Kitabı oku: «Wenn das Leben dir Zitronen gibt...», sayfa 2

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Kapitel 3

So brutal und vor allem unrealistisch es an diesem Punkt zu sein schien, aber an diesem Tag begann eine wunderbare Freundschaft. Doch wurden wir leider erstmals auch mit dem kriminellen Untergrund Erstfelds konfrontiert. Dieser wird uns wohl nie mehr loslassen.

Nachdem der ganze Zirkus sein Gastspiel im La Finca wohl beendet hatte, kriegte Alexander auf diesen Schock hin nun so richtig Durst. Marija kam zu unserem Tisch, nahm die Bestellung auf und just als sie zurück zur Bar gehen wollte, um die Biergläser zu füllen, wurde die Tür des La Finca brutal aufgeschleudert, so dass sie beinahe in den Angeln hing.

„War wohl ein schnelles Date!“, frotzelte Marcel.

„Wahrscheinlich hat er ihr von seiner Familie erzählt“, ergänzte Alexander. Doch weder Mariella noch Pasquale waren hereingeschneit.

Drei Kerle, die von den Körpermassen her Kleiderschränken glichen, eilten schnurstracks zur Bar. Anfänglich dachte ich, dass sie bestellen würden, doch ihr Interesse galt offenbar Marija.

„Wo ist er?“, fragte einer mit stark ausgeprägtem südosteuropäischen Akzent.

„Wo ist Simon?“

Marija schüttelte den Kopf. „Kein Ahnung, ich habe ihn seit heute Morgen nicht mehr gesehen!“

„Das interessiert uns nicht, Schätzchen! Er schuldet uns nämlich Geld!“

Marija stellte das Bierglas ab und musterte die drei jungen Herren mit erhobener Augenbraue. „Und was geht mich das an? Er hat sein Leben, ich meines.“

Einer der Typen grinste, die anderen beiden lachten leise. Doch nur der Wortführer schien mit der Fähigkeit, sprechen zu können, gesegnet zu sein.

„Du kannst uns dabei helfen. Du vögelst mit uns und dann ist Simon schuldenfrei.“

„Wie bitte?“ Marija knallte das Bierglas auf den Tisch, so dass es in Scherben zerbrach. „Ich bin doch kein Stück Fleisch, das herumgereicht werden kann!“

„Aber eine Nutte. Bist du nicht willig, so kannst deinem Stecher ausrichten, dass er gefälligst seine Kohle zu bezahlen hat. Sonst werden du und er das noch bitter bereuen, du...“

In diesem Moment war ich nicht mehr Herr meiner Sinne gewesen, war aufgestanden und hatte dem Primitivling einen Faustschlag verpasst. Er war wohl ein wenig überrascht, denn er taumelte und schrie auf. Als sich seine beiden Kumpels neben ihm aufstellten, taten Marcel und Alexander das Gleiche.

Wie in einem Mafiafilm beim Duell der zwei Clans standen wir uns in zwei Dreiergruppen gegenüber, die Luft war zum Schneiden, Spannung lag in der Luft, wir wagten kaum zu atmen. Ich sah Entschlossenheit in ihren Augen, Entschlossenheit zur puren Gewalt. Ja, in diesem Moment hatte ich ein kleines bisschen Angst.

Just als sich die Spannung in eine Eskalation zu entladen drohte, platzte Frowin Baumann ins Lokal. Auch wenn ich diesen schmierigen Typen nicht mochte, war ich doch froh, denn ich wollte mir nicht ausmalen, was hätte geschehen können.

„Was ist denn hier los?“, fragte er und musterte Marija und die Scherben des zerbrochenen Glases auf dem Tresen. „Hast du diese Knaben hierhergeholt? Das ist sehr schlecht! Ach ja, solltest du das Bierglas kaputt gemacht haben, wird es von deinem Gehalt abgezogen!“

Als Marija etwas entgegnen wollte, befahl er ihr mit einer Geste zu schweigen. Dann wandte er sich an die drei Kerle.

„Ihr verschwindet, bevor ich die Polizei hole!“

Dann verliessen die Schläger und Frowin die Bar wieder und wir boten Marija an, sich an unseren Tisch zu setzen.

So hat die Freundschaft zwischen ihr und uns angefangen.

