Kitabı oku: «Bei Anruf Callgirl», sayfa 2

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IMMER NUR PROBLEME
EMMA

„Bestnote.“

Michael, der Idiot, trat mit einem triumphierenden Grinsen aus Prof. Kentwells Prüfungszimmer. Er machte eine aggressive Macho-Bewegung mit dem rechten Arm, bei der ich nur dachte: Steck dir den Finger doch in deinen Arsch.

Der Wichser war so arrogant, dass ich für einen Moment glatt Jacob vergaß, was ein verdammtes Wunder war, da ich in den vergangenen drei Monaten pausenlos an ihn gedacht hatte, obwohl ich genau das ausdrücklich vermeiden wollte. Aber für diesen einen noch beschisseneren Moment wanderte Jacob beiseite, denn es war eine absolute, himmelschreiende Scheiß-Unverschämtheit, dass der Hohlkopf die Bestnote bekam. Jeder wusste, dass er sich die Hälfte seiner Buchstabensuppe im Internet zusammengeklaut hatte. Und für die Umformulierungen hatte er garantiert jemanden bezahlt.

Aber der Professor hatte Besseres zu tun, als seiner verdammten Pflicht nachzugehen und seinem Lieblingsstudenten auf die kriminellen Fingerchen zu klopfen. Kentwell stand auf Arschkriecher.

Inzwischen glaubte ich sogar fast, dass der gut gewachsene Lehrkörper, dem das gesamte College nachsagte, dass er die Studentinnen reihenweise flachlegte, in Wirklichkeit schwul war. Wahrscheinlich galt dasselbe für Michael und seine ständigen Aufreißmanöver waren pure Tarnung.

„Glückwunsch“, sagte ich scheinheilig, denn das summa cum laude wünschte ich in diesem speziellen Fall nur mir. Und natürlich Ron, der den Termin nach mir hatte - und schon wieder nicht zur verabredeten Zeit anwesend war. Aber daran konnte ich jetzt auch nichts ändern. Meine eigene Urteilsverkündung stand kurz bevor. Da musste ich jetzt allein durch. Warum auch nicht? Ich war schließlich kein Baby. Und am Ende des Studiums sollte ich so langsam durch die Welt marschieren können, ohne dass mein bester Freund mir ständig das Händchen hielt.

Ich setzte mein strahlendstes Lächeln auf und betrat das Zimmer, in dem Prof. Kentwell mir in wenigen Minuten das Ergebnis meiner Masterthesis mitteilen würde.

Hoffentlich ging das hier so aus, wie ich es mir erträumte und wie ich es verdient hatte! Mit einem summa cum laude würde ich den begehrten Bonus erhalten, der mich über den nächsten Monat brachte, bis ich einen meinen Traumjob gefunden hatte.

Aber vielleicht bot Prof. Kentwell mir ja sogar eine Assistentenstelle an. Als seine studentische Hilfskraft war er mit meiner Arbeitsweise vertraut. Ich wünschte es mir so sehr. Doch ich war auch realistisch. Nachdem der Arschkriecher schon die Bestnote eingesackt hatte, war zumindest der Bonus schon halbiert - wenn Michael sich nicht längst den Assi-Job erschlichen hatte.

Aber damit hätte er doch auch gleich noch herumgeprahlt, oder?

„Guten Tag, Miss Smith.“

Ohne den Kopf zu heben, wies Prof. Kentwell auf den einzelnen Stuhl, der in der Mitte des runden Zimmers stand. Es war ein einfacher Holzstuhl, der mit Sicherheit aus dem Gründungsjahr der Uni stammte und im krassen Gegensatz zu der hochmodernen Rotunde mit den glänzend weißen Wänden und der indirekten Beleuchtung stand.

„Guten Tag, Professor Kentwell”, erwiderte ich und nahm Platz.

Es war ungewohnt, dem Professor hier zu begegnen, und dann auch noch quasi wie auf dem Präsentierteller zu sitzen. Ich fühlte mich wie der rote Fleck auf einer Zielscheibe. Das war gruselig. Wenn ich für Kentwell arbeitete, hielten wir uns stets in seinem kleinen Büro auf. Doch das wurde gerade renoviert. Ich wusste das, weil ich sämtliche siebentausendvierhundertdreiunddreißig Mathebücher in Kartons geräumt und dabei in eine Computerdatei eingegeben hatte. Inklusive Coverfotos, die ich mit meinem Smartphone geschossen hatte.

