Kitabı oku: «Not Available», sayfa 5
1991 wurde Apple dann wegen eines Sampling-Systems dazu verdonnert, 26,5 Millionen Dollar an Apple Corps zu zahlen. Auch aufgrund des iPods und iTunes gab es Rechtsstreits zwischen den beiden Firmen. Das Verhältnis zwischen den Beatles (vertreten durch Apple Corps) und Steve Jobs (vertreten durch Apple Inc.) hätte also nicht schlechter sein können. Dabei war es angeblich sogar sein Beatles-Fantum, dass Jobs bei der Namensgebung inspirierte. Hörer*innen bekamen den Streit nur indirekt mit, denn die Beatles verweigerten sich lange den Streamingplattformen. Erst 2010, neun Jahre nach Start von iTunes, wurde der Gesamtkatalog für die Apple-Plattform freigegeben.
Offiziell waren die Aufnahmen zu »Get Back« am 31. Januar 1969 abgeschlossen und Glyn Johns erstellte einige Rough Mixes für die Band. Danach ruhten die Aufnahmen erst mal. Dabei waren die Beatles nicht untätig. Nahezu nahtlos machten sie sich an die Arbeit zu einem neuen Album. »Abbey Road« entstand wieder mit George Martin als Produzenten und griff dabei auf einiges Material zurück, das bereits bei den »Get Back«-Sessions gespielt wurde. Zusammen mit McCartney mischte Johns Anfang April 1969 dann die Single-Versionen von »Get Back« und »Don’t Let Me Down«, beide wurden bereits eine Woche später stark beworben veröffentlicht. Erstmals schalteten die Beatles Anzeigen außerhalb von Musikzeitschriften. »The Beatles as nature intended« stand dort zu lesen. Das Konzept, rohe, ungeschliffene Aufnahmen zu präsentieren, stand zu diesem Zeitpunkt noch und sowohl McCartney als auch Lennon gaben Johns den Auftrag, ein fertiges Album zusammenzustellen und zu mischen. Johns griff dabei vor allem auf die Takes zurück, die er bereits Ende Januar auf Acetat presste. Damit ignorierte er die letzten Aufnahmetage, an denen oft bessere Takes entstanden. Er griff also kaum auf die Aufnahmen zurück, die beim Rooftop-Konzert bzw. einen Tag später im Studio entstanden waren. Mehrere Wochen mischte er das Material in den Olympic-Studios, während die Beatles selbst bereits am neuen Album arbeiteten. Anfang Mai präsentierte er seine erste Fassung, die er »Get Back with Don’t Let Me Down and 9 Other Songs« nannte, in Anlehnung an die erste LP der Beatles »Please Please Me (with Love Me Do and 12 other Songs)«. Als Opener wählte er das bisher unveröffentlichte McCartney/Lennon-Frühwerk »One After 909«, um die musikalische Rückkehr zu den Wurzeln deutlich zu machen. Während er bei »Get Back« auf seinen Single-Mix (ohne Coda) zurückgriff, präferierte er bei »Don’t Let Me Down« einen anderen Take für das Album. Außerdem mischte er Gesprächsfetzen und Songfragmente zwischen die vollwertigen Stücke. So waren neben den elf »offiziellen« Songs auch die Fragmente »Rocker«, »Save the Last Dance for Me«, das Traditional »Maggie Mae« und eine Reprise von »Get Back« enthalten. Für den ausgewählten Take von »Let It Be« wurde nachträglich ein neues Gitarrensolo von Harrison eingespielt. Die Band war allerdings wenig begeistert und gab Johns den Auftrag, die Aufnahmen noch mal nachzubessern. Also remixte er die Stücke, griff nun komplett auf die Single-Version von »Get Back« zurück und kürzte »Dig It«. Diesmal schien die Band zufrieden zu sein, denn mit dem Fotografen Angus McBean, der sie bereits für das Cover ihres Debüts »Please Please Me« ablichtete, wurden im EMI-Gebäude Aufnahmen für ein Cover geschossen. Das Bild sollte später Bekanntheit als Cover für das Blaue Album der Beatles erlangen, einer Compilation, die die Jahre 1967 bis 1970 abdeckte. Im Juni verkündete Lennon dann, dass das neue Album bereits im Juli erscheinen sollte.
