Kitabı oku: «Equinox», sayfa 3

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Jason strahlte übers ganze Gesicht.

»Willst Du uns nicht wenigstens noch vorstellen, ehe wir heute Abend gemeinsam ausgehen?«, fragte sie mich noch und schaute abwechselnd mich und Robert unverhohlen neugierig an.

»Ja«, kam mir Robert zuvor und lachte. »Wie unhöflich. Also, ich bin Robert Lender. Ihr seid …?« Er schaute erst zu Theresa und danach zu Jason.

»Theresa.«

»Und?«

»Jason.«

»Sehr erfreut«, meinte Robert schmunzelnd; offensichtlich fand er es genauso amüsant wie ich, dass die beiden sich aufgrund ihrer Überraschung nur mit Vornamen vorstellten und ziemlich einsilbig waren. Dabei wusste ich, dass Theresa und Jason normalerweise alles andere, nur nicht wortkarg und zurückhaltend waren.

»Ebenso! Also, bis später dann«, erwiderte Theresa formvollendet und zog Jason mit sich. Es fehlte bloß, sie macht noch einen Knicks, schoss es mir durch den Kopf. Beim Gedanken daran musste ich leise lachen.

»Was?«, fragte Robert amüsiert.

»Nichts von Bedeutung.«

»Schade, ich hätte gern mitgelacht! Wollen wir?«

6

Als wir wenig später aus dem Institutsgebäude traten, regnete es nicht mehr. Die Wolken hatten sich aufgelockert und hier und da blitzten erste Sonnenstrahlen hervor. Unglaublich, das Wetter passte sich meiner Stimmung an!

Wir fanden schnell ein kleines Café und dieses Mal saßen wir auf der gleichen Couch, einander zugewandt, ohne auch nur einmal den Blick voneinander lösen.

»Ich bin so froh, Dich wiedergefunden zu haben. Ich habe seit Samstag wirklich geglaubt, dass es das jetzt war. Ein drittes Mal würde ich dich in dieser großen Stadt bestimmt nicht wieder treffen, war ich mir sicher. Von so viel Glück hätte ich nicht einmal zu träumen gewagt.«

So, wie Robert mir sein Herz offenlegte, bestand für mich kein Zweifel daran, dass er es nicht auch so meinen könnte. Ein Teil von mir aber appellierte ohne Unterlass: Komm, das ist nicht real. Du wachst sowieso gleich auf. Verlier dich nicht schon wieder in deinen Tagträumen! Doch es gelang mir recht mühelos, diesen Teil einfach auszuschalten.

Ich lächelte Robert an, ohne Angst, mich verstellen oder ein Spiel mit ihm spielen zu müssen, um mich interessanter für ihn zu machen. Das alles brauchte ich nicht. Ich fühlte, dass ich in seiner Gegenwart einfach nur ich selbst sein konnte.

»Ich hatte auch Angst, dich nie wieder zu sehen«, gestand ich ihm ehrlich.

Robert nahm wieder meine beiden Hände in seine und sagte mit belegter Stimme: »Uns kann ab jetzt nichts mehr trennen! Auch wenn wir einmal nicht direkt beieinander sein können, werden wir doch zusammen sein. Das verspreche ich dir!«

»… so du nicht schon vergeben bist oder mich gar nicht an deiner Seite willst«, fügte er vorsichtig und mit einer plötzlich ganz unsicher wirkenden Klangfarbe hinzu.

Den zweiten Teil nahm ich gar nicht wahr. Ich hörte nur auf diese unverhoffte, völlig überraschende und mir so unglaublich aus der Seele sprechende Erklärung Roberts. Das war die einzige Wahrheit, die auch für mich zählte, dessen war ich mir sofort so sicher und bewusst, dass ich nur stumm nicken konnte.

So fühlte sich das Glück an!

»Nachdem ich mit der Tür quasi schon ins Haus gefallen bin, möchte ich mich wenigstens erst einmal noch förmlich vorstellen«, sagte Robert nach einer Weile neckend und galant zugleich und verneigte sich aus lauter Übermut leicht. Ich musste schmunzeln über diese gespielt galante Art. »Mein Name ist Robert Geoffrey Lender, ich bin 27 Jahre alt und ab heute gehöre ich Ihnen, meine Liebe.«

Ich lachte. Er war vielleicht witzig. Das konnte er doch unmöglich so meinen! Oder doch?

