Kitabı oku: «Apple intern», sayfa 3
Montag, 30. Juni 2014, Cork, Hollyhill
Da ist er also, mein erster Arbeitstag. Ich bin aufgeregt. Bald werde ich offiziell Teil der großen Apple-Familie sein.
Bernadette und ich treffen uns um 8.45 Uhr vor dem imposanten Firmeneingang in Hollyhill. Wie es sich für Mädchen geziemt, begrüßen wir einander mit einem Küsschen links und einem Küsschen rechts. Gemeinsam betreten wir durch die gläserne Drehtür eine weitläufige Halle mit einem Empfang und Schranken in der Mitte. Ich war schon einmal hier, mit Sweetheart und den Kindern, nur um an meinem ersten Arbeitstag auch bestimmt herzufinden und nicht womöglich in Cork herumzuirren und gleich einmal unpünktlich zu sein.
An der Rezeption hat sich bereits eine Schlange mit Neulingen gebildet. Wir stellen uns hinten an. »Ich habe gehört, dass sie heute die Fotos für unsere Ausweise machen«, flüstere ich Bernadette zu.
»Wirklich?«, sagt sie. »Wir bekommen Ausweise mit Fotos? Woher weißt du das?«
»Vor Kurzem hat einer ganz stolz seinen Ausweis auf Facebook gepostet. Ein weißes Rechteck, in der Mitte das Apple-Logo in Farbe, darunter der Name und das Foto. Sieht toll aus.«
Ich zücke mein iPhone 3GS. Es ist ein wenig veraltet, funktioniert aber noch tadellos. Sweetheart hatte es mir 2009 geschenkt, kurz nachdem es in Österreich auf den Markt kam.
Ich öffne die Facebook-App und suche Marco Martinelli. Da wir befreundet sind, kann ich seine Posts sehen. »Komisch, ich finde das Foto nicht mehr«, murmle ich, während ich suche. Mittlerweile bin ich bei Postings aus dem Jahr 2012. Das Foto von dem Ausweis ist definitiv weg.
»Wir haben dann ja bald unseren eigenen Ausweis«, sagt Bernadette.
Wir rücken in der Schlange recht flott vor, kommen bei den beiden Damen, die sich um die Neulinge kümmern, gleichzeitig dran. Ich lege den Zettel mit dem Apple-Logo vor, der bestätigt, dass ich auch wirklich heute anfangen darf, und eine Kopie meines Reisepasses.
Dummerweise hat die Dame am Wiener Passamt meinen vollen akademischen Titel vor meinen Namen geschrieben, weshalb dort bei Nachname MAG.RER.SOC.OEC.KICKL steht. Außerhalb Österreichs führt das laufend zu Nachfragen, doch die nette Apple-Dame lässt sich davon nicht irritieren. Dankenswerterweise glaubt sie mir auch so, dass ich einfach Daniela Kickl bin. »Sie bekommen einen provisorischen Ausweis, der Sie berechtigt, die Schranken hinter der Rezeption zu durchqueren«, sagt sie.
Es dauert noch ein bisschen. Bernadettes Betreuerin scheint schneller gewesen zu sein, denn Bernadette sitzt bereits in einem der bequemen Ledersofas vor dem bemerkenswerten Wasserfall, der beschaulich von knapp unter der Decke herunterplätschert. Die Halle scheint mir endlos hoch zu sein, zehn Meter sind das bestimmt, schätze ich.
Als ich auch meinen provisorischen Ausweis habe, will ich mich gerade zu Bernadette setzen, als uns eine junge Frau in verständlichem Englisch begrüßt. »Herzlich willkommen bei Apple«, sagt sie. »Ihr wisst, dass wir nur die Besten der Besten nehmen. Jetzt beginnt unsere große, gemeinsame Reise. Wir freuen uns, euch ab heute zur Apple-Familie zählen zu dürfen. Bitte folgt mir.«
Bernadette und ich schnappen unsere Taschen und folgen ihr, gemeinsam mit den 102 anderen Neulingen. Diese Zahl, 104 Neulinge insgesamt, verriet mir die nette Dame von der HR-Abteilung, als ich sie vergangene Woche noch einmal wegen der genauen Uhrzeit meines Arbeitsbeginns anrief.