Da Lindsay-Hoggs erste Filmfassung nicht auf Gegenliebe der Fab Four stieß, wurde das Album allerdings abermals verschoben. Viel zu viel Streit und ein zu großer Fokus auf Lennon und Ono, lautete das Urteil. Am 25. August 1969 schlossen die Beatles dann die Aufnahmen zu »Abbey Road« ab und favorisierten dessen Veröffentlichung. Sechs Tage, bevor die Platte erscheinen sollte, verkündete Lennon bei einer Geschäftsbesprechungen seinen Ausstieg aus der Band, ließ sich jedoch von McCartney und Manager Allen Klein überreden, dies geheim zu halten, nicht zuletzt wegen der Verkaufszahlen. Außerdem war Klein zu dem Zeitpunkt in Vertragsverhandlungen mit der EMI und eine solche Nachricht hätte seine Position stark geschwächt. »Get Back« wurde daraufhin in den Dezember verschoben, ebenfalls um die Verkaufszahlen von »Abbey Road« nicht zu gefährden. Dennoch zirkulierten im September 1969 erste Bootlegs von »Get Back«. Dabei handelte es sich um Kopien der Acetate, die Johns Ende Januar und Anfang Mai erstellte. Nicht nur zwei durchaus verschiedene Versionen, sondern vor allem die Versionen, die die Beatles selbst ablehnten. Teilweise wurde die ganze Platte in Radiostationen gespielt, die die Raubkopien für Promoexemplare hielten. Dies sorgte wiederum für noch minderwertigere Mitschnitte, die dann nochmals als Bootlegs auf den Markt kamen.
Im Dezember stellte Lindsay-Hogg seinen Film fertig und es ergab sich ein neues Problem. Zwei Songs, die im Film vorkamen, waren nicht auf der Zusammenstellung von Glyn Johns. Vielmehr gab es noch gar keine vernünftigen Tonaufnahmen, da die Stücke nur in Twickenham gespielt wurden. Bei »Across the Universe« wusste Johns sich zu helfen. Schließlich erschien im Oktober 1969 bereits eine Aufnahme vom Februar 1968 auf dem WWF-Benefizsampler »No One’s Gonna Change Our World«. Johns mischte neu ab und entledigte sich einiger Studiospielereien wie Vogelgezwitscher und einem Chor, um den Sound den rougheren »Get Back«-Aufnahmen anzugleichen. Problematischer war die Harrison-Komposition »I Me Mine«. Hierfür kamen die restlichen Beatles, Lennon war ja bereits ausgestiegen, am 3. Januar 1970 im Studio zusammen und nahmen das Stück unter Regie von George Martin auf. Am darauffolgenden Tag fanden dann die letzten Beatles-Aufnahmen statt. Für »Let It Be« spielten McCartney, Starr und Harrison neue Overdubs ein und am 5. Januar war »Get Back« endlich fertig. Da »Teddy Boy« nicht im Film vorkam, flog der Song aus der Zusammenstellung raus, und die neuen Stücke wurden von Johns mit Gesprächsfetzen versehen, um einen Livecharakter vorzutäuschen.