»Das hoffe ich doch!«, antwortete ich jedenfalls mitspielend und spürte, wie leicht und unbeschwert mich seine Nähe machte.

Nachdem seit unserem ersten Treffen vor genau einer Woche unter den alten Bäumen am Ende der Straße die Zeit nur unendlich zäh und schwerfällig vergangen war, hatte ich plötzlich den Eindruck, als würde sie nun versuchen, mit doppelter Geschwindigkeit zu eilen. Die Zeiger der Uhr an der Wand im Café liefen unermüdlich vorwärts und es schien nur Augenblicke später, da war es schon höchste Zeit, zur Moritzbastei, einem Veranstaltungszentrum im einzigen erhaltenen Teil der ehemaligen Stadtbefestigung Leipzigs, aufzubrechen. Ich war noch nie zuvor in der Moritzbastei, wusste aber, dass es ein beliebter Studententreffpunkt war. Außerdem freute ich mich auf den Abend mit Robert und hoffte, dass der Trubel dort nicht allzu groß war, damit sich genügend Freiraum fand, mich weiter mit ihm zu unterhalten. Er half mir in die Jacke und wenig später liefen wir nebeneinander her, händchenhaltend, und holten nach, was man eigentlich zuerst macht, bevor man sich seine Zuneigung gesteht. Wir erzählten uns unser Leben im Kurzabriss, begierig, den anderen immer näher kennenzulernen.

»Wo bist du aufgewachsen? Wann wurdest du geboren und wo? Hast du Geschwister? Wie sind deine Eltern? Was tust du gern? Was isst du gern? Was willst du unbedingt mal tun …?«, Robert überschlug sich fast vor Euphorie.

»Langsam, langsam! Das kann ich unmöglich alles auf einmal beantworten!«, lachte ich.

»Ich will aber alles wissen! Du darfst dir allerdings die Reihenfolge aussuchen«, neckte er mich gönnerhaft.

»Ein Glück!«, gab ich lächelnd zurück.

»Also? Nun fang schon an!«, drängelte Robert ungeduldig.

»Ja, ja. Es geht ja schon los«, sagte ich amüsiert. »Geboren wurde ich am siebzehnten Februar neunzehnhunderteinundneunzig in Hainstadt.«

»Wo?«

»Hainstadt bei Weimar in Thüringen. Das ist so winzig, wie es klingt. Aber es ist eine nette, ruhige kleine Stadt und war gut geeignet, um eine sorgenfreie, behütete Kindheit zu verbringen. Ich habe einen kleinen Bruder, der mittlerweile schon große neunzehn ist. Meine Eltern sind liebenswert und ich zähle sie zu meinen besten Freunden. Meine Familie ist mir ohnehin außerordentlich wichtig. Ich habe seit einundzwanzig Jahren schon die gleiche beste Freundin, die gleichzeitig auch meine Cousine ist und mit der ich jetzt hier übrigens auch zusammenwohne. Ich bin ein Bücherwurm, das hast du ja schon herausbekommen. Ich zeichne manchmal auch ein wenig und … Fehlt noch was?«

»Ja, was isst du gern?«

»Da bin ich vielseitig. Ich liebe Kochen, auch wenn das altbacken klingt, vor allem, wenn ich nicht nur für mich allein kochen muss«, ich lächelte Robert vielsagend an und hoffte, er verstand die Einladung auch als solche.

»Ich freue mich schon!«, sagte er leise. Es erstaunte mich, wie gut er mich zu verstehen schien. Es war ihm ohne Mühe möglich, bei mir auch zwischen den Zeilen zu lesen. Das beeindruckte mich zugegebenermaßen.

»Was willst du unbedingt mal tun? Das fehlt auch noch.«

»Mmmh, ich glaube, ich würde gern mal um die Welt reisen, um so viel wie möglich von der Welt zu sehen.«

»Das klingt doch realisierbar!«

»So, fertig. Und nun du!«, sagte ich und schaute ihn mit großen Augen auffordernd an. Ich gebe zu, ich war mindestens genauso neugierig, wie er bei mir und wollte mindestens alles von ihm wissen und noch viel mehr!