Später waren wir samt Marija ins Auld Triangle zurückgekehrt, mittlerweile hatte auch Natascha ihre Schicht angetreten und Severin hatte doch noch Zeit gefunden und sich zu uns gesellt. Er hätte die Nachricht nicht gesehen, hatte er entschuldigend gemeint.

Natascha war für uns wie eine Mutterfigur, zeigte Interesse und ehrliches Mitgefühl an ihren Gästen, gab auch den einen oder anderen wertvollen Ratschlag mit auf den Weg.

Auch ihr erzählten wir von Intermezzo im La Finca, woraufhin sie sofort in die Küche eilte und mit einem Eisbeutel für Marija zurückkehrte.

„Ich würde die Typen anzeigen“, empfahl Natascha, doch Marija schüttelte den Kopf.

„Warum denn nicht?“ Natascha stemmte die Hände in die Hüfte.

„Weil sie sonst wütend werden und mir oder Simon was antun werden!“ Mittlerweile hatte Marija zu schluchzen begonnen und ich strich ihr beruhigend über den Rücken.

„Und zudem kennst du sicherlich die Polizei hier?“, warf Alexander ein. Unsere Polizei hatte landesweit nach mehreren juristischen Verfahren nicht mehr gerade den besten Ruf und es gab einige Individuen, die sich offenbar alles leisten konnten und trotzdem immer den Kopf aus der Schlinge ziehen konnten. Frowin Baumann war ein typischer Vertreter dieser Kategorie, genauso einer seiner besten Freunde, welcher ein einschlägiges Etablissement zwei Häuser weiter an der Gotthardstrasse betrieb.

„Dann trenn dich von deinem Freund!“ Dies war ein Attribut, das Natascha auszeichnete. Sie wollte immer das Gute für alle, gab niemals auf. „Wer ist er denn überhaupt?“

„Simon Zgraggen!“, antwortete Marija.

„Um Gottes Willen!“ Natascha schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund. „Wie bist du denn an den gekommen?“

„Kennst du ihn denn?“

Natascha lachte auf. „Kennen? Dieser Bengel hat hier mal gearbeitet. Doch statt den Abwasch zu machen hat er lieber Drogen vertickt, bis ich ihn hochkant rausgeschmissen habe!“

Sie beugte sich zu Marija vor.

„Schätzchen, ich gebe dir jetzt einen sehr gut gemeinten Rat, so jetzt von Frau zu Frau. Schiess den Burschen in den Wind, und zwar lieber heute statt morgen. Du siehst, der bringt nichts weiter als Ärger!“

In einem idyllischen Restaurant in Seedorf, direkt am See gelegen, sassen sich Mariella und Pasquale an einem kleinen Zweiertischchen direkt gegenüber. Um den Kitsch zu vervollständigen, brannten auf einem kleinen, goldenen Kerzenständer zwei Kerzen. Mariella hatte den Kopf auf ihre Hände gebettet und himmelte Pasquale an, der ihr leidenschaftlich aus seinem Leben erzählte.

„Und du wirst wirklich Küchenchef?“

„Na klar, ich bin der Beste. Diesen Weiss schlage ich um Längen. Kennst du den?“

Mariella nickte. „Schaut manchmal mit seinen minderbemittelten Kumpels bei uns vorbei, arrogantes Arschloch!“

Später entschuldigte sich Pasquale auf die Toilette. Gelangweilt kramte Mariella in ihrer Handtasche und suchte ihr Smartphone, als es vibrierte. Doch es war nicht das ihrige, sondern Pasquales Handy, das er auf dem Tisch zurückgelassen hatte, surrte friedlich vor sich hin. Das Pop-up, das aufleuchtete, erweckte Mariellas Aufmerksamkeit.

„Du Schlampe, dir werde ich das Leben zur Hölle machen!“

„Hast du es gesendet?“, fragte Severin. Marija nickte. Sie war stolz, ein solch perfektes Selfie von ihnen allen geschossen zu haben, selbst Natascha hatte sich dazugesellt. Ihre Laune hatte sich schlagartig gebessert, sie war sich sicher, hier echte Freunde gefunden zu haben, nicht so falsche wie Mariella. Deshalb hatte sie auch ein wenig Schadenfreude, dass ausgerechnet Severin dieser Clique angehörte, hatte Mariella diesem doch immer wieder mit Avancen gemacht - sprich, sie hatte immer ihren Ausschnitt extra betont, wenn Severin ein Getränk orderte.