Die Schranken öffnen sich und wir treten ein. Zum allerersten Mal in meinem Leben bin ich richtig und wahrhaftig drinnen in den geheiligten Hallen. Jetzt gehöre ich dazu. Meine Nervosität paart sich mit einem Hochgefühl.
Nach den Schranken biegen Bernadette und ich mit dem Schwarm rechts ab und laufen durch lange Gänge, über Stiegen hinauf und hinunter und wieder durch lange Gänge. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir unser Ziel. Wir stehen immer noch in einem Gang herum, wissen jetzt aber, dass es nicht weitergeht. Um die Ecke sei das Fotostudio, heißt es schließlich.
Noch steht der Schwarm ziemlich gedrängt, aber auch diesmal funktioniert alles zügig. Es hätte mich auch gewundert, wenn Apple die Ankunft der Neulinge nicht perfekt organisiert hätte.
Nach und nach sehen wir unsere künftigen Kollegen im Fotostudio verschwinden und wieder herauskommen, mit strahlenden Gesichtern, aber noch immer ohne Ausweis. »Ich dachte, wir bekommen heute schon die Ausweise«, sage ich zu der jungen Frau, die uns hergebracht hat.
»Heute machen wir nur die Fotos«, antwortet sie. »Auf den Ausweisen müssen wir noch ein paar Zugangs- und Sicherheitscodes anbringen.« Sie hält uns ihren Ausweis hin, der an einem Band um ihren Hals hängt. »So sieht er dann aus.«
Der Ausweis sieht genauso aus wie der von Marco Martinelli, den ich auf Facebook gesehen hatte. Oben ein blauer Apfel, dann der Name, Kerstin in diesem Fall, und das Foto. »Ist der Apfel immer blau?«, fragt Bernadette.
»Er kann unterschiedliche Farben haben«, sagt Kerstin. »Das ist völlig unabhängig vom Geschlecht, wie ihr seht.« Sie lacht fröhlich. »Ihr könnt euch die Farbe auch nicht aussuchen. Ihr bekommt euren Ausweis im Laufe des ersten Trainings. Ich wünsche euch schon jetzt viel Freude damit.«
Nach weiteren zehn Minuten ist Bernadette an der Reihe. Die Tür zum Fotostudio ist offen. Ich schleiche mich unauffällig heran, um das Geschehen zu beobachten.
Bernadette nimmt auf einem gut ausgeleuchteten Hocker Platz und es blitzt mehrmals. Ich eile sicherheitshalber zur nächstgelegenen Toilette, um letzte Korrekturen an meinen Haaren und meinem Gesicht vorzunehmen. Immerhin geht es um das Foto für meinen Apple-Ausweis. Da will ich gut aussehen.
Am Ende der Fotosession folgen wir den Pfeilen, die offensichtlich extra für uns Neulinge da sind. Ich bin dankbar dafür, denn das Gebäude ist riesig. Ich würde ohne Rückfragen vermutlich nie wieder den Ausgang finden.
Die Pfeile führen uns in eine Halle, die sonst offenbar sportlichen Aktivitäten dient. Darin befinden sich ein Rednerpult, Reihen von Klappstühlen links und rechts eines Mittelganges sowie ein Buffet neben der Tür. Auf jedem Platz, der noch nicht belegt ist, liegt eine Schachtel mit dem Apple-Logo darauf.
Als Bernadette und ich in der dritten Reihe Platz nehmen, öffne ich neugierig meine. Ganz oben liegt eine weiße Karte mit runden Ecken. Die Schrift ist in dem gleichen Grau gehalten wie die Box selbst. Ich lese den Text.
There’s work and there’s your life’s work.
The kind of work that has your fingerprints all over it. The kind of work that you’d never compromise on. That you’d sacrifice a weekend for. You can do that kind of work at Apple. People don’t come here to play it safe. They come here to swim in the deep end.