Kentwell hob nicht mal den Kopf. Er blätterte in meiner Masterarbeit. 50 Seiten reine Mathematik, in einem klassischen blauen Einband. Der von dem Arschkriecher war rot. Ekelhaft. Hauptsache auffallen.

Heute fiel allerdings auch ich mehr auf als sonst.

Auf Tinas dringendes Anraten hatte ich ein Kleid angezogen und hoffte, dass mir mein weibliches Äußeres half. Ich war sogar versucht, die Beine sexy übereinander zu schlagen, aber ich verkniff es mir. Tina würde mich natürlich nachträglich dafür steinigen. Die Bestnote war nämlich nicht nur für den Bonus erforderlich, sondern auch für eine qualifizierte Arbeitsstelle.

„Nun, Miss Smith. Ich weiß, wie sehr Sie die Mathematik lieben. Und, ich muss sagen, die Mathematik liebt Sie. Ich bin in weiten Teilen mit Ihrer Arbeit einverstanden.“

Kentwell hob endlich den Kopf, stutzte kurz und lächelte mir dann zu, während mir die Gesichtszüge entgleisten.

„In weiten Teilen?“, stammelte ich und schlug jetzt doch die Beine übereinander.

Der Professor grinste beinahe unmerklich. „Mit ihren Schlussfolgerungen bin ich nicht ganz einverstanden.“

„Was ist denn mit meinen Schlussfolgerung nicht in Ordnung?“

Ich gab’s ja zu, dass ich gerade bei den Schlussfolgerungen besonders häufig mit den Gedanken bei Jacob gewesen war, aber davon war die Qualität meiner Arbeit unberührt geblieben.

„Ich habe den Eindruck, dass Sie mit den Gedanken nicht ganz bei der Sache waren.”

Oh nein!

„Wie meinen Sie denn das?“

„Ihre Ausführungen wirken fahrig, nicht vollständig durchdacht. Gerade von Ihnen hatte ich mehr erwartet. Dieser Meinung ist übrigens auch der Zweitgutachter. Ich dürfte Ihnen das eigentlich nicht verraten, aber da Sie meine ehemalige Hilfskraft sind und ich stets sehr zufrieden …“

Jetzt war ich doppelt geschockt. Ich schnappte nach Luft, was zu meinem Erschrecken klang wie das Katzentörchen an der Haustür meiner Eltern, wie ein blechernes Klappern. Kentwell hob beide Augenbrauen. Er war mir plötzlich so fremd. Dabei hatte ich doch drei Jahre für ihn gearbeitet.

„Wieso bin ich Ihre ehemalige Hilfskraft?“

„Miss Smith, dass ich das ausgerechnet Ihnen erklären muss. Sobald die Masterthesis beurteilt ist, sind Sie keine Studentin mehr und damit können Sie auch nicht mehr als studentische Hilfskraft für mich arbeiten. In jedem Fall möchte ich mich bei Ihnen für die langjährige, stets zufriedenstellende Zusammenarbeit bedanken. Zugleich möchte ich Ihnen zu einem ganz hervorragenden magna cum laude gratulieren.“

Ich sank in meinem Stuhl zusammen wie ein Luftballon, aus dem die Luft entwich. Magna cum laude. Ernsthaft?

Das war nur die zweitbeste Note.

„Aber Prof. Kentwell …”

„Suchen Sie sich eine schöne, gemütliche Stelle an einer kleinen, gemütlichen Schule auf dem Lande, heiraten Sie, setzen Sie ein paar nette Kinder in die Welt. Dabei wird Ihnen die Mathematik sehr nützlich sein …”

Ich wollte aufspringen, mich auf Kentwell stürzen und ihm die Fresse polieren. Aber ich besann mich. Ich klimperte mit den Wimpern, senkte die Lider, öffnete sie wieder und schaute Kentwell verführerisch an. Außerdem hatte ich in meinem ganzen Leben niemandem die Fresse poliert.

Und an der Endnote kann man gar nichts mehr ändern?, klangen Tinas Worte in meinen Ohren.

„Und an der Endnote kann man gar nichts mehr ändern?“, erklang meine eigene Stimme.