Pasquale war verdutzt, als er bei seiner Rückkehr einen leeren Tisch vorfand. Das heisst, keine Mariella, aber dafür ein wütender Kellner, der ihm die Rechnung unter die Nase hielt.

„Salvatore, beruhige dich!“, lachte er, doch dieser wies nur auf die Rechnung. Pasquale seufzte, ergriff diese und gab sie Salvatore zurück.

„Du hast meinen Rabatt vergessen!“

Salvatore gluckste. „Deine Herzensdame lässt ausrichten, dass du dir deinen Rabatt sonst wohin schieben kannst!“

Wütenden Schrittes eilte Mariella den Gehweg entlang. Spätestens jetzt verfluchte sie ihre hochhackigen Schuhe. Wieso musste sich dieses vermaledeite Seerestaurant sich auch so abgelegen befinden? Ein Gehweg war nicht vorhanden, genauso wenig wie eine Strassenbeleuchtung. Als irgendein Vieh, vermutlich ein Fuchs, die Strasse überquerte, kreischte Mariella laut auf. Hören konnte sie hier sowieso niemand. Innerlich zwang sie sich, durchzuhalten.

Mit jedem Schritt kommst du deinem Ziel näher.

Mit jedem Schritt trittst du diesem selbstherrlichen Arschloch eins in seine jämmerliche Hackfresse.

Das tiefe Brummen des Porsches hörte sie schon von Weitem. War ja klar, dass er angekrochen kam. Doch nicht mit ihr.

Wenig später wurde eine Seitenscheibe heruntergelassen und Pasquale steckte seinen Kopf durch die Öffnung.

Ciao bella. Warum bist du so wütend?“

„Du hast ein Bild einer anderen Schlampe erhalten, die dazu noch eine Freundin von mir ist!“

„Ach mit der läuft doch nichts, bella. Ich liebe dich, nur dich! Steig ein!“

Sie zögerte einen Moment, doch als er sie mit einem Blick ansah, der sie erregte, gab sie nach.

Kapitel 4

Nun gehörte Marija zu uns; wenngleich wir dies erst seit wenigen Stunden wussten, war es doch glasklar. Das Wichtigste war nun, dass sie diesen Idioten namens Simon in den Wind schiessen würde.

Es war spät, als die Schlüssel im Schloss von Marijas Studio klapperten. Sie hatte zwar kaum was getrunken, doch war der Tag ereignisreich verlaufen. Fast war sie nun froh, nicht mehr Spätschicht gehabt zu haben, denn dann wäre es definitiv ein Fiasko geworden. Ein Rätsel war ihr allerdings, warum Mariella trotz Verabredung darauf bestanden hatte, die Schichten zu tauschen. Gut, ob sie jetzt mit einem Kerl ein Date hatte oder mit den schmierigen Typen am Tresen flirtete, spielte keine Rolle - die Arbeit wurde entgegen der Meinung Baumanns ohnehin nicht von Mariella gemacht.

Sie öffnete die Tür. Sie erwartete ein heilloses Durcheinander. Fast schon hatte sie befürchtet, dieser Schläger und seine Schergen aus dem Finca wollten auch hier kurzen Prozess machen, doch dann erkannte sie, dass das Chaos eine Folge von Simons Versuch war, zur Küche zu gelangen. Doch dabei war er wieder eingeschlafen, mitten auf dem Flur lag er, alle Viere von sich gestreckt.

Genervt verdrehte sie die Augen, kniete sich aber zu ihm nieder und tätschelte ihm die Wange. Simon schlug seine Lider auf.

„Baby?“, murmelte er verschlafen.

„Ich hatte heute Besuch. Man hat mich nach dir gefragt.“

„Wer denn?“ Neugierig hob er seinen Kopf.