They want their work to add up to something. Something big. Something that couldn’t happen anywhere else.
Welcome to Apple.
Es gibt Arbeit und es gibt dein Lebenswerk. Die Art von Arbeit, die ihre Fingerabdrücke überall hinterlässt. Die Art von Arbeit, für die du keine Kompromisse eingehst. Für die du ein Wochenende opfern würdest. Genau diese Art von Arbeit kannst du bei Apple tun. Niemand kommt hierher, um auf Nummer sicher zu gehen. Alle kommen, um am tiefen Ende des Pools zu schwimmen. Sie wollen mit ihrer Arbeit einen Beitrag leisten. Zu etwas Großem. Zu etwas, das nirgendwo sonst passieren könnte. Willkommen bei Apple.
Ich fühle mich erkannt. Genau das ist es, warum ich hier bin. Ich möchte Teil von etwas Besonderem sein. Teil von etwas, das es nicht überall, sondern nur hier gibt. Ich habe es geschafft. Jetzt bin ich wirklich angekommen.
Ich nehme die Karte aus der Schachtel und lege sie behutsam auf den freien Platz neben mir. Ich will sie unter keinen Umständen verbiegen oder gar verschmutzen.
Unter der Karte befindet sich ein graues T-Shirt mit dem Apple-Logo in Brusthöhe. Aufdruck: Class of 2014. »Ist das nicht süß?«, sage ich zu Bernadette, die ebenfalls gerade ihr T-Shirt auspackt.
»Ja, voll!«
Bernadette ist so begeistert wie ich. Sie hält ihr T-Shirt an die Brust und zeigt auf den letzten Inhalt der Schachtel. »Schau mal, da ist noch etwas.«
In jeder Schachtel befinden sich zehn Kuverts und Grußkarten mit Apple-Logo. Sie sind in Folie eingeschweißt. Tell the world, steht auf einem Band, das rundherum gewickelt ist.
Erzähl es der Welt.
Die Grußkarten sind im gleichen Grau wie das T-Shirt und die Schrift auf der Karte gehalten. And yes, I do get a friends and family discount, steht außen auf den Karten.
Nett.
Auf der grauen Rückseite der Karte sitzt mittig, nicht allzu groß, das weiße Apple-Logo. Der angebissene Apfel.
Das Beste sind die weißen Kuverts. Sie haben als Absender Apple. Aber nicht die Adresse der Europa-Zentrale hier in Irland, sondern die richtige, echte amerikanische Adresse. Die geheiligte Adresse aller Apple-Jünger.
Apple
1 Infinite Loop
Cupertino, CA 95014
»Zehn Karten, das reicht für meine besten Freunde und meine Familie«, sagt Bernadette. »Die verschicke ich gleich heute.«
»Ich verschicke gar nichts«, sagte ich. »Das sind historische Dokumente, die behalte ich.«
Langsam aber sicher füllt sich die Halle. Das aufgeregte Geschnatter in verschiedenen Sprachen löst in mir genau das aus, was ich erwartet hatte: ein absolutes Wohlgefühl. Ich bin wie erwartet in einem dynamischen, internationalen Umfeld gelandet.
Rund um das Rednerpult versammeln sich einige Menschen. Ein Mann tippt auf einem MacBook herum, ein anderer stapelt Kuverts auf einem Tisch daneben, eine Frau scheint uns gerade zu zählen. »Test, eins, zwei, drei«, sagt der mit dem MacBook ins Mikrofon. Es wird augenblicklich still.
»Ich heiße euch alle ganz herzlich willkommen«, sagt er. »Ihr habt es geschafft. Heute ist euer erster Arbeitstag. Willkommen bei Apple.«
Nicht alle Iren klingen gleich. Die Dialekte sind unterschiedlich. Ich habe mich schon gefragt, warum uns unsere Englischlehrer mit der korrekten Aussprache des »th« gequält haben, wo sie doch zum Beispiel in Dublin nur »dis« und »det« sagen. Da läuft nichts mit Zunge an die oberen Schneidezähne drücken.
