Prüfungen der letzten Jahre (bis 2019), fällt auf, dass neben der schriftlichen Sprachkompetenz in der Sprachprüfung oftmals kein oder nur wenig implizites Sprachgefühl vorhanden sein muss, um bei der Aufnahmeprüfung zu reüssieren. Dies kann zwar als Eintrittsticket für die Sekundarstufe II verlockend wirken, vernachlässigt jedoch, dass in der folgenden Ausbildung erheblich höhere Anforderungen an die implizite Sprachkompetenz erfüllt werden müssen, um zu einem erfolgreichen Abschluss zu gelangen.
Der Lehrplan 21 bezieht diese «neueren» Ansprüche im grossen Rahmen ein. Wie bereits erwähnt, enthält die Sekundarstufe I die Grammatik als Teilbereich «Sprache(n) im Fokus»: Schüler*innen lernen, Grammatikbegriffe für die Analyse von Sprachstrukturen zu verwenden. Sie sollen Sprache erforschen und vergleichen. Demnach wird im Lehrplan 21 Grammatik als Grundlage für das Lesen, Schreiben und Sprechen gesehen und zur Reflexion der Sprache genutzt. Deklaratives beziehungsweise analytisches Wissen dagegen soll zur Analyse von Sprachstrukturen gelernt werden. Dadurch wird ein gewisser Brückenschlag innerhalb der Mehrsprachigkeit(en) möglich, schliesslich vereinfachen verwandte Sprachmuster den Aufbau von Sprachkompetenz. Inwiefern sich dies jedoch auf ein implizites Sprachgefühl positiv auswirkt, ist fraglich.
Wie implizites Sprachgefühl vertieft werden soll, gibt der Rahmenlehrplan nicht vor. Die Kantone haben die Kompetenz, den Lehrplan 21 anzupassen – im Rahmen eines föderalistischen Grundgedankens und des spezifisch mehrsprachigen Profils ihrer Population. Unsere Untersuchung zeigt aber, dass die drei kantonalen Lehrpläne (Bern, Thurgau und Zürich) für die Sekundarstufe I bei den aufgeführten Kompetenzen nur marginal voneinander abweichen.
Die Lehrpläne der Berufsmaturitätsschulen – Sekundarstufe II – ihrerseits fokussieren das überdurchschnittliche Beherrschen einer Sprache und damit die korrekte und kreative Anwendung der Sprache in unterschiedlichen Situationen. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigen Lernende einen differenzierten Wortschatz. Sie müssen grammatikalische und stilistische Korrektheit beachten und rhetorische Mittel gezielt einsetzen, zudem brauchen sie Textsortenwissen. Der Kanton Zürich differenziert und betont, dass auch Problemfälle der Grammatik bekannt sein müssen. Dagegen bleiben die Kantone Bern und Thurgau nahe am Rahmenlehrplan des SBFI (2012). Es lässt sich demnach festhalten, dass die Lehrpläne für die Sekundarstufe II der Berufsbildung auf einen Grammatikunterricht fokussieren, der das Verstehen der Sprache in einen Zusammenhang mit den Erfahrungen und Interessen der Lernenden setzt und in Bezug auf die Kommunikation fördert. Diese Zielsetzungen gehen einher mit dem aktuellen Stand der Didaktik und könnten für die Sekundarstufe I noch detaillierter beschrieben werden.
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