Marija zuckte mit den Schultern. „Sie haben ihre Namen nicht genannt. Jedenfalls schuldest du ihnen Geld!“

Seufzend liess Simon seinen Kopf wieder auf den Boden nieder. „Die sind harmlos.“

„Harmlos?“ Marija lachte laut auf. „Es gab eine Schlägerei. Hör zu, Simon, ich liebe dich, das weisst du und ich halte trotz deiner Sucht zu dir, aber ich möchte nicht mehr in solche Dinge mit reingezogen werden!“

„Das wird nicht mehr vorkommen, das verspreche ich dir!“

„Nein, das wird es nicht. Jetzt bitte ich dich, zu gehen!“

„W-wie, du machst Schluss mit mir?“ Simon war auf einen Schlag hellwach. Marija nickte. Langsam stand er auf und strich sich die Hose glatt.

„Baby, es tut mir leid, ich werde mich ändern, höre mit dem koksen auf, ich schwör’s! Gib mir nochmals eine Chance!“, flehte Simon.

Marija schüttelte den Kopf. „Ich habe dir schon viele zweite Chancen gegeben, ich will ein sorgenfreies Leben ohne Angst zu führen. Ich wurde bedroht, Simon, man drohte mir, mich zu vergewaltigen!“

„Bitte, Baby...“, bettelte er.

„Nein!“, entgegnete sie lauter, schob ihn zur Tür hinaus und schloss diese.

Verzweifelt schlug sie sich die Hände ans Gesicht, rutschte an der Tür hinunter und schrie auf.

Dann endlich kamen die Tränen. Tränen, die nicht mehr versiegen wollten.

Ihre Sprachnachrichten waren kaum zu verstehen, aber umso schwerer zu ertragen. Ein Glück für sie, hatten wir noch im Auld Triangle Nummern ausgetauscht und sie in unseren Gruppenchat aufgenommen. So standen wir nur wenige Minuten später in ihrem verwüsteten Zimmer. Es sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen.

„Was ist denn da los, Marija? Heisse Nacht mit deinem Stecher gehabt?“, witzelte Alexander, doch niemandem von uns war zum Lachen zu Mute.

In zittrigen Sätzen, die immer wieder von herzzerreissenden Schluchzern unterbrochen wurden, erzählte Marija, wie sie Simon vorgefunden und danach vor die Tür gestellt hatte. Die Arme hatte wohl einen sehr ereignisreichen und anstrengenden Abend und so entschieden wir uns alle vier, gleich bei ihr zu bleiben. Auch für den Fall, dass Simon zurückkehren würde. Im Drogenrausch war noch mancher unberechenbar, auch wenn sie uns versicherte, dass er sie niemals geschlagen hatte.

Ich kochte einen Tee zur Beruhigung und forderte sie auf, sich ins Bett zu legen, ehe ich ihr die Tasse reichte.

„Danke Jungs.“, sagte sie lächelnd. „Im Kühlschrank hat’s noch Bier. Bedient euch!“

Dies liessen wir uns nicht zweimal sagen.

Das Sofa war eng, aber trotzdem konnten wir wieder lachen. Allerdings versuchten wir leise zu sein, um Marija nicht zu wecken, die ja nur knappe vier Meter entfernt den Schlaf der Gerechten schlief. Jetzt als das Adrenalin verflogen war, wurde mir bewusst, unter welch widrigen Umständen sie offenbar hauste. Klar, die Einrichtung war absolut zweckmässig, doch weitaus nicht vergleichbar mit dem übrigen Standard unseres Landes. Der Verputz bröckelte an einigen Stellen, Risse zogen sich durch die Wände, eine einsame Glühbirne baumelte von der Decke. Dafür waren die sanitären Einrichtungen sauber, auch von der Toilette hatte ich mich bereits überzeugt.

Auch Frowin Baumann schwelgte in Gedanken, als er sich über das Geländer seiner Terrasse beugte. Von seiner Dachwohnung oberhalb des Finca konnte er die gesamten Anlagen der Bundesbahnen überblicken.

Fast seine gesamte Jugendzeit hatte er auf dem Bahnhof verbracht. Zuerst als Sohn des Stationshalters, in der Wohnung im ersten Stockwerk des Bahnhofsgebäudes lebend, danach als Mitarbeiter im Rangierverkehr. Er konnte es immer noch nicht glauben, dass das emsige Treiben, das hier einst rund um die Uhr geherrscht hatte, so schnell der Vergangenheit angehörte. Er war nicht der einzige, der wohl der Eisenbahn sein Leben verdankt. In seinem Falle war es seine Mutter, welche es der Arbeit wegen nach Erstfeld verschlagen hatte, wo sie von ihrem künftigen Ehemann eingearbeitet wurde.