Das war ekelhaft. Wie ich mich schämte! Ich spürte, dass ich knallrot anlief. Ich hätte mir selbst vor die Füße kotzen können. Aber hier ging es um mein Leben. Um meine Zukunft. Die konnte ich mir doch nicht von einem übrig gebliebenen Macho versauen lassen. Oder von einem schwulen Feigling, wie Ron glaubte. Ich musste mich zur Wehr setzen. Meine Arbeit war wirklich sehr gut. Sehr sehr gut. Ich hatte auch sämtliche Vorleistungen mit der allerbesten Note bestanden. Ich konnte ganz objektiv beurteilen, wie gut meine Masterthesis war. Sie war eindeutig besser als die von dem blöden Michael. Darum hätte ich zumindest dieselbe Note verdient wie er. Das war so ungerecht!

„Miss Smith?”

„Ja, Professor?” Ich schürzte die Lippen.

„Haben Sie mir etwa gerade Sex angeboten, damit ich Ihre Note anhebe?“


Wie tief konnte man eigentlich sinken? Jetzt hatte ich mein Studium in meinem absoluten Traumfach abgeschlossen, in dem Fach, in dem meine einzige Begabung lag. Ich war immer fleißig gewesen und hatte alles gegeben. Ich hätte sogar noch mehr gegeben: Mich.

Eiskalt wäre ich mit Kentwell ins Bett gestiegen oder hätte mich über seinen Tisch geworfen und ihm meinen Hintern entgegengestreckt. Alles hätte ich getan. Ich hatte ja sogar demonstrativ an dem Gummirand meiner sexy halterlosen Nylonstrümpfe gezupft. Nicht mal darauf war Kentwell angesprungen. Es war so beschämend. Wahrscheinlich war der Professor wirklich stockschwul.

Ich heulte, wie ich nicht geheult hatte, seit ich vor drei Monaten am Flughafen von Buffalo abgeflogen war. Die Tränen plätscherten mir vor die Füße. Man hätte meinen können, es regnete, was eventuell daran lag, dass es wirklich in Strömen goss. Was auch sonst? Und einen Schirm hatte ich natürlich auch nicht dabei. Wozu brauchte ich auch einen? Mein Leben war eh gelaufen. Meine Karriere als Mathematikerin an einem College war heute den Bach runter gegangen. Und ich weigerte mich, über Alternativen nachzudenken. Alles andere als eine Karriere am College war indiskutabel für mich. Ich hatte doch so darauf hin gearbeitet.

Ich war nur noch ein paar Schritte von Rudy’s Bar entfernt, dem letzten Arbeitsplatz, den ich seit dem unrühmlichen Abschluss meines Studiums noch hatte, als mir klar wurde, dass die Heulerei meine Kontaktlinsen weggeschwemmt hatte. Und jetzt gleich würde ich auch noch Rudy anbetteln müssen, damit er meine Stunden aufstockte.

Noch mehr Arbeit zwischen notgeilen Kerlen, die mir an den Hintern packten. Das heute war der absolute Tiefpunkt in meinem Leben.

„Miss, kann ich Ihnen helfen?“, sprach mich ein Passant an, als ich gerade unter heftigsten Tränen darüber nachdachte, ob das heute Erlebte oder mein Erlebnis mit Jacob schlimmer waren, während ich gleichzeitig in den Untiefen meiner Beuteltasche nach meiner Brille kramte. Ich sah den Passanten wie durch eine von diesen dicken Plastikfolien mit den Bläschen. Hoffentlich kannte der Typ mich nicht von irgendwoher. Wenn ich noch mehr Pech hatte, war er einer von Rudy’s Gästen.

„Nein”, jaulte ich auf und drehte mich schnell weg. Wo zum Teufel war denn meine Brille? Wenn ich die jetzt auch noch zu Hause vergessen hatte.

„Sind Sie sicher? Tut Ihnen etwas weh? Hat Ihr Freund Sie verlassen?“

„Ich habe gerade mein Studium abgeschlossen. Mit der zweitbesten Note“, heulte ich.

„Meinen Glückwunsch!“

„Mit der zweitbesten Note bekommt man aber keinen Job am College!“ Ich schlug nach der Hand, die sich auf meinen Arm gelegt hatte. Als ich das nächste Mal in die Tasche eintauchte, erwischte ich die Brille.

„Sorry! Ich wollte nur nett sein. Vielleicht sehen Sie das Ganze momentan ein wenig zu schwarz. Ich verstehe, dass Sie aufgebracht sind, aber schlafen Sie doch erst einmal darüber. Sie werden sehen: Morgen ...“

„Ja, Sie haben recht. Danke für die Aufmunterung”, keifte ich den Mann an. Mir war egal, ob er in mir leichte Beute sah, die er erst trösten und dann ficken konnte oder ob er nur nett sein wollte. Ich setzte mir meine Brille auf und stob davon.