»Okay, nun also ich. Ich wurde geboren in Berlin und zwar am dreiundzwanzigsten September neunzehnhundertfünfundachtzig. Ich bin bei meiner Mutter und meinen Großeltern aufgewachsen. Mein Vater ist Engländer, er war in den achtziger Jahren eine Zeit lang als Biologe an der Humboldt-Universität in Berlin tätig, aber meine Eltern haben sich noch vor meiner Geburt getrennt, denn mein Vater musste nach England zurück und meine Mutter durfte nicht mit ihm gehen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sie es überhaupt gewollt hätte, denn sie spricht nie bedauernd über die Trennung. Wahrscheinlich wollte sie es einfach auch nicht. Das geschah alles noch zu Ostblockzeiten und daher war es sowieso schwierig für die beiden, eine Beziehung zu führen. Meine Eltern haben jedoch immer noch ein freundschaftliches Verhältnis miteinander. Meine Ferien habe ich als Kind nach dem Mauerfall eigentlich immer bei meinem Vater und meinen englischen Großeltern verbracht. Ich habe einen Halbbruder, denn mein Vater hat wenige Jahre nach meiner Geburt in England geheiratet. Wir verstehen uns prima, er ist vierundzwanzig und Biologe wie unser Vater. Ach ja, und ich komme mit auf deiner Reise um die Welt!«

Ich atmete scharf ein und betrachtete ihn ehrlich verwundert. Robert verstand es, mich zu überraschen. Er drückte verschwörerisch meine Hand. Wir lachten gemeinsam und das fühlte sich wirklich gut an.

Schneller als erwartet kamen wir an der Moritzbastei an und stürzten uns ins vor Erwartung schnatternde Getümmel. Das Konzert hatte noch nicht begonnen. Theresa und Jason konnte ich nirgends entdecken. Ich machte mir jedoch auch nicht die Mühe, sie intensiv zu suchen.

»Was willst du trinken?«, frage Robert und schickte sich an, Getränke für uns zu holen.

»Eine Cola. Danke.«

Wir nahmen unsere Gläser und fanden einen kleinen, etwas ruhigeren Platz auf einer winzigen Empore, die über eine schmale Treppe zu erreichen war und den Blick nur teilweise auf die Bühne freigab. Die meisten Leute drängten sich direkt vor der Bühne. Ich war froh, dort nicht stehen zu müssen, denn so hätten wir uns nicht unterhalten können und wären wohl auch nur herumgeschubst worden. Dieses kleine Separee war genau richtig und andere Personen wollten sich uns durch die eingeschränkte Sicht auch nicht anschließen.

So warteten wir, leicht aneinander gelehnt, auf den Beginn des Konzertes. Seine Nähe war unglaublich schön. Ich spürte Roberts Wärme, wohltuend, vertraut, als würden wir schon immer so stehen. Gleichzeitig war alles völlig neu und aufregend für mich. Meine Gefühle waren völlig durcheinander und ich wusste kaum, wie ich sie bändigen sollte. Aber musste ich das überhaupt? Mit einem beseelten Lächeln schmiegte ich mich ein wenig enger an Robert und schaute mir das lebendige Geschehen zu unseren Füßen an.

Alluvial Forest, eine lokale Band, enterte gerade unter tosendem Beifall und Gejohle des Publikums die Bühne, als ich ziemlich genau unter uns Jason und Theresa entdeckte, die sich suchend umschauten. Als Theresa nach oben blickte, winkte ich ihr zu. Sie zupfte Jason am Ärmel und deutete auf mich und Robert. Jason winkte und deutete mir mit einer Handbewegung Richtung Bar an, dass die beiden zunächst etwas trinken wollten.

Das gefiel mir, denn so hatte ich weiterhin Zeit nur mit Robert allein.

Musik und Show von Alluvial Forest schienen richtig gut zu sein, denn die Leute unter uns rockten ordentlich und es sah aus, als schauten wir in einen überschäumenden Hexenkessel. Ich konnte mich jedoch überhaupt nicht darauf konzentrieren, denn meine ganze Aufmerksamkeit galt nur Robert.

»Solange die hier spielen, kommen wir nicht weg«, rief er mir plötzlich ins Ohr. Er hatte Recht, unsere Treppe führte direkt ins Innere des Hexenkessels.