Schicksalsschwer wogen die Aufnahmen zur Lennon-Solosingle »Instant Karma« Ende Januar 1970. Lennon, Harrison, der ebenfalls an den Aufnahmen beteiligt war, und Geschäftsführer Allen Klein waren so angetan von PHIL SPECTORs Produktion, dass sie ihm die Führung beim »Get Back«-Projekt überließen. Dieser griff im Gegensatz zu Johns vor allem auf die Aufnahmen des Dachkonzerts und der letzten Studiotage zurück und versah die Stücke »Across the Universe«, »I Me Mine«, »Let It Be« und »The Long and Winding Road« mit seinen üppigen Wall-of-Sound-Arrangements. Der ursprüngliche Charakter ging dadurch vollkommen verloren. Auch wenn Spector bei »One After 909«, »Get Back« und »For You Blue« auf dieselben Takes wie Johns zurückgriff und ebenfalls Gesprächsschnipsel zumischte. Mit Starr nahm Spector für einige Stücke sogar eigens neue Schlagzeugparts auf. Lennon und Harrison waren im Gegensatz zu Johns und McCartney zufrieden. Für diesen war das mittlerweile als »Let It Be« betitelte Album nahezu eine Kriegserklärung. McCartneys neues Soloalbum sollte nun am 10. April veröffentlicht werden, nur zwei Wochen vor der geplanten Veröffentlichung von »Let It Be«. Apple teilte ihm daraufhin mit, dass sein Album erst im Juli erscheinen würde, da am 28. April die Filmpremiere von »Let It Be« anstehe und es sich dabei um ein multimediales Projekt handle. McCartney insistierte und bestand weiterhin auf eine Veröffentlichung im April. Nachdem Harrison in seiner Funktion als Apple-Leiter ihm den 17. April als VÖ-Termin zusicherte, rief er Lennon an, um seinen Ausstieg zu verkünden. Am 9. April veröffentlichte McCartney eine Pressemitteilung, in der er verkündete, dass er nicht wüsste, ob seine Pause bei den Beatles dauerhaft wäre. Als Gründe nannte er persönliche, musikalische und geschäftliche Differenzen. Einen Tag später war dann in der Presse zu lesen, dass er die Beatles verlassen habe. Sehr zum Ärger von Lennon, der seinen Ausstieg geheim halten musste. Insbesondere zwischen ihm und McCartney war das Band damit gerissen. Aber auch Starr und Harrison nahmen McCartney seinen Zug übel, da er seinen Ausstieg nutzte, um sein Soloalbum zu promoten.
ALLEN KLEIN
Nicht nur Lennon war im Januar 1969 liebestoll. Auch McCartney war frisch in Linda Eastman verliebt und lernte im Dezember 1968 ihren Vater kennen. Lee Eastman war als Anwalt in der Musikbranche tätig und in den Augen McCartneys genau der richtige, um Apple geschäftlich auf Kurs zu bringen. Trotz erfolgreicher Platten verloren die Beatles durch ihre Firma Geld, etwas, das Lennon in einem Interview im Januar 1969 offen zugab. Wenn es so weitergehe, wären sie in sechs Monaten pleite. Dieses Interview wiederum rief Allen Klein auf den Plan, der sich Lennon anbot, die Geschäfte Apples zu führen. Neben all dem zwischenmenschlichen und musikalischen Zwist verhärteten sich auch hier schnell die Fronten. Lennon konnte Harrison und Starr schnell auf seine Seite ziehen, da diese befürchteten, dass Eastman als McCartneys zukünftiger Schwiegervater zu sehr in seinem Sinne agieren würde. McCartney versuchte mit Hilfe von Mick Jagger, der bereits einschlägige Erfahrungen mit Klein gemacht hatte, Lennon umzustimmen. Aber beim gemeinsamen Gespräch tauchte Lennon mit Klein im Schlepptau auf, woraufhin Jagger einen Rückzieher machte. Im Mai 1969 bekam Klein einen Dreijahresvertrag als neuer Geschäftsmanager der Beatles. Dieser strukturierte Apple rigoros um und setzte seine eigenen Leute auf wichtigen Posten ein. Apple Electronics wurde geschlossen und die Kündigung von Neil Aspinall konnte nur auf Einspruch der Beatles abgewendet werden. Mit der Beauftragung von Spector als Produzent von »Let It Be« war die Beziehung zu Klein für McCartney gelaufen. Auf Anregung von Lee Eastman klagte er gegen die restlichen Beatles auf Vertragsauflösung. Im Dezember 1970 bekam McCartney vor Gericht Recht und Klein konnte daraufhin keine Entscheidungen mehr im Namen der Band treffen. Aber auch die restlichen Beatles überwarfen sich in der Folge mit Klein. Harrison war unzufrieden, wie Klein mit den Geldern der Benefizshow »Concert for Bangladesh« umging. Dieser hatte vergessen, das Event als wohltätig anzumelden, weswegen die Einnahmen jahrelang aus steuerrechtlichen Gründen eingefroren wurden. Auch wurde Klein beschuldigt, sich selbst an den Verkäufen der Platte zum Konzert bereichert zu haben. Lennon wiederum fühlte sich und Ono zu wenig durch Klein unterstützt. Sein Vertrag wurde daraufhin nicht verlängert, woraufhin Lennon zähneknirschend zugab, dass McCartney wohl recht mit seinen Bedenken gehabt hätte.