Darüber schlafen, dass ich die Uni bloß mit der zweitbesten Note beendet hatte … Das brauchte ich nicht. Wozu? The winner takes it all. Das war die traurige Tatsache. Das Studium lag hinter mir und ich hatte nur noch die Bar, die ich durch den Haupteingang betreten musste, denn dummerweise besaß ich als Aushilfe natürlich auch keinen Schlüssel für den Angestellteneingang.

Mit gesenktem Kopf schlich ich in die Bar. Meine Schicht begann in weniger als fünf Minuten und ich musste unbedingt vorher mit Rudy sprechen. Denn auch, wenn mir danach war, so würde ich mich nicht vom World Trade Center stürzen. Als Tochter eines Pfarrers warf man sein Leben nicht einfach weg. Auch nicht, wenn alles, wofür man je gearbeitet hatte, in sich zusammenfiel.

Doch Rudy war nicht da. Er stand nicht wie sonst hinter der Theke, und er war auch nicht hinten, um irgendetwas zu holen, was vorn fehlte.

„Ich habe keine Ahnung. Wir wundern uns alle, wo er bleibt“, sagte Kelly, als ich sie nach Rudy fragte. Die dralle Rothaarige war eine von den Kolleginnen, die ich nur selten zu Gesicht bekam, da sie normalerweise die Spätschicht übernahm.

„Hat Rudy dich denn nicht angerufen, damit du früher anfängst?“ Ich wich ihrem durchdringenden Blick aus. Bestimmt hatte sie die rot unterlaufenen Augen hinter meinen dicken, beschlagenen Brillengläsern längst gesehen. Bestimmt? Ganz sicher! Die Frau war ja nicht blind.

„Er hat mich gestern Abend gefragt. Übrigens“, Kelly nickte in Richtung des Eingangs, „Da kommt dein Freund.“

Ron! Endlich! Erst in dem Augenblick wurde mir klar, dass mein Freund nicht vor dem Rundzimmer gestanden hatte, als ich dort hinaus gerast war. Ach, du Scheiße! Er hatte den Termin nach mir gehabt.

Doch nicht deswegen hatte ich ihn tausendmal nach meinem Termin bei Kentwell angerufen, sondern wegen mir. Ron hatte mich immer weggedrückt. Genau wie Tina, die ich auch ständig zu erreichen versucht hatte. Rons Augen waren noch roter als meine.

„Emma“, schluchzte er und schlang seine Arme um meinen Hals, wobei er mich gleichzeitig in eine dunkle Ecke der Bar zerrte. „Jonathan hat mich verlassen.“

Oh Gott!

Ich sank auf einen halbrunden Vorsprung, der aus der Mauer kam und von vielen Gästen als Sitzfläche missbraucht wurde. Ron kletterte mir beinahe auf den Schoß.

„Er hat einfach seinen Koffer gepackt und ist gegangen. Er hat gesagt, er kann das nicht. Dabei hat er es mir hoch und heilig versprochen! Und ich habe zu ihm gesagt: Wenn du jetzt allein durch diese Tür gehst, dann ist es für immer! Wie du meinst, hat Jonathan gesagt und die Tür hinter sich zugeknallt. Ich bin ihm natürlich hinterher, doch er hat mich angeschrien, dass er mich nie wiedersehen will. Du hättest seine Augen sehen sollen. Sie waren voller Hass.“

Dieser Tag war wirklich kaum noch zu toppen. Fehlte bloß noch, dass auch über Tina der Himmel eingestürzt war. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, dass das durchaus sein konnte. Bei dem Glück, das unsere kleine Wahlfamilie hatte!

Ich wäre mir schäbig vorgekommen, wenn ich meinem besten Freund jetzt noch von meinem Problem oder von einem eventuellen Problem Tinas vorgeheult hätte. Ron war am Boden zerstört. Wie sich nach mehrmaligem Nachfragen meinerseits herausstellte, war Jonathan allein zur goldenen Hochzeit seiner Eltern gefahren, obwohl die beiden eigentlich morgen, nachdem Ron seine Abschlussnote erfahren hatte, gemeinsam fahren wollten.