Er fasste mich bei den Schultern und drehte mich langsam um, bis wir uns gegenüberstanden. Mit einem Blick aus flüssigem dunkelgrünem Samt schaute er mich an und strich langsam mit seiner rechten Hand über meine Schläfe hin zu meiner Wange, bis sie sanft mein Kinn umfasste und mein Gesicht behutsam anhob. Dann spürte ich nur noch seine Lippen weich und zärtlich auf meinen und versank vollends in diesem Gefühl unseres ersten Kusses. Die Welt um mich herum wurde ganz still. Das begeisterte Getöse der Menge, die energiegeladene Band auf der Bühne, die Musik aus den Lautsprechern direkt neben uns. Alles war lautlos geworden Ich konnte unsere beiden Herzen schlagen hören und spürte, wie sein Atem mir leicht übers Gesicht strich. Er küsste mich gefühlvoll und langsam, ohne Drängen und kostete diesen zauberhaften Moment ebenso aus wie ich. Ich vergrub meine Hände in seinen dunklen Haaren und hoffte, die Magie dieses Augenblicks möge für immer anhalten.

Mitten in unserer ganz eigenen Stille tickte plötzlich eine Uhr. Sie tickte laut vernehmlich und ärgerlich störend.

Wir lösten uns abrupt und unwillig über dieses jähe Ende voneinander und schauten uns überrascht an. Schlagartig war das Ticken vorbei. Die Musik und die laut tobende Menge brachen wie haushohe Wellen über uns zusammen.

»Hast Du das gehört?«, brüllte ich Robert gegen die Lautstärke ankämpfend total verwundert ins Ohr.

»Du hast auch eine Uhr gehört?«, rief er ebenso verblüfft zurück.

Wir schauten uns um, konnten aber nichts finden, dass ein so lautes Ticken erklären könnte.

»Vielleicht haben die«, und ich deutete nach vorn zur Bühne, »gerade ein Metronom in Gang gesetzt.«

»Ich sehe keins«, antwortete Robert und zuckte mit den Schultern.

»Eigenartig!«, entfuhr es uns beiden. Irgendein Geräusch musste sich in unsere Versunkenheit geschlichen haben. Wir kümmerten uns nicht weiter darum. Auch wenn ich es sehr schade fand, dass unser Kuss so unvermittelt unterbrochen wurde. Vorsichtig strich ich mit dem Zeigefinger über meine Lippen und hoffte heimlich, dass Robert mich später erneut küssen würde, ohne Störung! Denn dieses überwältigende Gefühl wollte ich so schnell wie möglich wieder erleben.

Robert legte den Arm um mich und ich schmiegte mich an ihn. So verfolgten wir den Rest des Konzerts. Nach der dritten Zugabe verließ die Band die Bühne rasch, denn es sollten im Anschluss noch Midnight Ego aus Berlin spielen und so wie es aussah, mussten die Rowdies für den Hauptact noch ein wenig umbauen.

Wir stiegen von unserer kleinen Empore herab und trafen Jason und Theresa im angeregten Gespräch mit der hübschen Schlagzeugerin von Alluvial Forest an der Bar sitzend. Die Musikerin musste ungefähr in unserem Alter sein. Und hübsch war sie wirklich. Braune, halblange Haare, ein feenhaft zartes Gesicht, ein verschmitztes Lächeln mit Grübchen auf den Wangen. Gekleidet war sie noch in ihrem Bühnenoutfit mit einem tollen, engen Lederkorsett, knallroten Jeans und High Heels, bei denen mir schon beim Hinsehen schwindelig wurde.

Als die drei uns sahen, winkten sie uns heran und schoben uns zwei Barhocker zu.

»Nochmal Cola?«, fragte mich Robert. Ich nickte und kletterte auf den hohen Stuhl.

»Kennt ihr Euch schon lange?«

»Warum hast du nichts von Deinem Freund erzählt?«

»Du hättest doch sagen können, dass Du heute Abend lieber zu zweit kommen willst.«

Jason und Theresa überschütteten mich mal wieder gemeinsam mit ihren Fragen. Daran hatte ich mich schon gewöhnt.

»Also, nein, wir kennen uns noch nicht lange. Genau genommen erst seit einer Woche. Außerdem wusste ich gar nicht, dass ich ihn heute hier wieder treffen würde. Und Freund, naja, das weiß ich noch nicht so richtig …«, versuchte ich irgendwie allen Fragen gerecht zu werden, ohne aber zu viel preisgeben zu müssen.

»Ich weiß das schon. Ich habe nicht vor, dich wieder gehen zu lassen. Und damit wäre ich ja dein Freund … wenn du nichts dagegen hast.« Ich drehte mich überrascht um. Robert war schon wieder mit den Getränken zurück und hatte unserer Unterhaltung hinter mir stehend gelauscht. Nun grinste er mich schelmisch an.

Ich wurde purpurrot und schüttelte den Kopf. Natürlich hatte ich nichts dagegen!