Die Eisenbahn war hier immer präsent gewesen, fast seine gesamte Klasse während der Schulzeit stammte aus Bähnlerfamilien. Dies sorgte auch für eine gute Durchmischung der Individuen, viele Einflüsse aus anderen Regionen taten der abgelegenen Welt Erstfelds sichtlich gut.

Der zweite Gedanke, der in seinem Kopf herumspukte, handelte von Marija. Tüchtig war sie ja, aber ihre Lebensumstände erwiesen sich nicht gerade als förderlich. Zwar bereute er, sie geschlagen zu haben, dennoch sah er es als notwendigen Hinweis, sich künftig zu benehmen.

Er war kein Wilbur Larch wie John Irving und Lasse Hallström ihn geschaffen hatten, dem die Schicksale seiner Schützlinge am Herzen lagen, er war ein Geschäftsmann, für ihn musste nur die Kasse stimmen – wenn man ihn denn mit einer Filmfigur vergleichen musste, kam wohl der von Michael Douglas dargestellte Gordon Gekko in Oliver Stones Wall Street der Wahrheit am nächsten. Klar, über Leichen würde er (noch) nicht gehen, dennoch war die Formel simpel: Kunden kamen nur bei positivem Image – und das sollte diese Kroatin langsam realisieren.

Wie der heutige Abend zeigte, schien sie nichts daraus gelernt zu haben.

„An was denkst du?“

Frowin drehte sich um, Dominik Hopfner stand im Türrahmen. Er hatte beinahe vergessen, diesen noch zu einem Bier eingeladen zu haben.

„Wie bist du reingekommen?“

„Die Tür war unverschlossen“, antwortete Hopfner und reichte Frowin eine Bierflasche und einen Flaschenöffner. Die zweite hatte er bereits geöffnet – er schien sich wortwörtlich wie zu Hause zu fühlen.

Baumann nahm die Flasche, öffnete den Deckel und genehmigte sich ein paar grosse Schlucke, sehr zum Amusement Hopfners.

„Strenger Tag gehabt, Frowin?“

Dieser lachte. „Jedenfalls nicht langweilig. Und bei dir?“

„Nur dass dieser Koch nicht arbeiten kann, der ist überfordert. Jetzt hatte er noch die Frechheit, sich für den offenen Posten des Küchenchefs zu bewerben.“ Hopfner lachte schallend und genehmigte sich einen Schluck.

„Wie wirst du ihn absägen?“

„Ich warte auf den geeigneten Moment!“

„Genau wie ich mit dieser Kroatin unten im Finca!“

Kapitel 5

Das Leben spielt oftmals die absurdesten Geschichten. Mariella liess sich durch Pasquales Süssholzgeraspel überreden, auch wenn es ihr missfiel, dass er offenbar auch Kontakt mit ihrer Freundin hatte.

Als Mariella ihre Augen aufschlug, wusste sie einen Moment lang nicht, wo sie war. Erst als ihr Blick auf den schlafenden, nackten Mann neben ihr fiel, realisierte sie, dass sie sich immer noch in Pasquales Schlafzimmer befand. Sie hatte zum ersten Mal gegen ihre Prinzipien verstossen: Nach dem Sex immer nach Hause gehen, keinesfalls bei den Typen übernachten.

Doch Pasquale schien eine gute Partie zu sein, das Schlafzimmer hatte er geschmackvoll eingerichtet. An das Wohnzimmer konnte sie sich nicht mehr erinnern, waren sie doch verdächtig schnell nach Betreten der Wohnung in seinem Bett verschwunden.

Ciao bella. Seine Worte klangen wie Musik in ihren Ohren.

Schnulzig wie Adriano Celentano, erotisch wie Francesco Totti.

Ihre Augen fanden Pasquales Wecker. Kurz nach halb zehn, stellte sie zufrieden fest, in knapp einer Stunde würde ihre Schicht im La Finca anfangen. Die notgeilen Säufer waren bestimmt schon da, um sie anzusabbern. Wie sie solch’ gierigen Blicke liebte, unbezahlbar.