Klein und die Beatles zogen nach dem Ende der Geschäftsbeziehungen vor Gericht und verklagten sich gegenseitig. 1977 wurde der Rechtsstreit außergerichtlich von Ono im Namen der Beatles geklärt.
Parallel zu dem ganzen Hickhack schrieb McCartney einen Brief an Allen Klein und verlangte, dass Spector Änderungen an »Let It Be« vornehmen solle. Insbesondere das Arrangement von »The Long and Winding Road« stieß ihm übel auf. Dabei hatte er die Aufnahmen laut Starr zuvor bereits abgenommen. Für Änderungen war es allerdings zu spät und »Let It Be« erschien als letztes Album der Beatles am 8. Mai 1970. Das, was Anfang Januar 1969 in Twickenham begonnen hatte, war das lange, beschwerliche Ende einer der größten Bands der Popgeschichte. Von der Kritik wurde das Album nicht ganz eindeutig aufgenommen. Zum Teil unwissend, dass die Aufnahmen bereits vor »Abbey Road« entstanden waren, lautete ein Credo, dass die Band ihren Zenit überschritten hatte und die Auflösung gerade zur rechten Zeit kam. Glyn Johns »Get Back« wäre sicherlich kein besseres Album als »Abbey Road« geworden, aber es wäre im Gegensatz zu »Let It Be« ein ehrlicheres Album gewesen. Ein Album mit einem roten Faden und einer Geschichte, die den Bogen zu den Anfängen der Beatles schlägt, statt eines traurigen Schwanengesangs.
LET IT BE … NAKED (2003)
Als »Let It Be … Naked« 2003 erschien, dachten viele Fans, dass sie nun endlich das ursprüngliche »Get Back« bekommen hätten. Allan Rouse, Paul Hicks und Guy Massey bekamen den Auftrag, eine Version zu erstellen, die dem ursprünglichen Konzept von »Get Back« folgen sollte. Insbesondere McCartney war mit Spectors Bearbeitung höchst unzufrieden. Rouse, Hicks und Massey griffen auf die Master von Glyn Johns und Phil Spector zurück und entfernten die opulenten Orchester-Arrangements Spectors und die Studiogespräche zwischen den Songs. Außerdem wurde auf die Songs »Dig It« und »Maggie Mae« zugunsten von »Don’t Let Me Down« verzichtet. Auch wurden zum Teil andere Aufnahmen als bei »Let It Be« verwendet, manchmal sogar mehrere verschiedene Takes zusammengeschnitten. Mit den beiden »Get Back«-Fassungen, die Glyn Johns erstellte, hat »Let It Be … Naked« wenig gemein. So fehlen weiterhin Stücke wie »Rocker«, »Save the Last Dance for Me« und auch das entfernte »Maggie Mae«. All diese Stücke wären auf beiden Fassungen von Johns enthalten gewesen.