Er grinste nun, als hätte er den ersten Preis gewonnen und die anderen lachten.

»Das ist übrigens Charlotte. Charlotte, Elisabeth und Robert.« stellte uns Theresa vor und rettete mich damit dankbarerweise aus meiner Verlegenheit.

»Hi, einfach Charlie.« Charlotte gab uns nacheinander die Hand.

»Hallo, schön dich kennenzulernen«, antwortete ich händeschüttelnd und staunte, wie Theresa es wohl schon wieder geschafft hatte, Kontakt zu Charlotte zu knüpfen. Die beiden gingen miteinander um, als würden sie sich schon ewig kennen.

»Hi, Charlie«, sagte auch Robert.

»Wir sind zusammen zur Schule gegangen«, erklärte Theresa meine nur gedachte Frage beantwortend und fügte hinzu: »Damals, als wir noch jung und knackig waren.«

»Nun sind wir nur noch knackig«, lachte Charlotte unbefangen los und alle mussten einstimmen.

»Ihr wart echt gut!«, sagte Robert und ich nickte zustimmend.

»Danke!«, meinte Charlie und fragte: »Bleibt ihr noch bei Midnight Ego? Es scheint gleich los zu gehen. Die sind auch richtig gut. Naja, nicht sooo gut wie wir, aber immerhin.« Wieder lachten alle und tranken schnell ihre Gläser leer, denn die Umbauarbeiten auf der Bühne waren abgeschlossen und das Licht wurde bereits gedimmt. Die meisten Leute waren auf dem Weg zurück zum Saal, um sich die besten Plätze zu sichern.

Robert schaute mich fragend an und deutete mit dem Kopf Richtung Ausgang. Ich nickte. Ja, ein bisschen mehr Zeit mit ihm allein, wäre jetzt toll. Die drei würden uns sowieso nicht vermissen.

»Ich glaube, wir gehen schon«, teilte ich den anderen mit.

»Bringt Robert dich heim?«, fragte Jason besorgt und schaute Robert auffordernd an.

»Aber natürlich. Macht’s gut. Bis bald mal wieder. War nett, euch kennen gelernt zu haben«, verabschiedete sich Robert von allen.

»Ja, bis Montag. Habt noch ´nen schönen Abend! Man sieht sich«, sagte ich.

»Tschüssi, alles klar!«, riefen die drei und eilten ebenso Richtung Saal, wo das Konzert von Midnight Ego gerade losging.

Im Rausgehen zogen wir unsere Jacken an. Die frische klare Nachtluft tat gut nach der stickigen Hitze in der Moritzbastei. Ich atmete tief durch und merkte, dass Robert das gleiche tat.

Er nahm meine Hand und fragte mich liebevoll anblickend: »Und was machen wir zwei jetzt? Willst Du schon nach Hause oder hättest Du noch Lust auf einen kleinen Spaziergang?«

»Spaziergang klingt gut. Wo wollen wir hin?«

»Wie wäre es mit dem Clara-Zetkin-Park? Es ist zwar kühler geworden, aber endlich trocken. Und dort ist es immer schön, finde ich.«

Es stimmte, das Regenwetter hatte sich nun komplett verzogen. Der Mond schien hell. Es schien nicht mehr weit bis Vollmond zu sein und es glitzerten tausende Sterne am dunklen Himmel.

Wir liefen mit ineinander verschlungenen Händen durch die Nacht und nach kurzer Zeit waren wir schon mitten im Park. Der Mond erhellte die Wege gut genug, dass wir nicht stolperten. Wir gingen manchmal schweigend, aber noch häufiger angeregt plaudernd nebeneinander her und genossen unsere Zweisamkeit.

7

Ganz Gentleman hatte Robert mich am Abend bis zur Tür gebracht und mir mit einem sanften Kuss eine gute Nacht gewünscht. Nicht jedoch, ohne mir das Versprechen zu entlocken, am Morgen mit ihm zu frühstücken. Ich stimmte nur zu gern zu und er versprach, mich um acht Uhr abzuholen. Wir würden also nicht bei mir bleiben. Ich war wirklich schon neugierig, was er sich wohl einfallen lassen hatte.