„Was ist denn mit deiner Abschlussnote? Du bist doch bei Prof. Kentwell gewesen?“

Ron schaute mich verständnislos aus seinen verheulten, rot geränderten Augen an.

„Du hattest heute einen Termin in der Uni.“

„Glaubst du, mich interessiert jetzt noch mein Studium? Jonathan war mein Leben. Und jetzt ist er weg! Ich muss mit Rudy sprechen. Nein, sag du ihm, dass ich heute nicht arbeiten kann, Emma. Ich muss hinter Jonathan her.“

Mit diesen Worten rannte Ron aus der Bar. Nicht nur ich sah ihm mit aufgeklapptem Mund nach.

„Wo will der denn jetzt hin?“, fragte Kelly panisch.

„Liebeskummer”, sagte ich matt.

„Na super. Dann hänge ich mich jetzt ans Telefon, um Ersatz für ihn zu beschaffen. Drück mir die Daumen, dass ich damit erfolgreich bin, denn sonst können wir die After Work Party, die gleich hier startet, allein stemmen.“

In dem Moment betraten zwei Pärchen die Bar. Obwohl das Licht schummrig war, erkannte ich gleich, um wen es sich bei den vier Personen handelte.

Nein ...

Nicht auch noch die.

Das war eindeutig zu viel für mich. Mein Maß für heute war voll. Ich duckte mich und verließ die Bar durch den Angestelltenausgang. Sally, Thea und ihren beiden Männern konnte ich unmöglich gegenübertreten. Da verlor ich lieber auch noch meinen letzten Job.


Wer behauptete eigentlich, Mathematikerinnen würden logisch denken und mit dem Kopf? Der- oder diejenige hatte mich noch nicht kennengelernt. Ich rannte wie ein geschlachtetes Huhn über die 121. Straße und zermarterte mir abwechselnd das Gehirn, ob ich nicht doch zu blöde war für die Mathematik und darum nur die zweitbeste Note verdient hatte. Oder ob ich selbst zu blöde war, um einen einfachen Job als Aushilfe in einer Bar zu behalten.

„Mein Leben ist gelaufen“, heulte ich und sprang Tina an den Hals.

„Aber Süße ...“

Tina arbeitete immer noch in der Escort-Agentur. Doch seit sie diese Riesenkugel vor sich her schob, machte sie meistens Bürodienst, denn Männer, die so schräg drauf waren, dass sie für eine Nacht mit einer Schwangeren ein Vermögen ausgaben, waren rar gesät. Abgesehen davon war Tina dafür noch nicht schwanger genug. Diese Nische zahlte sich erst im letzten Monat der Schwangerschaft aus.

„Ich bin so doof“, heulte ich und schüttele Tina tränenreich mein Herz aus. Angefangen von dem Masterarbeit-Desaster und der Tatsache, dass meine beiden Studentenjobs jetzt flöten waren, bis hin zu der Tatsache, dass ich gerade auch noch meinen Barjob geschmissen hatte.

„Aber was ist denn passiert, Süße? Warum musstest du denn aus der Bar fliehen, obwohl du doch jetzt eigentlich mehr Stunden dort arbeiten müsstest?“

Tina streichelte mir den Rücken und gab mir kleine Küsse ins Haar, was mich noch mehr heulen ließ, da die zärtlichen Gesten mich jetzt auch noch an Jacob erinnerten. Das war nämlich fast noch das Schlimmste an der ganzen Geschichte: In der Zwischenzeit hatte ich fast vergessen, dass dieser Mann nicht ganz richtig tickte mit seiner Callgirl-Bucherei. Jetzt liebte ich ihn nur noch.

„Nun beruhige dich mal wieder. Das ist doch alles halb so schlimm“, redete meine Freundin mit Engelszungen auf mich ein. „Du gehst jetzt ins Bad, wäschst dein Gesicht und dann rufst du Rudy an.“

„Aber Rudy ist doch gar nicht da.“

„Umso besser. Dann hat dein Boss noch nichts bemerkt. Sprich mit einem Kollegen. Am besten mit einem männlichen. Die sind sowieso verständnisvoller.“

„Es ist doch nur Kelly da. Was soll ich der Armen denn erzählen? Dass ich die Freunde von deinem Ex-Kunden gesehen habe, in den ich mich unsterblich verliebt habe? Kelly muss die ganze After Work Party allein schmeißen. Ich habe sie im Stich gelassen.“

Schon wieder strömte literweise Tränenflüssigkeit aus mir heraus. Meine Nase fühlte sich an, als hätte sie die Ausmaße einer riesigen Folienkartoffel.