DAS SCHEITERN AN DEN EIGENEN ANSPRÜCHEN
Menschen lieben Geschichten vom Scheitern. Geschichten über das Scheitern können fesselnd oder lehrreich sein. So oder so sind sie allemal faszinierend. Wenn ein Werk einer Künstler*in nicht erscheint, weil die Ziele zu hoch gesetzt wurden, ist das meist die Ausgangsbasis für viele versponnene Mythen. Uns fasziniert die Besessenheit, mit der Leute ihre künstlerischen Visionen verfolgen. Manchmal führt diese Besessenheit jedoch zu Nervenzusammenbrüchen, wie z. B. bei PETE TOWNSHEND und seinem ewigen Projekt »Lifehouse«. Dazu später mehr.
Vermutlich wissen wir häufig gar nicht, dass jemand überhaupt scheiterte. So stritt Bee Gee ROBIN GIBB lange Zeit ab, dass er 1970 ein zweites Soloalbum namens »Sing Slowly Sisters« aufnahm. Der Legende nach war ihm das Album, das 2015 im Rahmen eines Box-Sets postum doch noch veröffentlicht wurde, selbst zu peinlich. Erst ab 2005 begann Gibb, über die Platte zu sprechen, deren Existenz er zuvor leugnete. Letztlich ist die veröffentlichte Version jedoch lediglich eine Rekonstruktion des vorgesehenen Albums, für das Acetate und Kassetten herangezogen wurden, da die Masterbänder nicht mehr auffindbar waren.
Oft sind solche Geschichten eng mit populären Klischees verknüpft. Nicht selten geht es um Genies, die an ihren eigenen Ansprüchen zerbrechen. Damit nähren sie den Mythos, dass große Kunst aus großem Leid entstünde. Genie und Wahnsinn, eine in der Vergangenheit und auch heute noch genutzte Entschuldigung für toxisches Verhalten bekannter Künstler*innen. Natürlich kann künstlerische Betätigung Menschen mit psychischen Krankheiten helfen. Manchmal ist jedoch eine Therapie eben empfehlenswerter, als einen Song zu schreiben.
Da sich die Zeiten glücklicherweise wandeln, ist toxisches Verhalten auch immer seltener ein Alleinstellungsmerkmal von Genies, sondern viel mehr ein weiterer Grund, aus dem Platten nicht erscheinen: zuletzt geschehen bei RYAN ADAMS, der stets gerne Projekte ankündigte, um sie dann unvollendet zu lassen, wie z.B. »The Suicide Handbook« von 2001 oder das Box-Set »20:20« von 2007, das gleich mehrere unveröffentlichte Alben enthalten sollte. Nachdem Adams Anfang 2019 von mehreren Frauen, darunter seine Ex-Frau Mandy Moore und die Sängerin Phoebe Bridgers, sexuelles Fehlverhalten und Manipulation vorgeworfen bekam, wurden seine bereits angekündigten Alben »Wednesdays« und »Big Colors« vorerst zurückgezogen. Zu seinen eigenen verhinderten Werken dürften diverse Produktionen von Musikerinnen hinzukommen, die bezüglich Studiozeiten und nicht herausgegebenen Aufnahmen von Adams abhängig waren.
WEEZERS SONGS FROM THE BLACK HOLE: VON DER SPACE-ROCKOPER ZUM SEELENSTRIPTEASE
Nur wenige Wochen nach Veröffentlichung ihres Debüts machte sich Weezer-Songwriter RIVERS CUOMO daran, an einem Nachfolger zu arbeiten. Dieses Mal wollte er es anders angehen: keine lose Zusammenstellung von Songs, sondern er wollte eine Story erzählen. Die Geschichte seines Alter Egos, der zwischen zwei Frauen steht und durch seinen Umgang mit ihnen zu sich selbst findet.