Hatte ich noch vor vierundzwanzig Stunden das Gefühl, die Zeit würde langsamer als jemals sonst vergehen, zerrann sie mir nun sprichwörtlich zwischen den Fingern. Es war Mitternacht, als ich ins Bett ging. Als mein Wecker kurz vor halb 8 klingelt, war es mir, als sei ich gerade erst eingeschlafen. Verwunderlich! Nachdem ich nächtelang vor Angst und Ungewissheit, Robert nicht mehr wiederzusehen, nicht schlafen konnte, war ich endlich einmal wieder ausgeruht und erholt. Obwohl ich unglaublich aufgeregt war, wie es nun mit uns beiden weitergehen würde, hatte sich die Gewissheit, dass meine schlimmsten Ängste vorbei zu sein schienen, offenbar so beruhigend auf mich ausgewirkt, dass ich trotz meines überlauten, freudigen Herzklopfens zur Ruhe gefunden hatte. Robert wirkte sich also ganz wunderbar auf mein Wohlbefinden aus, stellte ich glücklich fest und schaute dem nun kommenden Tag mit ihm voller Vorfreude und beseelter Leichtigkeit entgegen.

Ich sprang aus dem Bett und duschte schnell. Robert hatte mich mehrmals gebeten, für das Frühstück warme, robuste Kleidung anzuziehen. Was er wohl vorhatte? Ich streifte mir also eine Jeans und ein hellblaues, langärmliges Shirt über und zog noch einen dicken weißen Rollkragenpullover darüber. Ich war gerade fertig mit Anziehen und Haare trocknen, als es auch schon klingelte. Ich schlüpfte in meine Schuhe und zog mir die Jacke treppabwärts laufend an. Obwohl ich immer noch dachte, dass ich nur geträumt haben konnte und ganz bestimmt nicht Robert in diesem Augenblick unten vor der Tür stehen würde, um mich abzuholen, freute ich mich unbändig auf den Morgen mit ihm. Wo wir wohl frühstücken würden? Ich flog die Treppe förmlich hinab.

Unten angelangt, riss ich die Tür auf und war völlig überrascht, als er direkt vor mir stand, dichter, als ich erwartet hatte. Mit dem letzten Schwung des Türöffnens fiel ich ihm direkt in die Arme, unfähig noch irgendwie die Balance zu halten. Robert fing mich mühelos auf und lächelte mich dann verschmitzt an, als ich wieder sicher auf meinen eigenen Beinen stand.

»Du bist aber stürmisch! Guten Morgen!«

»Guten Morgen!«, mir schoss das Blut in die Wangen. Wie peinlich, direkt mit der Tür nicht ins, sondern aus dem Haus zu fallen … So etwas konnte auch nur mir passieren!

Robert trug wieder seine Bikerjacke, eine dunkle Jeans, Bikerboots und um den Hals einen dunkelgestreiften Stoffschal. Mir fiel es erneut unendlich schwer, meine Augen von ihm abzuwenden. Und mir wurde klar, dass ich dies ja auch eigentlich nicht mehr tun müsste. Diese Erkenntnis jagte mit einem einmaligen, überwältigenden Gefühl gleich eines Stromstoßes durch mich hindurch, als hätte ich direkt in eine Steckdose gefasst und verursachte eine Gänsehaut, die man sicher sogar durch Pullover und Jacke noch sah.

»Hast Du Hunger?«, fragte er mich.

Ich nickte. Immer noch bedeckt mit kribbelnder Gänsehaut von Kopf bis Fuß.

»Na dann mal los.« Sein Gesicht leuchtete vor Freude. Er drehte sich um und nahm von einem hinter ihm parkenden Motorrad einen Helm und reichte ihn mir.

»Wir fahren Motorrad?«, fragte ich verwundert und begeistert zu gleich.

»Wenn du nichts dagegen hast …?«

»Natürlich nicht! Wow! Ich meine, das wollte ich schon immer mal! Was ist das denn für eins?« Ich strahlte ihn überglücklich an und versuchte, den Helm aufzusetzen. Das war gar nicht so einfach, aber es klappte.

»Eine BMW R69S von 1965«, antwortete er mit Kennerblick auf die Maschine, als müsste ich spätestens jetzt Bescheid wissen.

»Aha, ein Oldtimer. Sieht aber immer noch chic aus«, versuchte ich sein Motorrad ehrlich zu loben, was zu einem amüsierten Grinsen bei Robert führte.

»Chic?«, fragte er breit grinsend.

»Allerdings müsstest Du jetzt den Rucksack nehmen. Ich hoffe, das ist okay für dich?« Robert reichte mir mit fragendem Blick einen gut gefüllten Rucksack. Kein Problem, warum sollte ich etwas dagegen haben? Ich setzte ihn auf und sagte: »Klar, kein Thema.«

»Warm angezogen scheinst Du ja zu sein. Halte dich gut an mir fest, am besten mit deinen Armen um meinen Bauch«, erklärte er mir fürsorglich.