„Du hast aber auch gar keine bösen Ideen“, schimpfte Tina mich scherzhaft aus. „Du sagst, dass du plötzlich eine flotten Heinrich bekommen hast und die Waschräume der Bar nicht versauen wolltest. Sowas leuchtet jedem ein.“

„Flotter Heinrich?“

„Durchfall, du Dummerchen.“

„Ich schäme mich so, dass ich mich so gehen lasse. Dabei ist Ron doch viel schlimmer dran als ich.“

„Der hat auch ein Problem? Meine Güte, da ist ja was los bei euch.“

Das von Ron wusste Tina noch nicht, und ich klärte Tina, die ja eigentlich genug eigene Probleme hatte, aber wenigstens kein neu dazu gekommenes, auch über das Problem unseres Freundes mit seinem Freund Jonathan auf.

„Ron soll sich mal nicht so künstlich aufregen. Das gibt sich doch wieder. Jonathan ist einfach noch nicht bereit für ein Coming-out vor seiner Familie“, meinte Tina gelassen.

Seit sie sich gegen die Abtreibung und für das Baby entschieden hatte, war Tina sowieso die Gelassenheit in Person. Sie hatte die letzten grünen Brocken ins Klo gespuckt und bereitete sich seitdem auf ihre Rolle als Mutter vor.

„Ich bewundere dich so sehr, Tina“, jaulte ich.

„Mann, Emma, jeder Mensch hat ein Recht darauf, sich auszuheulen, wenn es ihm schlecht geht! Deine Probleme sind auf jeden Fall ernster als die von Ron, die sich, glaube mir, ga-ran-tiert in Luft auflösen werden. Gib mir dein Handy, dann ruf ich für dich in der Bar an. Ich regele das.“

„Das willst du wirklich für mich tun?“

„Hast du vergessen, was du alles für mich getan hast, Mutter Theresa?“

„Aber das war doch selbstverständlich.“

„Und was glaubst du, was das ist, was ich jetzt für dich tue?”

Tina riss mir mein Handy aus der Hand und rief in der Bar an.

Während sie mit Rudy, der inzwischen in der Bar aufgetaucht war, herumalberte, dass ich angeblich bereits mit dem Klo verwachsen wäre, stopfte ich mir zur Beruhigung Tinas Kekse rein. Es waren selbst gebackene. Seit Tina sich auf ihre Mutterrolle vorbereitete, kochte und buk sie andauernd.

„So, meine Süße, Kelly hat zwei deiner Kollegen erreicht und dein Job ist gerettet. Du kannst so viele Stunden machen wie du willst, hat Rudy gesagt. Du gehst morgen einfach pünktlich zur Arbeit und gut ist.”

Ich verschlang Tinas letzten Keks und warf mich ihr wieder an den Hals. „Danke, Tina, danke! Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun sollte!“

„Jetzt krieg dich mal wieder ein. Und die zweitbeste Note zu bekommen ist auch kein Verbrechen. Ich wäre froh, wenn ich überhaupt einen Abschluss hätte. Irgendjemand wird dich schon einstellen. Und warum willst du überhaupt unbedingt an ein College? Das hattest du doch jetzt wohl lang genug, um zu wissen, dass da auch bloß Idioten rumlaufen.“

Tina hatte ja irgendwie recht. Ich schniefte trotzdem furchterregend.

„Kannst du mal einen Moment aufhören mit der Heulerei? Hier ruft ein Kunde an.”

„Ja, sofort“, heulte ich.

„Ich meine es ernst.“ Tina hielt den Hörer bereits in der Hand.

„Was ist?“, fragte ich bibbernd. In Tinas Augen stand plötzlich so ein komisches Glitzern und sie blies die Backen auf wie zwei Ballons.

„Die Nummer kenne ich.“

„Wenn es der Vater deines Kindes ist, das Schwein, dann gib mir das Telefon“, platzte ich heraus, bereit für die Rechte meiner Freundin und ihres Kindes zu kämpfen.

Tina schüttelte den Kopf und legte ihren Zeigefinger auf die Lippen, damit ich die Klappe hielt. Sie drückte sich den Hörer ans Ohr.

„Agentur Florence. Mein Name ist Charlene. Was kann ich für Sie tun, Sir?”

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