Die ersten neuen Songs, die er schrieb, handelten von seinem neuen Rockstar-Leben. »Tired of Sex« thematisierte die emotionale Leere sexueller Groupie-Beziehungen. Schnell wurde Cuomo klar, dass er eine Rockoper schaffen wollte. Eine Rolle dabei mag seine Liebe zur klassischen Musik gespielt haben. Während dieser Zeit entdeckte er Puccini und Verdi und plante, im Folgejahr Musik in Harvard zu studieren.
Die Tracks des neuen Weezer-Albums sollten ineinander übergehen und ein großes Ganzes bilden: ein Medley, eine Oper! Auch die Story, die ihm hierfür vorschwebte, nahm konkretere Formen an: eine Analogie zu seiner noch jungen Rockstar-Karriere. Angereichert wurde die Geschichte durch eine naive Dreiecksbeziehung. Als Titel schwebte ihm »Songs from the Black Hole« vor. Der Protagonist Jonas sollte von Cuomo selbst gesungen werden.
Bereits Ende November 1994 hatte Cuomo einen ersten Entwurf der Geschichte in zwei Akten fertiggeschrieben. Die Story spielte im Los Angeles der Zukunft und »The Black Hole« war lediglich ein Musikclub, in dem Protagonist Jonas mit seiner Band, den Spacedogs, abhing. Bereits in dieser ersten, noch ziemlich unbeholfenen und sich selbst viel zu ernst nehmenden Handlung waren Stücke wie »Tired of Sex«, »Longtime Sunshine«, »Getchoo«, »No Other One« und »Devotion« integriert. Zudem nahm Cuomo erste Demos auf, bei denen er verstärkt Synthesizer einsetzte.
Dennoch bereitete der Songwriting-Prozess Cuomo zunehmend Schwierigkeiten. Durch den Erfolg des Debütalbums war sein Terminkalender voll und zwischen Promodates und Konzerten blieb nur wenig Zeit für kreative Arbeit, geschweige denn für Privatleben. Der Stress setzte ihm zu und schlug auf sein Gemüt. Dennoch arbeitete er weiterhin an seiner großen Vision, schrieb im Januar »Love Of My Dreams«, eine frühe Version von der späteren »The Good Life«-B-Seite »I Just Threw out the Love of My Dreams« und ein Interlude mit dem Titel »Now I Finally See«.
WER IST JONAS?
Jonas ist natürlich ein Alter Ego von Rivers Cuomo und diente auch beim Opener des Debütalbums »My Name is Jonas« als solches. So ist der »kleine Bruder«, der »Worte tiefer Besorgnis« an Jonas schickte, in Wahrheit auch Rivers’ jüngerer Bruder Leaves, der nach einem schweren Autounfall Probleme mit seiner Versicherung hatte. Diese weigerte sich, die Kosten seiner Genesung zu übernehmen, da er nicht mit seinem eigenen Auto fuhr. Den Namen Jonas entlieh sich Cuomo wiederum dem 1993 erschienenen Jugendbuch »Hüter der Erinnerung« (»The Giver«) von Lois Lowry. Tatsächlich kommt der Songtitel exakt so im Buch vor.