Oh mein Gott! Meine Arme um seinen Bauch …?

Er schlüpfte in den zweiten Helm, saß auf und ich kletterte hinter ihn. Ich hatte ihn in meiner Freude über die Motorradtour noch gar nicht gefragt, wohin wir fahren würden. Aber zum Fragen war es nun zu spät, denn Robert hatte die Maschine schon gestartet, drehte sich nochmal zu mir um, nickte kurz und es ging rasant los. Der Klang des Motors hallte von den Häuserwänden wider. Wir brachten bestimmt gerade alle Leute in der Straße um ihren Plan, am Samstag auszuschlafen. Na und? Ich musste leise lachen. Das war alles so gar nicht ich. Aber ich fühlte mich ausgesprochen wohl!

Ich achtete nicht darauf, wohin wir fuhren, sondern schloss die Augen und schmiegte mich eng an Robert. Ich spürte, dass er nach einem kurzen Moment ziemlich schnell fuhr, konzentrierte mich aber nur auf das Gefühl, ihm so nahe zu sein und genoss es, mit ihm förmlich durch Raum und Zeit zu fliegen.

Wir wurden langsamer und der Untergrund schien nicht mehr eben. Das Motorrad fuhr nun behutsam über einen wurzeligen Weg, als ich die Augen wieder öffnete. Wir fuhren unterhalb eines langgezogenen, grünen Hanges. Links neben uns war Wald. Leichte Nebelschwaden zogen rechts über dem Hang entlang. Hier und da brach die leuchtende Oktobermorgensonne durch den Nebel und ließ den Tau auf dem Rasen märchenhaft glitzern. Die Büsche am Waldrand waren überzogen mit tausenden Spinnweben, die, ebenfalls vom Tau feucht, in allen Regenbogenfarben strahlten. Es war wunderschön. Wie ein Zauber!

Nach einer Weile hielt Robert und wir stiegen ab. Er hängte unsere Helme an die Lenker des Motorrades und nahm mir den Rucksack ab.

»Wir sind da, Honey«, sagte er zärtlich und zog mich an der Hand den Hang hinauf. Honey, wow! Oben angekommen stellte ich fest, dass es gar kein Hang war, sondern ein Damm, der sich schnurgerade neben einem zahmen Flüsschen erhob und sich auf der gegenüberliegenden Seite wiederholte. Zum Fluss hinunter verlief der Damm nicht gar so steil. An einer etwas flacheren Stelle blieben wir stehen und er begann den Rucksack auszupacken. Zuoberst kam eine Picknickdecke zum Vorschein, die er im feuchten Gras ausbreitete.

»Keine Angst«, erklärte er, als er meinen skeptischen Blick bemerkte. »Die Decke ist beschichtet. Wir können nicht nass werden. Nimm schon mal Platz. Es ist gleich angerichtet.«

Und vor Vorfreude lächelnd packte er weiter aus.

Ich tat, wie mir geheißen und setzte mich auf die Decke. Von diesem Punkt war das Naturschauspiel noch beeindruckender. Staunend sah ich mich um. Die Nebelfetzchen, die wir vorhin oberhalb des Dammes gesehen hatten, schwebten nun verträumt über dem träge dahin fließenden Fluss, als würde das Wasser wohlig warm sein und dampfen. Die Sonnenstrahlen brachen sich auf der Wasseroberfläche und spiegelten sich in goldenen, tanzenden Lichtflecken auf der gegenüberliegenden Dammseite. So etwas Schönes hatte ich noch nie gesehen!

Plötzlich hockte sich Robert neben mich und sah mich aus seinen grünen, sonnenlichtdurchfluteten Augen an. Mir verschlug es den Atem. Hatte ich gerade gedacht, die Natur um mich herum war das Schönste, was ich je gesehen habe? Ich hatte mich geirrt! Wie konnte ein so schöner Mann nur für mich bestimmt sein? Ich war einfach nur fassungslos und unendlich glücklich zur gleichen Zeit.

»Du hattest noch gar keinen Guten-Morgen-Kuss!«, sagte Robert leise und küsste mich behutsam auf die Stirn.