Als erstes griff sie nach ihrem Handy und loggte sich bei Facebook ein. Der erste Eintrag fiel ihr ins Auge. Wütend umklammerte sie ihr Handy und fixierte das Bild, hochgeladen von Marija.

Ein Selfie von ihr mit mir, Marcel, Alexander – und was sie am meisten störte, Severin. Seit Jahren stand sie auf ihn und Marija wusste das. Diese hinterhältige Schlange wollte ihr nicht helfen, ihn auf sie aufmerksam zu machen und warf sich stattdessen an seinen Hals.

Wütend kramte Mariella ihre Kleider zusammen und tappte leise, um Pasquale nicht zu wecken.

Längst hatte sie die Schuhe ausgezogen, als sie durch die Strassen Erstfelds schritt. Glücklicherweise lebte Pasquale nicht weit von Leandra entfernt, ihrer besten Freundin.

Doch als sie an der Tür klingelte, war sie nicht da.

Genervt wühlte Mariella in ihrer Tasche und bestellte sie ein Taxi. Doch Erstfeld schien absolute Wildnis zu sein, denn das Taxi brauchte eine geschlagene Viertelstunde. Sie war fast schon erleichtert, als es mit quietschenden Reifen vor ihr hielt.

„Ach, schön sind sie auch schon da?“, keifte sie.

„Es gibt da etwas, das nennt sich Verkehrsregeln, falls sie das kennen“, konterte der Taxifahrer. „Wohin soll’s denn gehen?“

„Zum La Finca, bitte. Sofort!“

„Jetzt vögelst du auch noch Gisler?“, keifte Mariella in Marijas Gesicht, als diese zur Arbeit erschien und sich daran machte, die Biergläser des letzten Abends abzuwaschen. Mariella ihrerseits sass auf einem Hocker am Tresen, eine Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger eingeklemmt. Der Rauch kringelte sich der Decke entgegen.

„Von was redest du?“ Mariella verstand die Welt nicht mehr. Am Morgen war sie aufgewacht; Marcel, Severin und ich waren noch dagewesen. Alexander liess ausrichten, dass er bereits gefahren war, da er auch wieder arbeiten musste.

Nachdem sie uns drei kurzerhand aus der Wohnung geworfen hatte, natürlich nicht ohne uns dreifach versichert zu haben, dass es ihr gut gehen würde. Am hartnäckigsten war wohl ich gewesen, der sie nicht gehen lassen wollte.

Ich liess mich dann mit dem Versprechen abspeisen, dass ich nach meiner Arbeit gerne einen Abstecher zum Finca machen dürfte, um klar sicherzugehen, dass es Marija gut gehen würde.

„Ich hab euer Selfie gesehen. Du, Severin, Marcel und Alessandro!“, verächtlich blies Mariella den Rauch in Marijas Gesicht. „Du wusstest, dass ich ihn liebe und du hast mich verraten, du miese Hure!“

„Ach wenn du ihn so liebst, warum bist du dann mit diesem Macho gestern Porsche gefahren?“, schlug Marija zurück.

Der Konter sass. Mariella funkelte sie wütend an.

„Das wirst du noch bitter bereuen, Mäuschen!“

Marija ignorierte die Kampfansage und machte sich an die Arbeit. Nahm Bestellungen auf, goss Bier in die Gläser und ignorierte die lärmenden Kinder der Eigentümerfamilie, Frowin Baumanns Enkel. Die Schule war wohl schon wieder zu Ende. Mariella schrie irgendwas zu ihnen, ehe sie sich wieder ihren Verehrern an der Bar widmete. Tagtäglich sassen die da, von Arbeit nicht die Spur. Sie waren treue Kunden, man durfte sie nicht verärgern, denn Stammkunden waren Baumanns wichtigste Klienten. Doch Marija fand es eklig, wie sie sich an ihr oder Mariella ergötzten.

„Eine Stange bitte!“, rief einer. Marija konnte sich sogar an seinen Namen erinnern. Herbert Zwyssig. Einer der Dauerfrustrierten, die offenbar keinen Sinn mehr im Leben sahen.