Viele Iren im Norden sprechen ein beinahe britisches Englisch, doch hier im Süden ist es anders. Cork sieht sich selbst als einzig wahre Hauptstadt Irlands und ist schon deshalb selbstbewusst in Sachen Sprachfärbung. Hier ziehen sie zum Beispiel alle Vokale in die Länge. Das gibt es dann Frauen wie »Maaaaaaaary« und »Fiooooooooona«, die Monate »Aaaaaaaaaapril« und »Octoooooooooober«.
Für meine Ohren klingt das Englisch hier wie steirisch. Ja, das wird es sein. County Cork ist linguistisch betrachtet die Steiermark Irlands. Die tiefste Steiermark. Deshalb verstehe ich die echten Einheimischen so schlecht. Ganz abgesehen davon, dass hier alle mindestens eine Oktave höher sprechen. Vor allem die Frauen.
Doch der Kollege am Rednerpult klingt relativ normal. Kein schönes, britisches Englisches, aber auch kein corkisches Steirisch-Englisch. »Mein Name ist Declan und ich bin von der HR-Abteilung«, sagt er. »Zuallererst muss ich euch darauf aufmerksam machen, dass Fotografieren sowie Video- und Tonaufzeichnungen hier absolut verboten sind. Wer dagegen verstößt, riskiert seinen Job. Sorry, aber ich muss das so deutlich aussprechen.«
Declan drückt auf dem MacBook herum, worauf hinter ihm der schöne angebissene Apfel auf der großen Leinwand erscheint. »Wir wollen den heutigen Tag mit administrativen Informationen und Notwendigkeiten verbringen«, sagt er. »Zunächst möchte ich euch gerne die Benefits vorstellen. Also alle Vergünstigungen und Vorteile, die ihr als Apple-Mitarbeiter von uns bekommt.«
Auf der Leinwand erscheint ein Link, der zu einer Seite der HR-Abteilung im Apple-Intranet führt. Wie jedes größere Unternehmen hat auch Apple ein eigenes Intranet. Dabei handelt es sich um ein internes, nur Mitarbeitern zugängliches Informationssystem, das sich anfühlt und zu bedienen ist wie das Internet selbst.
Ich bin mit Block und Kugelschreiber ausgerüstet. Den Link notiere ich mir. Benefits sind wichtig. Ich erwarte hier neben Herausforderung und vermutlich sogar Lebenssinn auch Spaß, aber ich gehe trotzdem nicht nur deshalb arbeiten.
Unter dem Link sind die Benefits angeführt, die ich ebenfalls notiere. Private Krankenversicherung und teilweise bezahlter Krankenstand, Lebensversicherung, Fitnesscenter hier in Hollyhill, Prämie für die Vermittlung neuer Kollegen und die schon auf der Karte genannten Rabatte auf Apple-Produkte für Freunde, Familie und den Eigenbedarf.
Vermutlich wussten alle hier schon vor der Abreise aus ihren Heimatländern, dass Irlands Sozialsystem nicht so ausgeprägt ist wie etwa jenes in Österreich oder Deutschland. Dafür werden wir hier auch viel weniger Steuern bezahlen. Zumindest auf unsere Einkommen, denn der Mehrwertsteuersatz liegt mit 23 Prozent ziemlich hoch. Das irische Gesundheitssystem ist kostenpflichtig, weshalb ich es gut finde, dass uns Apple eine private Kranken- und Lebensversicherung bezahlt. Auch wenn die offenbar nur einen Teil anfallender Arzt- oder Krankenhauskosten abdeckt, ist sie besser als nichts.
Declan erklärt uns, dass wir auch im Falle von Krankheit oder Unfall bezahlt werden. Aber erst, wenn wir die sechs Monate Probezeit hinter uns haben und nur dann, wenn wir nicht zu viele incidents, also Vorfälle, ansammeln. Ganz genau verstehe ich dieses System mit den incidents nicht. Mir ist nicht ganz klar, was incidents sind, und ich bin froh, dass Bernadette genauso ratlos dreinschaut.