»Stimmt«, erwiderte ich, »Du auch nicht«, und küsste ihn mit einer federleichten Berührung auf seine Lippen zurück. Er umfasste zärtlich mein Gesicht, und noch bevor sein Mund sich meinem nähern konnte, knurrte mein Magen laut und vernehmlich. Ein wirklich toller Zeitpunkt …

»Wir sollten vielleicht erst frühstücken«, sagte Robert mit belegter Stimme. »Tee oder Kaffee?«

Tatsächlich! Er hatte wirklich an alles gedacht. Ich ließ meinen Blick über die Picknickdecke wandern. Zwei große Tassen standen da, zwei kleine Flaschen Orangensaft mit Strohhalm, Croissants, Brötchen, Käse, Schinken, Honig, Weintrauben, zwei Birnen, ein Schälchen frische Brombeeren.

»Tee bitte«, antwortete ich. »Es sieht köstlich aus!«

Robert zauberte einen kuvertierten Teebeutel hervor, Twinings English Breakfast – wow – und goss heißes Wasser aus der Thermoskanne darüber. Wie er die richtige Teesorte wohl erraten hatte?

»Milch?«

»Ja, bitte!«

»Das ist zwar im Style nicht ganz formvollendet richtig, aber ich denke, hier tut’s auch mal Kaffeesahne, oder?«, und hielt mir auch schon kleine Kaffeesahnenäpfchen hin.

»Weißt Du, das ist mein Lieblingstee! Woher wusstest Du das? Ich bin begeistert!«

»Ich auch!«

»Wie bitte?« Ich konnte nicht ganz folgen.

»Na, begeistert. Ich bin auch begeistert! Von Dir!«, und er grinste frech. »Gefällt es Dir hier?«

»Es ist wunderschön!«, hauchte ich und ertrank einmal wieder in seinen tiefgrünen Augen, während ich völlig vergaß, ihn noch einmal nach der treffenden Teewahl zu befragen.

»Iss!«, lachte Robert und steckte mir keck eine Weinbeere in den Mund. »Du frisst mich sonst noch, so wie dein Magen vorhin geknurrt hat.«

»Das wäre auch nicht so schlimm«, murmelte ich leise vor mich hin, während ich die Beere kaute. Hatte ich das gerade gesagt? Ich sollte versuchen, meine Gedanken nicht auf der Zunge zu tragen. Das passierte schließlich sonst auch nicht. Aber in Roberts Gegenwart schien ich sowieso nicht wirklich ich zu sein.

»Was hast du eben gesagt?«, fragte Robert schelmisch. Er hatte auf jeden Fall mehr verstanden, als er sollte. Ich wurde schon wieder rot. Und das passte mir gar nicht. Ich hielt mich an meiner Tasse Tee fest und wusste nicht so richtig, was ich jetzt tun sollte. Ich war ja selbst schuld, dass ich mich auf solch glattes Eis begeben hatte. Robert schien dies ziemlich zu unterhalten und er lachte leise.

»Croissant oder Brötchen?«, fragte er und rettete mich so dankenswerterweise aus meiner Verlegenheit.

»Ein Croissant wäre toll. Dankeschön. Sag mal«, fragte ich kauend, wann bist du heute eigentlich aufgestanden, um das alles« – ich deutete um mich – »vorzubereiten und vor allem auch noch zum Bäcker zu gehen?«

»So gegen sechs«, antwortete er.

Sechs Uhr, unglaublich! Er war schon um sechs Uhr extra für mich aufgestanden? Ich war beeindruckt und schluckte vor Freude, dass ich ihm offensichtlich wichtiger zu sein schien, als ich zu hoffen gewagt hatte.

»Vielen Dank …«, sagte ich leise: »… für das schönste Frühstück meines Lebens!«

Er legte seinen Arm um mich und zog mich näher zu sich heran. Schweigend saßen wir da und genossen unsere Zweisamkeit und die Stille um uns herum. Dieser Augenblick war so einzigartig schön, dass es keiner Worte bedurfte, ihn zu beschreiben. Und all die Dinge, die wir noch übereinander wissen wollten, hatten Zeit, um später gesagt zu werden, fand ich. Warum etwas übereilen? Ich fühlte, dass die ganze Zukunft wie ein Versprechen vor uns lag, und ließ mich von dieser noch ganz neuen Vertrautheit gegenüber Robert einhüllen und verzaubern.

»Ich muss Dir leider noch schlechte Neuigkeiten überbringen«, sagte Robert nach einer kleinen Unendlichkeit.

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Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
541 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9783941935266
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