Ebenfalls verfasste er eine zweite Fassung seiner Geschichte. »Songs from the Black Hole« spielte nun nicht mehr im Los Angeles der Zukunft, sondern auf einem Raumschiff im All: Im Jahr 2126 startet die Betsy II ihre Mission. Mit an Bord Captain Jonas, gesungen von Cuomo, Laurel, die von That Dogs Rachel Haden gesungen werden sollte, und Maria, die Joan Wasser von den Dambuilders hätte singen sollen. Außerdem gab es weitere Gesangsrollen für die Bandmitglieder Brian Bell und Matt Sharp als Wuan und Dandó sowie eine Rolle für Weezer-Roadie Karl Koch, der den Roboter Ml durch einen Vocoder gesungen hätte. Das Over-The-Top-Szenario half der Story ungemein und nahm dem Ganzen die unpassende Ernsthaftigkeit der ersten Entwürfe. Gleichzeitig blieb die Geschichte eine Analogie in Bezug auf den Durchbruch von Weezer. So war der erste Tourbus der Band auf den Namen Betsy getauft worden und die Reise im All wäre das Rockstar-Tourleben. Am Ende hätte sich Jonas sein altes, unaufgeregtes Leben zurückgewünscht. Trotz der Fortschritte bei der Geschichte war Cuomo unzufrieden und notierte im Februar 1995 in seinem Tagebuch:
»Dieses Musical zu schreiben ist verrückt. Es ist so schwierig und die Ergebnisse sind lahm. Ich hoffe, es gefällt mir am Ende. Ich habe ungefähr zwölf Stunden am Tag daran gearbeitet und trotzdem ist es scheiße. Zumindest fügt sich die Handlung zusammen.«
Auch hinsichtlich seiner körperlichen Verfassung gab es einschneidende Ereignisse. Cuomo kam mit einem Bein, das kürzer als das andere war, zur Welt. Durch den finanziellen Erfolg mit seiner Band konnte er sich eine Angleichung leisten. Die Prozedur, die er im April 1995 vornahm, war langwierig und schmerzhaft und Cuomo lief zeitweise Gefahr, von den verschriebenen Schmerzmitteln abhängig zu werden. Als Weezer im Juni auf Europatour gingen, litt Cuomo weiterhin unter den starken Schmerzen.
WEEZERS SONGS FROM THE BLACK HOLE (1995)
01. Blast Off!
02. You Won’t Get With Me Tonight
03. Oh Jonas (Maria’s Theme)
04. Come to My Pod
05. Oh No, This Is Not for Me
06. I’m Tired of Having Sex
07. Superfriend
08. She’s Had a Girl
09. Dude, We’re Finally Landing (Good News!)
10. Now I Finally See
11. Getchoo
12. I Just Threw Out the Love of My Dreams
13. There Is No Other One (No Other One demo)
14. Devotion
15. What Is This I Find?
16. Longtime Sunshine
17. Longtime Sunshine (Reprise)
Dennoch fand sich die Band im August 1995 in den Electric Lady Studios wieder, in denen bereits ihr Debütalbum entstand, um neue Songs wie »Waiting On You«, »Blast Off!«, »Why Bother?«, »Longtime Sunshine«, »No Other One« und »Getchoo« einzustudieren. In erster Linie ging es erst einmal darum, einen passenden Sound für die Stücke zu finden und die Arrangements auszuarbeiten. Obwohl die neuen Songs weit kantiger und rougher klingen sollten, wollte Cuomo gleichzeitig klassische Kompositionstechniken einsetzen. Ihm schwebte vor, das Album mit einer Reprise und Coda zu beenden, wie es im Sonatensatz üblich ist. Doch schnell war klar, dass dieses Ziel zu ambitioniert war. Seine Versuche sind in »Longtime Sunshine«, veröffentlicht auf der »Pinkerton (Deluxe Edition)« von 2010, zu hören.