Die Zeit des bezahlten Krankenstands ist limitiert. Auf 26 Wochen innerhalb von zwei Jahren. Gemeint sind aber nicht Kalenderjahre, vielmehr beginnt das Zählen mit dem ersten Krankenstandstag.
Declan berichtet uns ausführlich von dem Fitnesscenter, das wir für einen Mitgliedsbeitrag von acht Euro monatlich unlimitiert nützen dürfen. Dazu passend erscheinen Bilder von Trainingsgeräten und Turnklassen auf der Leinwand.
Ebenso ausführlich erklärt er uns, wo wir die Begünstigten unserer Lebensversicherungen im Intranet eintragen können. Im Fall der Fälle bekommen die Eingetragenen das vierfache Jahresgehalt ausbezahlt. Auch hier schreibe ich wieder genau mit. Bei nächster Gelegenheit werde ich Sweetheart eintragen. Sicher ist sicher.
Wer jemanden kennt, der auch gerne bei Apple arbeiten möchte, der kann dessen Lebenslauf an das employee referral senden. Hat sich der Kandidat oder die Kandidatin noch nicht selbst beworben und wird er oder sie tatsächlich genommen, winken dem fleißigen Apple-Empfehler 800 Euro Prämie. Bernadette findet die Chance auf einen Nebenverdienst gut. »Kein schlechtes Kopfgeld«, sagt sie.
Das Rabattsystem für die Appleprodukte interessiert mich besonders. Ich mag mein iPhone 3GS wirklich, aber ein neues wäre mir lieber. Declan, der diesen Vortrag offenbar nicht zum ersten Mal hält, weiß ganz genau, an welchen Stellen die neuen Mitarbeiter besonders gut aufpassen. Wohl deshalb nennt er auch die Einschränkungen des Rabattsystems genau. Frühestens nach neunzig Tagen Firmenzugehörigkeit können wir Rabatte in Anspruch nehmen.
Wer ein Produkt für seinen Eigenbedarf vergünstigt einkauft, darf es auch wirklich nur selbst verwenden. Erst nach einem Jahr darf er es verkaufen. Der Rabatt für Freunde und Familie ist auf zehn Produkte pro Jahr limitiert. Auch diese Geräte dürfen die Bezieher erst nach einem Jahr weiterverkaufen. Alle drei Jahre können wir ein Produkt mit besonderer Vergünstigung kaufen. Declan betont, dass die Regeln für einen Weiterverkauf selbstverständlich auch hier gelten. Die genauen Rabattsätze dafür sind ebenfalls im Intranet zu finden. Auch diesen Link notiere ich.
»Fürs Erste ist das genug an Information«, sagt Declan. »Ich schlage vor, wir machen eine kleine Pause und in einer halben Stunde geht es weiter.« Er deutet auf die Tische an der Wand. »Das Buffet ist eröffnet«, sagt er.
Es gibt warme Hauptspeisen und süße Nachspeisen, Softdrinks und Kaffee. Bernadette macht es wie ich und nimmt sich von jeder Hauptspeise eine kleine Portion. Unsere Teller werden randvoll dabei. Wir bringen unsere Beute zurück zu unseren Plätzen, denn im Sitzen isst es sich bequemer als im Stehen. Das Essen ist gut. Ein wenig fad vielleicht, aber gut.
»Ist doch nett, dass wir sogar etwas zu essen bekommen«, sage ich zu Bernadette. »Sieht ganz so aus, als freuen die sich wirklich über uns.«
»Ja, die schleimen sich richtig ein«, antwortet sie mit kleiner Verzögerung, weil sie gerade beim Kauen war. Sie gehört zu der Sorte Mensch, die zuerst runterschlucken und erst danach antworten. Sehr sympathisch.
Ich sehe auf die Uhr. Wir haben noch zehn Minuten Pause. Zeit genug, um uns eine Nachspeise und Kaffee zu holen. Die Qualität des Kaffees ist auch hier irisch und mit der österreichischen nicht zu vergleichen.