„Kommt sofort!“, gab Marija zurück. Sie hielt das Glas unter den Zapfhahn und betätigte diesen. Langsam floss der Gerstensaft ein, sie war darauf bedacht, dass sich möglichst wenig Schaum bildete.

„Marija, geht das nicht schneller. Er hat Durst!“, keifte Mariella dazwischen. Natürlich fläzte sie sich noch auf ihrem Hocker, als Marija augenverdrehend an ihr vorbeischritt, um dem durstigen Herrn sein Bier zu reichen.

„Das macht dann fünf Franken!“, entgegnete sie und Zwyssig knallte ihr die Münze in die offene Handfläche.

„Für dich, Schätzchen!“

„Danke schön!“ Die anzügliche Bemerkung ignorierte sie.

Sie wollte gerade Mariella bitten, ein wenig für sie einzuspringen, damit sie eine kurze Pause machen konnte, da wurde die Tür des Finca geöffnet und João trat ein. João, der verheiratete Portugiese, der eigentlich bei der Arbeit sein sollte.

Mariella sprang von ihrem Hocker und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

„Um diese Zeit schon hier?“, säuselte sie.

„Nun ja, habe kurz Pause. Amaliá sollte nicht bemerken, dass ich hier bin!“

Amaliá war Joãos eifersüchtige Ehefrau, welche seine ausserehelichen Aktivitäten ahnte, aber ihnen noch nicht auf die Schliche gekommen war.

„Sehr gut!“, strahlte Mariella. „Dann komm doch bitte mit!“

Sie nahm in bei der Hand und zog ihn zur Treppe ins Untergeschoss, wo sich die Toiletten befanden.

„Noch eins bitte!“, ertönte Zwyssigs Stimme. Marija runzelte die Stirn. War der etwa Alkoholiker?

Auch wenn es erst später Vormittag war, einige Liter Bier waren schon Herbert Zwyssigs Kehle runtergeflossen. Deswegen war auch sein Gang nicht mehr allzu stabil, als er gegen halb elf von seinem Stuhl im Finca aufstand, um nach Hause zu gehen.

Nach Hause zu seiner bettlägerigen Frau Marlies. Den ganzen Tag lag sie im Bett, angeschlossen an mobile Dialysegeräte, die ihnen vom Kantonsspital in Altdorf zur Verfügung gestellt wurden, damit Marlies wenigstens zu Hause gepflegt werden konnte.

Die paar morgendlichen Stunden im Finca waren die einzigen Momente am Tag, wo er diesem Elend entfliehen konnte. Doch konnte er den Kopf kaum lüften, deswegen gönnte er sich die eine oder andere Stange Bier, wenn auch seine Freunde zwischendurch auf Wasser oder einen Espresso umstiegen. Gut, Kaffee mochte er nicht.

Er schloss seine Wohnungstür auf, etwas länger als üblich, hatte der Alkohol doch negative Auswirkungen auf seine Feinmotorik. Seine Tochter Claudia kam ihm entgegen. Da sie auf ihrer Arbeit als Krankenschwester meistens Spätschicht hatte, erklärte sie sich jeweils bereit, am Vormittag ihre pflegebedürftige Mutter zu betreuen, um ihren Vater zu entlasten.

„Wie geht es ihr?“, erkundigte sich Herbert. Claudia rümpfte die Nase.

„Hast du wieder getrunken?“, stellte sie eine Gegenfrage. Als er betreten zu Boden sah, seufzte sie.

„Hör zu Papa, so geht das nicht weiter. Du schadest deiner Gesundheit!“

„Ich brauche das, ich kann es sonst nicht ertragen, Marlies so leiden zu sehen!“

„Wir müssen uns überlegen, ob ein Pflegeheim vielleicht nicht die bessere Lösung wäre...“

„Nein!“, rief Herbert aus. „Das kommt nicht in Frage!“

Er schob Claudia beiseite, eilte ins Schlafzimmer seiner Frau. Fast schon leblos lag sie da, nur ihre Augen bewegten sich. Sie erkannte ihn, begann zu lächeln.

„Herbert!“, begrüsste sie ihn. Ihre Augen funkelten wie Edelsteine.

Er drehte den Kopf zu seiner Tochter, welche ihm gefolgt war.

„Marlies kommt in kein Pflegeheim!“

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