Abermals gerieten die Arbeiten an »Songs from the Black Hole« ins Stocken, und Cuomo begann sein Musikstudium in Harvard. Dort war er kein Rockstar, sondern ein einfacher Student unter vielen, und tatsächlich half ihm das Leben abseits des Trubels, seine Schreibblockaden zu lösen. Mit »Pink Triangle« schrieb er erstmals seit langem ein neues Stück und stellte weitere neue Songs im Herbst und Winter 1995 fertig. Zu dieser Zeit schien die Idee zur Rockoper weitestgehend gestorben zu sein. Cuomo begriff-Weezer als seine Band und gestaltete die Songs autobiografischer als jemals zuvor. Anfang Januar 1996 ging es dann endlich in die Sound City Studios in Kalifornien, um die neuen Stücke aufzunehmen. Im März 1996 stellte Cuomo eine erste Songfolge, bestehend aus acht Stücken, für das zweite Weezer-Album zusammen. Die ambitionierte Rockoper war nun einem roten Faden gewichen. Statt um Roboter in Raumschiffen ging es nun um einen Typen, der seinen teils misogynen Umgang mit Frauen hinterfragt, einem Ideal von »wahrer Liebe« hinterherjagt und lernen muss, sich erst einmal selbst zu lieben. Im April folgten weitere Studiosessions, bei denen »The Good Life«, »Across the Sea« sowie »Falling for You« aufgenommen wurden. Das Album nahm Gestalt an und auch ein Titel schwebte Cuomo vor. »Pinkerton« sollte die Platte heißen, benannt nach dem »Arschloch« aus Puccinis Oper »Madame Butterfly«. Schließlich ging es bei den Texten doch hauptsächlich um Cuomos eigene Arschloch-Seite, die er zu verarbeiten versuchte. Als im Mai das Studienjahr endete, kam »Butterfly« als letztes Stück hinzu und Weezer waren bereit, das neue Album der Welt zu präsentieren.
Die ersten Reaktionen waren durchwachsen. Die düsteren Texte und der viel rauere Klang waren nichts für die Fans der ersten Platte. Ein Rückschlag für Cuomo, der den Misserfolg direkt auf sich bezog, schließlich ging es auf der Platte um sein Innerstes. Erst mit der Zeit wurde »Pinkerton« als Meilenstein in der Band-Diskografie angesehen und avancierte zum Fan-Favoriten.
Interessant an »Pinkerton« ist, dass trotz des persönlichen Charakters viele Songs des mittlerweile verworfenen »Songs from the Black Hole« aufgegriffen wurden. »Tired of Sex«, »No Other One« und »Getchoo« schafften es mit nur wenigen Änderungen auf das Album.
Auch lässt sich das prägnante Riff von »El Scorcho« in dem »Black Hole«-Opener »Blast Off!« wiederentdecken. Weitere Stücke wie »Devotion« und »I Just Threw Out the Love of My Dreams« wurden erst im Juni 1996 aufgenommen und ließen als B-Seiten andere Bands ob der Qualität erblassen.
»I Just Threw Out the Love of My Dreams« übernimmt hierbei eine Sonderstellung, ist es doch der Song, der neben »Blast Off!« am ausgereiftesten von allen »Songs from the Black Hole«-Stücken ist. Den Leadgesang übernimmt Rachel Haden und Cuomo singt nur in der letzten Strophe mit. Auch sind hier Synths weit präsenter als bei anderen Stücken der »Pinkerton«-Zeit. Diese hätten bei »Black Hole« weit prominenter eingesetzt werden sollen, um den futuristischen Charakter des Science-Fiction-Szenarios auch in der Musik umzusetzen. Bei frühen Versionen von »Getchoo« und »Tired of Sex« waren die Synths dementsprechend mehr im Vordergrund. Angeblich wurde das verworfen, um nicht Matt Sharps Rentals, die zuvor mit ihrem Album »Return of the Rentals« einen Achtungserfolg feierten, zu sehr zu ähneln.
Allein wegen des ambitionierten Konzepts bleibt »Songs from the Black Hole« nicht nur für Fans ein Sehnsuchtswerk. Mit seinen Demo-Compilations »Alone I«, »Alone II« sowie »Alone III« und den »Pinkerton Diaries« dokumentierte Cuomo die Arbeit zur Space-Rockoper umfangreich und konnte den Mythos doch nicht zerstören. Dabei ist neben den B-Seiten und den Songs, die es auf »Pinkerton« schafften, wenig wirklich hörenswert oder über den Status kurzer Skizzen hinweggekommen. Obwohl es so scheint, dass Cuomo mit dem Projekt abgeschlossen hat, bleibt bei nicht wenigen die Hoffnung, dass die Platte doch noch vollendet wird.
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