Auf der Leinwand ändert sich das Bild von »Break« auf »Taxes and Citizen Informations«. Wir nehmen uns Kaffee und Eclair mit zu unseren Plätzen und hören uns an, was Declan weiter zu sagen hat.
Jeder, der in Irland arbeitet, braucht demnach eine PPS-Nummer, die Personal Public Service Number. Der Staat verurteilt alle, die keine haben, zur Zahlung der sogenannten emergency tax in Höhe von 40 Prozent auf das Gehalt.
Das ist der Grund, warum nicht nur ich, sondern auch alle anderen morgen frei haben. Damit wir zur social welfare gehen und unsere PPS-Nummer beantragen können. Außerdem brauchen wir ein Konto in Irland, um unser Gehalt beziehen zu können. Apple überweist uns nichts auf ausländische Konten. Wer hier noch keines hat, muss das auch morgen regeln.
Ich habe bereits beides, sowohl die PPS-Nummer als auch ein Konto. Auch Sweetheart und die Kinder haben schon ihre PPS-Nummern. Ich kann also den freien Tag morgen in Ruhe genießen und meine ersten Eindrücke verarbeiten.
Die meisten meiner Kollegen scheinen ihre Übersiedlung auf die Insel weniger akribisch vorbereitet zu haben. Sie sehen einander rat- und planlos an und versuchen herauszufinden, wo das Gebäude der social welfare zu finden sein könnte.
Declan ist auch darauf vorbereitet. Auf der Leinwand stehen Adresse und Öffnungszeiten des Amtes sowie die gleichen Informationen für einige Banken, die sich über neue Kunden freuen.
Schließlich nimmt Declan ein Kuvert nach dem anderen von dem Stapel am Tisch neben seinem Pult und ruft uns in alphabetischer Reihenfolge zu sich. In den Kuverts befinden sich alle notwendigen Formulare. Die anderen Neulinge müssen sie nur noch ausfüllen und zum Amt bringen.
Bei dieser Gelegenheit höre ich etwas, das mich seither in Irland verfolgt: die falsche Aussprache meines Nachnamens. Der Nachname Kickl ist nun wirklich nicht schwer auszusprechen, auch nicht im englischen Sprachraum. Doch gut geht das immer nur dann, wenn die Iren meinen Namen in Blockbuchstaben lesen. Andernfalls interpretieren sie das »l« am Schluss als »i«. So kommt es, dass mich Declan als »Daniela Kicki« aufruft. Ich verzichte auf eine Korrektur, weil sich meine Kollegen köstlich über meinen vermeintlichen Namen amüsieren. Wenn ich zur Erheiterung beitragen kann, soll es mir recht sein.
»Die social welfare weiß, dass wir ab heute 104 neue Mitarbeiter haben«, sagt Declan. »Die haben deshalb morgen auch am Nachmittag offen, nur für Apple. Damit keiner von euch emergency tax zahlen muss.«
Ich bin beeindruckt. Hier richtet sich sogar ein Amt nach Apple.
»Wir teilen euch jetzt euren Trainingsgruppen zu«, sagt Declan und deutet auf den sesselfreien Teil der Halle hinter uns, wo jetzt mehrere Menschen auf uns warten. »Das sind eure provisorischen Manager. Erkundigt euch bitte, zu welchem Trainings-Team ihr gehört und versammelt euch dort. Ich wünsche euch das Allerbeste und nochmals: Willkommen bei Apple!«
Bernadette und ich bringen unsere Eclair-Teller und unsere Kaffeebecher zurück, dann machen wir uns auf die Suche nach unserem Manager. Wir entdecken Kerstin, die uns zuvor bei der Rezeption abgeholt hat. »Kannst du uns helfen?«, fragen wir sie.
Kerstin zückt ihr Klemmbrett und fragt nach unseren Namen. Wir stehen auf ihrer Liste. Sie ist selbst unsere provisorische Managerin. Ich finde das gut. Sie ist nett.
Langsam aber sicher finden sich auch die anderen aus unserem Team ein. Zwanzig sind wir insgesamt. »Folgt mir bitte, ich zeige Euch die wichtigsten Teile des Gebäudes«, sagt Kerstin.
Wir verlassen die Sporthalle durch den Hintereingang und kommen an dem vielgepriesenen Fitnesscenter vorbei. Sieht wirklich sehr ordentlich aus, finde ich, zumindest soweit ich es durch die Glastür sehen kann. Hinein können wir nicht. Der Zutritt ist nur jenen möglich, die schon ihren Monatsbeitrag entrichtet haben.
Wir gehen weiter und gelangen in den ersten Stock. Unser Weg führt uns durch die Kantine, die einen sauberen und angenehmen Eindruck macht. Von dort geht es zurück ins Erdgeschoss.
Kerstin zeigt uns einen zweiten Eingang. Er liegt hier am anderen Ende des Gebäudes und eignet sich besser für uns, weil er näher an unseren Trainingsräumen liegt. Auch hier gibt es eine Rezeption mit Sicherheitspersonal, wenngleich alles nicht so groß und imposant ist. Ich präge ihn mir ein, um künftig gleich hier in der Nähe zu parken.
Es geht weiter durch einen schier endlosen Gang, an dessen Ende eine weitere, viel kleinere Kantine liegt. Sie hat eine Terrasse, auf die wir jetzt treten. Der Bretterboden hier ist rustikal braun, ebenso wie die hölzernen Tische und Bänke. Alles ist sehr gemütlich.
Hinter der Terrasse stehen zahllose weiße Container. Sie erinnern mich an Frachtcontainer für Transportschiffe, nur sind sie sauberer. Kerstin führt uns über drei hölzerne Stufen von der Terrasse zum ersten Container. »Das ist in den kommenden drei Wochen euer Arbeitsplatz«, sagt sie. »Herzlich willkommen.«
Im Inneren des Containers ist es stickig und heiß, obwohl alle Fenster offen sind. An der Wand gegenüber der Tür, etwa drei Meter entfernt, befindet sich der Arbeitsplatz des Trainers, ausgestattet mit einem iMac und einem Festnetztelefon. An der Stirnseite links neben der Tür strahlt ein »Welcome to Apple« von einer Leinwand. An der anderen Stirnseite sowie an den Seitenwänden stehen kleine Tische nebeneinander. Auf jedem Tisch steht ein iMac. Davor liegen ein Block, drei Kugelschreiber und ein Namensschild. »Sucht bitte erstmal eure Plätze«, sagt Kerstin.
Bernadette hat ihren Platz in meiner Nähe, nur zwei Kollegen sitzen zwischen uns. Die Drehstühle sind hübsch und auch bequem, bloß ist alles furchtbar eng. Ich könnte hier mit meinen Nachbarn links und rechts Händchenhalten und müsste noch nicht einmal meine Arme dafür ausstrecken.
»Wir würden gerne nebeneinandersitzen«, sage ich, und deute auf Bernadette.
Wir sind uns einig, dass unsere neue Freundschaft der Gesamtstimmung guttun würde. Außerdem könnte ich Bernadette, die technisch nicht so versiert ist, eine wertvolle Stütze sein.
Kerstin schüttelt den Kopf. »Das geht nicht«, sagt sie.
»Warum nicht?«, frage ich.
Kerstin signalisiert mit ihrem Gesichtsausdruck, dass derartige Fragen unüblich sind. Sie wirkt genervt und antwortet knapp. »Wir teilen das ein. Das ist hier so. Wir denken uns etwas bei den Dingen, die wir tun. Deshalb könnt ihr die Plätze nicht tauschen. Macht das Sinn?«
Ich wüsste gerne, was genau sie sich bei der Platzzuweisung gedacht haben, zumal sie uns dabei ja noch nicht kannten, lasse es aber bleiben.
Nachdem wir jetzt alle wissen, wo wir uns am Mittwoch um 9 Uhr einzufinden haben, dürfen wir für heute nach Hause gehen. Bernadette und ich verlassen den Container gemeinsam, um sicherzustellen, dass wir auch wirklich den Ausgang aus dem Gebäude finden.
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